Blick über den Tellerrand – Folge 4

Wir schauen mal wieder unter den Tellerrand. Dort sehen wir Kellerkinder auf der Schattenseite und einen angestaubten Bericht vom letzten Wochenende.

Wo es schlecht läuft: Queens Park Rangers

Übliche Grundformation von QPR

Nachdem die Queens Park Rangers in der vergangenen Saison am letzten Spieltag nur knapp dem Abstieg entronnen waren, nahmen die malaysischen Besitzer des Vereins in diesem Sommer durchaus einiges an Geld in die Hand, um für insgesamt gut 25 Millionen Euro neue Spieler (M´Bia, Granero, Park, Hoilett) zu verpflichten – dazu gesellten sich auch einige klangvolle ablösefreie Namen, wie die beiden CL-Gewinner Julio Cesar und José Bosingwa.

Allerdings läuft es unter Trainer Mark Hughes, der das Team im Januar übernahm und anschließend mit guter Bilanz den Abstieg noch verhinderte, in der aktuellen Saison alles andere als erwünscht – in den ersten 10 Liga-Spielen gab es keinen einzigen Sieg, so dass sich QPR auf dem vorletzten Platz wiederfindet.

Bei dem Team aus dem Westen Londons fällt auf, dass sie fast immer mit zwei Stürmern agieren, von denen mindestens einer ein schneller und beweglicher Spielertyp ist. Weil die Angreifer zwar primär in hohen Zonen agieren, aber dennoch auch in den Zehnerraum zurückweichen und dort mit den einrückenden Flügelspielern zu kombinieren versuchen, ist die Aufstellung mit einer Doppelspitze an sich nicht das Problem.

Vielmehr ist die Unterstützung der vier offensiven Spieler durch ihre Kollegen nicht unbedingt ideal. Gerade die eigentlich durchaus offensivstarken Außenverteidiger gehen nur sehr selten nach vorne und auch die beiden Sechser rücken nur eingeschränkt mit auf. Dadurch gehen den Offensivspielern Optionen ab und sie können nicht die nötige Durchschlagskraft entwickeln – beim 1:1 im Abstiegsduell gegen Reading wurden nur 8 ihrer 26 Schussversuche aus dem Strafraum abgegeben, wobei die Hälfte jener Versuche noch aus Standardsituationen resultierte.

Während die Offensivspieler also durchaus beweglich agieren, gibt es in der restlichen Formation relativ wenige Verschiebungen, weshalb der jeweilige Gegner ohne große Anpassungen QPR effektiv pressen und sie hinten festnageln kann, was sich aber durch die Spielstärke Graneros nicht dermaßen auswirkt. Doch auch insgesamt ist das recht schematische Auftreten der Mannschaft ein Problem, weil dies für schwache Staffelung und ungünstige Linien zwischen den Akteuren sorgt. Besonders interessant war in diesem Zusammenhang Cissés Ausgleichstreffer gegen Reading: Zunächst einmal wurde er nur dadurch ermöglicht, dass Bosingwa und Diakité in jener Szene besser mit aufgerückt waren. Dennoch wäre – nach Flanke von Ersterem – der Treffer angesichts der zu plump auf einer Linie stehenden Offensivabteilung, welche somit nur die Flanke als Option ließ, normalerweise nicht gefallen. Doch weil Cissés Gegenspieler ausrutschte und dabei auch noch die Kollegen behinderte, konnte der Franzose einnetzen. Dass viele Gegentore für QPR ausgerechnet durch schlechte Grundorganisation, gerade bei Standards, fallen, ist vor diesem Hintergrund etwas verwunderlich.

Die weitere Entwicklung des Teams darf durchaus gespannt beobachtet werden: Trotz der Probleme hinsichtlich konsequentem Aufrücken, offensiver Effektivität und Einfallsreichtum aus der Formation heraus scheint die Mannschaft etwas zu negativ bei den Ergebnissen weggekommen und nicht so schlecht zu sein, wie es der Tabellenplatz aussagt.

Wo es schlecht läuft II: Espanyol Barcelona

Im Grundsatz sind die Probleme von Espanyol Barcelona den Schwierigkeiten der Queens Park Rangers durchaus ähnlich, denn auch bei ihnen fehlt es grundlegend an einer Form von Kompaktheit zwischen meistens drei bis vier Offensiven und der Defensive. Zwar attackieren die Angriffsspieler in der Pressingarbeit durchaus engagiert in hohen Zonen, rücken aber bei weiterem Vorrücken des gegnerischen Spielzugs nicht mit nach hinten (allenfalls tut dies noch Wakaso), sondern lassen ihre sechs Defensivspieler arbeiten, was für diese eine Herausforderung darstellt und mit zum Gegentoreschnitt von fast 2 beiträgt.

Zunächst verteidigt Espanyol nur mit sechs Spielern, dann hilft Wakaso von hinten, doch durch das Loch zu den restlichen Offensivakteuren kann die Kompaktheit nicht gehalten werden.

Auch im Angriffsspiel rücken gelegentlich der wendige Verdú sowie insbesondere der wie eine zweite Spitze spielende Außenspieler Sergio Garcia hoch zum ebenfalls nah an der Abseitslinie agierenden Stürmer Longo auf. Dagegen gehen besonders die Sechser und teilweise auch die Außenverteidiger nur gelegentlich mit nach vorne. Ebenso wie die Queens Park Rangers versuchen die Offensivspieler, sich in den Offensivräumen zwecks Zusammenspiel nah aneinander zu positionieren, agieren darüber hinaus aber zudem enorm beweglich und schaffen immer neue Anordnungen.

Die sehr hohe Stellung der Offensivreihe, welche den Mittelfeldspielern dahinter das Spiel etwas erschwert.

Das Problem ist, dass diese Bewegungen teilweise schon ausarten und durch diese Übertreibung der Dosierung ihre Wirkung verlieren sowie kaum mehr abgestimmt sind. Dies führt teilweise dazu, dass die Akteure manchmal Bewegungen um ihrer selbst und nicht um einen wirklichen Zweck willen ausführen oder dass sie sich als Gruppe in toten, geschlossenen Räumen anstatt in nur leicht entfernten viel günstigeren Bereichen freilaufen.

In dieser Szene ist die Raumaufteilung und Formierung der Spieler zwar sehr linksseitig, aber besser und weniger extrem geteilt als in anderen Szenen. Dennoch wird aus dem großen Freiraum in der Mitte nicht genügend Kapital geschlagen.

Am Wochenende konnte sich die Mannschaft von Mauricio Pochettino mit einem knappen Auswärtssieg bei Real Sociedad vom vorletzten Platz lösen, doch war dies ein glücklicher Erfolg, der erst kurz vor Ende mit dem erst zweiten Schuss auf das Tor in Folge einer Standardsituation errungen werden konnte. Auch in dieser Partie blieben die Schwierigkeiten für Espanyol im Grundsatz somit bestehen, wenngleich vier Spiele ohne Niederlage eine aufsteigende Tendenz beweisen.

Also muss man fairerweise anmerken, dass Espanyol schon viele starke Gegner hatte und dass diese Mannschaft nicht mit der erfolgreichen letzten Saison verglichen werden kann, da eine ganze Reihe an schmerzhaften Abgängen für komplett andere (Bewetungs-)Voraussetzungen gesorgt haben.  Neben den qualitativ wertvollen Romaric und Didac mussten auch die ebenfalls ausgeliehenen, enorm prägenden Coutinho und Weiss den Verein wieder verlassen. Derartige wendige, kombinations- und dribbelstarke Spieler haben das in der letzten Saison nicht unähnlich gespielte System damals funktionstüchtig gemacht, finden sich nun aber nicht mehr im Kader. Dass die Konzentration auf überladende Kombinationsangriffe unter anderen Vorrausetzungen auch nach hinten losgehen kann, sah man angedeutet bereits in der vergangenen und endgültig nun in der aktuellen Saison. Trotz der jüngsten drei Punkte wären Espanyol und Pochettino wohl gut beraten, ihre taktische Ausrichtung etwas zu entschärfen und an die etwas klareren, geradlinigeren und ausgeglicheneren Spielertypen anzupassen. Weltuntergangsstimmung ist auch bei Espanyol keineswegs vorhanden oder nötig.

Spiel der Woche: Feyenoord – Ajax 2:2

Feyenoord-Ajax: 1. Halbzeit

Eigentlich ist es das Spiel der letzten Woche, doch verzichten wollen wir auf den „Klassieker“ des niederländischen Fußballs zwischen den ewigen Rivalen aus Rotterdam und Amsterdam – Letztere nach ihrem CL-Sieg über Manchester City als Favoriten angereist – natürlich nicht.

Über weite Phasen der Begegnung und vor allem in der ersten Halbzeit war es ein klassisches Duell zwischen Ajax´ ballbesitzorientiertem Kombinationsspiel durch die Mitte und schnellen Konteraktionen Feyenoords über die Flügel. Dabei fiel dem Übergangsspiel der Gäste in die Angriffszone zentrale Bedeutung darüber zu, welche Strategie erfolgreicher war, weil Ajax in Person von den beiden Innenverteidigern, von Poulsen oder von einem zurückfallenden Achter immer wieder anspruchsvolle Vertikalpässe hinter das Mittelfeld der Hausherren versuchte – diese Pässe konnten sowohl in die eine als auch in die andere Richtung sofort für sehr gute Torchancen sorgen. Entweder kam Ajax im Raum vor der gegnerischen Abwehr frei, so dass der erneut als Falsche Neun spielende Eriksen zusammen mit den engen Flügelspielern und einem Mittelfeldkollegen kombinativ überladen konnte (0:1 durch Eriksen, Großchance durch Sana). Oder das Zuspiel blieb in der Mittelfeldkette Feyenoords hängen und führte zu einem schnellen Konter – der robuste Mittelstürmer Pellè zeigte eine überragende Leistung als Wandspieler, zog Ajax´ Innenverteidiger heraus und ermöglichte immer wieder Lochpässe auf die schnellen Außenstürmer, welche – teilweise durch Zocken – in den Rücken der zu angriffslustigen Außenverteidiger der Gäste kamen (1:1 durch den starken A-Jugendlichen Boetius nach Vorarbeit von Verhoek oder dessen Chance kurze Zeit später).

Die zweite Halbzeit stellte sich anders dar, weil Ajax kurz nach Wiederbeginn durch eine Standardsituation erneut in Führung ging. Daher übernahm mit zunehmender Spieldauer Feyenoord verstärkt die Kontrolle, während Ajax sich zurückzog – spätestens nach der Gelb-roten Karten für Moisander (75.) drückte Feyenoord in seiner Schlussoffensive auf den Ausgleich, der schließlich durch eine Klasse-Aktion von Pellè in letzter Minute auch gelang. Letztlich ein unglückliches Ende für Ajax, aber insgesamt gesehen dennoch ein leistungsgerechtes Unentschieden.

An diesem Wochenende gab es allerdings für beide Mannschaften einen herben Rückschlag – Feyenoord unterlag deutlich bei Tabellenführer Twente, während Ajax mit seiner vielleicht schlechtesten Saisonleistung im Verfolger-Duell mit Vitesse die erste Niederlage kassierte und nun schon weit hinter der Spitze ist. Wird die große Aufholjagd auch zum dritten Mal in Folge gelingen?

Und sonst so? Statistiken und Kurioses

Nicht nur in der traditionell durchaus ausgeglichenen Bundesliga fällt aktuell die enorme Leistungsdichte und die sehr enge Tabellenlage auf. Die sechs Punkte Abstand, welche in Deutschlands Eliteliga zwischen dem 5. (Dortmund) und dem 15. (Düsseldorf) liegen, umschließen auch in den vier anderen großen europäischen Ligen eine große Spanne an Tabellenrängen. So liegen sechs Punkte in Italien zwischen Rang 7 (Catania) und Rang 17 (Genua), in Frankreich zwischen Rang 5 (Valenciennes) und Rang 16 (Nizza), in Spanien zwischen dem 6. (Betis) und dem 17. (Real Sociedad) und in England ebenfalls zwischen Platz 6 (Arsenal) und Platz 17 (Aston Villa). Überall wird also die Hälfte der Mannschaften nur durch sechs Punkte voneinander getrennt. Zwar ist es noch früh in der Saison, doch deuten diese Daten auch auf eine weiterhin enge und spannende Lage in den Top-Ligen hin. Und dies ist wohl ein weiteres Indiz auch für ein verbessertes taktisches Niveau, so wie man in den letzten 2-4 Jahren einen enormen Taktik-Sprung im Weltfußball erkennen konnte.

Ein großer Dank geht noch an laola1.tv, die uns freundlicherweise das verwendete Bildmaterial zur Verfügung stellen.

Ben4 10. November 2012 um 22:38

super artikel. aber könntet ihr auch einmal in eurem blick über den Tellerrand den FC Basel rein nehmen

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laterookie58 6. November 2012 um 18:25

@ TR : mir unverständlich, warum niemand sonst hier gepostet hat… Auf der einen Seite CL und EL mit verfolgen und sonst die ganze Herrlichkeit und Vielfalt unseres europäischen Fußballs nicht bemerken/ ignorieren? Schade; dem Nicht- Lesenden entgeht die Detail- Präzision Deiner „unter dem Tellerrand“- Betrachtungen in breiter Betrachtung!!!! Man muß schon Fußball, Taktik und das Schreiben darüber sehr mögen, nicht wahr, TR ? Tolle Betrachtungen! Herzlichen Dank für Deine Zeit dafür!!! laterookie58

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King_Cesc 7. November 2012 um 14:27

natürlich sind die blick über den tellerrand artikel interessant, aber ich hab leider kein einziges spiel der mannschaften gesehen und kann mich deswegen nicht über sie äussern…

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