Eintracht Frankfurt – Borussia Dortmund 3:3
Der Meister und der Topaufsteiger zwischen Risiko, Breite und einem Duell der Fluiditäten.
Das spektakuläre 3:3 zwischen dem Überraschungsteam Frankfurt und Meister Dortmund ging durch verschiedene Phasen und bestand aus mehreren spannenden Taktikduellen. Nachdem Eintracht in Halbzeit eins mit mäßigem Erfolg versuchte, Dortmunds flexibles Aufbauspiel mit defensiver Fluidität zu kontern, stellte man in Hälfte zwei auf riskanteres Spiel um und konnte so den Rückstand drehen und die Borussia phasenweise dominieren.
Beim BVB startete wieder Leitner in der 4-2-3-1-Formation neben Kehl, während Götze für Blaszczykowski auf der Bank blieb. Das brachte etwas mehr Ausgewogenheit und Sicherheit auf rechts, von wo wieder das Spiel hauptsächlich aufgebaut wurde. Kehl kippte recht viel in den Raum hinter Piszczek ab, was ein prägendes Element war.
Frankfurt blieb sich ebenfalls treu und nutzte das variable 4-4-2-System, welches in der Ausführung eher als 4-1-3-1-1 beschrieben werden kann. Rode rückte offensiv wie defensiv viel nach vorne, während Meier zurückfiel. Inui spielte wie üblich wesentlich zentraler als der breit agierende Aigner. Die Außenverteidiger hielten sich zumindest phasenweise aber etwas stärker zurück als das zuletzt der Fall war.
Abkippende und ausrückende Sechser
Das dominante Element der ersten Halbzeit waren die beidseitig sehr fluiden Bewegungen im Spielfeldzentrum. So bewegten sich Leitner und Kehl viel quer und nach hinten, um Räume zu finden, aus denen in Ruhe der Ball nach vorne gespielt werden konnte. Dieser Ansatz kann momentan ohnehin als wichtigste Dortmunder Strategie im Aufbauspiel gesehen werden, da so immer wieder Pressingstrategien des Gegners intuitiv zerbrochen werden können. Beispielsweise schaffte Gündogan gegen Leverkusen immer wieder Überzahl zu den beiden Stürmern des gegnerischen 4-4-2-Systems, was die Basis der Dortmunder Dominanz in diesem Spiel gewesen war.
Eintracht Frankfurt konnte eine eingespielte Strategie dagegensetzen, da ihr System im Pressing auf eine gestaffelte Aufgabenverteilung baut. Rode rückt attackierend gegen die gegnerischen Sechser heraus, während Schwegler stets den eigenen Sechserraum absichert. Meier, der versetzt vor Rode spielt, bewegt sich sehr viel und kann flexibel vorne Druck machen, oder in den Mittelfeldräumen aushelfen. In dieser Grundstruktur kann Frankfurt verschiedene Muster annehmen – ähnlich wie die Nürnberger, die mit einer vergleichbaren Aufteilung Dortmund einige Schwierigkeiten bereiteten.
Hoffer blieb währenddessen auf halbrechts etwas höher, wodurch Hummels wieder oft zugestellt war und das Spiel auf Dortmunds rechte Seite um Subotic herum geleitet wurde, der in Hälfte eins fast vier Mal so viele Pässe anbrachte wie Hummels. Dort entstand ein überaus interessantes und sehr vielgesichtiges Raumduell zwischen Dortmunds Aufbau- und Frankfurts Pressingabteilung.
Die Eintracht konnte dabei in vielen Szenen gute Raumaufteilungen herstellen, um dieDortmunder Bewegungen zu kontern. Die von den fluiden Bewegungen geöffneten Räume im Mittelfeld wurden oft geschickt über zugestellte Passwege verteidigt und Dortmund hatte es nicht leicht, höher liegende Zonen zu erschließen.
Raumaufteilung ja, Zugriff nein
Allerdings hatten Kehl und Leitner keine Probleme damit, das Spiel zu dominieren. Sie verhielten sich in den halbrechten Räumen sehr aufmerksam und geschickt, hielten sich die Passwege zu den Innenverteidigern und dem rechten Flügel offen, weshalb Frankfurt kaum dazu kam, das gegnerische Aufbauspiel in schwierige, leicht zu pressende Situationen zu leiten.
Teilweise als Resultat dieses Dortmunder Geschicks, teilweise aber auch als Opfer des eigenen Ansatzes gelang es Frankfurt daher kaum, wirklich Zugriff auf den Gegner zu bekommen. Es schien, dass sie so sehr auf ihre Raumaufteilung fixiert waren, dass sie die Gelegenheiten verpassten, sich innerhalb der Räume auf den Gegner zu stürzen und wirklich Druck zu machen.
Somit bestand Frankfurts Defensive hauptsächlich aus Absicherung und Entschleunigung des Dormunder Spiels bei gleichzeitigem Warten auf Fehler. Das erschwerte den Gästen, Momentum aufzubauen und hochwertige Chancen herauszukombinieren. Aber da die leichten Fehler nicht kamen, war Frankfurts passive Strategie letztlich nicht erfolgreich und vereinzelt konnte der BVB mit seine individuellen Klasse durchbrechen.
Symptomatisch für diese Dynamik war der zweite Dortmunder Treffer: Reus hatte wenig Einfluss auf das Spiel, da die Wege in die (wegen Rode) oft geöffneten Halbräume, meist gut versperrt wurden. Als Dortmund dann aber einmal durchbrach, konnte Reus aus solch einem Raum heraus ungestört seine Schussstärke entfalten und sofort fiel das Tor. Der 0:2-Halbzeitstand war daher durchaus verdient.
Der 1. FC Nürnberg umging diesen „einschläfernden“ Effekt der eigenen Defensivfluidität übrigens damit, dass in bestimmten Räumen und Konstellationen Manndeckungen gespielt wurden. Das öffnete zwar etwas öfter freie Räume und Passwege, aber verursachte wesentlich mehr Stress bei Dortmund, sobald sie ins Mittelfeld spielen wollten.
Frankfurt erzockt den Ausgleich
Nach der Halbzeit begann Frankfurt, höher und gleichzeitig auch ein bisschen inkonsequenter zu verteidigen. Die vorderen fünf Spieler rückten stärker auf und weniger konsequent zurück, nachdem sie überspielt wurden. Das war ein Risiko, brachte sie aber in bessere Positionen für Gegenstöße. Wie in der Grafik zu sehen war dies mitentscheidend beim Anschlusstreffer.
Bei Dortmund fehlte es dabei dann punktuell an der bewussten Nutzung der neuen Abstände beim Gegner. In mehreren vielversprechenden Situationen suchten sie etwas zu früh den Ball in die Spitze. Außerdem konnten sie nun von den höher stehenden Eintracht-Stürmern einige Male zum langen Ball gedrängt werden, die nicht in aller Konsequenz gegengepresst wurden. Daher bekam Frankfurt mehr Spielanteile und das defensive Risiko zahlte sich aus. Von dieser Basis aus konnten sie nun auch viel öfter ihre eigenen Stärken einbringen.
Die Konsequenz in der Breite
Die in der bisherigen Saison so glänzende Offensive war nämlich in Hälfte eins kaum zu sehen. Neben der Dortmunder Balldominanz, die für recht wenige Frankfurter Aufbausituationen sorgte, fehlte es dabei auch an der bekannten Konsequenz.
Das Passspiel innerhalb der Verteidigung war zu langsam, weshalb Dortmund genug Zeit hatte, sich auf das Auffächern der Viererkette einzustellen: Reus rückte neben Lewandowski, Kehl rückte etwas gegen Schwegler auf, wodurch Dortmund ohne großen Aufwand eine stabile Raumaufteilung erreichte und schon leicht zum ballnahen Flügel verschieben konnte, bevor Frankfurt ins Mittelfeld spielte. Das eröffnende Passspiel von Zambrano und Anderson war dann außerdem zu risikolos und die Eintracht wurde behäbig, vorhersehbar und strahlte kaum Gefahr aus.
Nach der Pause verbesserten sich die Hausherren. Besonders in der Mitte der zweiten Halbzeit, um das 3:3 herum, zog Frankfurt das Tempo an und spielte die Breite des Feldes wesentlich konsequenter aus. Sie ließen nicht mehr zu, dass Dortmund auf die Außenverteidiger schieben konnte, sondern verlagerten schneller innerhalb der Verteidigung, spielten riskanter ins Mittelfeld und nutzen vereinzelt weite Flankenwechsel. Die Außenverteidiger agierten dabei auch etwas aggressiver als zuvor und riskierten oft, ihre Gegenspieler frühzeitig spekulativ zu überlaufen.
Dadurch hielt Frankfurt den Ball länger, was auch die Defensive entlastete. Über die Flügel ging es dann immer öfter auch ins letzte Drittel, woraus bei zwei Stürmern automatisch Gefahr resultierte. Zwar gab es gegen die im Zentrum kompakten Dortmunder nicht viele konstruktiv durchgezogene Spielzüge, aber die Präsenz in der Spitze brachte letztlich über eine Standardsituation das 3:3.
Defensivbreite oder Kontermöglichkeiten
Dortmund erlebte nicht nur bezüglich des Spielverlaufs ein kleines Revival des 4:4-Wahnsinnsspiels gegen Stuttgart. Auch taktisch befanden sie sich in einer ähnlichen Zwickmühle. Stuttgart spielte mit ähnlich aggressiven Außenverteidigern wie die Frankfurter und aus diesem Grund wurde das Spiel gegen die kompakten Dortmunder ähnlich wechselhaft.
Dortmunds 4-4-2- bzw. 4-2-3-1-Grundordnung hat die Kompaktheit als oberstes Gebot und wird recht eng interpretiert; die Zentrale soll zugenagelt werden und die Verbindungen der Spieler aufrechterhalten, um bei Balleroberung Passmöglichkeiten zu haben. Gegen aggressives, breites Spiel fehlt dann teilweise etwas die defensive Breite, um sofort Zugriff zu haben. Marseille und Schalke nutzten diese Anfälligkeit wohl am konsequentesten aus.
Der Vorteil ist, dass der riskant aufgerückte Gegner bei Balleroberung leicht ausgekontert werden kann. Dieser Punkt kann aber natürlich nur dann greifen, wenn es Balleroberungen gibt. Wenn der Gegner seine offensive Breite so gut ausspielt, dass Dortmund keinen Zugriff bekommt, dann gerät die BVB-Defensive ins Wanken. So war es auch phasenweise gegen Frankfurt.
In der Endphase erhöhte Dortmund aber noch mal das Pressingtempo, wodurch sich die „Reichweite“ und damit die effektive Breite des Systems erhöhte und der BVB wieder öfter Zugriff fand. Auch die Einwechslung von Kevin Großkreutz, der teilweise herausragend gut presste, spielte mit hinein.
So kamen die Borussen nach guten Balleroberungen noch zu ein paar sehr hochwertigen Konterszenen, in denen sie das riskante Frankfurter Spiel hätten bestrafen können. Sie spielten jene Gelegenheiten aber – wie damals gegen Stuttgart – schlecht aus. Der Spielstand blieb beim 3:3 und Frankfurts Risiko hatte sich ausgezahlt.
Fazit
Der BVB hat momentan mit Kleinigkeiten und starken Gegnerleistungen zu kämpfen. Bei nur einer Hand voll zugelassener Konter fingen sie sich drei Kontergegentore in zwei Spielen ein, da die Gegner ihre Gegenstöße herausragend ausspielten. Diese Sauberkeit im offensiven Umschalten geht der Borussia momentan ab, die Feinabstimmung in den Strafraum hinein wird noch vermisst – ein Problem, welches sich aber ohnehin durch die Ära Klopp zieht, gerade in Führung liegend oder in den Endphasen der Spiele.
Zudem ist es meiner Meinung nach fragwürdig, ob das enge, zentral ausgerichtete Pressing gegen riskante und flügellastige Angriffe beibehalten werden sollte. Zumindest in Führung liegend wäre eine Ausweichvariante – beispielsweise ein 4-5-1 – möglicherweise wertvoll. Besonders dann, wenn die Kontergelegenheiten sich nicht nur reduzieren, sondern auch noch schwach ausgespielt werden.
Armin Vehs Eintracht demonstrierte sich in diesem Spiel selbst, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Der Versuch eines zurückhaltenderen, weniger riskanten Ansatzes scheiterte in der ersten Halbzeit recht deutlich und konnte unter hohem Risiko in der zweiten Halbzeit noch erfolgreich kompensiert werden. Dass der Punkt trotz einer weniger guten Halbzeit verdient ist, zeigt das hohe Potential, welches die Eintracht momentan besitzt.
18 Kommentare Alle anzeigen
Jx 28. September 2012 um 14:44
„Frankfurt erzockt den Ausgleich“ – spätenstens bei der Überschrift weiß man, dass MR den Artikel geschrieben hat! 😀
MR 28. September 2012 um 16:24
Freut mich, wenn ich erkannt werde. 😉 Aber so interessehalber, wieso genau? (So spontan würd ich dem Kollegen RM zum Beispiel so eine Überschrift auch bequem zutrauen. 🙂 )
Zizou 28. September 2012 um 14:35
erst einmal vielen Dank für das ausführliche erklären Ralph.
Es geht mir in erster Linie nicht darum Schmelzer schlecht zu kritisieren. Ich persönlich halte sehr viel von diesem Spieler. Nur finde ich es dann sehr schade das ein Spieler mit solchen Qualitäten letztendlich wie du das beschrieben hast alleine gelassen wird. ( Jetzt im Bezug auf den Verstoß das ihn hinten niemand ersetzt). Ich denke eine Analyse der heutigen Aufgabe und Rolle des AV wäre eine sehr schöne Sache insbesondere vielleicht auch einfach mal Spieler miteinander zu vergleichen. Natürlich spielen Spielsysteme auch eine sehr große Rolle nur verstehe ich nicht warum derlei Fehler ( wie jetzt das zurückrücken von Perisic oder Götze) nicht von Klopp konsequent bestraft werden schließlich trifft hier nicht die Schuld Schmelzer.
Ich habe mich auch nicht auf das Deutschland Spiel bezogen. Im Nachhinein denke ich nur das ein AV der defensive Qualtitäten hat nicht auch noch offensiv den Volldrang haben muss. Natürlich ist hinterlaufen mMn ein taktisches Grundprinzip was so ziemlich jede Mannschaft macht, aber was hab ich denn dann für einen Spieler ? Jemand der gleichzeitig Mittelfeld und Verteidigung spielt? ( mal ganz abgesehen von der grandiosen Konditionsleistung die jeder AV jedes spielt bringt). Ich denke es ist schwierig hier einen Mittelweg zu finden.
Nun mein erster Spielvergleichvorschlag Dani Alves vs. Philipp Lahm 😉
Marddin36 28. September 2012 um 19:46
Is dann ja wohl eher ein Vergleich eines AV mit einem Flügelstürmer 😉
Aber die Idee find ich gut, die unterschiedlichen Typen, auch Typ Schmelzer bzw Badstuber, der mMn als AV weniger fürs Spiel macht als wenn er IV spielt (aus Trotz?)
Zizou 28. September 2012 um 11:44
Ein sehr schöner Artikel vorweg und ein ganz großes Lob and den Autor 😉
Ich habel leider meistens nur die Tor gesehen da ich KOnferenz geschaut habe. Letztendlich ( wer auch LIGA Total hat) wurde gegen Ende hin fast nur noch dieses Spiel gezeigt was ich auch sehr gut fand.
An sich habe ich das Gefühl, dass Dortmund immer noch nicht diese Abgeklärtheit hat wie die Bayern. Wenn ich in einem Spiel 2:0 führe dann muss ich verwalten. Ich weiß das wird jetzt nicht jedem von euch gefalen aber ich begründe das so: Bei einer aufstrebenden offensiv spielenden Mannschaften wie Eintracht kann durch Standards und sonstige glückliche Aktionen noch ein Anschlusstor fallen. Daher der Gedanke der Verwaltung.
HInzukommt einfach mal wieder die Leistung Schmelzers. Ich kann nicht verstehen warum ein solcher Spieler in der Nationalmannschaft ist. Ich weiß er hat letzte Saison teilweise grandios gespielt und das will ich auch nicht bestreiten nur: Warum ist dieser Spieler so aus der Form ? Hat Klopp im Vergleich zur letzten Saison das Spielsystem so stark verändert das er nicht seine Rolle ausfüllen kann ? Und warum setzt Jogi Löw auf solch einen Spieler, gibt es keine Alternativen ?
MR 28. September 2012 um 12:36
Ich denke nicht, dass Schmelzer ein schwaches Spiel gemacht hat. Ich glaube, dass er als Spieler ganz falsch gesehen wird. Ich werde wohl bei der nächsten Gelegenheit mal einen Artikel darüber schreiben.
Zizou 28. September 2012 um 13:37
Ich weiß nicht ob du diesen Artikel geschrieben hast da ging es auch um Schmelzer denke ich… da führte er glaube ich die Fehlpassquote an. Ich gehe mal davon aus das in es sich hierbei um ein allgemein eher schwaches Spiel der Dortmunder geht.
Ralph 28. September 2012 um 14:07
Ein Artikel dazu würde mich sehr interessieren, da ich auch denke, dass Schmelzer falsch gesehen wird. Dass die Gegentore zuletzt häufig über Dortmunds linke Abwehrseite gefallen sind, liegt nicht (ausschließlich) an Schmelzer.
Schmelzer ist ein Spieler, der in erster Linie defensiv gute Qualitäten mit sich bringt und es vor allem versteht, einen Spieler zuzustellen und den Weg zur Grundlinie dicht zu machen.
Zudem verhält er sich taktisch meist sehr gut und hält sich optimal an die Vorgaben. Wenn er defensiv gefordert ist, bleibt er hinten, wenn er nach vorne Platz hat, nutzt er diesen. Er hat ein sehr gutes Gespür dafür, wann er sich vorne mit einschalten kann und wann es vll. mit zu viel Risiko verbunden ist. Ich kann mich bspw. adhoc auch an kein Spiel erinnern, wo Schmelzer das Abseits aufhebt, da rückt er immer super mit raus, da hab ich schon ganz andere AVs gesehen.
Dass es zuletzt teilweise so wirkt, als sei er wortwörtlich nicht auf der Höhe des Geschehens liegt eben vielmehr an der taktischen Ausrichtung des BVBs bei Ballbesitz des Gegners als an Schmelzers mangelnder Qualität – Stichwort defensive Breite.
Zudem ist er für einen Außenverteidiger extrem kopfballstark und robust, büßt aber nichts an Schnelligkeit ein.
Und er macht auch gut Betrieb nach vorne und findet hier ein ausgewogenes Maß zwischen Defensive und Offensive, im Stadion kann man immer sehr gut sehen, dass er sich auch im Angriff mit seinem Stellungsspiel sehr klug verhält und jederzeit in der Lage ist, im Angriff mitzuwirken, aber auch nach hinten keine zu große Lücke lässt.
Zuguterletzt ist er extrem ausdauernd, obwohl er im Spiel 90 Minuten lang die Linie rauf und runter geht, ich erinnere mal an seinen Vollsprint in der Nachspielzeit vor 2 Jahren in Paris. Unglaublich!
So viel mal zu seinen Vorzügen. Wir brauchen nicht darüber diskutieren, dass er nach vorne vll. nicht der Kreativste ist und seine Flanken aus dem Spiel heraus (seine Standards sind sehr solide und haben schon öfter zu Toren geführt!) häufiger auch mal unpräzise sind. Er ist nach vorne eben kein Pische, aber das muss er auch nicht sein, solange er im Mannschaftsgefüge seinen Part erfüllt.
Natürlich offenbart er auch mal nach hinten Schwächen, gerade wenn er dann ins direkte 1gegen1 kommt, aber welcher Verteidiger kommt da nicht in Bedrängnis? Wenn zB Kuba + Pische über rechts mal wieder einen Gegner schwindelig spielen, dann heißt es immer das sensationelle Polen-Duo und keiner meckert über die Außen des Gegners. Soll heißen, mann muss dann auch einfach mal die Qualitäten des Gegners anerkennen. Zumal ein direktes 1gegen1 Duell aus meiner Sicht auch immer erst zustande kommt, weil sich vorher ganz andere Spieler falsch verhalten haben.
Bei den Spielen in Hamburg und Frankfurt lag es in erster Linie an Perisic und auch Götze, die nicht abgesichert haben bzw. sich taktisch teilweise mangelhaft verhalten. Aber auch an Reus, der noch nicht so gut presst wie bspw. ein Kagawa, wodurch der BVB nicht mehr so viele Ballverluste provoziert, und der Gegner das Spiel auch auf die Außen verlagern kann. Dann ist auffällig, dass die 6er nicht mehr so stark abkippen wie letzte Saison, so dass Außenspieler des Gegners allenfalls noch gedoppelt werden, ein Trippeln sieht man kaum mehr. Und Dortmund steht defensiv eben viel zu eng. Schmelzer steht taktisch bedingt immer gute Meter von seinem Gegenspieler entfernt, wenn Dortmund sich zusammenzieht, da kann er aber nichts für. Zudem kommen dann noch individuelle Formschwächen, gerade auch von Mats Hummels. Die beiden sind zusammen in Top-Form ein super Duo, aber momentan wirken sie wie Stuttgart-reloaded. Da stimmt die Abstimmung nicht. Beim ersten Tor des HSV stehen beide in der Mitte nicht gut, beim 3. Tor des HSV sind beide + eben der schwache 6er Kehl beteiligt, in Frankfurt beim 2. Tor kommt Hummels zur Hilfe, obwohl er besser in der Mitte geblieben wäre (wie schon gegen Bremen beim Tor von Selassie) und beim 3. Tor der Frankfurter verliert Schmelzer zwar das Kopfballduell, allerdings verliert Hummels als zugeteilter Spieler den Kontakt zu Anderson und vorher verhält sich abermals Götze schwach bei der kurzen Ecke.
Dass Schmelzer aber vor allem in Hamburg super oft links ganz frei stand aber den Ball nicht bekommen hat, wird von den kritikern kaum erwähnt. Dass Bremen in der BuLi über seine Seite nichts gerissen hat, ebenfalls nicht (weil alle immer auf dem Deutschlandspiel rumreiten bzw. auf Arnautovic). Und dass Schmelzer gegen Leverkusen top war, auch nicht.
Schmelzer ist zusammenfassend ein System-/Kollektivspieler, der am stärksten im Verbund mit Großkreutz ist. Hat er einen offensiveren Part vor sich, gibt es Probleme, aber eben, weil der offensive Spieler sich nicht gut verhält. Wenn dann die Doppel-Sechs nicht mit abkippt oder sehr offensiv ist und individuelle Formschwächen von Hummels dazukommen, gibt es eben Gegentore.
Dass momentan über links nicht viel geht, liegt eben an der Zwickmühle, in der Klopp sich momentan befindet. Schmelzer war noch nie der Kreativste und Großkreutz befindet sich offensiv gesehen in einem Loch. Seine letzte Torbeteiligung, ja sogar seine letzte wirklich gute Aktion nach vorne liegt weit zurück (vom pressing mal abgesehen). Dafür sind die beiden defensiv stabil, aber das Spiel ist somit natürlich sehr leicht ausrechenbar.
Bringt man dann jedoch Götze/Perisic oder Reus, offenbaren sich taktische Mängel dieser Offensivleute, wodurch Schmelzer dann defensiv schlecht aussieht.
Ich würde dennoch wieder Großkreutz bringen, da es mit ihm gegen auf dem Papier stärkere Gegner wie Leverkusen und Bremen auch zu Toren (5, also genauso viel wie gegen Frankfurt und Hamburg) und letztlich zu Siegen gelangt hat, bei nur einem Gegentor.
Ich denke, wenn ihr euch mal mit diesem Thema beschäftigt, wird das ganze noch geordneter/strukturierter sein, bin in jedem Fall gespannt.
MR 28. September 2012 um 14:25
Na toll, jetzt kann ich mir den Artikel sparen. 😀 Ich stimme dir da hunderprozentig zu in der Beschreibung seiner Stärken und Schwächen. Ich bezeichne Schmelzer gerne als „Taktikspieler“. Er verhält sich fast perfekt im Kollektiv, ist aber auch absolut auf das Kollektiv angewiesen.
Ich würde nur noch verschärfen, dass seine offensiven Schwächen durchaus ein großes Problem für den BVB darstellen. Aber wegen diesen Dingen wird er öffentlich ja kaum kritisiert – als er gegen Leverkusen fünf riesige Gelegenheiten für ungestörte Hereingabe hat und dabei keine einzige auch nur zu einem Torschuss führte (meine ich), kam er in die Kicker-Elf des Spieltages. Da kann er eher mit der Präsenz punkten, was ich nur teilweise richtig finde. Seine Effektivität in diesen Szenen ist nämlich wirklich (in den meisten Spielen der vergangenen 12 Monate) unter aller Sau, das muss man so klar sagen.
Thomas Bayer 28. September 2012 um 14:35
Ich habe nur die Zusammenfassung in der Sportschau gesehen. Kann es sein, dass Götze vor dem 3:3 Ausgleich nicht einmal versucht, die Flanke zu verhindern?
Kinglui 28. September 2012 um 17:18
Da der Name jetzt 1-2 mal gefallen ist: Götzes „Defensivleistung“ war eines größten Ärgernisse für mich im Spiel gegen die Eintracht. Aufgrund seiner, zugegebenermaßen sehr ansehnlichen, Offensivaktionen ist er in den Kritiken ja insgesamt äußerst gut wegekommen. Dabei wurde für meinen Geschmack viel zu sehr unter den Teppich gekehrt, dass er in Punkto defensiver Disziplin so ziemlich alles vermissen hat lassen. Ich kann mich an zahlreiche Situationen erinnern in denen er zusammen mit Lewandowski die vorderste Pressingreihe gebildet hat und derart pomadig richtig Gegenspieler getrottet ist, dass von einem zustellen der Passwege oder gar Druck auf den Gegner nicht die Rede sein konnte. Die Frankfurter konnten so völlig ohne Druck präzise Lange Bälle auf die startenden Inui, Aigner oder Meier spielen und unser Pressing ein ums andere mal problemlos umschiffen.
Das ärgerliche ist dabei, dass hier nur begrenzt taktische Schwächen zugrunde liegen, sondern vielmehr anscheinend ein Einstellungsproblem vorliegt. Reus zeigt sicher noch nicht dieses Geschick und Gespür welches einen Kagawa ausgezeichnet hat, gefiel mir bei seinem anlaufen der Gegenspieler oder beim zustellen der Passwege jedoch schon deutlich besser als Götze.
DonTioto 27. September 2012 um 21:48
Danke für den Bericht, wie immer gut!
Kurze Anmerkung: Ich finde man hat sehr gut gesehen, warum Occean so wichtig ist für die Eintracht. Er macht einfach ein aggressiveres und läuferisch besseres Pressing als Hoffer. Das wäre zum Beispiel beim ersten Gegentor, als Hummels ohne Gegenwehr den Pass nach rechts spielen konnte, sehr hilfreich gewesen. Außerdem kann er sehr gut die Bälle halten und dann wunderbar verteilen (hat man extrem gut gegen Hoffenheim gesehen). Hoffer hatte ja Schwierigkeiten bei jeder Ballannahme…
qwasi 27. September 2012 um 18:28
Danke. Alles richtig. Hinzu kommt, dass Leitner noch ein paar Gramm Robustheit zulegen sollte. Und warum kommt so wenig ueber links in letzte Zeit?
MR 28. September 2012 um 02:19
Habe ich im Artikel zum HSV-Spiel angeschnitten. Einige Mannschaften lassen bewusst die linke Seite auf oder stellen – wie hier – Hummels zu, weshalb Dortmund dann über rechts aufbaut. Bei dem Bild in der 5-4-1-Situation sieht man, was das Problem daran ist und wieso der BVB das ganz gut macht, dann über rechts aufzubauen. Optimalerweise soll dann im richtigen Moment nach links verlagert werden, was manchmal nicht funktioniert und manchmal an Schmelzers mangelnder Kreativität zerplatzt.
Fabian 27. September 2012 um 17:50
Sehr guter Artikel. Zudem habt ihr eine spannende Frage in den Raum geworfen, ob bei einer Führung nicht ein 4-5-1 Pressing besser ist im Vergleich zum häufig praktizierten 4-4-2.
Ich bin auch der Meinung, dass man in einer defensiven 4-5-1 Grundordnung dem Gegner Räume und Ballbesitz anbietet. Aber die Räume sind nicht sonderlich gefährlich und gleichzeitig kann man dafür die Flügel besser bearbeiten. Desweiteren hat man eine größere Breite und wenn der Gegner einen 6er für den Aufbau zwischen die IV fallen lässt, müssen diese noch breiter stehen, wodurch die Abwehr natürlich Konteranfällig wird. Bei schnellem Ballgewinn kann man in die Spitze spielen und der Mittelstürmer hat praktisch ein 1 gegen 1 mit einem 6er, wobei nicht alle 6er die besten IV sind.
AP 27. September 2012 um 17:43
ist das eine geile Analyse… Mein lieber Scholli…..
Marddin36 27. September 2012 um 16:55
Ließt sich wiedermal sehr gut. Ist gut beschrieben und das ohne auf den haarsträubenden Fehlern herum zu reiten, die es auf beiden Seiten gab.
Glaube dass mit Bender die Kontergegentore eher verhindert werden könnten, da dieser seine Rolle defensiver interpretiert als Leitner.
Alex 27. September 2012 um 17:15
Vorallem ist Bender meiner Meinung nach auch horizontaler als Leitner. Der Vorteil der Sechser beim BVB besteht ja darin, dass sie meistens mit auf die Außen rausgehen und dort mit den AV und RA/LA dann teilweise trippeln. Leitner ist eher vertikaler. Aber natürlich hast du auch Recht, dass Leitner offensiver ist. Eigentlich spielt er ja auch lieber 10er. Bender dagegen ist vollblutiger Abräumer