Newcastle United – Tottenham Hotspur 2:1

Das Topspiel des ersten Premier-League-Spieltags trugen das letztjährige Überraschungsteam aus Newcastle und die neuerdings von André Villas-Boas trainierten Tottenham Hotspur aus.

Die Grundformationen der beiden Teams

Starker Start für die Spurs

In der Anfangsphase machten die Gäste aus London, die nur wegen Chelseas Sieg im Finale der Champions League nicht in der Qualifikation für die Königsklasse antreten dürfen, bereits einen starken Eindruck und erspielten sich schnell ein Übergewicht. Auf den Flügeln agierten die für ihre Schnelligkeit bekannten Lennon und Bale recht eng, bewegten sich viel in den Halbräumen und unterstützten ihre Mannschaft somit im Zentrum.

Mit zwei passsicheren und sich gut anbietenden defensiven Mittelfeld-spielern konnte Tottenham das Mittelfeld folglich kontrollieren. Im Angriff wich Defoe als harter Arbeiter immer wieder auf die Flügel aus, um Räume in der Mitte zu schaffen und jene seitlichen Bereiche zu besetzen, die von Bale und Lennon bei ihren Ausflügen zur Mitte freigelassen wurden. Dort spielte auf der Zehn mit Sigurdsson ein weiterer spielstarker Mann, der in den engen zentralen Räumen gute Bewegungen zeigte, um seine Kollegen herum kreiste, um sie zu verbinden, und generell sich vielseitig anbot. Im Laufe des Spiels wurde der Isländer allerdings verstärkt durch den eingerückten Jonas eingekreist und schien ohnehin – vielleicht aufgrund einer Szene zu Beginn, als er angeschlagen war – nachzulassen.

In den ersten Minuten entstanden aufgrund der variablen und im Zentrum gut besetzten Spielanlage der Spurs jedenfalls zwei dicke Szenen für die Gäste, eine davon direkt durch angesprochenen Sigurdsson, doch nach der starken Anfangsphase für Tottenham fing sich Newcastle nach etwa einer Viertelstunde und konnte das Spiel offener gestalten.

Newcastle und die Enge

Der auffälligste Punkt bei den Hausherren war ihre enorm enge Spielanlage – nicht nur defensiv, wo sich das Mittelfeld aufgrund der hohen Stellung der beiden Stürmer wie üblich eng zusammenzog, sondern auch im eigenen Angriffsspiel. Hier agierten meistens alle vier Mittelfeldspieler, so dass es oftmals gar wirkte, als spiele Newcastle mit einer Mittelfeldraute oder in einem engen 4-3-3, wenn Ba aus dem Sturm etwas auf die linke Seite abkippte.

Nützlich war die enge Mittelfeldanordnung der Spieler besonders für den neuen Publikumsliebling an der Tyneside, Hatem Ben Arfa, der durch seine zentrale Stellung bereits in der Mitte oder den Halbräumen zu seinen berühmten Dribblings ansetzen konnte (und nicht erst vom Flügel den Weg zur Mitte suchen musste), die auch gegen mehrere Gegner erfolgreich waren und früh zwei Gelbe Karten provozierten. Vor ihm schufen die beiden Stürmer durch ausweichende Läufe Räume, hinter ihm sicherten die Mitspieler zentral ab und boten zudem eine nahe Anspielstation für den Notfall.

Ein weiterer interessanter Punkt bei Newcastle waren die Wechselwirkungen zwischen Tioté und dem nominellen linken Mittelfeldspieler Jonas. Letzterer bewegte sich immer wieder sehr nah zur Mitte und versuchte durch eine nahe Positionierung Ben Arfa zu helfen, während Tioté somit in den freien Raum nach links abkippen konnte. Ungeachtet dieser Fluidität war das Spiel Newcastles in der Offensive allerdings wenig kreativ – die Distanzen ins Angriffsdrittel wurden gegen das defensive 4-1-4-1 der Spurs meist nur über Ben Arfas Dribblings oder längere Pässe auf die beweglichen Stürmer überbrückt.

Allerdings lag dies auch an der Tatsache, dass die engen Spielanlagen auf beiden Seiten für ein besonders dichtes Zentrum sorgten, in welchem es immer wieder zu Fehlern und Ballverlusten kam. Aufgrund der sehr geringen Räume entstanden in eben jenen viele kleinere Duelle, Gegenpressing-Situationen und die angesprochenen Ballverluste. Daher änderte sich ständig die Spielrichtung, doch im Hinblick auf das Spiel als großes Ganzes hing die Partie ein wenig in der Enge des Raumes fest und pendelte sich insgesamt gesehen in einem ausgeglichenen Zustand ein, weil sich beide Teams grundsätzlich neutralisierten – auch wenn Newcastle spielerisch deutlich schwächer blieb und Tottenham die besseren Chancen hatte.

Ihre beste Möglichkeit war ein Pfostentreffer von Defoe, als es ihnen einmal gelang, sich aus dem festgefahrenen Zustand der Enge herauszuspielen und mit Tempo auf die gegnerische Abwehr zuzulaufen. Während das offensiv lange Zeit schwache Newcastle kaum zu solchen Szenen kam, hatte Tottenham aufgrund der besseren spielerischen Möglichkeiten einige solcher Gelegenheiten, nachdem man das gegnerische Mittelfeld überspielt hatte und anschließend die Abwehr Newcastles attackieren konnte. Diese zeigte aber einmal mehr ihre sehr starke Endverteidigung und konnte die häufig ineffektiven Durch- bzw. Ausbrüche der Spurs aus der Patt-Stellung im engen Zentrum entschärfen.

Tottenham mit leichten Balance-Problemen im Aufbau

Ein Mittel gegen das sehr enge und auch defensiv gelegentlich wie in einer Raute sehr ballorientiert verschiebende Mittelfeld der Hausherren lag für Tottenham auf den Flügeln. Am einfachsten war es, diese Zonen über den eigenen Spielaufbau von hinten heraus anzusteuern. Problematisch war allerdings, dass erstens Lennon und Bale etwas überraschend die Außenseiten nicht immer konsequent nutzten und zweitens die defensiv stärker werdenden Hausherren den Spurs das Aufbauspiel zunehmend erschwerten.

Nachdem die beiden ehemaligen Bundesliga-Angreifer Ba und Cissé mit Verlauf der ersten Halbzeit deutlich besser im Pressing agierten, bekamen die Innenverteidiger der Spurs ohne einen freien Mann Probleme beim Spielaufbau (insbesondere Gallas hatte einige Unsicherheiten), weshalb phasenweise einer der beiden Sechser zurückfiel und mit ihnen eine Dreierkette zwecks vereinfachtem Spielaufbau bildete.

Allerdings fehlte Tottenham die richtige Balance beim Zurückfallen der Mittelfeldspieler. So kam es vor, dass entweder zu wenig, also niemand, zurückfiel und die Innenverteidiger aufgrund ihrer Unsicherheit Schwierigkeiten bekamen oder dass zu viele Akteure auf einmal sich nach hinten bewegten – ein vorstoßender Innenverteidiger wie Neuzugang Jan Vertonghen statt Gallas hätte diese Balance verbessern können, blieb aber das komplette Spiel über draußen. Einmal waren es gar beide Sechser sowie Bale, die hinter den Ball bzw. auf Ballhöhe zurückfielen, was die Präsenz in der Offensive enorm verringerte.

Aufgrund dieser Probleme gab es einerseits wie andererseits zu wenig klare Szenen, in denen Tottenham den Ball ins Mittelfeld tragen, Newcastle zum Zusammenziehen zwingen und anschließend den Angriff kontrolliert auf die Außen verlagern konnte, um die Schnelligkeit der eigenen Flügel und das bekannt enge Einrücken Newcastles im Mittelfeld auszunutzen. Wenn es einmal gelang, war dies sofort eine weitere gute Gefahrenquelle: So bereitete Lennon sowohl den Lattenkopfball Bales als auch den zwischenzeitlichen Ausgleich in der zweiten Halbzeit vor.

Fazit

Gerade zu Spielbeginn, aber auch in den weiteren Phasen waren die Gäste eigentlich die spielstärkere und etwas überlegene Mannschaft, während Newcastle gerade offensiv nur sehr bescheiden spielte. Allerdings gelang es Tottenham zu selten, ihre eigentliche Überlegenheit konsequent umzusetzen, sie ins Spiel durchzudrücken und kontrolliert auszuspielen. Stattdessen verfing man sich gegen die enorm enge Spielanlage des Gegners in der vollen Spielfeldmitte und konnte sich nur gelegentlich befreien. Am Ende war es dann Newcastle mit der heimlichen Kontrolle, da sie Tottenham im Zentrum festhielten, wo sich das Spiel als solches festfuhr. Nachdem sich die Partie auf diese Weise in einer relativ ausgeglichenen Haltung eingependelt hatte, nutzten die Hausherren nach Wiederbeginn auch noch ihre erste richtige Chance nach einer Flanke durch den rechten der beiden sehr offensiven Außenverteidiger zur wichtigen Führung. Als Tottenham dann ausglich, gelang den Magpies nur wenige Minuten später mit der erneuten Führung die richtige Antwort – das Glück und der Spielverlauf halfen ein wenig mit, dass Newcastle trotz der schlechteren Chancen ein weitgehend ausgeglichenes Spiel gewann. Man könnte es auch als Belohnung dafür verstehen, dass man den zunächst überlegenen und spielerisch höher veranlagten Gegner mit viel Einsatz und enger Spielanlage in eine Patt-Stellung zwingen konnte, so dass dann die eine gelungene Aktion wie eben beim 1:0 viel ausmachen konnte.

Philipp 19. August 2012 um 21:10

Das neue Schalke ohne Raul wäre übrigens mal nen Artikel wert. 😉 Wenn nicht über das Pokalspiel heute, vielleicht zum ersten Spieltag?!

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