Karlsruher SC – Hamburger SV 4:2
Eines der interessanten Duelle der ersten Pokalrunde stand zwischen Drittligist Karlsruher SC sowie dem Bundesliga-Dino aus Hamburg an.
Besonders interessant war diese Partie nicht nur aufgrund der Tatsache, dass der Erstligist hier von einer ebenfalls auf Profiniveau spielenden Mannschaft gefordert wurde, sondern generell der mit Spannung erwartete Saisonauftakt des unzählige Schlagzeilen schreibenden HSV sowie die Verbindungen zwischen den beiden Mannschaften. So kehrte Hamburgs Trainer Fink zu seinem Ex-Klub aus Spielertagen zurück, während Karlsruhes Toptalent Hakan Calhanoglu auf jenen Verein traf, für den er spätestens ab Sommer 2013 aktiv sein wird.
Der Drittliga-Aufstiegsfavorit aus dem Südwesten würde dem noch nicht eingespielten und oftmals als Wundertüte bezeichneten HSV möglicherweise ein Bein in der ersten Runde stellen können, so einige Erwartungen im Vorfeld, die sich schließlich auch erfüllen sollten.
Das System Hamburg – Fink schließt zentrales Loch aus der Vorsaison
Aus taktischer Sicht war zunächst einmal gar interessant, wie sich der HSV im Generellen aufstellen würde. In der vergangenen Saison brachte Fink seinen stark Ballbesitz-orientierten Spielansatz aus Basel mit nach Hamburg und ließ seine Mannschaft bei Ballbesitz durch das Zurückfallen eines der beiden Sechser in eine breite Dreierkette auffächern. Weil allerdings nur zwei zentrale Mittelfeldspieler im 4-4-2/4-4-1-1 der Hamburger mitspielten und davon einer weit zurückfiel, hatte man in vielen Spielen große Probleme damit, das Mittelfeldzentrum zu kontrollieren. Daher musste Finks Team meistens über Außen spielen und konnte die Mitte nicht sinnvoll nutzen, während das Gegenpressing erschwert wurde und sich defensiv generell Lücken in der Zentrale für gegnerische Konter öffneten.
In dieser Partie zeigte sich die Spielanlage des HSV allerdings wieder verbessert im Vergleich zu den Problemzeiten der vergangenen Rückrunde. Westermann auf der Sechs bewegte sich nicht konstant zurück in die Innenverteidigung, während Son als hängende Spitze enorm weit zurückfiel, so dass er mehr Achter denn Stürmer war und damit seiner Mannschaft deutlich mehr Präsenz in der Zentrale verschaffte. Folglich hatten die Hanseaten die Mitte besser im Griff als oftmals in der Vorsaison, wo in jenem Bereich noch ein Loch geklafft hatte.
Ebenfalls interessant bei den Hamburgern war die unverändert zentrale Rolle von Linksverteidiger Dennis Aogo, der gelegentlich mit ins Mittelfeld einschob und hier ebenfalls unterstützen konnte, was durch den breiten Jansen vor ihm ausgeglichen wurde. Weiterentwickelt war allerdings das Verhalten der Mitspieler auf die Laufwege Aogos – die zentralen Mittelfeldakteure nutzten die geschaffenen Räume und kippten situativ auf die Linksverteidigerposition.
Karlsruhe im Zentrum unterlegen
Mit der verbesserten Besetzung der zentralen Mittelfeldräume und der daraus resultierenden Präsenz gelang es den Gästen nach einer etwas wackeligen Anfangsphase – die sehr breit auffächernden Bruma und Mancienne hatten bei einigen Pressingsituationen durch die beiden KSC-Stürmer einige kleinere Unsicherheiten in ihrem Spiel – immer mehr, die Kontrolle zu übernehmen.
Auch in dieser Partie hatte das nicht als das beste bekannte Pressing der Hausherren seine Probleme – insbesondere zwischen den beiden Stürmern und den beiden Viererketten fehlte es zu Spielbeginn an der Anbindung, wovon vor allem Westermann räumlich profitierte. Gegen die im Zentrum dominanten Hamburger machte dies dem KSC in der Spielfeldmitte Probleme – zumal ihre Außenspieler durch die offensiven Außenverteidiger der Norddeutschen beschäftigt wurden.
Dadurch gerieten die Karlsruher in der Mitte immer wieder in Unterzahlsituationen, so dass der HSV mit Überzahl den attackierend herausrückenden Calhanoglu, den Haas nur bedingt absichern konnte, um- und den entstehenden Raum hinter ihm anspielte. Gerade Beister rückte von rechts enorm stark ein und verband sich als zusätzlicher Mittelfeldspieler mit Son und Skjelbred.
Aus diesem spielerisch starken Trio, das situativ von Westermann, Aogo oder auch Berg ergänzt werden konnte, stach neben Beister besonders der skandinavische Spielmacher Skjelbred hervor. Neben seiner bekannten spielerischen Stärke lag dies besonders an seinen intelligenten und vielseitigen Bewegungen, mit denen er immer wieder verschiedene Räume ansteuerte und das Spiel seiner Mannschaft damit variantenreicher gestaltete. Daneben war Beister der direkte und zielstrebige Körper, während der bewegliche Son auf seine Mitspieler reagierte und entstehende Lücken füllte.
Hamburgs guter Spielanlage fehlt die Durchschlagskraft
Trotz dieser taktisch gut aussehenden Spielanlage gelang es den Hamburgern allerdings zu selten, ihre Dominanz in der Mittel in Zählbares auszuspielen. Dies lag auch daran, dass man zwischen den Linien nicht die nötige Zielstrebigkeit im richtigen Moment entwickelte und generell etwas fahrig und unpräzise spielte. Beister entschied sich zudem das eine oder andere Mal zu früh für den (geblockten) Distanzschuss anstatt die Situation noch einmal klarer zu lösen.
Die Hauptursache für die fehlende Durchschlagskraft lag bei den Hanseaten aber im Problem, ihre Überlegenheit aus dem zweiten ins letzte Drittel zu transportieren. Bei den angesprochenen Zentrumsangriffen mit Raum spielte man sich als kombinierende Gruppe durch das gegnerische Mittelfeld, zog die Kombination dann aber nicht bis ins letzte Drittel durch. Die kollektive Stärke zerbrach dabei ins individuelle; man verlor in der Spitze das Momentum der Zentrumsüberzahl, weil gerade die zentralen Mittelfeldspieler beim Übergang in die torgefährlichen Zonen nicht mitzogen.
So kam es dazu, dass im Normalfall die HSV-Angriffe über die Flügel gefährlicher waren und die meisten Chancen der Gäste produzierten, obwohl eigentlich sowohl die eigene Spielanlage als auch die gegnerischen Schwachstellen die Mitte erfolgsversprechender machten. Beide Tore fielen nicht durch die spielstarke, offene, aber ineffektive Mitte, sondern beide über die Seiten – einmal legte Jansen für Berg in den Rückraum, einmal schuf der Schwede Raum für Beister, der einen langen Chip von Lam hinter der Abwehr erlief.
Karlsruhe offensiv gefährlich und mutig
Im Offensivspiel agierte Karlsruhe insgesamt mit einer durchaus breiten Spielanlage – gänzlich anders als beispielsweise in ihrem ersten Drittligaspiel der Saison in Heidenheim, als sie besonders stark auf das Zentrum fixiert waren. In dieser Partie ergab sich allerdings allein schon durch die Aufstellung des deutlich breiteren und athletischeren Blum gegenüber dem kleinen und technisch versierten Krebs eine andere Ausführung des Systems.
Bei den Angriffen über den breit stehenden Blum auf dessen linker Seite fiel besonders auf, dass oftmals beide zentralen Mittelfeldspieler der Hausherren stark ins Angriffsspiel eingebunden waren und zusammen vorrückten. Während Calhanoglu (natürlich etwas tiefer stehend) auf die Seiten abkippte oder in den Halbräumen seine Mitspieler miteinander verband, zeigte Haas eine Reihe an diagonalen und vertikalen Läufen in die Spitze. Auf diese sehr mutige, offensive Ausrichtung waren die Hamburger nicht eingestellt und hatten Probleme, die vielen Vorstöße aus der Tiefe zu verteidigen. Mit Calhanoglu, der links wie rechts seinen Außenspielern half, konnte sich der KSC somit gut durch die äußeren und halb-äußeren Räume kombinieren.
Ein entscheidender Fortschritt im Angriffsspiel des KSC lag darin, dass sie neben den äußeren Bereichen auch in den mittleren Zonen Gefahr ausstrahlten und nicht auf eine Zone beschränkt blieben. Gerade bei den diagonalen Halbraumangriffen konnte man auch Fehler der Hamburger ausnutzen, die dort nicht immer ganz kompakt stand, sondern beispielsweise neben Westermann Freiräume zuließen. Auch bei Konterangriffen taten sich im Zentrum gelegentliche Lücken für die Karlsruher auf – ein Nebeneffekt des fluiden Hamburger Mittelfelds, dem die Raumbalance noch etwas fehlte. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die gut abgestimmten Laufwege des Sturmduos – van der Biezen zog aus der Tiefe diagonal nach halbrechts vorne, von wo aus Henning horizontal auf die halblinke Seite auswich und die Verteidiger wegziehen sollte. Das funktionierte zum Beispiel bei einer Flanke perfekt und sorgte für das 1:1.
Insgesamt blieb zum Angriffsspiel der Hausherren festzuhalten, dass sie stets mutig und in den verschiedensten Zonen gefährlich angriffen. Ob kombinierend durch die Halbräume, mit Zug durch die Mitte, über die dribbelstarken Außenspieler in Form von 1-gegen-1-Duellen oder durch die wie gewohnt brandgefährlichen Standards – auf vielen Wegen konnte der KSC den Erstligisten in Verlegenheit bringen.
Die Entscheidung fällt im zweiten Durchgang
Schon im Verlauf der ersten Halbzeit hatten die Karlsruher angefangen, mit ihren Stürmern deutlich tiefer zu stehen, fast ausschließlich die Hamburger Innenverteidiger gewähren zu lassen und stattdessen die Mitte verstärkt durch eigene Kompaktheit zuzustellen. Durch die geringen Abstände zwischen Stürmern und Mittelfeldkette und das defensive Zurückfallen eines Stürmers konnte man die Kontrolle des HSV in den mittleren Spielfeldräumen stark eindämmen, wenngleich diese durch intelligente Raumnutzung, gute Bewegungen, das Überladen im Zentrum (Beister) und die Öffnung der linken Seite durch den Alibaz wegziehenden Aogo weiter gut agierten.
So hatte der Bundesliga-Dino besonders zu Beginn der zweiten Halbzeit eine starke Phase und konnte auch gegen einen nun kompakteren KSC einige gute Angriffe fahren. Kurz nachdem Jansen allerdings mit einem Alu-Treffer das 1:3 verpasst hatte, erzielten die nach dem Seitenwechsel offensiv blasser gewordenen Badener durch einen Freistoß von Alibaz den zu diesem Zeitpunkt überraschenden Ausgleich.
In der Folge tat sich der HSV gegen den enger stehenden Gegner nun doch schwerer, der seinesgleichen offensiv gefährlich blieb. Gerade der für van der Biezen gekommende Soriano brachte neue Fluidität und Beweglichkeit ins Spiel, nachdem er bereits den Freistoß zum 2:2 herausgeholt hatte. Einen weiteren ruhenden Ball – diesmal von Calhanoglu – konnte Adler nur vor die Füße von Stoll abwehren und der KSC führte etwa zehn Minuten vor Schluss mit 3:2. Wenige Minuten später war es dann Soriano, der nach einem guten Angriff über den Halbraum (wenn auch nach einem Einwurf) sogar noch erhöhte und sich so für seine gute Leistung belohnte.
Fazit
Ein Fortschritt bei den Hamburgern und dennoch verloren: Ihre Spielanlage zeigte sich verbessert, so dass sie das Zentrum gegen den KSC kontrollierten und immer wieder zu guten Szenen zwischen den Linien kamen. Allerdings gelang es ihnen überhaupt nicht, diese erarbeiteten Situationen kollektiv und konsequent in die gefährlichen Zonen durchzuziehen, um sie vollenden zu können.
Vielleicht könnte man sagen, dass den Hamburgern hier jener Mut fehlte, den die Karlsruher mit einem offensiv arbeitenden zentralen Mittelfeld bewiesen. Das Spiel der Hausherren war aber viel mehr als nur der viel gelobte Calhanoglu, sondern besonders enorm facettenreich.
In einem Spiel, in dem beide Mannschaften ihre Stärken eher in der Offensive hatten und das der HSV kontrollierte, fehlte den Gästen allerdings die Durchschlagskraft, so dass sie ihre gute Spielanlage nicht konstant zu Gefahr umwandeln konnten. Deswegen konnte der KSC die Partie offen gestalten – und als man dann selbst kompakter stand und die Hamburger weniger zum Zug kamen, entschied man das Spiel zu den eigenen Gunsten.
Defensiv haben die Hamburger allerdings noch deutlichen Verbesserungsbedarf: Hatte man beispielsweise beim LigaTotal!-Cup noch interessante Verbesserungen ihres Pressings erleben können, fingen sich die Hamburger heute vier Gegentore gegen einen Drittligisten. Eine Mischung aus vielen individuellen Fehlern in verschiedensten Formen und Konzentrationsmängeln, einer schwachen Raumaufteilung, die dem Gegner das Spielen vereinfachte, sowie ein klein wenig Pech waren hierfür verantwortlich.
Unabhängig vom Ergebnis zeigten beide Mannschaften gute Ansätze, die Hoffnung machen. Der in der Liga noch sieglose KSC könnte auch dank seiner vielseitigeren Angriffspalette nun die Wende geschafft haben, während der HSV zwar noch im entscheidenden Moment zu harmlos und defensiv nicht wirklich sicher wirkt, dafür aber ein grundlegendes Problem in seiner Spielanlage – nämlich die mangelndie Kontrolle der Spielfeldmitte – behoben hat.
8 Kommentare Alle anzeigen
Hendrik 20. August 2012 um 14:41
Sehr interessante und objektive Zusammenfassung der gestrigen Partie. Wenn man sich durch den heutigen Blätterwald der deutschen Presselandschaft klickt, existiert kein einziger Artikel, der sich wirklich fair mit dem HSV auseinandersetzt. Vielen Dank dafür!
Dori 20. August 2012 um 14:36
„Vielleicht könnte man sagen, dass den Hamburgern hier jener Mut fehlte ….“
Leider nicht nur VIELLEICHT
Pauli 20. August 2012 um 14:00
„TR ist das schwächste Glied in der Reihe der spielverlagerung.de-Autoren, was besonders damit zusammenhängt, dass er die Nationalhymne nicht mit der nötigen Inbrunst mitsingt. Weiterhin fehlt es an einem echten LEADER in seinen Artikeln und die von ihm geschriebenen Zeilen kommen nicht richtig in die Zweikämpfe.“
… ich lach mich schlapp!
;P
yeeha 20. August 2012 um 20:19
ich nicht
schöner ist das 24. August 2012 um 02:18
Wenn man das liest, könnte man glatt meinen, es ging hier um FUSSBALL!
gozinho 20. August 2012 um 11:22
Hallo,
Verzeiht die kleine Kritik, aber: Könnt ihr euch bittebitte das inhaltsleere Modewort „Momentum“ abgewöhnen und wieder normale Formulierungen wählen. Mir rollen sich da immer die Zehennägel auf.
PS: TR, wirklich eine hammer Autorenbeschreibung!
Dominic 20. August 2012 um 08:50
Ich weiß nicht was ich sagen soll, ich mache mir diese Saison große Sorgen um den HSV. Schwache Testpiele (Barca II, Liga-Total-Cup, diverse andere) ein Katastrophaler Start in die Saison mit dem gestrigen Spiel, Hoffnung macht dies alles nicht.
Anders als TR habe ich nicht den Eindruck, dass Hamburg die Probleme in der Defensive behoben, sondern nur „ausgewechselt hat“. Und das im Fazit angesprochene Problem der fehlenden Konsequenz gab es ja auch letztes Jahr schon.
Wie siehst du die Hamburger Innenverteidiger? Ich frage mich mittlerweile, ob Bruma und Mancienne vlt. ganz einfach (noch?) nicht die Klasse für Liga 1 haben.
TR 20. August 2012 um 23:15
Ich glaube erstmal auch nicht, dass sie irgendwie besonders was reißen können, aber ganz so besorgniserregend sehe ich die Lage nicht. Wenn man sich bisschen verbessert noch, dann sollte es zumindest möglich sein, denAbstiegsprobleme halbwegs aus dem Weg zu gehen.
Wirklich begeistern können die beiden mich nicht. Dass man mittlerweile größere Zweifel an ihnen äußert, halte ich für berechtigt. Ob sie wirklich nicht erstligareif sind, darüber kann man wohl diskutieren, aber gute Argumente in eigener Sache haben die beiden da zu selten geliefert. Mal sehen, wie sie sich jetzt entwickeln, aber in manchen Szenen fehlt da wirklich auch die Klasse.