1. FC Kaiserslautern – Union Berlin 3:3

Das Montagsspiel der zweiten Bundesliga sollte ein absoluter Kracher werden, zumindest in der zweiten Halbzeit. Union Berlin musste auf den Betzenberg und dort einen der Favoriten auf den Aufstieg spielen. Die Lauterer wollten das Heimspiel  unbedingt erfolgreich gestalten, doch in der ersten Halbzeit entwickelte sich eine relativ maue Partie mit nur vereinzelten Torszenen. Nach dem Seitenwechsel  kamen sämtliche Zuschauer voll auf ihre Kosten, obwohl sich die beiden Teams die Punkte teilen mussten.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Spielbeginn

Die Hausherren spielten in einem 4-4-2, welches offensiv einem 4-1-3-2 hätte ähneln sollen. Dabei verschoben die Mittelstürmer ballseitig und oftmals ließ sich Bunjaku, aber durchaus auch Idrissou, hängen, um eine kurze Anspielstation zu bieten. Zentral hatte Borysiuk den eher defensiveren Part inne, doch auch hier war die Rollenverteilung eher flexibel angelegt. Dennoch blieb Alushi der primäre Spielmacher, dessen Fähigkeiten am Ball den Weg nach vorne ebnen sollten, ob durch das Kombinationsspiel oder lange Bälle. Zumeist wurde auf letzteres zugegriffen. Die Gäste aus Berlin machten das Zentrum sehr eng und stellten sich kompakt mit bis zu fünf Mann in der Mitte auf, was jegliche Wege nach vorne abschnitt. Darum mussten sich die roten Teufel auf die Flügel konzentrieren, was aber nur bedingt erfolgsversprechend war. Zuck und Vermouth zeigten sich bemüht, aber letztendlich war es eine von Defensive und Vorsicht geprägte erste Halbzeit.

Die Berliner begannen mit einer nominellen Raute. Vorne waren sie mit zwei Stürmern aufgestellt, nämlich Terodde und Silvio, die vor dem nominellen Zehner Belaid für Gefahr sorgen sollten. Dabei wurden sie von den eigentlichen Halbspielern sowie dem Sechser und den Außenverteidigern unterstützt, doch im Spielablauf hatte diese auf dem Papier angelegte Raute wenig mit dem wahren Spielgeschehen zu tun. Eine unübliche Pressingspielweise und das schnelle Konterspiel zeigten schon in der ersten Halbzeit, wieso die Lauterer nicht durchbrechen konnten und dass sich der Außenseiter etwas hatte einfallen lassen.

Unions interessantes Pressing

Die Gäste pressten in einer 4-3-3-Anordnung, welche sich aus der vermeintlichen Mittelfeldraute entwickelte. Hierbei rückte Belaid der zentraloffensive Mittelfeldspieler nach vorne auf. Das wirklich interessante daran war, dass er auf die Position des rechten Halbstürmers ging. Dadurch konnte der Ziel- und Wandspieler Terodde in der Mitte bleiben, wobei sie sich als Linie organisierten.

so presste der 1. FC Union

Damit wollten sie Diagonalpässe zwischen sich vermeiden, die dann eventuell ins Mittelfeld oder zu einrückenden Flügelstürmern gegangen wären. Sie standen durch diese Art der Tiefenstaffelung kompakter und konnten das Spiel über die Mitte blocken. Die zwei Halbstürmer ließen sich aber nach Überspielen des Pressingwalles oder bei weitreichenden Bewegungen des gegnerischen defensiven Mittelfelds durchaus etwas fallen und gingen teilweise sogar in den freien Raum zwischen jener Raute, die von Terodde mit den drei Mittelfeldspielern gebildet wurde.

Dann war es ein asymmetrisches System, in welchem sich auch der zweite Halbstürmer etwas fallen ließ, um im Mittelfeld eine größere Kompaktheit zu erzeugen. Dadurch gab es auch extreme Formationen wie ein klares 4-5-1 mit sogar gänzlich verflachter Fünf im Mittelfeld.

Ansonsten war es eben jene sehr breit angelegte Raute, wo der vorderste Punkt ein Mittelstürmer war, der von zwei Halbstürmern flankiert wurde. Auch im Offensivspiel veränderte sich dies kaum. Der Sturm wurde immer besetzt und dies geschah gelegentlich sogar von den nominellen Halbspielern des Mittelfelds. Diese agierten ohnehin sehr interessant. Im Normalfall sehr breit und fast wie klassische Flügelspieler, boten sie sich im Spielaufbau tief an und schufen damit eine Dreierkette, die für Überzahl sorgte. Danach gingen sie wieder nach vorne und mit dieser kommenden und gehenden Bewegung wollten sie gegnerische Spieler mitziehen, um für Entlastung zu sorgen. Sie schoben dann wieder nach vorne und orientierten sich als quasi-Flügelstürmer. Dadurch kam es dazu, dass sie es waren, die dem Spiel im letzten Spielfelddrittel die nötige Breite geben sollten.

Mit der vorsichtigen Ausrichtung der Lauterer und den mangelnden Überladungsmomenten bei den Kontern Unions entstand eine träge erste Hälfte, nach der Halbzeit pressten die Pfälzer stärker – wodurch auch das erste Tor fiel. Letztendlich war es aber ebenso eine herausragende technische Einzelleistung von Terodde.

trotz höchster Bedrängnis kann Terodde die Übersicht beibehalten und spielt den Ball auf Belaid, der dann auf die Seite weiterspielt – das Tor war nur die logische Konsequenz

Der Mittelstürmer erhielt als Zielspieler im Angriffsverlauf weit entfernt vom Sechzehner den Ball und konnte sich gegen mehrere Gegenspieler behaupten. Der hereinrückende Belaid erhielt den Ball und spielte auf den freien linken Halbspieler, der sich breit positionierte. Das stärkere Pressing der Lauterer äußerte sich durch eine stärkere Ballorientiertheit und weil die Flügelstürmer ihre Manndeckungsaufgaben auf die Außenverteidiger hatten, blieb die ballferne Seite in jenem Moment vakant.

Sogar der zweite Treffer fiel ähnlich, hier wurde Belaid gepresst, der aber trotzdem einen Lochpass auf Zoundi spielen konnte. Abermals stand der breit agierende Halbspieler des Mittelfelds frei vor dem Tor und konnte treffen.

Die Wechsel

Franco Foda musste handeln – und er machte sehr viel richtig in dieser zweiten Halbzeit. Bunjaku ging nach rechts, wo er mehr Vertikalität und Durchschlagskraft hinein bringen sollte. Vermouth fehlte es daran etwas. Im Zentrum kam der junge Fortounis für mehr Dynamik und Kombinationssicherheit. Zuck ging nach links und mit Micanski als hängendem Stürmer wurden die vorher dagewesenen Isolationen durch mehr Bewegung und gelegentliche Rochaden vermindert.

Das Spiel an vorderster Front wurde nun verändert. Wenn die langen Bälle kamen, versuchte sich nicht einer der beiden als Anspielstation zu positionieren, sondern Micanski wollte gezielt hinter Idrissou kommen. Dieser konnte dann den Ball weiterleiten oder auf die zentraleren Flügelstürmer und Fortounis zurückspielen. Die zahlreichen weiten Bälle wurden aber ohnehin im weiteren Spielverlauf – dank der Führung und des nun noch tieferen Gegners – nach vorne verlagert. Bezeichnend war es dennoch, dass der erste Treffer nach einem Standard fiel und auch der zweite Treffer per Kopf kam. Da die Pfälzer offensiver spielten, gingen die Außenverteidiger mit und durch die minimal engeren Flügelstürmer hatten sie mehr Platz zum Durchbrechen, was sich in zahlreichen Flanken in die Mitte äußerte.

Kaiserslautern in der Schlussphase

Die Bemühungen wurden in der Offensive noch weiter verstärkt. Später gab es nur noch eine Sechs, Fortounis ging auf den rechten Flügel. Zuck agierte nun zentral und erhielt von links einen weiten Pass von Bunjaku – auch er stand nun alleine vor dem Tor und traf. Die bis dahin nicht gefüllte Mitte überraschte Union, außerdem waren die Mittelstürmer nun breiter ausgelegt. Sie sollten die Viererkette auseinander ziehen und Räume für Zuck aufmachen, was klappte. Damit dieser Effekt verschärft wurde, orientierte sich der ballferne Spieler an seiner Position und nicht am Ball, während der ballnähere Akteur stark verschob. Bei Zucks Treffer ist insbesondere die Positionierung Idrissous hochinteressant. Ein Missverständnis in der Abwehr sorgte jedoch noch für den Ausgleich der Gäste und den passenden Abschluss eines fulminanten Spiels. Ein Sonderlob für Terodde und Belaid, die einige wundervolle individuelle spielerische Aktionen hatten.

Hummel-Fan 9. August 2012 um 15:32

Sonderlob für den ganzen Fussball Taktik Blog. Noch nichts vergleichbares im Internet entdeckt. Bei so viel Liebe zum Detail solltet Ihr aber auch die Sprachdateien anpassen und auf komplett Deutsch umstellen 😉

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Musiclover 8. August 2012 um 12:36

Interessante Analyse, aber bitte nicht immer „die Union“ schreiben. Das schmerzt etwas beim lesen. Es heißt „der 1. FC Union“, „FCU“ oder nur „Union“. Die Union ist eine Partei und hat nichts mit Fußball am Hut.

Gruß aus Berlin

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RM 8. August 2012 um 13:27

wurde ausgebessert – als Taktikfreak ist man leider nicht in allen Fankulturen und deren Wünsche und Gewohnheiten bewandert, darum bin ich froh um die (sanft ausgefallene) Kritik!

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Jx 7. August 2012 um 21:27

Wie immer eine gute Analyse von einem Spiel, was ich leider nicht gesehen habe. Manchma wünsche ich mir bei Euch aber einen größeren Stellenwert der Tore – in dieser Analyse wurden diese gefühlt nur in Halbsätzen erwähnt und die letzten alle im Schlusssatz abgefrühstückt. Ansonsten taktisch war natürlich alles top! 🙂

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Y. 7. August 2012 um 20:42

Vielen Dank für eine Analyse meines Stammvereins. Einziger Wermutstropfen: es heisst niemalsnimmernich „die“ Union! Bin aber schon froh, dass kein Satz á la „Das Team von Eisern Union“ wie in jedem zweiten TV-Beitrag vorkam…

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Christoph 7. August 2012 um 20:23

Lies sich gut und vor allem mal eine seriöse Berichterstattung eines fulminanten Montagsspiels. Leider geil… 😉
U.N.V.E.U.

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