Gloria Ajax oder: die totale Fußballrevolution
Die 70er-Jahre. Ein Jahrzehnt voller Revolutionen.
In dieses Jahrzehnt und auch davor fielen viele kulturelle Revolutionen, sei es der menschlichste Papst aller Zeiten, die Friedensbewegungen gegen den Vietnamkrieg oder die Entstehung der Grünen. Eine Dekade geprägt voller Umbrüche, voller Helden und liberaler Strömungen der Jahre zuvor. Menschen und Ideen, die über den Tellerrand blickten, ob es nun die Hippies, die Punks oder die Holländer waren.
Die Holländer? Ja, eine holländische Mannschaft revolutionierte den Fußball, wie es Apple, ebenfalls in diesem Jahrzehnt gegründet, mit der Computertechnologie in den 80ern und bis heute tun sollte. Das große Ajaxteam von 1971-73 war und ist Sinnbild für Kreativität, es stand für die Befreiung von festen Spielpositionen, autoritären Zwängen und überholten Ideen, sie war eine Fußballkunst, die ihrem Namen gerecht wurde und den ehemaligen Proletensport zu einer weltweiten Idee erhob, dem Totaalvoetbal. Dieses geflügelte Wort war der Ausspruch zum Ajax-Team von 1972, wie ihn Frantisek Fadrhonc, 1974 Co- und davor alleiniger Trainer der niederländischen Nationalmannschaft, prägte.
Das Team
Zwar ist der Mythos Ajax bis heute lebendig, doch über die genaue Spielweise und über das Entstehen dieser Mannschaft weiß kaum jemand Bescheid. Der dreimalige Triumph über ganz Europa wird noch immer mit der Spielerqualität in Zusammenhang gebracht, doch dass Ajax bereits vor Jahrzehnten von Jack Reynolds diese Philosophie in ihre Vereins-DNA eingeimpft bekam, ist weitgehend unbekannt. Ebenso, wie dass der Vater des Erfolges, der „FIFA-Trainer des Jahrhunderts“ Rinus Michels, Spieler unter eben jenem englischen Visionär Jack Reynolds war und durch die Professionalisierung des Fußballs und die Früchte der eigenen Jugendakademie dem Fußball einen bis dato unbekannten Glanz verleihen konnte.
Diese Philosophie war ursächlich für diesen Erfolg und ging von der Grundprämisse aus, dass sämtliche Spieler gleichermaßen Verantwortung für Angriffs- wie Verteidigungsaufgaben übernehmen und die Positionen je nach Notwendigkeit getauscht werden sollen.
Wie sah die Mannschaft aus?
Die Mannschaft setzte sich aus vielen bis dahin unbekannten Spielern zusammen, die gemeinsam eine funktionierende Einheit wurden.
Torhüter Stuy zum Beispiel war ein unbekannter Torhüter, als er zu Ajax kam und sich 1972 den Stammplatz eroberte, doch aus ihm wurde ein wichtiger Bestandteil dieser großen Mannschaft. Als einer der ersten Antizipationskeeper war er einerseits wichtig für die hochstehende Abwehr der Niederländer, andererseits konnte er dank seiner guten Technik Gegenangriffe schnell und präzise einleiten, einmal spielte er sogar als Mittelstürmer und ein paar Mal ersetzte er sogar als Ausputzer den Deutschen Horst Blankenburg. Blankenburg galt sogar als einer der besten Vertreter seiner Position, in Deutschland wurde er jedoch nie wirklich populär, da er in der Nationalmannschaft an der Lichtgestalt Franz Beckenbauer nicht vorbeikommen konnte.
Vor ihm spielte Hulshoff, ein technisch begnadeter Vorstopper, komplett anders als Kollegen wie der Bayer Katsche Schwarzenbeck. Jener Hulshoff hätte dann für die niederländische Nationalmannschaft bei der WM’74 als Libero eine entscheidende Rolle als Taktgeber von hinten spielen sollen, doch Arie Haan musste dies aufgrund einer Verletzung übernehmen, vor ihm spielte dann Rijsbergen. Übrigens: der Rechtsverteidiger Ruud Krol wurde vier Jahre später der neue Libero – ein beeindruckendes Zeugnis von Polyvalenz und Talent. Auf der rechten Seite spielte wohl der technisch schwächste von allen Ajaxakteuren, Wim Suurbier, der aber aufgrund seiner unglaublichen Athletik eine wichtige Rolle in diesem Team einnahm.
Vor dieser Dreierkette spielten zwei weitere Dreierketten, in denen ebenfalls verschiedenste Spielertypen zu finden waren. Johan Neeskens, auch „Johan der Zweite“ genannt, war ein polyvalenter Spieler, der im Zentrum alle Rollen ausfüllen konnte und auch als Rechtsaußenverteidiger aushalf, wie im Meisterpokalfinale von 1971. Man sagte, er sorgte für die rohe Kraft und den Stahl, den Cruijff, Keizer und Swaart für ihren Zauber benötigten. Ebenso verhielt es sich bei seinem Mitspieler Arie Haan. Jener wurde in späteren Jahren sehr oft als Außenverteidiger und Libero eingesetzt, spielte im glorreichen Ajaxteam allerdings noch auf der rechten Seite des Mittelfelds eine Hybridposition von zentralem Mittelfeldspieler und Außenbahnspieler. Dieser Arie Haan sorgte mit seiner Schusskraft für Gefahr aus der zweiten Reihe bei tiefstehenden Gegnern, während sein Pendant auf der anderen Seite, Gerrie Mühren, ein begnadeter Fußballer und Dribbler war.
Laut „Brilliant Orange“ von David Winner war eben dieser Mühren für den „Sieg Ajax‘ über das System und die höchste Wertschätzung im Fußball“ verantwortlich, als er 1973 im Landesmeisterpokalspiel gegen Real Madrid im Estadio Santiago Bernabéu plötzlich zu jonglieren begann und die weiße Wand der Madridista zu Beifallstürmen für den Gegner zwang. Neben solchen Kabinettstückchen war er auch für das Zusammenspiel mit Piet Keizer verantwortlich, welches mit zum ansehnlichsten in der Geschichte des Fußballs gehört.
Der linke Außenstürmer Keizer war nicht nur für seine Dribblings berüchtigt, er galt heimlich auch als das größere Genie als Johan Cruijff. Rechts im Sturm spielte ein weiterer typischer Außenstürmer, ein Rechtsfuß, der oft Richtung Grundlinie marschierte und präzise Flanken auf die aufgerückten Offensiven sorgte: „Mr. Ajax“ persönlich, Sjaak Swart.
Er war der älteste im Bunde und spielte nahezu ebenso brillant, aber etwas konstanter, als Keizer auf links, die beide jedoch im Schatten des großen Genies standen, welches der Mittelstürmer war: Johan Cruijff, Europas Fußballer des Jahrhunderts und ungekrönter König Hollands, Kataloniens und der Welt, wie er 1974 schmerzlich zu spüren bekam. Doch das beeindruckendste an Cruijff ist nicht seine Spielweise, nicht die Personifizierung des totaalvoetbal, sondern die Akzeptanz bei seinen Mitspielern, obwohl er sie in jeder Sekunde wissen ließ, dass er das Genie war. Er war der Künstler, der Überlegene, der sich im Training weigerte stur Runden zu laufen und auf dem Platz trotzdem mehr lief als andere, richtiger lief als andere und alle Spieler, von Swart bis Stuy, kritisierte und herum kommandierte wie ein General seine Soldaten.
Nicht umsonst nannten ihn viele mehr als nur Rinus Michels rechte Hand, sowohl das glorreiche Ajax, als auch Louis Van Gaal und eben Rinus Michels verfolgte Cruijffs Schatten ihre gesamte Karriere. Jener Spieler, der als Nachfolger des ungarischen Stürmers Nandor Hidegkuti (und damit Vorgänger Lionel Messis) bezeichnet wurde, da sie beide Mittelstürmer wie Spielmacher waren und somit die falsche Neun bereits Jahrzehnte vor Entstehung des Begriffes etablierten. Doch so wie sein Eigensinn und seine Exzentrik das Fundament der Mannschaft darstellten, waren sie gleichzeitig auch die Ursache für den Untergang – er verließ seine Mannschaft im Streit und man zerfiel langsam.
Der „zwölfte Apostel“, wie die Mitspieler Cruijffs auch genannt wurde, war Johnny Rep, der legitime Nachfolger von Swart auf dem rechten Flügel, welchen er im Laufe der Saison 72/73 ablöste. 1974 kam Rep zu seinem Weltmeisterschaftsdebüt und war Stammspieler im wohl spektakulärsten niederländischen Team aller Zeiten, welches sich hauptsächlich aus dem Kader Ajax‘ und Feyenoords bediente.
Das Geheimnis dieses Teams
Neben ihrem unerschütterlichen Selbstbewusstsein und ihrer spielerischen Qualität war die größte Stärke dieses Teams ihre herausragende Taktik, welche sich nicht nur im berauschenden Offensivfußball äußerte. Ihre modernen Abwehrspielzüge wie Pressing an vorderster Front, Raumdeckung und Abseitsfalle benötigten ein funktionierendes Kollektiv athletischer und intelligenter Spieler, welches durch „Jong Ajax“ und die eiserne Disziplin, die Trainer Rinus Michels einforderte, gegeben war.
Die Jugendakademie ist bis heute darauf aufgebaut, jungen Spielern sowohl charakterliche und menschliche Werte zu vermitteln, als auch ihre technischen, taktischen und koordinativen Fähigkeiten den konditionellen und körperlichen vorzuziehen, was bis heute als Hauptmerkmal der Identität Ajax‘ gilt. Rinus Michels war in den 60er-Jahren ein großer Förderer dieser Jungstars. Wenig verwunderlich, war er doch selbst von Jack Reynolds hochgezogen und auch als Trainer von ihm stark beeinflusst worden.
Doch der größte Erfolg und der Zenit dieser Mannschaft kam nach Michels‘ Abgang 1971. Er hatte durch sein bedingungsloses Festhalten an Disziplin, hartem Training und dem Fortschreiten der Professionalisierung zwar diesen Erfolg erst möglich gemacht, doch nach dem Abgang des „Bollerkopfes“ (Anspielung auf die Größe seines Kopfes sowie die Sturheit und Hartnäckigkeit seines Charakters) kam die Vollendung des großen Ajaxteams. Unter Neotrainer István Kovács wurden neue Spieler in die Stammelf integriert respektive aus der eigenen Jugend hochgezogen (Stuy, Blankenburg, Haan und der Roleplayer Johnny Rep) sowie Johan Cruijff ins Sturmzentrum verschoben. Davor agierte der Superstar zumeist auf einer Halbposition zwischen den Linien hinter einem körperlich stärkeren Stürmer oder gar rechts im Mittelfeld, bisweilen fungierte er gar als Ersatz für die Flügelstürmer. Der Schachzug der positionellen Versetzung an die vorderster Front hatte das Ziel, Cruijff stärker ins Spiel einzubinden und die Rechts- bzw. Linkslastigkeit des Ajaxspiels aufzuheben.
Ein weiterer Vorteil entstand für seine Sturmpartner, sie hatten bei Cruijffs Rochaden nach hinten mehr Raum für sich, waren unberechenbarer und konnten entweder das Zentrum oder die Außenbahnen im letzten Drittel okkupieren.
Im Offensivspiel gab es somit mehr Symmetrie als bis dato und die Positionswechsel, auf welchen die totaalvoetbal-Philosophie basiert, wurden vereinfacht. Der Leitsatz dahinter wurde von Ruud Krol wie folgt umschrieben: „Wir unterhielten uns über ‚Raum‘ stets in praktischer Weise. Wenn wir verteidigten, hatten die Lücken zwischen uns sehr klein zu sein. Griffen wir an, strömten wir aus und nutzten die Flügel. Unser System war auch eine Lösung für ein physisches Problem. Die Fitness muss hundertprozentig stimmen, aber wie kann man sie über 90 Minuten konservieren? Wenn ich als linker Verteidiger 70 Meter die Außenbahn hochlaufe, ist es nicht gut, wenn ich unmittelbar danach wieder 70 Meter zurücklaufen muss, um meine Ausgangsposition wieder einzunehmen. Aber wenn der linke Mittelfeldspieler meine Position übernimmt und der linke Flügelstürmer die Position des linken Mittelfeldspielers, verkürzen sich die Distanzen.“
Dieser Raum war das Hauptthema des Ajax-Fußballs, jede Formation im Angriff sollte den Raum breit machen und dadurch möglichst viel Zeit am Ball ermöglichen, während in der Abwehr der Raum immer enger gemacht werden sollte, um den Gegner unter Druck zu setzen. Das Ajax dieser Jahre war eine der ersten Mannschaften, die das Flügelspiel und das Pressing auf eine solche Art und Weise nutzte, doch waren sie extremer als bisher alle anderen Mannschaften im Fußball – solch’ aggressives Pressing und solch‘ geduldiges wie technisch vollkommenes Aufbauspiel war noch nie gesehen, ebensowenig wie die unglaubliche Fitness, die in den legendär gewordenen Positionswechseln resultierte.
Um dies zu bewerkstelligen, gab es im Training Übungen, wo ununterbrochen mit Ball gespielt wurde, Kombinationen mit vertikalen Positionswechseln in markierten Zonen und die Spieler wurden gar nur noch mit ihrer Nummer und nicht mit ihren Namen angeredet.
Das Team stand für vollendete Ballkontrolle, für Technik, aber auch für absolut systematischen Planfußball. Jeder einzelne Spieler wurde jahrelang unter harten Bedingungen zur vollen Systemtauglichkeit gedrillt, Konzeptfußball in seiner reinsten Form.
Diese Mannschaft zeichnete nicht nur Technik aus, auch Disziplin und Eifer waren die Grundfesten ihres Erfolges. Unter dem „Quäler“ Rinus Michels trainierten sie doppelt so viel wie andere Mannschaften in den 70er-Jahren, Waldläufe waren in der Vorbereitungsphase an der Tagesordnung und kleinste Fehler bei den Trainingsformen mit Ball wurden von Michels zur Todsünde erhoben – all dies jedoch, um die riskanten Positionswechseln im Spiel möglichst schnell, die Angriffe und das Pressing möglichst effektiv zu machen.
Die Philosophie Ajax‘ und seines Fußballs war die Dominanz von Ball, Raum, Gegner und Spiel durch hervorragende Ballkontrolle, durch Positionsspiel und Ballbesitzspiel, welches bis heute als Vorläufer des Tiqui Taqua Barcelonas gilt.
Eintöniger Systemfußball? Nein, danke!
Kein Team konnte die Champions League bis heute verteidigen, Ajax hat dies im alten Format jedoch zwei Mal geschafft. Viele Kritiker führen an, dass das damalige Format einfacher zu gewinnen war, doch die Triumphe Ajax‘ lagen auch an ihrer Flexibilität auf der Taktiktafel, es gab immer einen Plan B – für viele das Markenzeichen großer Mannschaften.
Im Grundsystem Ajax‘ machten die Außenverteidiger Suurbier und Krol den Raum beim Spielaufbau breit und schalteten sich im Laufe des Angriffs in die Offensive mit ein, meist durch Hinterlaufen der zentralen Mittelfeldspieler Mühren und Haan. Diese rückten Richtung Tor auf, wobei Haan öfters tief blieb, um eine Chance für seinen gefürchteten Distanzschuss zu erhalten. Neeskeens hatte ähnliche Laufwege wie der Libero Blankenburg und der Vorstopper Hulshoff, sie rückten in den freien Raum auf, den die zentralen Mittelfeldspieler hinterließen. Die Außenstürmer Swart und Keizer machten das Spiel bei Ballbesitz im Mittelfeld breit und würden dann entweder ins Loch geschickt werden oder mit Ball zur Grundlinie marschieren. Cruijff im Zentrum hatte eine Freirolle, er durfte offensiv überallhin rochieren und sich miteinschalten, dies war essentiell zum Dirigieren der offensiven Angriffsbemühungen.
Doch ebenso wie seine Mitspieler hatte er defensive Aufgaben, er musste sich in gleichem Maße am Pressing beteiligen und die Position des Hintermannes übernehmen, falls dieser aufrückt – was bei Neeskens jedoch selten geschah und somit Cruijff praktisch seine Defensivarbeit rein in Form des Pressings ausüben konnte.
Doch was geschah, wenn Ajax mit dieser Taktik nicht ans Ziel kam? Ein Gegner die Kreise von Cruijff störte und das Flügelspiel lahmte?
Das Grundprinzip wurde nicht verändert, doch es wurden leichte Anpassungen innerhalb der Taktik unternommen. Stufe I war das Grundschemata, in Phase II war die Verbreiterung des Spielfelds durch die zentralen Mittelfeldspieler die Alternativtaktik, wodurch Cruijff im Zentrum mehr Platz bekam und die Außen mehr Unterstützung im Kombinationsspiel hatten.
Stufe III war das Aufrücken der Außenverteidiger ins Zentrum, um einerseits eine höherstehende Abwehr zu ermöglichen und andererseits mehr Schlagkraft im Zentrum zu haben, was die körperlich starken Krol und insbesondere Suurbier hervorragend konnten.
In den letzten beiden Phasen des Gameplans hatte auch Cruijff sich den offensiven Laufwegen unterzuordnen. Das gesamte Ajaxteam spielte aggressiver und weniger auf die Schönheit des Spiels, als auf den Torerfolg bedacht, deshalb würde Cruijff in der ersten der zwei Stufen auf die Außen ausweichen, um sich für das Kombinationsspiel mit den Außen zu opfern, was den aufgerückten zentralen Mittelfeldspielern und Außenverteidigern zu Gute kam, sowie die gegnerischen Innenverteidiger an Cruijff binden würde, der sich sonst durch sein freies Bewegungsfeld wie eine falsche Neun aus der Deckung befreien würde. In letzter Instanz fungierte Cruijff als klassischer Mittelstürmer, der den Torerfolg durch eine individuelle Aktion oder seinen Torriecher erzielen sollte, während die Ajaxmannschaft das Spiel um den 16er erzwang. Interessant ist hierbei, dass es sich nicht um eine Umverteilung der Aufgaben und Verantwortungen der einzelnen Spieler handelte, sondern um eine Vergrößerung jener – nur bei Cruijff war dies umgekehrt.
Pressing & Abseitsfalle – die defensive Lebensversicherung Ajax‘
Aggressives Pressing und eine vielen Gegnern unbekannte Abseitsfalle, die in unzähligen Trainingseinheiten perfekt einstudiert wurde, waren die defensiven Geheimwaffen Ajax‘, welche ihnen ihr offensives System erst ermöglichten.
Aufgrund der sehr hochstehenden Abwehr und der wenigen Ballverluste, die nahezu ausschließlich in und um den gegnerischen Strafraum geschahen, wurde sofort aktiv auf den gegnerischen ballführenden Spieler gepresst. Somit eroberte man den Ball weit in der gegnerischen Hälfte und hatte einen kurzen Weg zum Tor. Doch um dieses Pressing effektiv und effizient zu gestalten, musste man nicht nur den Ballführenden unter Bedrängnis setzen, sondern auch den gesamten Raum eng machen und mögliche Anspielstationen zustellen.
In nebenstehender Grafik sieht man ein Beispiel für dieses Pressing – hier hat der Vorstopper des Gegners den Ball in einem hypothetischen Szenario auf halbrechts am eigenen Sechzehner nach einem flach ausgeführten Abstoß.
Keizer und Cruijff attackieren sofort den Gegner und pressen agressiv auf den Ball, während Mühren, Haan und Swart die Anspielstationen in der Nähe zustellen. Krol rückt auf den linken Flügel, um hier den Pass auf den gegnerischen Außen zu verhindern bzw. ineffektiv zu machen. Suurbier, der RV und Hulshoff, der Vorstopper, rücken vor die Mittellinie, um den Raum zu verengen, ebenso wie Neeskens und Haan im Spielfelddrittel vor ihnen. Der Libero Blankenburg und Torhüter Stuy hatten besondere Aufgaben, sie deckten den Raum, damit sie eventuelle lange Bälle ablaufen könnten.
Hand in Hand mit diesem Pressing ging die Abseitsfalle, konnte man den Ball nicht erobern und wurde er flach weitergespielt, schnappte die Abseitsfalle zu. Aufgrund Blankenburgs minimaler Zurückgezogenheit starteten die klassischen Torjäger der damaligen Zeit in den Raum hinter Krol und Hulshoff, doch sobald ein Querpass in der Verteidigung des Gegners erfolgreich war, bewegte sich Blankenburg bis vor die Mittellinie und hob bei einem erfolgten langen Ball sofort seinen Arm und blieb auf seinem Platz stehen.
Auch im Training wurde dies unaufhörlich geübt, sämtliche Spieler der Abwehr folgten Blankenburg, hoben die Hände und blieben demonstrativ stehen – Anekdoten der WM 1974 zufolge gab es viele Schiedsrichter, die davon eingeschüchtert waren.
Falls das Pressing nicht erfolgreich war, aber kein weiter Ball gespielt wurde, begann das Spiel von neuem – Blankenburg ließ sich fallen, während seine Mannschaftskameraden Richtung Ball und Gegner verschoben.
Asymmetrien
Natürlich gab es auch Störungen dieser Symmetrien und Positionswechsel, welche nicht entlang der vertikalen Linien stattfanden. Diese waren im System zwar unerwünscht, aber zeigten sich in der Praxis aufgrund schwerer Ausrechenbarkeit für den Gegner wirkungsvoll.
Zumeist füllte Cruijff bei seinen tieferen Rochaden in weiterer Folge des Angriffs nicht nur das Zentrum, sondern gelegentlich den Flügel aus, während die Verteidiger in den Halbpositionen höher zu agieren begannen. Zumeist näherten sich dann der Libero und der Vorstopper ebenfalls einander, letzterer ging auf den Flügel. Im Endeffekt ließ dies eine absichernde und gependelte Dreierkette ohne direkten Ausputzer entstehen. Zentral konnte Neeskens ebenfalls horizontal Räume deuten oder ausfüllen, was zum Überladen der gegnerischen Flügel und einer erhöhten Platzschaffung für Cruijff und Co. im Zentrum sorgte.
Diese Asymmetrien waren einer der Mitgründe, wieso Ajax unter Kovacs förmlich auflebte. Im letzten Jahr unter Michels wurden sie in der Liga nur Zweiter, in den Folgejahren holten sie nicht nur das Double, sondern konnten in jeder Spielzeit mehr als 100 Tore erzielen, 90 oder mehr Punkte erreichen und erhielten nie mehr als 20 Gegentore – wohlgemerkt bei 34 Spieltagen. Ihr Punkteschnitt lag in der Spielzeit 1971/72 sogar über dem spanischen Rekord Reals mit 100 Punkten in 38 Partien.
Die Entstehung dieses Teams
Bereits der Vereinsname zeigt den Stil Ajax‘. Der Verein wurde nach dem gleichnamigen griechischen Helden benannt, dem größten aller griechischen Krieger, welcher als einziger nie von einem Gott unterstützt wurde und dennoch unbesiegt starb. Diesen Weg wollte auch Ajax beschreiten – ohne Hilfe von oben, nur mit der eigenen Kraft gewinnen, nie zurückstecken und einen offensiven Spielstil anwenden.
Im Jahre 1915 wurde Jack Reynolds, ein englischer Fußballmanager, zum Trainer von Ajax ernannt und sorgte im Laufe seiner ersten Amtszeit bei Ajax, die zehn Jahre dauerte, für die ersten Titel in der Vereinsgeschichte. In seiner dritten Saison bei Ajax schaffte er den Aufstieg in die höchste Spielklasse und sorgte mit seinen Konzepten landesweit für Aufsehen – die Gründung einer Jugendakademie war absolut unüblich für die damalige Zeit und als er in den Folgejahren auch noch anordnete, dass sie exakt das gleiche System wie die Herrenmannschaft spielen sollten, wurde er teilweise für verrückt erklärt. Nach einem kurzen Intermezzo bei Blauw-Wit Amsterdam von 1925-1928 kehrte er wieder auf die Trainerbank Ajax‘ zurück, wo er bis 1940 fünf Meistertitel feiern konnte. Doch nicht nur die Erfolge sorgten für Aufsehen, auch die Spielweise bekam Beifall. Die Medien schrieben von einer noch nie dagewesenen Schönheit, welche sich in überlegener Technik und Ballkontrolle zeigte – das Markenzeichen des großen Ajaxteams dreißig Jahre später, ebenso wie die Position des Flügelstürmers, welche Jack Reynolds erfand.
Nachdem die Nationalsozialisten für ein frühes Ende von Reynolds zweiter Amtszeit sorgten, stagnierte Ajax und musste auf die Rückkehr Reynolds aus dem Internierungslager Tost warten. 1945 war es soweit, Ajax ideologischer Führer kehrte zurück und 1947 gewann er seine letzte Meisterschaft. Er zog sich zurück und eröffnete einen Tabakwarenladen, zu erschöpft vom Krieg, um seine fußballerischen Ideen zu perfektionieren.
Die Philosophie blieb zwar weiter das Manifest des Vereins, jedoch ohne für weitere Titel zu sorgen, bis ein ehemaliger Spieler Reynolds‘ den Trainerposten übernahm: Rinus Michels, ehemaliger Zögling der Ajaxjugendakademie „Jong Ajax“ war durch und durch mit dem Willen Jack Reynolds imprägniert und sorgte für eine neuerliche Umsetzung des Ideals des totalen Fußballs.
Rinus Michels wurde 1965 der neue Coach, ein Mann, der als Spieler als introvertiert und streng galt. Man sagte, er sei geizig und lieber mit Büchern statt mit dem Feiern beschäftigt, doch der Mensch Rinus Michels hatte immer hart arbeiten müssen. Er wuchs als Sohn eines Ajaxfans auf und wurde bereits in jungen Jahren zu einem Mittelstürmer gedrillt, auch weil ihm die Fähigkeiten für die Wunschposition als zentraler Mittelfeldspieler fehlten. Er durchlief die Jugendstationen von Jong Ajax, trainierte trotz Hunger in den Kriegsjahren und wurde zu einem sehnigen und kräftigen Mittelstürmer, der ironischerweise seinem eigenen Idealbild eines totalen Fußballers widersprach. Als Spieler wurde er noch wegen seinem großen Kopf verlacht (trotz Mythen um unglaubliche Kopfballtore aus 20 Metern), doch als Trainer avancierte er zum Gehirn der großen Ajaxmannschaft, der in seinen Anfangsjahren rigoros jeden Spieler aussortierte, den er für zu schwach befand. Gleichzeitig forcierte er die Spieler aus der eigenen Jugend, zog unter anderem Johan Cruijff hoch, verlangte eine professionelle Einstellung und hartes Training.
Der zum Standard werdende Professionalismus im Fußball war jedoch nur ein Teil dieser Erfolgsgeschichte. Dubiose Gerüchte um Teamarzt Rolink und seine „Experimente“ mit den Ajax-Spielern umringen die großen Erfolge. Angeblich könnte deren Pressing mit traditionellen Mitteln physisch gar nicht aufrechterhalten werden. Gerüchte wurden laut, dass mit Amphetaminen gearbeitet wurde und die Spieler persönliche „Vitamincocktails“ erhielten. Dazu gesellten sich Schmerzmittel und Muskelrelaxanten, welche die Spieler matchfit machen sollten. Der Teamarzt Rolink soll es auch gewesen sein, der den ersten Stein zum Cruijff-Abgang legte. 1973 hatte Ajax 4:0 gegen Bayern im Viertelfinale des Meisterpokals gewonnen, das Rückspiel schien Formsache und Cruijff wollte eine alte Verletzung auskurieren – doch Rolink protestierte. Cruijff musste mit und erzürnte sich darüber, es entwickelte sich ein lange schwelender Streit mit der gesamten Vereinsführung über die Eskapaden des Kapitäns. Übrigens: jenes Viertelfinalhinspiel gegen den deutschen Meister zeigte auch, wie flexibel Ajax agieren konnte. Cruijff fand sich in dieser Partie auf dem linken Flügel, während Keizer seine Rolle im Zentrum übernahm. Dahinter tauschten auch Neeskens und Haan die Seiten, zeitgleich orientierte sich Blankenburg zwecks Abseitsfalle nach vorne und ließ eine Pseudoviererkette erzielen. Dazu gesellten sich die durchgehenden Rochaden auf dem gesamten Feld, die deutlich freier waren, als noch unter Michels. Ob gedopt oder nicht; eine solche taktische Komplexheit und Anpassungsfähigkeit ehrt die Ajax-Mannschaft der damaligen Zeit und zeugt von ihrer Besonderheit. Und wer weiß, womöglich war es doch die strenge Fuchtel Michels bis 71, welche für die physischen Grundvoraussetzungen sorgte. Nicht umsonst kontrollierte er auch Privatleben, Übernachtungsmöglichkeiten und sämtliche anderen fußballrelevanten Kleinigkeiten im Leben seiner Spieler.
Dieser Strenge sorgte wenige Jahre nach Ankunft Michels für Erfolg: 1966 gab es den ersten Ligatitel, vier weitere folgten bis 1971, darunter ein Double im Jahre 1967. Doch sein großes Ziel war immer der europäische Ligatitel, den man 1969 im Finale gegen den AC Milan knapp verpasste. In diesem Sommer kaufte er drei neue Spieler mit Gerrie Mühren, Nico Rijnders und Dick van Dijk, dem Torschützenkönig der Vorsaison. Ebenfalls in diesem Sommer wurde Ruud Krol vom zweiten Team hochgezogen und das System vom 4-2-4 großteils auf das bis heute gängige 4-3-3 nach dem Vorbild Ernst Happels Feyenoord geändert und auch deshalb ging im folgenden Jahr der Traum Michels‘ in Erfüllung. Im Finale 1971 besiegte man das von Puskas trainierte Panathinaikos mit 2:0 und konnte sich feiern lassen.
In diesem Sommer verkündete Michels, er suche sich andere Herausforderungen und wanderte zu Barcelona ab, sein Nachfolger wurde István Kovács, welcher zusammen mit dem Assistenz- und Jugendtrainer Bobby Haarms (1967 von Michels eingestellt, ebenfalls ein Absolvent von Jong Ajax) weiter an der Perfektion des Systems feilte. Der Mittelstürmer Van Dijk wurde von Cruijff ersetzt, um die Rechtslastig- bzw. Linkslastigkeit (je nach Position Cruijffs) des Systems aufzulösen und Johan Cruijff wurde als falsche Neun noch wichtiger für das Ajaxsystem und konnte seine individuelle Klasse stärker ins Spiel bringen.
Auch in der Defensive tat sich etwas, Torwart Gerrit Bals wurde von Heinz Stuy ersetzt, da letzterer ein besserer Fußballer war.
Für Libero Vasovic gab es bereits seit der Michels-Ära, besser gesagt seit 1970, einen schnelleren Mann für die Zukunft, den Deutschen Horst Blankenburg, bei dessen Verpflichtung Bobby Haarms eine große Rolle spielte.
Neben dem Scouting interessanter Spieler, für das Haarms ebenfalls verantwortlich war, war es eher Zufall, dass Ajax einen neuen Libero bekam. Denn Haarms hätte nicht den Spieler Blankenburg, sondern das Spiel zwischen 1860 München und Waldhof Mannheim scouten sollen, doch wurde er benachrichtigt, er müsse früher fahren, da es keinen Flug mehr gäbe. Deswegen blieb er nur zum Aufwärmen, doch einer der Spieler beeindruckte ihn bereits da durch seine Disziplin: Horst Blankenburg. Im Nu war Haarms im Zug nach Ajax, zwölf Stunden später hatte er das Ok von Michels und abermals zwölf Stunden später die Einwilligung Blankenburgs. Auf die Frage, wie Blankenburg sich den neuen Teamkollegen vorstellen sollte, ist folgende Anekdote von Bobby Haarms selbst überliefert: „Blankenburg wasn’t a real German in his behaviour. He asked me when he came to Ajax, how to present himself to the other players. I basically said: ‚They’re all typical Amsterdam arseholes. Full of themselves.‘ Blankenburg walked into the dressing room, said: ‚I’m Horst, I’m a Kraut and I come to play football with you.‘ And that was it. He was immediately accepted.”
Mit Blankenburg als Libero begann die neue Saison und Trainer Kovács gewährte den Spielern mehr individuelle Freiheit auf und neben dem Platz, es wurde mehr auf die Kreativität, als auf die Disziplin gepocht und dadurch konnte sich das Ajaxspiel auf eine neue Stufe heben – in Kovács erster Saison holte man das Triple, ebenso wie den europäischen Superpokal und den Weltpokal. Auch im Jahr darauf konnte man den europäischen Landesmeisterpokal und die Liga gewinnen, doch konnte man aufgrund schwächerer Disziplin nicht ganz an die überragende Vorsaison abknüpfen.
Aufgrund des hoch dotierten Angebots des französischen Verbands verließ István Kovács Ajax und George Knobel übernahm den Verein – der Anfang vom Ende von Gloria Ajax.
Um einer alternden Legende die letzte Ehre zu erweisen, wurde am Anfang der Saison Piet Keizer von Team und Trainer zum Kapitän ernannt und nicht Johan Cruijff, was diesen erzürnte und er zusammen mit seinem Wasserträger Neeskens dem Ruf ihres ehemaligen Trainers Rinus Michels aus Barcelona nicht mehr widerstehen wollte. Ohne ihre beiden besten Spieler konnte Ajax nicht mehr an die ganz großen Erfolge anknüpfen und zerfiel vom ehemaligen Dreamteam zu einem gebeutelten Verein, Trainer Knobel wurde nach schlechten Ergebnissen und Problemen mit den Medien noch vor Saisonbeginn entlassen.
Ajax gehörte auch in den weiteren Jahrzehnten zu den größten Vereinen der Niederlande, doch konnte bis in die 90er unter Trainer Louis Van Gaal nicht mehr jenen Glanz und jene Dominanz erlangen, die dem Ideal des totaalvoetbal gerecht geworden wäre.
Doch der Geist des damaligen Ajax lebt bis heute, sämtliche Teams seit den 70er-Jahren spielen ein aggressives und ballbesitzorientiertes Spiel, aufgebaut auf der weltbekannten Jugendakademie Jong Ajax und der magischen Zahlenkombination 4-3-3. Interessanterweise spielten sie nie wirklich mit dieser Formation. Lange Zeit lief man in einem 4-2-4 auf, erst nach Happels europäischem Triumph im 4-3-3 mit Feyenoord orientierte Ajax sich um: zu einem 1-3-3-3 oder passender: 4-3-2 + Cruijff. Dieser ist bis heute der bekannteste Sohn des Vereins; hier ein erster Eindruck:
Abschlussfrage: was bedeutet Gloria Ajax für den modernen Fußball?
Neben den vielen taktischen Neuerungen wie der Abseitsfalle, dem kollektiven Pressing und den Positionswechseln war es auch die Philosophie Ajax‘, die andere Mannschaften nachhaltig beeinflussen sollte.
Das systematische Aufbauen einer schlagkräftigen Truppe durch analytisches Scouting und einer Jugendkademie, die dem Spielstil der ersten Mannschaft angepasst und dadurch dem Verein eine Identität und den Jugendspielern eine Chance bietet, gilt bis heute als Vorbild für viele Vereine Europas, als prominentestes Beispiel der FC Barcelona, deren Jugendakademie La Masia nach dem Vorbild von Jong Ajax aufgebaut ist. Doch nicht nur die Vereinsführung wurde kopiert, auch die taktischen Neuerungen, das Streben nach dem schönen Spiel und der kollektiven Systematik der Angriffs- und Verteidigungsbewegung sorgten für einen Boom an innovativ spielenden Mannschaften in den 70ern, bekannte Beispiele sind Hennes Weisweilers Borussia Mönchengladbach und Lobanowskiys Dynamo Kyiv.
Eine Renaissance erlebten die defensiven Taktiken Michels‘ zu Beginn des Jahrtausends und immer mehr Trainer forcieren Positionswechsel und das Pressing, während die Abseitsfalle wie auch die Raumdeckung bereits Gang und Gäbe im internationalen Fußball geworden sind.
Dank Ajax in den 70ern wurde sechzig Jahre nach der Relativitätstheorie die Symbiose von Raum und Zeit im Fußball erkannt und sorgte langfristig für eine wissenschaftliche und athletische Entwicklung des Fußballs, der sich heutzutage sowohl im Tiqui-Taqua Barcelonas als auch dem aggressiven One-Touch-Football der englischen und südwestdeutschen Schule äußert – wobei sie bei letzterem nicht die (alleinigen) Vorreiter waren, doch zu den Mannschaften Happels, Lobanovskiys und Co. kommen wir ein anderes Mal.
66 Kommentare Alle anzeigen
Tank 21. Januar 2014 um 13:59
„Doch das beeindruckendste an Cruijff ist nicht seine Spielweise, nicht die Personifizierung des totaalvoetbal, sondern die Akzeptanz bei seinen Mitspielern, obwohl er sie in jeder Sekunde wissen ließ, dass er das Genie war. Er war der Künstler, der Überlegene, der sich im Training weigerte stur Runden zu laufen und auf dem Platz trotzdem mehr lief als andere, richtiger lief als andere[…]“
Woher kommt die Info, dass Cruyff mehr lief als die anderen Spieler? Grade den direkten Weg nach hinten, um dem Gegner den Ball abzujagen, wenn dieser das Pressing oder Gegenpressing überspielt hat, hat Cruyff ja auch gern mal ausgelassen.
Ich denke grade viel über Di Stefano vs. Cryuff nach, daher die Frage.
RM 21. Januar 2014 um 14:40
Tat er es nicht? Auch dann nicht, wenn der Weg strategisch benötigt wurde?
Ich meine gelesen zu haben, dass seine Mitspieler ihn immer für seine körperlichen Fähigkeiten (Antritt, Koordination, Ausdauer) bewunderten. Habe auch zwei vage Zitate von einem Mitspieler und von Michels im Kopf, dass er das Training schlicht nicht brauchte und darum nicht machen wollte. Michels hat ihn dann bei den Straftrainings auch nicht laufen gelassen, sondern ist mit ihm spazieren und reden gegangen. Kann aber auch nur ein Mythos sein.
Tank 21. Januar 2014 um 15:04
Also dass er körperlich extrem stark war – und zwar so ziemlich in jeder Hinsicht, was echt bemerkenswert ist – ist klar. Ich hab im Kopf irgendwie so ein paar Szenen, in denen er demonstrativ stehen bleibt und diese Wege nach hinten, oft im Gegensatz zu seinen Mitspielern, nicht mitgeht. Eigentlich recht ähnlich wie Messi. Diese jagenden Läufe nach hinten kommen sehr vereinzelt und gerne mal, wenn er selber den Ball verloren hat und sich an der Ehre gepackt fühlt.
Kann natürlich sein, dass das alles seine Ordnung hatte und der gute Johan schon wusste, wann man ihn brauchte und wann nicht.
Trotzdem macht Di Stefano auf mich da den disziplinierteren Eindruck.
RM 21. Januar 2014 um 15:14
Oh, das glaube ich. Habe Di Stefano auch als „defensive falsche Neun“ einmal bezeichnet, so weit würde ich bei Cruijff wiederum nicht gehen. Di Stefano war wohl auch präsenter, wobei ich dennoch durchaus glauben kann, dass Cruijff wirklich extrem viel lief. Alles in Relation zu den Mit- und Gegenspielern.
Zagłębie rules 21. Januar 2014 um 18:16
Der Eindruck dass er weniger lief kann bei Betrachtung des alten Filmmaterials schon mal entstehen, wobei ich sicher bin dass es eben doch nicht so war. Man darf bei der Bewertung von Ajax Spielern nicht vergessen dass das System eben diese langen Sprints eines einzelnen Spielers zurück in die Formation unnötig machte, weil ja ein anderer Spieler auf die entsprechende Position rotiert ist.
Tank 21. Januar 2014 um 19:15
Nee, ich glaube das hat wenig mit der Sache zu tun.
Das Alter des Filmmaterials ist erstmal egal, weil ich Cruyff ja mit seinen Mitspielern vergleiche. Ich betrachte ihn also innerhalb seiner Zeit.
Und diese Positionsrochadengeschichte würde ich persönlich nicht ganz so prominent herausheben. Das wurde nicht so oft und so extrem gespielt, wie man das häufig liest. Zumal Cruyffs Mitspieler ja durchaus in den genannten Situationen den Bedarf sahen, mit nach hinten zu gehen.
RM 21. Januar 2014 um 19:44
Tank, die Positionsrotationsgeschichte war halt nicht soo häufig und soo extrem, wie man es immer sagt. Zwar noch mehr als bspw. bei den Bayern oder bei Barcelona, aber nicht durchgehend oder durch alle Positionen hinweg. Weißt du da mehr?
Ich habe bei dem Artikel teilweise Kurzaufnahmen von einzelnen Ligaspielen gesehen, wo das wohl extremer war. Da wurden halt vertikal die Positionen gewechselt und abgesichert und eben nur zurückgetauscht, wenn’s ging. Horizontal gab es nicht so viel Herumgewechsle, meistens ging es ja dann von Cruijff aus und beschränkte sich auf die Sturmreihe. Wurde dafür aber alles ganz gut gemacht. In vielen Spielen gegen stärkere Mannschaften hatten sie die positionellen Wechsel aber nur vereinzelt drinnen, oder?
Zagłębie rules 21. Januar 2014 um 19:52
Wenn es nicht so extrem und oft gespielt wurde was war dann das eigentliche Geheimnis? Ich meine wer entwickelt schon eine Taktik die sich von der Norm deutlich unterscheidet und wendet sie dann nicht an. Dass sich Ajax innerhalb der Liga individuell deutlich abgehoben hat ist schon klar aber bezogen Auf europäischer Ebene war das doch bestimmt eher nicht so.
RM 21. Januar 2014 um 19:54
Ach bitte, die hatten nicht nur wegen der Positionswechsel (und für damals waren sie ja viel mehr als bei anderen= einen Vorteil, sondern wegen vieler anderer Sachen, taktisch, physisch, Trainingsmethodik, etc. Individuell waren sie auch super. Und: Die hatten national phasenweise größere Probleme als international.
Zagłębie rules 21. Januar 2014 um 20:00
PS Ich hab zwar damals etliche Spiele live gesehen, aber natürlich damals nicht den Hintergrund gehabt wie heute, sprich auf diese Sachen damals nicht geachtet. Komischerweise hat Crujiff damals unter uns nicht so die Rolle gespielt. Wir waren durchgängig Fans von Barry Hulshoff und Ruud Krol.
MR 21. Januar 2014 um 19:46
Also ich hab sehr wenig von Cruyff gesehen (abzüglich diesbezüglich unaussagekräftiger Offensiv-Zusammenschnitte), hab dabei aber auch gleich mehrere Situationen gesehen, wo er sich ganz offensichtlich weniger am Pressing beteiligte als seine Mitspieler. Weiß nicht mehr wie genau die strategischen Umstände da jeweils waren, aber die Grundaktivität war jedenfalls wesentlich niedriger.
Könnt mir aber gut vorstellen, dass das bei ihm je nach Spiel/Spielphase/sonstigen Umständen sehr stark variierte.
Diegos Jünger 1. August 2012 um 07:16
Klasse Artikel! Noch ein Lob mehr.
Schon erstaunlich, wie selbst über 20 Jahre später die Ajax Schule immer noch so revolutionär war,
als man `95 die Championsleague in überlegener und so typischer Ajaxmanier gewann.
Wenn auch nur einmal wegen dem Elfmeterschiessen im nächsten Jahr
und weil alle Spieler weggekauft wurden, zum 3.mal.
Genau wie auch nach dem Sieg `87 gegen Lok Leipzig im Pokalsiegercup.
Und selbst über 40 Jahre später gibts nur einen einzigen Verein,
der tatsächlich von sich behaupten kann, die Ajax Schule überholt zu haben
und das Glück hat, keine Geldsorgen zu kennen.
Diego war auch mal da, aber nur ganz kurz …
hatte wohl kein Bock auf Systemfussball ; )
Jo 31. Juli 2012 um 23:24
Beim Lesen dieses Porträts kommt bei mir die Frage auf, ob man beispielweise bei einem Verein in der Bundesliga mit dem gleichen 1-3-3-3 System und den vertikalen Rochaden spielen könnte?
OffensiverAussenverteidiger 20. Juli 2012 um 10:19
Brillanter Artikel! Ich habe vor einiger Zeit irgendwo in den Tiefen des Internets etwas über Keizer gelesen. Wie in dem obigen Artikel stand dort, dass er heimlich das größerer Genie als Cruyff war. Dazu eine Frage: Was ist denn aus ihm geworden.
Noch ein inständiger Wunsch: etwas über das ungarische Team von 54 mit Fokussierung auf Hidegutis taktische Ausrichtung!
Sven 19. Juli 2012 um 09:25
Es ist vielsagend, wie aus einem Ajax-Thema ganz schnell ein Barca-Thema wird….. Die Verbindung zwischen beiden Teams und Epochen sind Johan Cruyff, Johann Neeskens und Rinus Michels.
Tank 19. Juli 2012 um 21:32
Um noch einmal auf der Verbindung beider Teams rumzuhacken: Ich habe an mehreren Stellen (u.a. bei Michels selber) gelesen, dass das Ajax der frühen 70er durchaus teilweise etwas gespielt hat, was man heute wohl tiki-taka nennen könnte. Also längere, eher horizontale Ballstafetten mit dem Ziel den Gegner richtig hinzustellen und ihn zu ermüden. Was ich aber bisher vom alten Ajax gesehen habe, deckt sich eher mit dem was hier im Artikel steht: deutlich vertikaleres Spiel, schnell nach vorne, Kurzpässe ja, aber kein tiki-taka. Nun haben sich die diversen Quellen das aber whl nicht ausgedacht, dass Ajax auch deutlich abwartender und Ballbesitz orientierter spielen konnte.
Daher meine Frage: Hat jemand ein Beispiel für ein Spiel, in dem Ajax zumindest phasenweise „barcelona-esque“ gespielt hat? Kenne persönlich nur die 3 Finals und das Bayern-Spiel und erinnere mich zumindest nicht an längere Phasen, in denen so gespielt wurde.
Sven 20. Juli 2012 um 15:12
Ich habe dazu noch die Spiele von Ajax gegen Celtic 1971, gegen Arsenal 1972 und gegen Real Madrid 1973 – deine Beobachtungen decken sich mit meinem Eindruck. Es ging aber wohl bei Barca-Bezug wohl nicht so sehr um das sog. Tiki-Taka, also das Hochtempo-Kurzpassspiel, sondern vielmehr um den dazu gehörigen Spielertyp, den man im neudeutschen „polyvalent“ nennt. Bis auf den Torwart gab es kaum feste Positionen im Spiel (sowohl bei Ajax, als auch bei Barca), wurde ein aggressives Forchecking gespielt und der einfachste Weg zum Tor gesucht (Cruyff: das schwierigste ist, einfachen Fussball zu spielen.“).
PM18 18. Juli 2012 um 20:44
Wenn Barca zum rigorosen Ballbesitzspiel zusätzlich auch noch die Fähigkeit hätte, über die Außenpositionen durch gute Flanken für Gefahr zu sorgen, weil ein zentraler Stürmer die Bälle auch verwerten könnte, wären sie absolut unschlagbar. Warum Guardiola, der fast alles richtig gemacht hat, das nie in Erwägung zog, werde ich nie verstehen. Ist ja auch nicht so, dass sie einen reinen Kopfballspezialisten gebraucht hätten. Einen, der vielleicht nicht alles perfekt aber vieles gut kann. Nach Eto’o z. B. hätte ein Klose sehr gut da reingepasst. Egal.
Zum Artikel:
Vielen, vielen Dank für den Artikel. Ich selbst bin mit dem Ajax der Mitt-Neunziger groß geworden, auch wenn ich damals mit 18 von den Zusammenhängen auf dem Feld so gut wie nichts verstanden habe (nicht, dass das heute groß anders wäre, haha). Als ich dann nach und nach mich auch mit den theoretischen Hintergründen zu befassen begann, war die gute Ajax-Zeit leider auch schon wieder vorbei 🙁
Was mich jedoch tröstet(e):
1) Cruijff hat sich noch einmal eingemischt und hoffentlich die richtigen Leute an die richtigen Stellen gesetzt (de Boer, jetzt Overmars, etc.). Diese werden den von Uri Coronel erstellten Report, der auf viele Schwachstellen hinwies, hoffentlich besser beherzigen als all jene, die blind und teuer eingekauft haben, anstatt auf die eigenen Leute zu setzen.
2) Barca – von Cruijff inspiriert – ist die ultimative Ajax-Version, nur mit Geld. Was Barca – und somit Cruijff und Ajax – für den Fußball geleistet haben, ist nicht hoch genug zu bewerten. Wie viele Spiele ich von Barca in den letzten Jahren über laola.tv – zum Leidwesen meiner Frau – gesehen habe, um bl0ß nicht wieder eine neue Idee Guardiolas zu verpassen…
Da ich diese Seite erst kürzlich entdeckte und mein Herz in Deutschland für Schalke schlägt, werde ich in den nächsten Wochen und Monaten speziell zu deren Spielen meinen Senf dazu geben (wenn gewünscht). Es macht jedenfalls riesigen Spaß, hier zu lesen.
PS: Wer über Voetbal International noch weitere sachdienliche Quellen zu Ajax (auch zu deren Historie) hat, darf mir gerne schreiben ([email protected]).
HerrHAnnibal 18. Juli 2012 um 21:56
Barca hatte doch mit Ibrahimovic genau diesen Spieler. Man hat auch zeitweise Pique oder Keita mit ihrer physischen Präsenz in den 16er gezogen…
Letztendlich ist Barca aber eben am Gefährlichsten wenn sie ihrer grundsätzlichen Spielweise treu bleiben und geduldig spielen…
HW 18. Juli 2012 um 23:19
Das Problem bei Ibrahimovic war wohl, dass er sich nicht zu 100% dem Barca-Stil verpflichtet wühlte. Stichwort: kein Respekt für den Trainer. Da soll es ja Aussagen wie, „der Kleine und ich wir, richten das schon“, (bezogen aufs Offensivspiel) gegeben haben. Was bedeutet: Eure Taktik interessiert mich im Detail nicht.
Ich will Ibrahimovic nicht schlecht reden, er ist ein exelenter Fußballer. Aber bei Barca passte er nicht rein. Er ist ja auch nicht der Typ, der sich als ‚Plan B‘ auf die Bank setzt.
HerrHAnnibal 19. Juli 2012 um 01:19
Ibrahimovic war eben ein Spieler, der durchaus eine physische Präsenz im 16er bietet und mit Flanken bedient werden kann.
Rein sportlich hat das ganz gut gepasst und vor seiner Verletzung brachte er hervorragende Leistungen.
Nach alles was man später dann gelesen hat, hat es menschlich einfach nicht gepasst. Trotzdem hatte man ja zu dieser Zeit eben diesen wuchtigen Mittelstürmer und das änderte nichts an der grundlegenden Strategie in engen Spielen.
Letztendlich fokussiert man sich gerne auf den angeblich fehlenden Plan B obwohl das bei den wenigen Niederlagen nicht ausschlaggebend war. Man hatte gegen Chelsea in beiden Spielen mehr als genug Chancen und man schlug auch damals das mauernde Inter (und erzielte sogar noch ein reguläres 2:0 welches zum Weiterkommen gereicht hätte)
Mir fällt eigentlich kaum ein Spiel ein wo man wirklich keinerlei Chancen herausspielen konnte und ich habe in den letzten 5-6 Jahren nicht viele Matches verpasst.
Und es gab mehr als genug enge Spiele, die in der Schlussphase mit Geduld und der üblichen Marschroute entschieden wurden.
max 19. Juli 2012 um 02:52
ibrahimovic war wie ein fremdkörper.
sportlich hat es einigermaßen in der hinrunde und anfang des jahres 2010 (nicht mehr) gepasst, allerdings bekam guardiola nie das problem in den griff, dass das barca-spiel durch ibra schlicht zu statisch wurde im vergleich zu dem jahr davor.
und das mit der präsenz im strafraum: guardiola hat gegen inter und chelsea die kopfballstärksten spieler in den strafraum gezogen (pique, keita usw.). manchmal ist es eben pech oder der gegner ist ziemlich stark, was gegen inter unter anderem auch dadurch bestärkt wurde, indem (!) barca auf ibra gesetzt hat. als bojan reinkam, gab es mehr chancen, da sich dieser deutlich mehr bewegte und dadurch mehr räume schaffen konnte.
HerrHAnnibal 19. Juli 2012 um 11:21
@Max
Alles richtig. Aber der Knackpunkt dabei war auch Ibrahimovics Verletzung. Er war in den Duellen gegen Inter nicht fit und spielte trotzdem. Dabei bewegte er sich kaum einen Meter und fightete zu keinem Zeitpunkt. Dementsprechend wurde dann auch Kritik laut und die Auseinandersetzungen mit Guardiola begannen.
Man muss schon sagen dass der Schwede in der Hinrunde eine sehr sehr gute Leistung gezeigt hat. Da würde ich nicht von Fremdkörper sprechen. In vielen wichtigen Spielen die Führung erzielt und sich auch in den Dienst der Mannschaft gestellt…
Sven 18. Juli 2012 um 17:17
@HW:
„Und man bedenke, Holand erreichte 1978 das WM Finale ohne Cruijff, Brasilien wurde Weltmeister mit einem verletzten Pele usw. Große Teams können es auch ohne die größten Stars, auch wenn die ein wichtiger Faktor sind.“
Das ist allerdings richtig und eigentlich wären sie bei einem guten Referee sogar WM geworden.
Aber die Ajax-Mannschaft konnte eben nichts wirklich relevantes ohne Johan Cruyff. Das belegen nunmal die Fakten: Erst 1977 wurde man überhaupt mal wieder Landesmeister, international mußte man bis 1987 warten, da allerdings auch wieder nur mit Cruyff als sportlich Verantwortlichen. Deshalb kann man die Story vom Ajax-Team und dem damit verbundenen System nur zwingend auch mit dem Namen Cruyff erzählen. Er verkörperte es sowohl sportlich, als auch in seiner Persönlichkeitsstruktur.
HW 18. Juli 2012 um 19:51
Ich sage ja nicht, dass Cruijff unwichtifg war. Andereseits sind in den Jahren Mitte / Ende der 70er auch andere Spieler gegangen und Ajax konnte an dieser besonders erfolgreichen Zeit in Europa nicht anknüpfen. In den 80ern entstand dann eine neue Generation mit dem Trainer Cruijff.
Was aber gerade die Person Cruijff zeigt ist, dass es nicht nur auf das Genie auf dme Platz ankommt, sondern auch um das Gesamtgebilde. Ajax hatte mit Keizer, Neeskens, usw. sehr gute Spieler. Ohne Cruijff hätte man vielleicht nicht ganz so viel Erfolg gehabt, trotzdem wäre es damals das beste Ajax Team aller Zeite gewesen und hätte oben in Europa mitgemischt.
Später zeigte Cruijff dann, das er nicht auf dem Platz stehen muss um eine Mannschaft zu formen, davon profitierte dann Ajax in den 80ern.
Sven 18. Juli 2012 um 17:11
Ausgangspunkt war der Hinweis des Autors auf Meinungen anderer , dass große Mannschaften neben ihrem Ur-System immer auch einen Plan B hatten bzw. haben. Daher ist das nicht konfus, sondern eher eine Diskussion, was ein Plan B eigentlich ist.
Ich konnte bei Barca diesen Plan B nicht erkennen, außer das Nuancen im Ur-System geändert wurden, wenn es hakte. In der letzten Saison hatte der Plan B einen Namen bei Barca: Messi. Er machte in engen Spielen in der spanischen Liga dann eben fast immer den entscheidenden, aber eben auch einzigen Unterschied aus. Aber Teams wie Chelsea haben eben mit ihrem „Antifussball-System“ Barca die Grenzen gezeigt. Und dann gab es eben keinen wirklichen PlanB: Egal ob man das jetzt Flankenbolzen nennt oder anders. In der Partie gegen Inter Mailand gab es dazu einen Kommentar des Reporters genau dazu:Sie können nicht die Brechstange auspacken, haben dafür auch nicht Spieler auf der Bank.
max 18. Juli 2012 um 18:17
grenzen gezeigt ?
mein gott, der junge hatte genug chancen, um chelsea abzuschießen. (ohne elfmeter) und hat das tor selbst vorbereitet.
was ist denn das für eine verklärung der tatsachen.
lass bitte dieses stammtisch-gelaber („brechstange auspacken“).
ps: nur weil du (!) das nicht erkennen kannst, heißt es nicht, dass es andere nicht können bzw. dass gewisse mannschaften keinen „Plan B“ haben.
was soll denn das auch sein ? nenn mir eine mannschaft, die einen „plan b“ hat.
max 18. Juli 2012 um 18:20
anmerkung zum letzten absatz:
die meisten definieren plan b als langer hoher ball unkontrolliert in den strafraum auf gut glück. das ist kein plan b ! das ist schwachsinn ! die erfolgsquote einer flanke in einem vollgepackten 16er ist dermaßen niedrig, dass es sich nicht lohnt, dafür den ballbesitz zu riskieren.
weitere anmerkung: es wird generell weniger geflankt.
PM18 18. Juli 2012 um 20:51
„Aber Teams wie Chelsea haben eben mit ihrem “Antifussball-System” Barca die Grenzen gezeigt.“
Chelsea hat gar nichts gezeigt, außer dass man mit dem Papst in der Tasche und einem Chancenverhältnis von 5 zu 20 (nur die guten Chancen gezählt) trotzdem (aggregiert) 3 zu 2 weiterkommen kann. Das war pures Glück, sonst gar nichts (11er, Pfosten, Latte, auf der Linie geklärt). Klar, ein Stück weit hatte es sich Barca auch selbst zuzuschreiben, dass sie die Räume, die Chelsea auf den Außenbahnen freiwillig bot, gar nicht zu nutzen wussten (weil eben keiner in der Mitte war, der sich nach einer Flanke physisch hätte durchsetzen können). Aber trotz des Fehlens des o. g. Plan B war es der totale Hohn, dass Chelsea da weiterkam. Das sah ein paar Jahre vorher im Halbfinale (mit dem Iniesta-Tor) noch anders aus.
crs 18. Juli 2012 um 14:55
iwie ist das ganze hier ziemlich konfus, oder kommt mir das nur so vor?!
ist das..
„wenn Kombinationsspiel nicht geht muss Plan B halt Flankenbolzen sein oder sowas.“
jetzt doch eure definition von plan a/b?!
MR 18. Juli 2012 um 21:01
Das eine ist eine konzeptionelle und das andere eine schematische Umstellung. „Einen Plan B haben“ kann beides bedeuten. Und bedeutet meistens nichts. Daher braucht man von dieser Phrase keine Definition zu haben.
crs 18. Juli 2012 um 21:31
mir ging es um eure verschiedene auffassung von der definition „plan b“, daher das konfus und die frage.
habe ich wohl unklar ausformuliert.
„Unabhängig davon wäre Barca meines Erachtens schon noch stärker, wenn sie noch ein paar mehr konzeptionelle Facetten hätten“
könntest du das ein wenig ausführen?
Sven 17. Juli 2012 um 15:25
„….es gab immer einen Plan B – für viele das Markenzeichen großer Mannschaften.“ Das ist für mich kein wirkliches Markenzeichen:
Danach wäre der FC Barcelona der Xavi, Iniesta und Messi keine große Mannschaft – denn einen Plan B hatte dieses Team auch nicht, in entscheidenden Matches zum Beispiel: 2010 gegen Inter Mailand, 2012 gegen Chelsea. Aber will wirklich jemand bezweifeln, das dieser FC Barcelona ein großes Team ist?
Und dieses Ajax-Team fiel nach dem Weggang Cruyffs nach Barcelona auch schnell wieder in das national und international 2. Glied zurück. Offenbar war dieses System zu sehr an die Genialität und Einmaligkeit des Johan Cruyff gebunden. Trotzdem ist es ein großes Team der Fussball-Geschichte.
Tank 17. Juli 2012 um 18:15
Stimmt schon, von der Spielweise ist Barcelona sehr auf eine bestimmte Art des Fußballs fixiert. Würde also im Großen und Ganzen zustimmen, dass sie keinen Plan B haben. Auch sind ihre Spieler weniger polyvalent als Cruyff und Co., wobei das alte Ajax da eben auch die Hochwassermarke für Polyvalenz ist.
Wenn man bei Barca einen Plan B finden will, dann könnte man Messi und ab der Saison 11/12 noch das 3-4-3 nennen. Dass Messi allein ein Plan B ist, klingt natürlich erstmal etwas komisch, aber besonders in der zweiten Hälfte der La Liga Saison 10/11 hat er ein schwächelndes Barcelona gegen viele Gegner wirklich auf eigene Faust zum Sieg geführt. Erst mit dem Champions League Finale gegen Manchester kehrte die Mannschaft zur vollen Stärke zurück und Plan A griff wieder.
RM 18. Juli 2012 um 00:11
Barcelona mit der Dreierkette, dem Vierersturm, den wechselnden Sturmreihen, den veränderten Aufgaben auf den Außenverteidigerpositionen, den unterschiedlichen Passmustern, dem variierenden Pressing, der unterschiedlichen Positionierung Messis, einer abgeänderten Vertikalität aus dem zentralen Mittelfeld heraus sowie der unterschiedlichen Breite der Außenstürmer – das sind doch eigentlich ganz schön viele Plan Bs.
MR 18. Juli 2012 um 03:09
Aber halt schematisch/strukturell und nicht konzeptionell. So funktioniert diese Diskussion ja meistens – wenn Kombinationsspiel nicht geht muss Plan B halt Flankenbolzen sein oder sowas.
max 18. Juli 2012 um 03:55
vielen dank für diese kommentare, vor allem für diesen nebensatz:
wenn Kombinationsspiel nicht geht muss Plan B halt Flankenbolzen sein oder sowas.
ist wirklich schlimm mit den fußballfans 🙁
Tank 18. Juli 2012 um 11:42
Naja, MR sagt das jetzt so ein bisschen despektierlich mit dem Flankenbolzen, und ich verstehe auch warum, aber wäre es nicht tatsächlich besser, wenn Barcelona bei Flanken gefährlicher wäre, als sie es sind? Nur mal rein theoretisch gedacht, erscheint es mir klarerweise besser, wenn eine auf Kombinationsspiel ausgelegte Mannschaft noch einen völlig anderen Plan B hat, wenn dadurch kein anderer Aspekt im Spiel leiden würden.
Dass diese Überlegung zumindest teilweise rein theoretisch bleiben muss, kann man auch am Barcelona Beispiel gut sehen. Wären Xavi, Iniesta und Messi allesamt 1,95 m groß und wahnsinnig starke Kopfballspieler (klar, es gibt auch kleinere gute Kopfballspieler, aber bei gleicher Kopfballtechnik ist Größe natürlich ein Vorteil), würde ihnen vermutlich die Dynamik abgehen, um in engen Räumen zu agieren.
Auf der anderen Seite zeigt Sacchis Milan, dass man sehr sehr gut im Kurzpassspiel durch die Mitte sein kann und gleichzeitig viele Tore nach Flanken schießt. Flankenbolzen als konzeptioneller Plan B ist also auch bei Mannschaften mit einem ähnlich stark auf Kurzpassspiel angelegtem Plan A möglich.
HW 18. Juli 2012 um 12:03
Das Problem ist doch, ob man diese Qualität / Variabilität mit den 11 Spielern auf dem Feld oder nur duch Auswechslungen erreichen kann.
Barcas Kurzpassspiel ist sehr effektiv. Nicht unbedingt auf Pässe pro Tor bezogen, aber darauf ob man viele Spiele gewinnt.
Jetzt geräte man an einen Gegner, der besser über Flanken zu bezwingen ist. Soll man dafür die Startelf ändern? Soll man nach 70 Minuten einen großen Stürmer bringen, wenn es 0:0 steht? Erhöht man damit die Chancen auf eine Tor, wenn das Barca-Konzept schon eine enorm erfolgreiches Konzept ist? Und vor allem wenn dieses Konzept vorsieht den Gegner bis zur letzten Minute müde zu spielen.
Es ist, wie schon beschrieben, nicht so, dass Barca nicht auch Kontern könnte oder anders ihren Stil anpasst. Aber hohe Flanken, bei den kleinen Angreifern und großen gegnerischen Verteidigern sind nicht sehr erfolgsversprechend (bis auf einzelne Situationen) und einen langen Spieler nur für Fall X auf der Bank zu haben ist in 98% der Spiele eine totale Verschwendung.
Barca bräuchte also einen Stürmer, der im normalen Kurzpassspiel funktioniert und dann auch den Targetman geben kann. Sowas findet sich, auf Barca-Niveau, leider nicht so einfach.
Vergleiche mit Teams der Vergangeheit würde ich hier vermeiden. Keines der Teams war so gut und dominant im Kurzpassspiel. Es waren auch andere Zeiten.
Vielleicht muss man einfach zwischen ‚Flanken bolzen‘ und intelligentem Flügelspiel unterscheiden.
Sven 18. Juli 2012 um 13:01
@RM:
Warum hat dann nicht einer dieser angeblich vielen Plan B’s in solch entscheidenden Matches real gegriffen? Vllt. weil diese „formulierten“ Plan B’s eben doch nur graue Theorie sind, wenn sie auf dem Platz keine wirklichen Effekte (=torgefahr, =Tore) erbringen? Was nützt eine „veränderte Vertikalität aus dem zentralen Mittelfeld“, wenn es im Strafraum eben nicht zur Torgefahr gereicht? Dann kann mit solchen Löw’schen Formulierungen bestimmt einen Adolf-Grimme-Preis gewinnen, aber sonst? In beiden Spielen (im übrigen aber auch schon im HF 2009 gegen Chelsea) kam Barca trotz gefühlter 200% Ballbesitz nicht zu zwingenden Torchancen in relevanter Anzahl. Es gab nie einen wirklichen Plan B bei Barca, nur das vertrauen auf die immense Kraft des eigenen Spielsystems. Deshalb konnte ein Trainer wie Mourinho auch sich lange genug dazu „rüsten“, Barca in seine Grenzen zu zwingen.
Aber das ist hier ein Ajax-Thread: bei Ajax ist ja auch nicht das theoretische System (auf dem Taktikbrett) die entscheidende Komponente, sondern ein Spieler, der dazu die genialen Fähigkeiten mitbrachte: Cryuff. Ohne ihn wäre Ajax auch mit diesem revolutionären System bei weitem nicht so erfolgreich gewesen und das ganze wäre eine Fussnote der Fusbball-Geschichte geworden.
HW 18. Juli 2012 um 14:00
@Sven
Diese Alternativpläne haben oft genug gegriffen. In der Öffentlichkeit werden oft aber nur die wenigen Spiele bemerkt in denen Plan B und C mal nicht greifen.
Oder schiebt man es bei anderen Vereinen auf einen Mangel an Plan A, B, C wenn sie Spiele verlieren? In der Regel nicht.
HW 18. Juli 2012 um 14:04
@Sven
PS Oder anders gesagt: Was nützt der weite Ball, wenn er im Strafraum auch nicht zur Torgefahr gereicht?
In wieweit Barca dauerhaft in die Grenzen gewiesen wird, muss sich noch zeigen.
Tank 18. Juli 2012 um 14:08
@HW: Ich glaube wir reden aneinander vorbei. Du scheint sagen zu wollen, dass es für Barca unsinnig wäre einen Spieler im Team oder auf der Bank zu haben, der ausschließlich einen Plan B, z.B. Flanken und Kopfballabschluss, draufhat. Da stimme ich voll zu.
Mein Punkt war eher theoretischer Natur: Wäre es nicht besser, wenn Barca einen Plan B hätte, selbst wenn der aus den für Barca völlig untypischen hohen Flanken in den Strafraum bestehen würde, WENN dieser Plan B in keiner Weise Plan A beschädigen würde? Das habe ich bejaht.
Ich wollte auf keinen Fall die generelle Effektivität von Barcas Plan A in Frage stellen. Im Gegensatz zu Sven habe ich Barca in den entscheidenden Spielen, die sie in den letzten Jahren verloren haben, auch nie chancenlos gesehen.
Weil es mir aber um einen theoretischen Punkt ging, macht der Vergleich zu Sacchis Milan Sinn, weil sie dem Modell „Barca + konzeptionell unterschiedlicher Plan B = besseres Team als Barca“ am nächsten kommen. Du hast aber natürlich recht, dass Sacchis Milan den ersten Teil dieser Gleichung nie erreicht haben und mMn auch nicht höher einzuschätzen sind als das aktuelle Barca, auch wenn man die 20 Jahre Fußballentwicklung zwischen diesen beiden Teams mal irgendwie rausrechnet.
Tobias 18. Juli 2012 um 14:15
Ich glaube was HW sagen will ist, dass selbst wenn Barca einen Plan B und die notwendigen Spieler hätte, so wäre die Wahrscheinlichkeit mit Plan A ein Tor zu erzielen doch höher, da Plan A einfach der Plan ist, der die Wahrscheinlichkeit ein Tor zu erzielen maximiert.
Wie es aussieht, wenn eine Mannschaft zu früh von Plan A abweicht hat man ja im Spiel Deutschland – Italien gesehen (oh nein, jetzt fang ich schon wieder damit an ;-))
HW 18. Juli 2012 um 14:16
@Tank
Ich wollte auch nicht dich persönlich ansprechen, sondern eher das Problem vor dem Barca steht verdeutlichen.
Selbst wenn sie sich mit Plan A schwer tun, ist dieser in Varianten effektiver als ein Plan B der eine radikale Umkehr vom Spielsystem bedeutet.
Es wird auch auf die evtl. Notwendigkeit eines Genies wie Messi oder Cruijff verwiesen, aber mit einem Targetman wird man evtl. noch abhängiger von einem Spieler. Der kann ja auch exelent sein, nur muss er dann auch die Kopfballduelle gewinnen usw.
Und man bedenke, Holand erreichte 1978 das WM Finale ohne Cruijff, Brasilien wurde Weltmeister mit einem verletzten Pele usw. Große Teams können es auch ohne die größten Stars, auch wenn die ein wichtiger Faktor sind.
TheSoulcollector 18. Juli 2012 um 19:47
Also bei diesm Plan B muss man auch unterscheiden zwischen Liga-Alltag und Pokalspielen. In der Liag ist es nicht schlimm, wenn man mal ein Spiel verliert weil Plan A nicht aufgeht. In der Liga dominiert Barca ja bis auf ein paar Ausnahmen eigentlich jede Mannschaft und kann auch gewinnen, selbst wenn das Barca-typische Ballbesitzspiel gegen diesen Gegner nicht zu empfehlen wäre.
Kritisch wird es erst, wenn man in der K.O. Runde steht. Da darf man sich keine Niederlage erlauben. Und dort ist ein echter Plan B nicht verkehrt, auch wenn er mal vom eigentlichen Spiel abweicht. Und gerade Barca hat doch viele polyvalente Spieler, die auch anders spielen könnten. Da verwundert es schon, dass manchmal einfache Dinge, wie z.B. die konsequente/klassische Besetzung der Außenbahn kaum stattfindet oder eben kein echter Stürmer vorhanden ist, der Flanken verwerten kann.
HW 18. Juli 2012 um 20:12
@TheSoulcollector
Wie viele KO Spiele (inkl. Finale) hat Barca in den letzten Jahren verloren?
Gegen Inter, gegen Chelsea, gegen Real. (die fallen mir spontan ein). Wie ist die Qoute von überstanden KO-Runden zu verlorenen KO-Runden? Ich schätze besser als bei jedem anderen Team.
Wie viele KO Spiele haben die anderen europäischen Top-Vereine verloren?
Hatten diese Vereine einen ‚Plan B‘? Wie gut hat der in den jeweiligen Spielen funktioniert?
In Wirklichkeit spielen doch viele Vereine gegen Barca schon mit Plan B.
Barca scheint so gut zu sein, das jede Niederlage als Schwäche ausgelegt wird. Andere Teams verlieren regelmäßiger, ist das nicht die eigentliche Schwäche?
MR 18. Juli 2012 um 21:15
„Warum hat dann nicht einer dieser angeblich vielen Plan B’s in solch entscheidenden Matches real gegriffen?“
Hat nicht? Was ist mit dem Spiel hier: https://spielverlagerung.de/2011/12/11/real-madrid-fc-barcelona-13-eine-in-depth-analyse/
Real presst überraschend hoch, ist dominant, plötzlich stellt Barca auf ein ganz ungewöhnliches 3-1-4-1-1-Mischsystem, wird quasi zu einer Kontermannschaft (Stichwort veränderte Vertikalität) und gewinnt durch Schnellangriffe das Spiel. Überragender Plan B.
Überhaupt ist hohes, laufintensives Pressing doch das einzige, was Barca ernsthaft Stress macht. (Siehe Anfangsphase CL-Finale gg ManU, siehe die diversen Real-Spiele.)
Die Antifußballsysteme kriegt Barca fast immer ausgespielt. Weil sie genau den richtigen Plan dafür haben. Dass das in ganz seltenen (!) Fällen mal nicht klappt, sind hauptsächlich Abfallprodukte des Zufalls im Fußball. Es hat aber noch keiner (!!!!) ein Konzept gefunden, mit dem man gegen einen mauernden Gegner absolut zuverlässig (und bestenfalls noch in kurzer Zeit) Tore schießen kann. Flanken können klappen ja, aber halt nur ab und zu. Barcas Konzept klappt weit öfter als ab und zu. (Unabhängig davon wäre Barca meines Erachtens schon noch stärker, wenn sie noch ein paar mehr konzeptionelle Facetten hätten, aber ein komplettes Verwerfen des Plan As halte ich für völligen Unfug, siehe Endphase Deutschland-Italien.)
Schönes Beispiel für die vollkommene Verklärung von Barcas vermeintlicher Schwächen (von wegen „hinten reinstellen ist das Heilmittel“) ist das Ausscheiden gegen Inter. Da hat Barca gegen das mauernde Inter ja gewonnen! Sie sind ausgeschieden, weil Inter beim Hinspiel in einer viel (!) aggressiveren Ausrichtung drei Tore geschossen hat. Das Gegenmittel hatte Inter da im Hinspiel und nicht im Rückspiel. Und das war NICHT mauern, sondern ein recht mannorientiertes Mittelfeldpressing.
(Dieses Gegenmittel funktionierte dann ein halbes Jahr später übrigens schon nicht mehr wegen Messis falscher Neun und resultierte im legendären 5:0. In dem Spiel ließ Mourinho nämlich so spielen wie in seinem Inter-Hinspiel. Langfristiger Plan B könnte man sagen.)
DB 17. Juli 2012 um 14:43
Hier kann man tatsächlich nichts anderes sagen, als: vielen Dank!
Geschrieben ist der Artikel vollkommen ordentlich, der Inhalt ist sowieso großartig.
Besonders in fußballfreien Zeiten gibt es nichts schöneres, als sich mit solch hochwertigen Hintergrundinfos zu befassen, somit kann man (insbesondere als jüngerer Mensch) endlich mal auch mit den Begriffen und Namen dieser Zeit etwas anfangen.
Für weitere Artikel in diesem Stile wäre ich (natürlich nur soweit sich das realisieren lässt) sehr dankbar. So sehr mich auch die wöchentlichen Analysen zu den Spielen interessieren, sind gerade diese mittel- bis langfristigen Erörterungen zu Mannschaften und einzelnen Trainern für mich der absolute Höhepunkt eures Blogs. Solltet ihr je wieder ein kommerzielles Projekt wie die EM-Vorschau planen, in welchem Rahmen auch immer, würde ich das jedenfalls sehr begrüßen und auch wieder gerne unterstützen.
Sven 17. Juli 2012 um 12:10
Sehr interessanter Artikel und wunderbar zu lesen.
Obwohl er kaum einer Ergänzung bedarf:
Das Buch :“„König Johann Cruyff und die Entwicklung des Fußballs“ von Dietrich Schulze Marmeling, was dieses Jahr erschienen ist, behandelt auch die Geschichte der Philosophie vom „Fussball total“ aus taktischer Sicht. Für mich ist Cruyff der Spieler, der seine Fussball-Philosophie sowohl als Spieler, als auch als Trainer überzeugend umgesetzt hat. Und deshalb würde ich ihn immer auch über ein Maradonna, Zidane oder Pele stellen. Denen fehlt diese Seite in ihrer Biografie. Das waren „nur“ sehr große Spieler. Johan Cruff aber ist eine Fussball-Institution.Vergleichbar nur noch Beckenbauer.
HW 16. Juli 2012 um 21:10
Dieser Artikel hing in der Tat lange ab.
Was mich ein wenig stört sind die Pfeile in manchen Grafike, es sind einfach zu viele. Außerdem sind ein paar Grafiken redundant. Und es ‚wiedersprechen‘ sich auch noch die zwei Grafiken zur Mannschaft von 71. Bei der einen ist van Dijk eine hängende Spitze o. ä. auf halbrechts, bei der anderen steht er vorne im Zentrum.
Meinen noch rumliegenden Rinus Michels Artikel muss ich dann wohl auf eine SV Sonderausgabe „große Fußballpersönlichkeiten“ oder „Fußballgeschichte“ verschieben (natürlich überarbeitet) 😉
laterookie58 17. Juli 2012 um 16:06
Lieber HW; ich vermute, daß die Mehrzahl von uns „gierigen“ Lesern/ Kommentatoren auch nicht- aufbereitete Analysen/ Artikel/ Vorschauen etc.
gerne verschlingt. Gerade jetzt in der Sommerpause!
Ist und bleibt natürlich Deine Entscheidung, ob, wie und wann Du uns verwöhnst…
Danke für die Vorfreude!!! laterookie58
HW 18. Juli 2012 um 09:05
Ich denke, nach dem Ajax Artikel besteht vorerst keine Notwendigkeit für einen Michels Artikel.
vielleicht in ein paar Monaten.
Ich stelle mir aber sowas wie eine Triologie vor.
z.B. Michels, Happel, Lobanowskyj
Nur müsste jemand Happel und Lobanowskyi übernehmen.
Tank 16. Juli 2012 um 14:32
Eigentlich gibt es zu dem Artikel nur ein Wort zu sagen: Vielen Dank!
Ich sag trotzdem noch ein paar Worte mehr:
Man merkt, dass der Artikel etwas älter ist. Was Sprache und Aufbau angeht seid ihr inzwischen viel weiter. Ich hätte mir auch gewünscht, dass der Artikel sich noch stärker auf die taktischen Aspekte bezieht und weniger auf das Drumherum. Man hätte zum Beispiel noch ausführlicher gucken können, was die einzelnen Spieler jeweils zum taktischen Gesamtpaket beigetragen haben. Aber vielleicht geht das nur mir so, weil ich viel über den holländischen Fußball dieser Zeit gelesen habe und die Geschichten daher kenne. Andererseits ist aber die Taktik eure Kernkompetenz. Klar, die wichtigsten Punkte zur Taktik der damaligen Ajax-Mannschaft werden allesamt gebracht, aber ich hätte mir da noch mehr Details gewünscht.
Soweit zur konstruktiven Kritik, die aber bitte nicht als fordernd, sondern nur als anregend gesehen werden soll.
Dann noch ein paar Punkte zur Mannschaft selber:
Es ist natürlich richtig, dass defensiv das Pressing und die Abseitsfalle die taktisch revolutionärsten Punkte sind und einen großen Anteil daran haben, warum diese auf den ersten Blick sehr offensive Mannschaft auch defensiv so gut war. Daneben gibt es da aber noch einen wichtigen Punkt: das große Ajax hatte eine ganze Reihe von enorm hart spielenden Akteuren. Hulshoff, Suurbier, Krol, Blankenburg, Neeskens und auch Cruyff waren auf dem Platz keine Kinder von Traurigkeit. Die gegnerischen Spieler wirken da nicht nur was die Statur, sondern auch was die Agressivität angeht, im Vergleich manchmal wie Kinder. Die Härte im Spiel von Ajax wurde jedoch immer, oder zumindest meistens, klug angewendet. Man begeht taktische Fouls im Mittelfeld und zwingt den Gegner in Situationen, in denen man den ballführenden Spieler mit gleich mehreren eigenen Spielern bedrängen kann. Beides Mittel, die auch der aktuelle FC Barcelona anwendet. Im Gegensatz zu diesem zeigt sich jedoch bei Ajax schön die Härte, die ich meine. Wo bei Barca mit Xavi, Iniesta und Messi Spieler auf dem Platz stehen, die keiner Fliege was zu Leide tun, verfügt Ajax in allen Mannschaftsteilen über deutlich agressivere Spieler. Auch in diesem Bereich war Ajax ihrer Zeit voraus.
Mein zweiter Punkt bezieht sich auf die im Artikel schon angesprochene Polyvalenz des Teams. Ich würde soweit gehen zu sagen, dass neben „Raum“ „Polyvalenz“ das zweite große Label ist, mit dem man diese Mannschaft analysieren kann. Taktisch drückt sich das in den vielen Positionswechseln und der Vielzahl an Aufgaben, die ein Spieler zu erfüllen hat, aus. Daneben sind aber auch die Einzelspieler selbst, unabhängig von der Taktik, personifizierte Polyvalenz.
Das beginnt schon bei einer ganz banalen Beobachtung: Die Spieler sehen aus wie geklont. Körpergröße, Körperbau, Bewegungsabläufe, ja sogar die Frisur – alles weitestgehend identisch. Diese Ähnlichkeiten finden sich auch im fußballerischen Bereich wieder. So ist zum Beispiel Cruyff von den großen Angreifern der Fußballgeschichte der defensivstärkste. Bei Neeskens ist es sehr schwer zu sagen, ob er, bei aller offensiver Klasse, nicht vielleicht doch defensiv noch stärker war. Haan ist eh auf keinen fußballerischen Begriff zu reduzieren (außer Polyvalenz eben). Krol ist der vielleicht technisch stärkste Verteidiger der Geschichte (neben Beckenbauer).
Nimmt man mal an, dass die Position des zentralen Mittelfeldspielers am meisten Polyvalenz fordert, dann kann man um herauszufinden, wie polyvalent eine Mannschaft besetzt ist, sich fragen, wie viele Spieler dieser Mannschaft ohne allzu große Probleme im zentralen Mittelfeld spielen können. Beim alten Ajax wären das meiner Ansicht nach mindestens (!) Cruyff, Haan, Mühren, Krol, Neeskens, Keizer, Blankenburg und Hulshoff, also 8 Spieler aus der Startelf, wenn man diese mal als Krol, Blankenburg, Hulshoff, Suurbier, Neeskens, Mühren, Haan, Keizer, Cruyff, Swart annimmt. Zum Vergleich: Bei Barcelona könnten das „nur“ Xavi, Iniesta, Messi, Busquets und Pique, angenommen die Startelf ist Abidal, Puyol, Pique, Alves, Busquets, Xavi, Iniesta, Villa, Pedro, Messi.
Abschließend möchte ich noch auf http://jouracule.blogspot.de/ verweisen. Wer noch mehr über die Mannschaft lesen möchte, findet da viele gute, wenn auch sehr subjektive Artikel.
blub 15. Juli 2012 um 20:25
Ein kleines verständnis problem hatte ich:
es wird immer von den zentralen mittelfeldspielern gesprochen, gemeint waren aber jeweils die äußeren Mittelfeldspieler.–> also die zentralen spieler des jeweiligen spieldrittels.
ansonsten:awesome
(die gestrichelten linien sind positionswechsel)
laterookie58 15. Juli 2012 um 17:31
@ RM : das muß eine unglaubliche Recherche- Zeit benötigt haben! Ein Wahnsinns- Artikel aus der Historie; in „Tiqui- Taca“- Zeiten höchst treffend eingebracht.
Das bringt mich dann zu weiteren Wünschen an Dich/ Euch(?):
– der Trainer Jack Reynolds
– Ferencs Puskas` Panathinaikos Athen Anfang der 1970er (wenn die Leistung Ajax gegen die so betont wird…!)
– Johan Cruiff`s Barca ( vor ihm; mit ihm und nach ihm )
Bitte entschuldige den steigenden Arbeits- Berg! Aber wer wie Du und Deine Kollegen derartige Analaysen/ Artikel/ Hintergründe schreibt, uns den Mund ständig wässrig macht, muß mit solchen Wünschen rechnen…
Lass Dir Zeit. Ich warte gerne darauf– ich weiß, worauf ich warte!
Herzlichen Dank! laterookie58
Tocovsky 15. Juli 2012 um 16:47
Ich erspare mir Lobeshymnen, das wäre Spam 😉
Eine Mannschaft wie dieses Ajax wirkt in einem solchen Artikel häufig übermächtig und es kommt einem beim Lesen so vor, als ob das Team Gegner um Gegner mit Zauberfußball an die Wand gespielt hat. Man kann zum Glück auf Youtube & Co. Spiele der Holländer und Ajax sehen, und dort wird einem schnell diese Illusion genommen.
Die Spielweise des totaalvoetbal war radikal für die 70er. Sie zeichnete sich im Grunde durch andauernde Rochaden und Pressing in Kombination mit einer extremen Abseitsfalle aus. Das Kurzpassspiel, das mit totalem Fußball komischerweise immer mitgedacht wird, gab es (so wie in der heutigen Ausprägung) noch nicht.
Das Ajax der frühen 70er war damals revolutionär, ist aber heute vergleichsmäßig unspektakulär. Das Aufbrechen starrer Formationen und die Einbindung aller Feldspieler in Offensive und Defensive war der eigentliche Verdienst dieser Mannschaft, wie es im Artikel auch klasse hervorgehoben wurde. In dieser Hinsicht legten Reynolds, Michels usw. den Grundstein für den modernen Fußball, Ajax war deswegen aber noch lange nicht unbesiegbar.
Die Moral von der Geschicht ist eigentlich, dass Nachhaltigkeit, ein durch alle Vereinsebenen konsequent geführter Plan und der Mut zu einer eigenen Spielweise mit Erfolg belohnt wird.
RM 15. Juli 2012 um 17:01
Ich habe redaktionsintern einst breit getreten, dass Barcelonas Totaler Fußball sich auf den Ball (primär) und Raum (sekundär) konzentriert, während Ajax‘ auf Raum (primär) und Schnelligkeit (sekundär) fokussiert war.
Barcelona hat sich an die höhere Athletik und die taktisch organisierteren Gegner angepasst, geht verstärkt auf die Ballzirkulation („ball retention“) und nimmt sich Zeit beim Angriff.
Ajax war eher eine Mischung aus vertikaleren Mannschaften und Barcelona, hat dabei zur Abkürzung von defensiven Laufwegen die systemangepassten Rochaden/Rotationen sowie die kollektive Kompaktheit eingeführt und der Fokus lag konsequenterweise auf Positionswechseln („positional interchanging“). Wobei es bei ihnen auch einige Male solche ewig wirkenden Kurzpassstafette gab.
HW 16. Juli 2012 um 21:31
Ajax spielte aber auch keinen Kick ’n‘ Rush. Es war für die 70er also schon Kurzpassspiel, es war auch Ballbesitzfußball. Man schaue sich nur die erste Minute des WM Finals 74 an. Es war nur eben kein Tiki-Taka der Marke Barca2011.
Die Jungs um Cruijff waren eben sehr variabel, konnten mit vielen Pässen oder sehr direkt spielen.
Jonathan Wilson hat mal fiktiv die besten Teams der Geschichte gegeneinander antreten lassen (in einem Gedankenspiel) und im Finale standen bei ihm Ajax 71-73 (oder war es Holland 74?) gegen Barca von heute. Und Ajax hat bei ihm gewonnen, allerdings mit einem Schiedsrichter aus den 70ern und bei alter Abseitsregelung.
Jx 15. Juli 2012 um 16:26
Wohl einer der besten Artikel, den ich bisher zum Thema „Fuballgeschichte“ gelesen habe. Hochinteressant, wie modern der Fußball schon vor 40 Jahren war. Großes Lob an Euch!
Jourl 15. Juli 2012 um 15:58
Der Artikel war eigentlich schon lange überfällig. So ist er doch der Grundstein des Modernen-Fußballs
applewaters7 15. Juli 2012 um 14:21
Der Artikel ist Zucker!!!
El_Madrid 15. Juli 2012 um 13:45
ohne den Artikel gelesen zu haben:
Danke Spielverlagerung, ein grandioses Thema!
so, ich mach mich mal ans Lesen ran
RM 15. Juli 2012 um 13:40
zwei Anmerkungen von mir:
– der Artikel ist über ein Jahr alt, wäre eigentlich der erste Artikel auf unserer Seite gewesen, lag aus unterschiedlichen Gründen aber solange im Speicher.
– die Grafiken sind symmetrisiert, um das Ideal des Totaalvoetbal zu beschreiben.
Tobias 15. Juli 2012 um 14:43
Vielen Dank, ein großartiger Artikel! Bitte versteht mich nicht falsch, das Weitere ist Jammern auf hohem Niveau:
Der Inhalt des Artikels hätte in dieser Lagerzeit sicher besser geordnet werden können. Die Vorgeschichte hätte sicher besser am Anfang gemacht. Vorallem da viele Aspekte nun doppelt behandelt werden.
Anne Güntert 15. Juli 2012 um 14:55
Noch eine Anmerkung zu dem griechischen Helden Ajax, dessen Parallele doch interessant ist. Er beging Selbstmord aus Wut darüber, nachdem ihm die Rüstung des toten Achilles zu Gunsten Odysseus vorenthalten wurde. Odysseus trat aber dafür ein, dass er ein Ehrenbegräbnis erhielt. Ja, Sport ist manchmal ganz schön legenden-lastig……