Juventus Turin unter Antonio Conte: Starke Saison, schwaches 1:1 bei Milan
Fast hätte das einzige ungeschlagene Team der europäischen Top-Ligen verloren. Was sind die Gründe für diese zwei Aspekte und hängen sie vielleicht gar zusammen?
Leise, still und heimlich – Juventus Turin ist das einzige Team der europäischen Top-Ligen, das in der Liga noch immer ungeschlagen ist. Zunächst einmal fragen wir uns: Doch woher rührt diese wiedergewonnene Stärke und wie stark ist die „Alte Dame“ schon wieder wirklich?
Eng verbunden ist das alles jedenfalls unweigerlich mit dem neuen Trainer Antonio Conte. Als Spieler schnürte er selbst 12 Jahre lang für Juventus die Stiefel, qualifizierte sich für den aktuellen Job aber hauptsächlich mit sportlichen Leistungen. Gerade in der vergangenen Saison machte er mit dem AC Siena von sich reden, welcher am Ende mit starken 77 Punkten in die Serie A aufstieg. Gleiches hatte er zwei Jahre zuvor bereits mit AS Bari geschafft.
Besonderer Verdienst von Conte bei seinem neuen Klub Juventus, der ungeschlagen, allerdings mit vielen Unentschieden, an der Tabellenspitze der Liga steht, war die Einführung einer neuen und vor allem modernen Philosophie. In den letzten Jahren hatten die Turiner nämlich nicht nur mit ihren enttäuschenden Platzierungen, sondern auch mit einem oftmals starren und alles andere als kreativen 4-4-2 Schlagzeilen geschrieben.
Unter Conte ist es nun gelungen, eine flexible Mannschaft aufzubauen, deren Prunkstück eine sichere Defensive ist, die aber nach vorne auf der Basis dieser Sicherheit hervorragenden Fußball spielen kann, wobei das Ergebnis dies nicht immer wiedergibt. Die Statistiken vermitteln allerdings ein gutes Bild vom Conte-Fußball: Man hat mit Abstand die sicherste Defensive der Liga, zusammen mit der Roma den meisten Ballbesitz, zwar nur die viertbeste Offensive, aber klar die meisten Abschlussversuche und Torschüsse.
Verschiedene Formationen, festes Kernstück
Das Schlagwort für modernen Fußball ist vielerorts „Flexibilität“, welche auch impliziert, dass verschiedene Formationen beherrscht werden. Bei Antonio Conte ist dies der Fall: Zu Saisonbeginn agierte man noch in einem sehr offensiven 4-4-2/4-2-4, anschließend in einem engen und asymmetrischen 4-3-3, während man erst gelegentlich, dann aber zuletzt immer öfter zu einem 3-5-2 wechselte. Bei all diesen Formationen blieben die Spielanlage und das Kernstück im Zentrum trotz der vielen Änderungen darum herum unverändert. Gerade bei personellen Problemen oder gegen andere Teams mit Dreierkette, die dann häufig mit zwei Stürmern agieren und deren Wing-Backs im direkten Duell zurückgedrängt werden können, ist diese Formation durchaus effektiv, doch gleichwohl ist sie nicht optimal und stellt durch diesen Widerspruch zwischen Flexibilität und Optionen auf der einen sowie fehlende durchschlagende Konsequenz auf der anderen Seite schon die Crux Juventus´ dar, wie wir später noch sehen werden.
Zunächst aber zurück zum erwähnten Kernstück, das die Mannschaft je nach Formation unverändert beibehält: Juventus Turin spielt unter Antonio Conte einen ballbesitzorientieren Stil, der maßgeblich von Andrea Pirlo, dem Neuzugang vom heutigen Gegner Milan geprägt ist. In seiner Paraderolle im defensiven Mittelfeld hat der einstige Weltklassespieler sich fast wieder zu jener alten Form aufgeschwungen. Hervorragende Ballkontrolle, Übersicht, das richtige Gefühl für den Spielrhythmus, defensive Stärke, sinnvolle und effektive Ballzirkulation und präzise Vertikalpässe, schließlich auch eine Aura des Unnahbaren und Eleganten – Andrea Pirlo inspiriert seine Mannschaft, die „Alte Dame“.
Ihr Dirigent befindet sich in bestechender Verfassung und macht sich als ablösefreier Neuzugang mehr als bezahlt. Außerdem wird er als Inspirationsquelle richtig eingesetzt und hat eine sehr passende Umgebung um ihn herum, die für die Entfesselung von Synergien auf dem Platz sorgt.
Wem die ganze Beschreibung zu romantisch und romantisierend klingt, hat nicht unrecht – bisweilen sorgt die Kombination aus Ästhetik, Unberechenbarkeit, taktischer Modernität und dem Willen der defensiven Stabilität dafür, dass der Kern des Spiels, das Tor, etwas so Einfaches und so Greifbares, irgendwie in Vergessenheit gerät – und das werden wir gleich noch sehen, ebenso wie man dieses Problem auch in anderen Worten beschreiben kann.
Fluides Vertikalspiel und Zwischenpositionen
Zwei Aspekte sind ganz zentrale Charakteristika für das (erfolgreiche) Spiel Juventus´ – bei diesen muss man auch den Trainer einmal ganz explizit ins Licht des Lobes rücken. Antonio Conte hat mit dem sehr intelligent und sensibel zusammengestellten Teamkonstrukt seine fachlichen Qualitäten bewiesen.
Zum einen zeichnet sich das Team durch ein hervorragendes Vertikalspiel aus, was sicherlich durch Pirlo angeregt wird und sich sowohl in Form von Pässen der Mittelfeld- und Abwehrspieler als auch in dazu passenden Läufen aus der Tiefe darstellt. Sowohl Marchisio als auch Vidal sorgen immer wieder für schwer aufzunehmende und durchbrechende Schattenläufe, was dem Spiel eine Unberechenbarkeit und Torgefahr aus verschiedensten Positionen verleiht.
Zum anderen besteht die Formation der Italiener gewöhnlich aus sehr vielen schwer zu beziffernden Zwischenpositionen, was für verstärkte und erschwert abzudeckende Linien- und Dreiecksbildung sorgt – deren Effektivität aber nur durch das richtige Ausnutzen seitens der Mannschaft ausgeschöpft werden kann, was eben nicht immer gelingt.
Das Hinspiel gegen Milan
Ein sehr gutes Beispiel für den Charakter des diesjährigen Fußballs war das Zusammentreffen mit Milan der Hinrunde: Man war dominant, zeigte sein übliches fluides Vertikalspiel, hatte auch viele Chancen, doch die Qualität dieser Chancen war aufgrund fehlender Durchschlagskraft sehr gering, so dass man lange warten musste, bis man doch noch traf.
Im Mittelfeld zog Pirlo als ballseitiger und tiefstehender Spielmacher, während als zweiter Mittelfeldspieler Marchisio als halblinker Achter antrat. Er rückte sehr weit mit auf, profitierte dabei von den Bewegungen Vidals, der viel unterwegs war und somit immer wieder Räume öffnete – alles in allem entstand so ein spielstarkes, kreatives und fluides, aber dennoch äußerst defensivstarkes Mittelfeld. Von den Flügeln rückten Krasic und Pepe enorm weit zur Mitte hin, Vucinic ließ sich aus dem Sturmzentrum fallen und bewies Flexibilität und Spielstärke.
Entscheidend war, dass die Bewegungen und Laufwege der Offensivspieler sich wunderbar mit den Pässen des Dirigenten Pirlo ergänzten, so dass eine musikalische, synergetische Harmonie kreiert wurde und zeitweise eine wahre Ode entstand, welche einen der Hauptunterschiede zwischen beiden Teams darstellte.
Milan nämlich verteidigte meistens nur mit sieben Spielern und verließ sich auf die defensivstarke 4-3-Stellung, doch so konnte man die Vorstellung Pirlos aufgrund der Räume zwischen den sieben defensiven und den drei offensiven Spielern nie ernsthaft stören und ließ außerdem aufgrund fehlender Dynamik beim Verschieben und Positionieren Räume in der Schnittstelle zwischen dem Sechser van Bommel und einem der Halbspieler, vor allem den aufgrund der Asymmetrie höher stehenden und offensiv stärker eingebundenen Seedorf, welcher trotz hoher Spielintelligenz eben langsamer und weniger dynamisch ist als sein Äquivalent auf rechts, Antonio Nocerino.
Dieser Platz ermöglichte ein vertikales Durchspielen und –stoßen des gegnerischen Mittelfeld, Juventus Turin kombinierte sich bis vor die gegnerische Abwehr, ihre letzte Linie und Bastion, etwa am Sechzehn-Meter-Raum. Hier konnte man sich auch auf dem engen Raum zuspielen und den Ball kontrollieren, aber es fehlte das letzte Etwas, man konnte noch nicht schießen und brauchte entweder ein Dribbling oder noch einen Pass. Ersteres verhinderte die erneut individuell sehr starke Milan-Abwehr um die Chefs Thiago Silva und Nesta in der Innenverteidigung, Letzteres scheiterte aufgrund des fehlenden Abnehmers, denn die Abwehr stand bereits sehr tief, Vucinic war selbst am Ball (gewesen) bzw. am Kombinieren, ebenso die beiden Außenstürmer.
Das Paradoxon des Systems
In vielen Spielen hatte man somit genau dieses Bild: Hinten sicher, im Spiel vollkommen dominant und kontrollierend, mit vielen Schüssen und Halbchancen, aber das Scheitern am letzten Hindernis, damit eher weniger Großchancen und eher weniger Tore. Nach dem Milan-Spiel wurde die bevorzugte Aufstellung etwas verändert, agierte Vucinic meist links und sehr eingerückt und Matri dafür im Sturmzentrum – so konnte man vor allem auf halblinks oftmals Überzahlen schaffen, doch trotzdem biss man sich gegen viele Gegner die Zähne aus, da man noch vor der Abwehrreihe spielte.
Es ist ein bisschen wie ein Dilemma für Juventus, dass sie so viele Chancen, aber so wenig Durchschlagskraft und wenig Hochkaräter haben. Es ist ein schmaler Grat zwischen schönem und erfolgreichem Angriffsfußball und einem brotlosen 0:0 und es macht Juventus gleichzeitig zu einer Mannschaft, die eine so komplette Angriffsmacht mit so vielen verschiedenen, über das gesamte Feld verteilten und unberechenbaren Gefahrenquellen ist, wie auch zu einer Mannschaft, der oftmals die Durchschlagskraft fehlt und die dann zu harmlos agiert.
Gerade weil sie eine „universale Angriffsmacht“ sind, sind sie so ungefährlich, gerade weil sie so ungefährlich sind, sind sie eine „universale Angriffsmacht“. Auflösen kann diese falsche wie richtige Gleichung nur Andrea Pirlo, mit dem das Spiel seiner Mannschaft mehr steht und fällt, als es ihnen vielleicht lieb ist, denn er inspiriert das Team, er spielt die gefährlichen Vertikalpässe, er setzt die Kollegen in Szene, er leitet die Fluidität vorne ein und bietet ihr die Plattform.
Einzig die besonderen Spielertypen Pepe und Matri sind es, die sich nicht vom System und der Abhängigkeit von Pirlo knechten lassen – der freie und „wilde“ Pepe sowie Matri, der eben jene absolute Torgefahr aus allen Lagen ausstrahlt, da er physisch und spielerisch sehr stark ist, sodass er schwere Bälle annehmen und behaupten kann und sich dann mit dem Rücken zum Tor um den Gegner dreht, durch die Abwehr bohrt und aus keiner Chance ein schönes Tor macht. Sie sind es, die damit dieses Gen, immer, überall und aus allen Lagen treffen zu können, verstärkt tragen. Ohne sie hatten Vidal und Marchisio gegen Milan Probleme und das Gleichgewicht in Contes Juventus-System kippte in Richtung fehlender Durchschlagskraft.
Das Topspiel vom Samstag – 1:1 bei Milan
Auch gegen die Raute des Titelverteidigers, welche ohne den gesperrten Ibrahimovic antreten mussten und ihre Formation daher oftmals als ein vorne sehr flexibles 4-3-3 interpretierten, wählte Conte das 3-5-2 für seine Mannen aus. Im Verlauf des Spiels ließ er außerdem ein 4-4-2 und später dann das übliche 4-3-3 in verschiedenen personellen Ausrichtungen spielen.
Das 3-5-2 war aus zweierlei Gründen eine klare Fehlentscheidung: Zum einen wurde man – dazu später mehr – durch die Dreierkette auf den Flügen zu offen gegen Milan, zum anderen war das Problem stark personeller Natur. Insbesondere die beiden Stürmer wirkten nicht abgestimmt und konnten nicht überzeugen, während Estigarribia bei der Copa América stark auf sich aufmerksam gemacht haben mag, aber sich in der Serie A schon mehrfach als wenig idealer Stammspieler für Juventus herauskristallisierte.
Gleichzeitig zeigte dies aber auch, dass nicht die bloße Formation für das schwache Spiel verantwortlich war, sondern das Problem tiefer lag – und zwar in der Spielanalage. Fast alle der oben genannten stilistischen Stärken konnte Juventus in dieser Partie nicht umsetzen und wurde häufig sogar von Milan in dieser Disziplin übertrumpft.
Im Gegensatz zum 3:1 gegen Catania, wo man es noch besser gemacht hatte, passten bei Juventus die Zwischenpositionen nicht, man traute sich nicht in den Mailänder Defensivblock hinein und wich der Enge eher aus, so dass sich nicht genug Dreiecke und Staffelungen bildeten. Milan machte es da besser und spielte das, was eigentlich die Turiner zeigen wollten.
Milans Überlegenheit, Juventus´ Probleme und Änderungen im zweiten Durchgang
Mit ihren spielstarken Innenverteidigern, einem van Bommel, den Juventus´ Stürmer zu wenig bei der Ballverteilung störten, und aufrückenden Außenverteidigern, die Lichtsteiner und Estigarribia nach hinten drängen sollten, war Milan die überlegene und kontrollierende Mannschaft.
Mit den drei rochierenden Offensivkräften, wobei sogar Emanuelson über einige Phasen eine Falsche Neun spielte, konnte Milan gerade im Raum hinter Vidal die Gäste durch den vorrückenden Muntari und den sehr beweglichen Robinho überladen. Überhaupt attackierte der Brasilianer immer wieder den Raum hinter Lichtsteiner bzw. die Schnittstelle zwischen diesem und Barzagli und machte sich die Zuordnungsschwierigkeiten für die Dreierkette zunutze, die es wechselweise mit null oder drei Stürmern zu tun hatte. Defensiv presste man die gegnerische Abwehr sehr früh und brach ihren Rhythmus, was durchaus zum Führungstor nach schlimmem Fehlpass Bonuccis beitrug. Einzige Verfehlung bei Milan war, dass sie nicht das zweite Tor nach der frühen Führung nachlegten, sondern erst fahrlässig und schließlich nachlässig agierten.
Ohne direkten Gegenspieler konnten sich Milans Außenverteidiger in der Defensive oft vorschieben, ohne dass sie in ihrem Rücken Gefahr fürchten mussten, während vor ihnen auch durch die eigene Formation Raum für diese schematische Verschiebung vorhanden war. So konnte man frühzeitig die Wing-Backs von Juventus unter Druck setzen und durch die eigene hohe Position gleichzeitig sehr effektiv gegen die zentralen Mittelfeldspieler Vidal und Marchisio helfen, welche dadurch gut bekämpft werden konnten und ohnehin von Milans Mittelfeld aus dem Zentrum herausgehalten wurden. Insbesondere Vidal tendierte auch durch den Formationswechsel Richtung 4-4-2 etwas zur rechten Seite, was obigen Punkt allerdings verstärkte und außerdem für eine Abtrennung Vidals sorgte, der durch den zweikampfstarken und gut positionierten Muntari von seinen Kollegen isoliert wurde.
So kam Juventus durch das gegnerische Pressing, deren dennoch verbliebene sichere 4-3-Stellung samt kompaktem Zentrum und jenen obigen Punkt kaum ins Spiel. Überhaupt zeigte man eine der schwächsten Leistungen der gesamten Saison, spielerisch, individuell, kollektiv. Da die beiden Wing-Backs völlig ineffektiv agierten, Marchisio nicht mehr in bester Verfassung und stark auf seine Kollegen angewiesen ist, Vidal zwar sehr bemüht agierte, aber sowohl von Milan isoliert als auch etwas zu weit außen und spielgestalterisch eingesetzt war, fehlte jegliche Verbindung nach vorne und Pirlo hatte niemanden, mit dem er interagieren und das Vertikalspiel aufziehen konnte, worunter seine eigene Leistung litt, aber besonders jene des Teams, welches noch weniger Durchschlagskraft zeigte als es in manch dominanten Spielen der Fall ist, da man schon Probleme hatte, die Mittelfeld-Linie des Gegners auszuhebeln. Statt einer vernünftigen Struktur spielte man chaotisch und verlor die Verbindungen.
Erst nach dem Pausenpfiff konnte man sich etwas verbessern, erst nach einer guten Stunde übernahm man das Kommando und hatte Glück, dass man gegen 60 Minuten sehr starke Mailänder nicht schon höher zurücklag – gerade, da jenen ihr klares 2:0 zu Unrecht nicht gegeben wurde. In der ersten Halbzeit hatte Contes Umstellung auf 4-4-2 (Lichtsteiner als Rechtsverteidiger, Vidal und Estigarribia auf den Mittelfeldaußen) zwar für etwas mehr Defensivstärke gesorgt, aber die offensiven Probleme waren dadurch nicht behoben worden. Erst die Einwechslungen von Pepe und Vucinic brachten die Umstellung auf 4-3-3, welche immerhin ein wenig half. Als dann auch noch Matri kam, spielte die vermeintliche Stammelf, Milan konnte Pirlo immer weniger stören und zog sich zu weit zurück, bis es schließlich jener Matri war, der ausglich und fast noch das Siegtor erzielt hätte, welches fälschlicherweise verweigert wurde – passenderweise assistiert von Pepe nach einem Flankenlauf.
Die Defensive und ihr Aussagewert
Interessant war bei diesem Spiel noch Juventus´ Defensive, welche als hausgemachte Stärke gilt, aber hier doch erheblichen Schwierigkeiten unterlag.
Für gewöhnlich ist die defensive Stärke genauso beeindruckend wie schnell erklärt: In der Offensive verfügt man über defensiv- und laufstarke Spieler, die Innenverteidigung ist enorm zweikampfstark, die Außenverteidiger sehr gut ausbalanciert. Besonders wichtig ist allerdings das vereinfachte Gegenpressing durch die oftmals engen Flügel und das vertikale Spiel durchs Zentrum sowie die Ausrichtung des Mittelfelds. Im defensiven 4-1-4-1/4-3-3 kann man mit zwei Spielern hervorragend Druck auf den Gegner aufbauen, während die Spielertypen ihr Übriges tun – man presst sehr kollektiv und nutzt hier die enorme Umsicht und Spielintelligenz Pirlos, die Zweikampfstärke, Ausdauer und Kraft von Marchisio sowie die Dynamik, Bissigkeit und Schnelligkeit von Vidal.
Im 3-5-2 kommen vor allem die ersteren Punkte nicht ganz so gut zur Geltung, vor allem tragen hier drei feste Innenverteidiger als Absicherung zur Defensivstärke bei. Wenn der Gegner allerdings auf dem anderen Ende des Platzes spielerisch stark ist und vorne im Sturm – wie Milan durch Robinho – die Schwächen der eher weniger breiten Dreierkette mit ihren Schnittstellen ausnutzen kann, wird das 3-5-2 ziemlich wackelig.
In dieser Partie konnte man also offensiv wie defensiv hervorragend erkennen, warum das 4-3-3 besser für Juventus geeignet ist als das 3-5-2, was die Zahlen auch untermauern: Im 4-3-3 kassierte man 5 Gegentore in 14 Spielen, mit dem 3-5-2 hingegen 6 Treffer in 6 Partien, während gerade das Hinspiel das Conte-System bei Juventus sehr gut abgebildet hatte: Defensiv sicher, ruhig und dominant. Allerdings kann ihr System Stärke wie Schwäche sein, da sie gleichzeitig eine ungemein unberechenbare und komplette Angriffsmacht sowie eine oftmals zu harmlose und wenig durchschlagende Mannschaft sind, die zudem mit ihrem Regisseur Andrea Pirlo steht und fällt.
Einzuschätzen in ihrer wahren Klasse sind sie somit nur schwer – aber auf jeden Fall wohl so stark wie lange nicht mehr.
2 Kommentare Alle anzeigen
juventino 28. Februar 2012 um 00:04
Danke für die Analyse! Der Text ist sehr gut aufgebaut und kompakt geschrieben. Ich muss euch eigentlich in allen Punkten Recht geben, ich hoffe auch auf eine Rückkehr zum 4-3-3, seitens Conte. Ich glaube die Meisterschaft liegt drin, aber es wird sicher schwer. Die Defensive gefällt mir eigentlich und auch das Mittelfeld ist stark. Es ist schade, dass Marchisio seine Form nicht halten konnte, aber insgesamt bin ich mit dem Mittelfeld zufrieden. Der Sturm ist das Problem! Matri ist in meinen Augen ein sehr starker Mittelstürmer, technisch wie physisch, aber die Flügel gefallen mir nicht. Vucinic ist nicht mir teilweise zu unauffällig und Pepe einfach nicht konstant genug.
Wenn wir nächstes Jahr in der Champions League etwas holen wollen, müssen wir uns weiter verstärken. Ich glaube in der Offensive einen Spieler wie Rossi zu holen, würde viel helfen, dazu würde ich für die Defensive Criscito holen. Das Mittelfeld ist zwar relativ breit, aber in meinen Augen nicht auf CL-Niveau. Nocerino wäre ein Spieler den ich gerne bei Juve sehen würde, leider ist der zu Milan. Guarin wäre sicher auch eine toller Spieler gewesen. Nun hoffe ich auf Nainggolan.
Aber wir werden sehen! Forza Juve!
Noch eine Frage zum Schluss. Glaubt ihr Krasic und Elia werden noch in die Mannschaft finden? Und was glaubt ihr, wieso Krasic in der letzten Saison nach der starken Hinrunde so nachgelassen hat?
Tank 27. Februar 2012 um 00:17
Danke für die schöne Analyse. Hab Juventus diese Saison nur in zwei ihrer schwächeren Spiele gesehen, inklusive dem am Samstag, und kann sie daher nicht wirklich einschätzen. Die Abhängigkeit von Pirlo und die Tendenz in zwei Teile zu zerbrechen, waren aber beide Male offenkundig. Eine interessante Frage wäre, ob diese Schwächen Juventus in der Champions League einen wirklich großen Wurf unmöglich machen werden. Ich tippe mal fast auf ja.
Angesichts der Komplexität einer solchen Analyse, würde ich persönlich es ganz schön finden am Ende nochmal die paar wirklich zentralen Kernthesen eurer Analyse stichpunktartig aufzuschreiben. Ist aber nur als ganz bescheidener Tipp gemeint.