SC Freiburg – Werder Bremen 2:2

Werder Bremen kommt im Auswärtsspiel beim SC Freiburg nicht über ein 2:2 hinaus. Die neu formierte Mittelfeldraute hatte einige Probleme.

Freiburgs neuer Coach Streich brach auch im dritten Spiel als Chefcoach nicht mit der Taktik seiner Vorgänger: Aus einem 4-4-1-1-System heraus setzte sein Team auf das bekannte, proaktive Spiel mit vielen Flachpässen und aggressivem Pressing. Thomas Schaaf auf der anderen Seite ist ebenfalls nicht für taktisch Experimente bekannt: Wie eh und je setzte er in Freiburg auf ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute.

Werders neu besetzte Raute

Bei Werder Bremen lohnt sich besonders ein Blick auf die Mittelfeldraute, die in komplett neuer Besetzung antrat. In diesem Spiel interpretierten sie ihre Raute eher flach, es entstand ein ziemlich klares 4-3-1-2. Die Freiburger waren von Anfang an bemüht, die Bremer Dreierreihe im defensiven Zentrum nicht ins Spiel kommen zu lassen. Durch das leichte Zurückfallen Putsilas und dem Vorrücken der zentralen Mittelfeldspieler Flum und Makiadi ergab sich im Mittelfeld eine 2-1 Stellung, die eine feste Zuteilung gegenüber Werders Mittelfeldspielern bedeutete. Ignjovski, Trybull und Junuzovic wurden selten allein gelassen, oft wurden sie direkt bei der Annahme gestört.

Erschwerend hinzu kam für Werder die mangelhafte Abstimmung des komplett neubesetzten Mittelfeldes. Trybull und Junuzovic waren zwar enorm viel unterwegs (letzterer kam auf fabelhafte 13,2km), allerdings überlappten sich ihre Laufwege zu häufig. Wenn der eine in den freien Raum nach vorne startete, ging der andere ebenfalls mit, was die Anspielmöglichkeiten für die Verteidiger verringerte. Oder andersherum: Beide blieben tief, wodurch speziell bei Spielverlagerungen die Staffelung fehlte. Eine genaue Analyse des Spiels von Junuzovic gibt es bei den Kollegen von Ballverliebt.eu.

Die Bremer Raute fand daher über 90 Minuten kaum ins Spiel. Sie taten sich mit dem Freiburger Mittelfeld ungemein schwer. In Punkto Ballkontakten und –verteilung wurden die Bremer Außenverteidiger zu den wichtigsten Akteuren. Diese versuchten immer wieder, mit vertikalen Pässen die Halbfeldspieler einzusetzen, allerdings mussten diese oft den Quer- oder Rückpass suchen. Raumgewinn schafften die Bremer so nicht, auch weil ihr Flachpassspiel mit einer mageren Quote von 78% relativ ungenau war. Ihr Aufbauspiel wurde fast durchgehend von ihren Gegnern kalt gestellt.

Altbekannte Probleme mit der Viererkette beim SC                                          

Das Pressing der Freiburger, für einen Abstiegskandidaten seit jeher erfrischend proaktiv und aggressiv, war in dieser Saison selten eine ihrer Schwächen. Neu-Coach Streich verbesserte sie in diesem Bereich abermals und lässt im zentralen Mittelfeld im Vergleich zum Vorgänger festere Rollen spielen. Während früher das komplette Mittelfeld rochierte, beschränken sich Positionswechsel mittlerweile auf Zweierpaare. Flum und Makiadi teilten sich das Mittelfeldzentrum, Schmid und Rosenthal tauschten einige Male die Flanken und auch Jendrisek und Putsila ließen sich abwechselnd fallen. Im Zentrum wurde die Ordnung so besser gehalten als in einigen Auftritten in der Hinrunde, die Freiburger hatten in dieser Zone eine klare Dominanz. Flum und Makiadi waren sehr präsent und gewannen viele Zweikämpfe.

Das große Fragezeichen bei den Freiburgern war und ist die Viererkette. Auch an diesem Wochenende ging eine vollkommen neu formierte Abwehrreihe ins Spiel, so dass gewisse Grundmechanismen nicht vollends funktionieren konnten. Dennoch waren die auftretenden Probleme bei gegnerischen Kontern keineswegs neu. Im Verbund mit dem eigenen Pressing stand die Viererkette einige Male zu tief, was wiederum hinter den aggressiv aufrückenden Mittelfeldspieler Räume in der Zentrale öffnete.

Sowohl beim 0:1 als auch beim 1:2 waren diese Freiräume klar erkennbar, beide Male konnte ein Werder-Akteur in der Spielfeldmitte kurz vor dem Strafraum frei zum Pass kommen, ohne dass ein Gegenspieler auch nur in drei Metern Nähe war – ein absolutes No-Go in der Bundesliga. Pizarro bedankte sich doppelt. Diese Treffer wären leicht zu verhindern gewesen, wenn die Innenverteidiger den Mut gehabt hätten, die eigene Reihe zu verlassen und den Gegenspieler in der Zentrale (beim ersten Treffer Pizarro selbst, beim zweiten Ekici) zu stellen. So untergruben die Breisgauer ihr eigenes, gut funktionierendes Defensivkonzept (Bremen kam gerade einmal auf 8 Torschüsse, wobei sie nur drei echte Torchancen, die beiden Treffer inbegriffen, hatten).

Freiburg wechselt physische Präsenz ein

Ein weiteres Manko der Freiburger ist die fehlende Durchschlagskraft im Offensivspiel. Damit ist nicht etwa die Chancenverwertung gemeint, sondern der körperliche Aspekt: In vielen Laufduellen zogen die athletisch wenig robusten Hausherren den Kürzeren. Seien es lange Bälle hinter die Abwehr oder die zahllosen Kopfballduelle im gegnerischen Sechszehner, die die Freiburger verloren – es fehlte in der ersten Halbzeit in der Offensive eine körperliche Präsenz, die Bälle halten bzw. Flanken verwerten konnte. Dass der zwischenzeitliche Ausgleichstreffer nach einem Eckball per Kopf fiel (32.), ist dabei kein Gegenbeweis für diese These: Zum einen war es mit Makiadi ein Mittelfeldspieler, der sich durchsetzte. Zum anderen entstand das Tor eher durch schlampige Deckungsarbeit der Bremer anstatt durch gutes Durchsetzungsvermögen.

In der zweiten Halbzeit reagierte Streich mit seinen Wechseln auf diese Probleme. Zunächst ersetzte Reisinger den flinken, aber weniger robusten Putsila (56.). Als mit Santini eine dritte Spitze kam (62. für Rosenthal), hatte der Tabellenletzte plötzlich weitere Optionen: Lange Bälle. Santini hielt als Sturmpräsenz die hohen Abschläge Baumanns, der nun etwas zurückhängende Jendrisek verteilte sie auf die Flanken. Ein Angriff nach diesem Muster brachte das 2:2, Schmid vollendete eine Kombination Marke Baumann-Abschlag-Santini-Ablage-Jendrisek-Schnittstellenpass. Thomas Schaaf versuchte, das Ruder über die Einwechslungen zweier frischer Offensivkräfte (Schmitz und Marin für Trybull und Ekici) anzukurbeln, allerdings klappte wie oben beschrieben weder das Flügelspiel noch das Kurzpassspiel. Es blieb beim 2:2.

Fazit

Über weite Strecken war diese Partie zerfahren und durch schlecht abgestimmte Aktionen geprägt. Auf Werder-Seite war dies kein Wunder, hatte Thomas Schaaf doch eine personell vollkommen neue Mannschaft auf das Feld geschickt. Dies tat besonders den offensiven Abläufen in der Mittelfeldraute nicht immer gut. Pizarro traf zwar doppelt, bekam aber insgesamt zu wenig Bälle und blieb abseits der Treffer blass, auch Ekici war trotz einiger guten Aktionen zu selten ins Spiel eingebunden.

Dennoch hat Schaafs Kader unheimliches Potenzial, gerade wenn man bedenkt, dass fast alle Mittelfeldspieler vielseitig einsetzbar sind. Wurden die Positionen in diesem Spiel noch starr gehalten, ist zumindest in der Theorie ein fluideres Spiel mit vielen Positionswechseln möglich. Ob Schaaf dieses in den kommenden Wochen forciert, ist allerdings fraglich – meiner Meinung nach wäre es der richtige Schritt, die nicht immer zeitgemäße Bremer Raute zu modernisieren.

Auch beim SC Freiburg sorgten die zahllosen Personalwechsel zunächst eher für Verwirrung. Die Spieleröffnung aus der Abwehrzentrale klappte nicht allzu gut. Obwohl Debütant Höhn einen abgeklärten Eindruck machte, fehlte der Zug im Spielaufbau. Die Werderaner konnten sich sortieren, ehe der Ball nach vorne kam. Die Bremer konnten so defensiv viele Eins-gegen-Eins Duelle gehen, die sie aufgrund der höheren Physis ihrer Verteidgier gewannen. Der eher schwache Spielaufbau hatte seinen Grund natürlich auch in der Abwesenheit von Schuster, der normalerweise tief fällt und die Ballverteilung übernimmt.

Erst mit der Einwechslung physisch stärkerer Spieler erarbeiteten sie sich zunehmend Chancen. Besonders die Entwicklung von Neueinkauf Santini wird interessant zu beobachten sein. Seine körperbetonte Spielweise gibt den ansonsten auf Flachpassspiel fixierten Freiburgern neue Optionen. Im Abstiegskampf ist auf jeden Fall noch nichts verloren.

Gast 7. Februar 2012 um 15:14

In wie fern unterscheidet sich die Bremer Raute von der des Ac Milan? Mir fällt jetzt sonst kein großes Team ein, dass auf die Raute setzt.

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Tobias (Meine Saison) 7. Februar 2012 um 10:56

Siehst du die Bremer Raute generell als zu starr? In der Vergangenheit hat man sie doch eigentlich sehr (zu?) flexibel interpretiert und ist erst in der letzten Saison im Abstiegskampf dazu übergegangen, sie gegen stärkere Gegner und in Auswärtsspielen mehr als 4-3-1-2 auszulegen und die Positionen zu halten.

Allerdings stimme ich dir zu, dass Schaaf in den nächsten Wochen wohl nichts daran ändern wird. Er will offensichtlich der jungen Mannschaft erstmal eine gewisse Sicherheit geben und Spiele mit vielen Gegentoren vermeiden – was jedoch schwer werden dürfte, wenn man die Probleme bei gegnerischen Standards sieht. Ich bin gespannt, ob wir in dieser Saison noch eine Raute mit Hunt-Ekici-Junuzovic sehen werden, die sicherlich mehr dazu einlädt, offensiv variabler zu spielen.

Für das Tor zum 1:1 würde ich die Freiburger etwas mehr loben als du. Klar machte es die schlechte Zuteilung bei Werder einfacher, aber Freiburg hatte gute Variationen in den Eckbällen und hat diese Schwäche dadurch gut ausgenutzt.

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TE 7. Februar 2012 um 13:21

Du hast Recht, die Standardvarianten von Freiburg hätte ich durchaus loben sollen. Gerade mit den kurzen Varianten kamen die Bremer schlecht zurecht, da passte die Zuordnung nicht mehr. Guter Punkt.

Zur starren/flexiblen Ausrichtung der Raute: Es kommt ja immer darauf an, was für ein Spiel ich mit der Raute haben will. In der letzten Saison war ich ja auch ein Kritiker der flexiblen Aufteilung in der Raute, weil dies in der ersten Saisonhälfte zu viele Räume vor der Abwehr offen ließ und zu Kontern einlud (ich sag nur Stuttgart). Man muss meiner Meinung nach aber auch bedenken, dass die Bremer schon damals unten drin standen. Meiner Ansicht nach gestand Schaaf sich damals zu spät ein, dass Bremen oben nicht mehr rankommt und erstmal sehen muss, den Abstand nach unten zu vergrößern durch Verstärkung der Defensive.

Aktuell sind sie in einer anderen Situation. Sie spielen um einen Europacup-Platz, da sollte ein Team in der Lage sein, eine sortierte Abwehr auseinanderzukombinieren. Das Spiel gegen Freiburg war ja nicht der erste Fall, bei dem man das Gefühl hatte, die Flachpasskombinationen flutschen nicht so wie sie sollten. Eine flexiblere Raute würde Freiräume in der Offensive schaffen, Gegenspieler aus der Ordnung ziehen und für ein flexibleres Kombinationsspiel sorgen – nicht unbedingt gegen Bayern oder Gladbach, aber gegen Abstiegskandidaten wie Freiburg sollte das anzustreben sein, wobei diese nicht das Paradebeispiel sind, weil sie ja proaktiv und nicht reaktiv agieren.

Make-or-break-Spiele sind daher meines Erachtens die Partien zwischen dem 23. und 25. Spieltag, zu Hause gegen Nürnberg und Hannover und auswärts in Berlin – alles drei konterstarke Mannschaften mit starker Defensive. Gegen diese drei Teams muss Schaaf eine Antwort finden, wie er sowohl Konter verhindern (was zuletzt besser funktionierte) als auch das Spiel machen kann (was mMn nicht so gut ist wie zur Mitte der Hinrunde). Bis dahin sollten die Abläufe in der Raute etwas verfeinert sein. Ich bin gespannt, wie die Bremer dann antreten.

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Tobias (Meine Saison) 7. Februar 2012 um 17:55

Danke für deine Ausführung, da bin ich ganz bei dir.

Ich denke aber, dass Schaaf nicht dauerhaft auf dieses starre System setzt, erst recht nicht, wenn es personell wieder besser läuft. Es ist natürlich auch ein bisschen Pech, dass man einerseits vielversprechende junge Leute und Neuzugänge hat, aber gerade im Mittelfeld die Spieler fehlen, die dem Team etwas Sicherheit geben könnten. Das liegt natürlich auch daran, dass Marin, Wesley oder auch Ekici hinter den Erwartungen geblieben sind. Da reicht dann schon der Ausfall von Hunt und schon hakt’s im Mittelfeld.

Momentan muss sich da jeder noch zu sehr auf sich selbst konzentrieren. Aber es ist natürlich auch eine Chance für Spieler wie Trybull, Junuzovic oder Ignjovski mehr Verantwortung zu übernehmen.

Ein bisschen traurig ist es aber schon, Werder war am 5. Spieltag spielerisch weiter als jetzt. Das lag natürlich auch an der guten Arbeit im Sommer, hat aber Erwartungen geweckt, die man bislang nicht erfüllt hat (was bei weitem nicht nur an den verletzten Spielern liegt).

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