1. FC Köln – Schalke 04 1:4
Erst spät erzielte der FC Schalke 04 die Tore, die im Nachhinein auf ein überlegen geführtes Bundesligaspiel schließen lassen. Doch noch zur Halbzeit hatte der momentane Tabellendritte mit 0:1 zurückgelegen. Taktische und personelle Änderungen brachten schließlich den Sieg gegen zu passive Kölner, die sich nach dem Rückstand obendrein noch aufgaben und abschießen ließen.
Podolski hängend – Schalke mit Notelf
Nachdem Novakovic fast die gesamte Hinrunde ausgefallen war, konnte er in der Rückrunde endlich wieder als Sturmpartner von Alleinunterhalter Podolski in Erscheinung treten. Der körperlich robuste Novakovic übernimmt in der Partnerschaft dabei die Funktion des klassischen Stürmers. Er hält das Zentrum und den Ball, und legt diesen bevorzugt auf den nachrückenden Podolski ab. Für den deutschen Nationalspieler bedeutet die Rückkehr des Slowenen die Rückkehr in die Rolle als hängender Stürmer, die ihm wesentlich mehr liegt als die der Sturmspitze. Hinter den Spitzen genießt er viele Freiheiten, kann sich ins Mittelfeld fallen lassen, wenn er zu wenig Bälle bekommt, auf die Flügel ausweichen und mit Tempo in die Spitze gehen, wie beim 1:0 geschehen.
Auch für den FC ist Podolski hinter den Spitzen wesentlich wertvoller. Er schafft im Optimalfall die Verbindung zwischen defensivem Mittelfeld und Sturm und reißt das Offensivspiel der Kölner an sich. Gegen Schalke hatte er die zweitmeisten Ballkontakte in seinem Team, für einen Stürmer eine sehr gute Bilanz. Allerdings litt Podolski besonders unter der tiefen Formation der Gastgeber, auf die später noch näher eingegangen wird.
Die Gäste aus Gelsenkirchen starteten in einer 4-2-3-1-Formation, in der Marica den vakanten Posten des verletzten Raul übernahm. Neben dem Spanier fielen auch Holtby, Jones, Höwedes und Baumjohann für die Partie aus. Im Vergleich zum 3:0-Sieg gegen Stuttgart kamen neben Marica Metzelder und Draxler neu in die Startelf.
Frühe Führung spielt Köln in die Karten
In der 4. Spielminute antizipiert Jajalo im zentralen Mittelfeld richtig und erobert den Ball, spitzelt ihn zu Novakovic, der ihn weiter zu Podolski spielt. Gegen aufgerückte Schalker nutzt der Nationalspieler den zu großen Raum zwischen Mittelfeld und Abwehr um Tempo aufzunehmen und trifft schließlich aus etwa 20 Metern zum 1:0 für die Gastgeber.
Eine Szene, die in der Nachbetrachtung verdeutlicht, welches Potenzial ein Mittelfeldpressing mit antizipierenden Mittelfeldspielern gegen die im Aufbauspiel nicht gerade meisterlichen gehabt hätte. Beide Teams sind in dieser Saison vor allem für ihre Konterstärke bekannt, weswegen im Vorfeld der Partie gerätselt werden durfte, ob ein Team freiwillig mehr ballbesitzorientiert spielen oder ob sich ein von schnellen Umschaltphasen geprägtes Spiel ergeben würde.
Diese zentrale Fragestellung war schon nach den genannten vier Minuten überflüssig, da Köln sich fortan zurückziehen und Schalke die Initiative überlassen konnte. Anstatt wie zu Beginn des Spiels um die Mittellinie postierte sich der Abwehrblock fortan kurz vor dem eigenen Strafraum, selbst die Stürmer waren häufig nicht mehr als 35 Meter vom eigenen Tor entfernt. So konnte man zwar die Schalker Angriffsbemühungen in der ersten Halbzeit relativ gut im Zaum halten, hatte aber nach Ballgewinn etwa 70 Meter bis zum gegnerischen Tor vor sich, sodass es nach der Führung kaum noch Torchancen für den FC zu vermelden gab.
Schalke sucht Schwachstelle im Köln-System auf den Außen
29 Flankenversuche in 90 Minuten sind ein stolzer Wert. Vor allem in der ersten Halbzeit versuchte Schalke gegen die extrem tief verteidigenden Kölner deren systembedingtes passives Zweikampfverhalten auf den Flügeln für zahlreiche Flanken aus dem Halbfeld zu nutzen. Allerdings mussten die Gäste in der ersten Halbzeit erkennen, dass die kopfballstarke Innenverteidigung, bestehend aus Geromel und McKenna, auf diese logische Gegenmaßnahme zum Solbakken-System vorbereitet war.
Keine Einzige der zahlreichen Flanken wurde gefährlich für die Kölner Hintermannschaft, sodass man zur Halbzeit eine generelle Umstellung der Spielweise hin zu mehr Kombinationsspiel gut hätte begründen können. Stevens wählte einen anderen Weg, brachte Jurado für Uchida und schob Höger auf die Rechtsverteidigerposition. Jurado interpretierte seine Rolle im defensivem Mittelfeld wesentlich freier, und auch Obasi bot sich nun eher vertikal als horizontal an, sodass einige darin eine Umstellung auf Raute sahen.
Wichtiger als die Diskussion um die am besten passende Zahlenkombination ist allerdings die Wirkung der genannten Halbzeitänderungen. Im Schalker Offensivspiel war wesentlich mehr Bewegung, vor allem die linke Seite zeichnete sich bei den Schalker Angriffen aus. Anstatt weiter zu versuchen auf einer Seite einen Spieler in eine akzeptable Flankenposition zu bringen, wurde das Schalker Spiel nun wesentlich abwechslungsreicher. Draxler zog immer wieder von links in die Zentrale, wenn Schalke gerade über rechts angriff, und öffnete damit den Raum für den nachrückenden Fuchs, da Sereno weit einschob um nah an Draxler zu bleiben. Gut zu sehen ist dieser Spielzug beim Ausgleichstreffer der Schalker in Minute 60, als Marica eine Fuchs-Flanke im Tor unterbringen konnte.
Das Führungstor für die Schalker in der 72. Minute dagegen glich eher den Versuchen der 1. Halbzeit. Obasi flankt aus dem Halbfeld vollkommen unbedrängt auf Huntelaar, der mit seinem Kopfball zwar nur den Pfosten trifft, doch den Abpraller nutzte erneut Marica zum Führungstor. Somit waren die hohen Flanken letzten Endes der Schlüssel zum Schalker Sieg, obwohl von den besagten 29 Versuchen lediglich fünf Flanken einen Abnehmer fanden.
Für den FC waren diese Gegentore natürlich umso ärgerlicher, weil man sich über diese Schwäche im System durchaus im Klaren ist, aber immer wieder unnötige Gegentore über die Außenbahnen kassiert. Riether sagte hierzu nach dem Spiel: „Wir stehen ganz ordentlich, lassen dann aber auf den Außen zu viel zu.“ Bitter für die Kölner, dass die Außenverteidiger als Schlüsselspieler nicht gerade den sichersten Eindruck machen und sowohl taktisch als auch zweikampftechnisch ganz einfach zu viele Fehler machen.
Die kopfballstarken Innenverteidiger im Zentrum zu halten ist durchaus sinnvoll, aber maximal durchschnittliche Außenverteidiger systematisch in 1:1-Duelle zu schicken ist fahrlässig. Den Außenspielern fehlt die Unterstützung der defensiven Mittelfeldspieler, die immer wieder horizontal verschieben, absichern und doppeln müssten. Das ist kein leichter Job, anders wird man die Schwäche auf den Außenbahnen aber nicht in den Griff bekommen.
Fazit
Schalke gewinnt deutlich in Köln,, hat aber über große Teile des Spiels Probleme Torchancen zu kreieren. Die auf Konterspiel spezialisierte Stevens-Mannschaft hatte sichtbare Probleme das Spiel gegen einen tiefstehenden Gegner zu gestalten, darüber kann auch das Endresultat nicht hinwegtäuschen. Die kommenden Gegner werden diese Schalker Schwäche zur Kenntnis genommen haben, will man oben dran bleiben, ist wahrscheinlich eine Alternative zum Konterspiel notwendig. Zwar kann es auch weiterhin mit Flankenbällen und individueller Klasse sowie guten Standards reichen für einen Champions-League-Platz, allerdings wahrscheinlich nicht für den ganz großen Wurf.
Nach dem Ausfall Podolskis für mehrere Wochen muss der FC nun zeigen, dass man auch ohne den Starspieler Punkte einfahren kann, denn die Kölner sind zurück im Abstiegskampf und haben nur noch drei Punkte Vorsprung auf Platz 16. Neben dem Ausfall des Nationalspielers sind aktuell das Aufbauspiel sowie die Anfälligkeit auf den Flügeln die größten Baustellen bei den Kölnern. Will man nicht dauerhaft um den Klassenerhalt kämpfen müssen, ist eine klare Leistungssteigerung zu den letzten beiden Spiel vonnöten, ansonsten wird man sich mit dem ungeliebten Abstiegskampf auseinandersetzen müssen, der lange Zeit kein Thema in Köln war.
9 Kommentare Alle anzeigen
morzezeichen 31. Januar 2012 um 22:54
Ich habe leider dieses Jahr erst ein Köln Spiel nicht in der Zusammenfassung gesehen, dafür aber wirklich viel über Solbakkens Taktikkonzept gelesen. Gibt bei euch ein paar Bochum-Experten, die da kleine Prognosen über Tese’s Tauglichkeit geben können?
Schade, dass der Junge Stale untergejubelt wurde, ohne dass er ihn wirklich kannte (Quelle: Spox/Express).
Kurt C. Hose 4. Februar 2012 um 18:57
„Schade, dass der Junge Stale untergejubelt wurde, ohne dass er ihn wirklich kannte (Quelle: Spox/Express).“
Naja, korrekt ist es wohl, dass Finke den Bochumer auf der Liste hatte und dies nicht mit Solkakken abgesprochen hatte. Soweit so normal. Wenn der Sportdirektor alle Transferaktivitäten durch den Cheftrainer erst absegnen lassen würde bräuchte man ja eher einen „Transfer-Assi“ für den Trainer denn einen Sportdirektor 🙂
*Vor* dem Transfer haben sich die beiden dann zusammengesetzt, den Spieler besprochen und Videos analysiert. Somit war Solbakken angemessen informiert (es handelt sich um einen Zweitliga-Stürmer als Backup!), anzunehmen ist zudem, dass er dem Transfer auch zugestimmt hat.
Auch wenn Solbakken und Finke sich sicher nicht immer 100%ig grün sind ist die Skanalisierung dieses Transfers wohl eher ein Medien-Ereignis (v.a. durch den Express gemacht) als ein „echtes Thema“ beim FC.
MB 30. Januar 2012 um 20:37
@PW
Das siehst du natürlich völlig richtig, auch ich habe mir in der Halbzeitpause überlegt, dass ich als Köln-Trainer die Abwehr weiter vorschieben würde und im Mittelfeld mehr pressen würde, das 1:0 hat ja gezeigt, dass Schalke durchaus anfällig für eine solche Spielweise ist. Ähnlich hat das anscheinend Solbakken gesehen, sodass der FC zu Beginn von Hälfte 2 weiter vorne stand und so nach Ballgewinnen einen kürzeren Weg zum gegnerischen Tor zurückzulegen hatte und somit auch gefährlichere Konter fahren konnte.
Warum ich das in der Analyse nicht gebracht habe? Zum einen war die Umstellung anders als Modifikationen auf Schalker Seite leider nicht von spielentscheidender Relevanz, vor allem aber muss ich wohl zugeben, dass ich die Analyse unter relativ großem Zeitdruck verfasst habe und somit einige erwähnenswerte Analysepunkte weggelassen habe, unter anderem die Kölner Umstellung wie auch eine genauere Betrachtung der Schalker Formation in HZ 2. Im Nachhinein hätte ich wohl jeweils 10 Minuten zusätzlich in ein paar kurze Absätze investieren müssen, Entschuldigung an dieser Stelle! Danke für die Ergänzung.
@Max
Ob Chaos nach der Umstellung das Einbrechen der Kölner verursachte oder der Führungstreffer das Chaos, ist wie die Frage mit dem Huhn und dem Ei denke ich. Letzten Endes waren sowohl das 1:1 als auch das 1:2 einfach Situationen, die man als Innenverteidigung lösen können muss, die Situation vor dem Führungstor konnte man in der ersten Halbzeit andauernd sehen und ist zum Teil systembedingt, zwei Gegentore nach hohen Flanken dürfen egal ob mit oder ohne Umstellung einer wie Köln verteidigenden Mannschaft ganz einfach nicht passieren.
@leperon
Du hast recht, Schalke ist – ähnlich wie Gladbach – natürlich nicht nur auf reinen Konterfußball zu beschränken. Es gibt Phasen und auch ganze Spiele, in denen die Schalker vorzüglichen Offensivfußball spielen auf Grundlage einer wesentlich verbesserten Defensive.
Was mir alleridngs momentan fehlt ist ein klar erkennbares Konzept, wie man eben gegen einen tief stehenden Gegner wie Köln zu Torchancen kommen will. Das Flankenspiel der ersten Halbzeit ist da meiner Meinung nach zu wenig, die modifizierte Version der zweiten Halbzeit schon eher. Ich denke, in den kommenden Wochen wird man aufgrund der Ausrichtung der jeweiligen Gegner fast zwangsläufig gezwungen sein das Konzept bei Ballbesitz zu verfeinern bzw. mehr in den Vordergrund zu stellen, dann werden diese Aspekte auch in unseren Analysen verstärkt aufgenommen werden.
Und danke für den Hinweis zur Raute, wie oben shcon geschrieben habe ich aufgrund des privaten Zeitdrucks einige Punkte nicht so stark beleuchtet, wie es normalerweise bei uns der Fall ist und auch angemessen wäre.
Leperon 30. Januar 2012 um 21:12
Kein Problem, fand die Begrüngung auf eurer Facebook-Präsenz auch sehr einleuchtend ;).
Den Verweis darauf, dass in Zukunft die Vereine mehr darauf einstellen werden sehe ich persönlich nicht so, da eben Köln nicht die 1. Mannschaft war die bei Schalke gestalterische Schwierigkeiten aufdeckte, sollten bis zum Spiel gegen Mainz noch mindestens Raul und evtl. Farfan wiederkommen, wären die Erkenntnisse von diesem Wochenende eh unnütz, da nicht mehr anwendtbar.
PW 31. Januar 2012 um 09:22
Vielen Dank für die Antwort. Da ich selbst als Trainer arbeite, wollte in erster Linie wissen ob meine Beobachtungen was die Kölner zu Beginn der 2. Hlz. betrifft richtig waren und keine Kritik an deiner Analyse äußern.
Ich kenne eure Seite erst seit kurzem und bin sehr begeistert.
Danke dafür. Gruß PW.
Leperon 30. Januar 2012 um 20:01
Hallo,
da ich hier noch nie etwas gepostet habe möchte ich hier auch einmal ein herzliches Danke schön an die Autoren richten.
Vorab sei noch gesagt, dass ich selbst Schalker bin und deshalb nicht ganz unbefangen bin. Die Analyse finde ich gut, nur habe ich bei dieser und auch bei anderen ein Problem damit, dass Schalke und die dazugehörige Arbeit von Stevens komplett auf seine Konter reduziert wird.
Allein schon die Menge an Toren spricht gegen reinen Konterfußball und man muss bedenken, dass Stevens seit seinem Antritt weiterhin die gute Offensive von Rangnick aufrecht erhalten hat und trotzdem die Defensive stark verbessert hat. Ich möchte überhaupt nicht behaupten, dass Schalke brillianten Angriffsfußball spielt wie es z. B. Dortmund tut, jedoch sehe ich Bayern und auch Gladbach spielerisch nicht unbedingt besser (an der aktuellen Form gemessen, das vor allem Bayern ´ne Menge Luft hat ist klar). Was ich insbesondere bemerkenswert finde ist, dass Schalke häufig bei einem Tor mit großem Willen das 2. erzwingen will. Bei mehreren Spielen ist es so, dass die Mehrzahl der Tore in einem kurzen Zeitraum gefallen sind (gegen Köln 4 Tore in 22 Minuten, und das ohne 5 Leistungsträger). Ich finde, dass Schalke durchaus in der Lage ist ein Spiel zu dominieren und zu gestalten, dies jedoch nur relativ punktuell tut (über Zeiträume von 20-30 Minuten). Besonders das Argument der Individuellen Klasse finde ich auf das Spiel gegen Köln angewandt nicht legitim. Was wäre Schalke denn dann in Bestbesetzung? Persönlich freue ich mich sehr auf die Topspiele der Rückrunde, da man dort sehen kann was wirklich Entwicklung und was Schwäche des Gegners ist.
Die Spiele gegen Dortmund, Gladbach und Bayern werden zeigen wo es diese Saison nun endgültig hingeht, allerdings sollte aktuell jeder Schalker mehr als zufrieden sein, man ist deutlich über dem ausgegebenen Ziel.
Leperon 30. Januar 2012 um 20:04
Das nach der Pause übrigens tatsächlich aus einer Raute heraus agiert werden sollte hat Huntelaar nach dem Spiel selber gesagt. http://www.schalke04.de/aktuell/news/einzelansicht/artikel/klaas-jan-huntelaar-haben-unseren-weg-nach-oben-bestaetigt.html
Max 30. Januar 2012 um 13:58
Für mich ist das Schlüsselereignis die Einwechslung von Brecko für McKenna. Sereno orientiert sich dann in die Mitte, Brecko auf rechts. Unordnung resultiert, die Schalke zum 2:1 nutzt.
Danach spielt Köln noch kurzzeitig mit, aber hinten eben unsortiert, was zum Elfmeter führt…danach bricht der FC Köln auseinander, was man ja in dieser Saison auch schon öfter beobachten musste.
PW 30. Januar 2012 um 09:47
Hi,
danke für die Analyse.
Mir kommt jedoch in der zweiten Halbzeit Köln ein wenig zu kurz. Gerade in der Zeit bis zum Führungstreffer der Schalker verteidigten die Kölner doch deutlich höher und setzten die Schalker mehr unter Druck. Dadurch entstanden auch einige gefährliche Möglichkeiten beispielsweise durch Petsko über außen.
Ich fand die Kölner in dieser Zeit deutlich aktiver als in der ersten Halbzeit.
Sehe ich das falsch?
Danke für eine Antwort.