Real Madrid – Atlético Madrid 4:1

Das Derby Madrids stand eigentlich unter schwierigen Vorzeichen für Real. Man erwartete von der Truppe, die aktuell ein Formhoch hat, einen Sieg, während der große Rivale aus Barcelona den vermeintlich leichteren Gegner an diesem Spieltag hatte. Allerdings sollte die Mannschaft José Mourinhos kurz nach Spielbeginn einen weiteren Rückschlag hinnehmen, als man von Atlético bei deren erster gefährlichen Aktion einen Treffer hinnehmen musste, doch die Blancos erholten sich davon und schlugen eindrucksvoll zurück.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Beginn

Atlético trat mit einem sehr kompakten 4-4-1-1/4-5-1-Mischsystem an, das dafür sorgen sollte, dass der nominell hervorragend besetzte Angriff des Rekordmeisters nicht ins Rollen kommen könnte. Zwei Viererketten, bei der in diesem Fall allerdings die jeweiligen Außenspieler nach vorne geschoben waren, gelten für viele Teams gegen einen favorisierten Gegner als Allheilmittel und es zeigte sich, dass auch in diesem Spiel diese Ausrichtung als einfach und dennoch effektiv anzusehen war. Mit Perea und Filipe hatte man zwei sehr passende Spieler sowohl für ihre schematischen Gegenspieler, als auch zur Pärchenbildung in der eigenen Offensive. Der extrem schnelle Perea, der sich offensiv vornehmlich zurückhielt, konzentrierte sich besonders auf den Aktionsradius Ronaldos in Richtung Strafraum, während Filipe sich durchaus ins Angriffsspiel der Rojiblancos miteinschaltete und bis zur Grundlinie vorzustoßen versuchte. Vor ihnen traten mit Turan und Salvio zwei offensiv starke und defensiv engagierte Spieler an, welche sich nach der roten Karte großteils auf die Höhe der Doppelsechs fallen ließen und sich generell der tieferen Spielposition der gesamten Mannschaft anpassten. Courtois, der junge Torwart hinter den Innenverteidigern Godin und Dominguez, erhielt nämlich die rote Karte nach einem Solo Benzemas, welches er mit leichtem Körperkontakt unterbrach und veränderte so die Ausrichtung seiner Mannschaft grundlegend, da der ehemalige Bremer Diego, wichtiger Spieler im Umschaltspiel Atléticos, weichen musste und Gabi neben Assuncao auf der Doppelsechs deswegen verstärkt defensive Verantwortungen übernahm. Eine wichtige Rolle hatte Adrian in der Spitze inne, er sollte nicht nur für Torgefahr sorgen, sondern Räume für Turan, Salvio und ursprünglich auch Diego öffnen, was ihm teilweise gelang.

Real hingegen veränderte seine Formation nicht wirklich, es war das gewohnte asymmetrische 4-2-3-1, welches aus der Ära Mourinho bekannt ist. Dennoch ist festzustellen, dass sowohl Özil als auch Cristiano Ronaldo deutlich veränderte Rollen als in der letzten Saison besitzen, sie bilden kein Pärchen mehr auf der linken Seite, sondern wurden räumlich voneinander stärker getrennt und es fällt auf, dass sich Özil verstärkt an der rechten Seite orientiert, wo er Löcher bei Di Marias herausragender Defensivarbeit füllt. Di Maria wurde letzte Saison oftmals vom Spielgeschehen durch das eigene Team isoliert, dieses Jahr wird er nicht nur von Özil stark unterstützt, sondern ebenso von Karim Benzema, welcher oft auf die Flügel rochiert und sich dort für Anspielstationen anbieten. Ronaldo auf links kann dank seiner großen individuellen Stärke, gewisser taktischer Feinheiten und dem sehr offensiven Marcelo dennoch gute Leistungen erbringen und bindet sich gut ins Spielgeschehen ein, wenngleich man auch merkt, dass ihm die letztjährige Spielweise in puncto individueller Endverwertung vielleicht einen kleinen Ticken mehr lag. Hinter den vier Stammspielern der Offensive sorgten Xabi Alonso und Khedira auf der Doppelsechs für das Bindeglied zwischen Verteidigung und Angriff, wobei Alonso dieses Loch spielerisch ausfüllt, während Khedira seine starke Physis dafür nutzt und den Raum zwischen den beiden Strafräumen überbrückt.

Linksverteidiger Marcelo spielt mit minimalen Veränderungen eine ähnliche Rolle wie letzte Saison, während Lassana Diarra auf die Position des rechten Verteidigers gerückt ist und dort Licht und Schatten zeigt. Einige Male, insbesondere zu Beginn, wo das Pressing Atléticos häufiger und stärker war, konnte er gute Aktionen unter Bedrängnis zeigen und schob das Spielgeschehen nach vorne, doch als ihm nach dem Platzverweis mehr Raum zufiel, schien er einige Mal stark ideenlos, desorientiert und ohne wirkliche Kreativität, was vermutlich an der ungewohnten Position lag, da er als gelernter rein-defensiver Mittelfeldspieler selten mit solchen Situationen konfrontiert wurde. Zwischen den beiden Außenspielern kamen Pepé und Sergio Ramos zum Einsatz, deren Rollen sehr gut zu erkennen und schön unterschiedlich waren. Der Portugiese kümmerte sich primär um die Rochaden Adrians und in der Offensive um die Unterstützung des Mittelfelds durch eine Steigerung der Spieleranzahl, während Sergio Ramos sich sehr nah an Pepé orientierte, wenn Adrian sich zentral aufhielt, ansonsten relativ frei agierte und nach Gefahrenzonen und Schnittstellen im Defensivverbund Ausschau hielt. In eigenem Ballbesitz kümmerte er sich um die Spieleröffnung und es war vorteilhaft, dass er als Rechtsfuß auf der linken Innenverteidigerposition spielte, da er dadurch seine Diagonalpässe einfacher spielen sowie anbringen konnte.

Benzema und Özil: neu- bzw. wiedergefundene Bewegung sorgt für ihre Stärke

Auffallend war, dass Özil und Benzema sich besonders dann stark präsentieren, wenn sie ihre angestammten Positionen verlassen und sich auf fremdes Terrain begeben konnten. Die Ursache darin liegt in mehreren Faktoren, einerseits verlassen sie die auf sie abgestimmte Deckung und unangenehme Gegenspieler, andererseits sind sie beide Spieler, die sich durch ihre Technik und Dynamik in Bewegung auszeichnen, insbesondere der deutsche Nationalspieler gilt als das Paradebeispiel eines modernen Zehners, welcher auf den Flügel rochiert und sich vornehmlich zwischen den Linien aufhält, um den Ball dann möglichst schnell und direkt kreativ Richtung gegnerischem Tor weiterzuleiten – nicht von ungefähr stammt der Spitzname „die Eule“.

Bei Benzema sieht das ganze wiederum etwas anders aus, denn der Franzose ist keineswegs ein Zehner, obwohl er technisch sicherlich zu den stärkeren seiner Zunft gehört, spielt er klar wie ein Mittelstürmer, doch problematisch wird dies, wenn sich die Gegner stark hinten rein stellen und sehr tief stehen. Benzema lebt von seinem Dribbling und dies funktioniert am besten, wenn er Fahrt aufnimmt, was aber bei einer Mannschaft, die auf Bunker spielt, selten funktioniert. Folglich ist seine Veränderung in der Spielweise nur logisch, aber dennoch zu loben, denn wie man auch am Beispiel Mario Gomez‘ sieht, benötigen derart fundamentale Veränderungen einige Zeit und nicht immer werden sie auf höchstem Niveau abgeschlossen.

Pereas Aufgabe und seine Wirkung auf Cristiano Ronaldo

Neben Atléticos Angriffsspiel, welches letztlich auf für ihren Treffer sorgte, war besonders die Aufstellung Pereas und seine Konsequenz für Cristiano Ronaldo interessant. Dadurch, dass er einen extrem schnellen und defensiv orientierten Gegenspieler hatte, musste der Portugiese oftmals auf Läufe über den Flügel verzichten und ins Zentrum konnte er oftmals ebensowenig eindringen, da die eigenen Spieler und die gegnerische Doppelsechs den Weg versperrten.

Dennoch konnte Ronaldo eine gute Leistung zeigen, indem er uneigennützig sowie ehrgeizig agierte, einige Male versuchte, trotz der gut versperrten Seite Nadelstiche zu setzen oder zumindest Marcelo einzusetzen, allerdings war der Verdienst Ronaldos jener, dass er sich oftmals bewusst tief und mittiger postierte, um Löcher in den gegnerischen Defensivverbund zu reißen, ohne sich selbst opfern zu müssen. Öfters hatten die Gäste Probleme damit und die beiden Elfmetertore Ronaldos belohnten nur seine taktisch intelligente und spielerisch überzeugende Darbietung.

Fazit

In einem interessanten Spiel, welches nach der roten Karte, auf welche spät im Spiel eine weitere folgte, zugunsten der Gastgeber ausschwenkte, konnte Real sich auf Platz eins vom katalanischen Verfolger absetzen. Mit sechs Punkten Vorsprung und einem letztlich überzeugenden, wenngleich auch vielleicht etwas zu hoch ausgefallenem Sieg im Derby hat die Mannschaft Mourinhos einiges zu feiern und ist in Europa wohl die Mannschaft der Stunde.

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