AC Milan – FC Barcelona 2:3

Der Titelverteidiger reiste zum AC Mailand – bereits im Vorfeld ein aus mehreren Gründen besonderes Spiel. Zwar waren beide Teams bereits qualifiziert, doch Barca kehrte an den Ort ihrer letzten CL-Niederlage zurück und traf dabei auch noch auf Zlatan Ibrahimovic, der zuletzt viel Kritik für die Katalanen übrig hatte.

Barca spielte im 3-4-3, welches seit dieser Spielzeit zu ihrem Standardsystem geworden ist. Puyol durfte in der Verteidigung auflaufen, im Mittelfeld entschied man sich für Thiago in der offensivsten Position und bot Messi als halbrechte Spitze auf, während Fabregas nominell als Mittelstürmer fungierte. Normalerweise haben die Spieler des spanischen FCB im Angriffsspiel entgegen ihres Rufs durchaus feste Positionen, doch hier war dies relativ unklar zu erkennen, da viel Bewegung im Spiel war und man selten eine klare Aufteilung oder gar Formation erkennen konnte.

Massimiliano Allegri bot sein typisches 4-3-1-2 auf, mit Mark van Bommel auf der Sechs und ohne große Überraschungen. Im Sturm fehlt Cassano nach seinen Herzproblemen lange und so durften Ibrahimovic und Robinho spielen, während Pato zunächst auf der Bank Platz nehmen musste, obwohl er noch beim Hinspiel-Remis beide Trainer für Milano beigesteuert hatte.

Riskantes Pressing gegen Barca – auch ein psychologisches Mittel?

Zwar spielte ansonsten fast die gleiche Mannschaft, doch Spielstil und Auftreten sahen ganz anders aus. Stand man im Hinspiel vom September noch extrem tief um den eigenen Sechzehner, attackierte und presste man Barca hier viel früher, um sie aus ihrem Rhythmus zu bringen und die Passmaschinerie nicht anlaufen zu lassen, was besonders in den Anfangsminuten ausgezeichnet gelang, als man selbst die Kontrolle über das Spiel hatte – typisch für Barcelona, das in seinem Spiel Phasen hat, in denen man besonders stark bzw. schwach agiert, wofür die ersten Minuten ein perfektes Beispiel sind, da man hier noch nicht den Takt gefunden hat.

Durch das frühe Pressing wollte man dem Spiel außerdem mehr Tempo geben und es in die Richtung forcieren, dass es hin und her ging, so dass es auch  bei nachlassendem Pressing offen gehalten werden würde – gelegentlich schien es gar so, als würde Milan absichtlich Räume öffnen oder Barcelona vertikale Wege anbieten. In der Tat spielte Barcelona direkter und kam am Ende auf verhältnismäßig sehr tiefe 59 % Ballbesitz, quasi eine ähnliche Situation wie sie am Vortag die Bayern hatten, doch es erwuchsen einige gefährliche Chancen daraus.

Weil die Abwehr der Italiener recht tief stand, aber ihre Offensivspieler häufig vorne attackierten, ließ man dazwischen oftmals Räume, die Barcelona zu nutzen wusste. Dort wurde man in direkte Duelle gezwungen, die man aufgrund fehlender Dynamik gegen die wuseligen Gegenspieler verlor, und litt unter einer starken Mittelfeld-Unterzahl, die immer wieder ein Hauptproblem darstellte, denn selbst wenn man den Konter verzögert hatte, blieben Ibrahimovic und Robinho vor dem Ball, so dass man nur mit 7-8 Feldspielern verteidigte.

Die Löcher in den jeweiligen Formationen der Teams

Für Barcelona war es dann zu einfach, ihre Spieler in gute Dribblingchancen zu bringen, gegnerische Spieler herauszulocken und damit Räume für schnelle Passstafetten freizumachen, oder auf den Außenbahnen zu überladen, um dann durchzustecken oder auf Höhe der vertikalen Strafraumgrenze einfach zu hinterlaufen und querzulegen.

Milans Offensivstrategie

Auf der anderen Seite hatte Milan ebenfalls seine Chancen, ebenfalls auf obige Methode – Hereingaben, Flanken und auch diagonal in den Strafraum gespielte/gechippte Bälle, wie sie sonst Xavi so gerne auf Dani Alves spielt (der im Übrigen gelbgesperrt pausieren musste), führten viel zu schnell zu großer Gefahr. Hier spielte das frühe Pressing sicherlich auch eine Rolle, denn es gab beim hohen Risiko immer Szenen, in denen man verlor, und solche, in denen man gewann und die so zu guten Chancen mit schnellen Gegenzügen führten.

Der Hauptgrund für die Chancen war aber ein anderer: Milan gelang es, Barcelona auf den Außen zu überladen und dabei die Löcher in deren Formation aufzureißen. Auf links tauchten Ibrahimovic und Seedorf gleichzeitig als Flügelspieler auf, auf der anderen Seite situativ Boateng und Robinho – diese wechselnden auf den Flügel rochierenden und Überzahl bildenden Paare in Verbindung mit Spielverlagerungen öffneten die nur mit einer naturgemäß engeren Dreierkette, welche weniger Platzbreite abdecken kann als eine Viererkette, spielenden Gäste ein ums andere Mal, wie vor allem beim 1:1 gut zu erkennen.

Milans Bewegungsantizipation

Eine weitere hervorzuhebende Maßnahme, die die Rossonieri praktizierten, war der Mut, sich an das Antizipieren der wendigen gegnerischen Bewegungen heranzutrauen. Wie Mourinho es in der letzten Clásico-Serie vom Frühjahr machte, wenn auch mit einem anderen Schwerpunkt, so schien auch Allegri sich sehr intensiv mit den Bewegungen und auch Passwegen des Gegners befasst zu haben, da seine Spieler immer wieder gute Situationen im Dagegen-Agieren hatten.

Exemplarisch stand eine Szene aus der ersten Halbzeit, als Milan wieder fast mit dem kompletten Mittelfeld fast bis zum gegnerischen Strafraum aufrückte, um zu pressen. Xavi kam an den Ball und wollte sich befreien und etwas Raum gewinnen, indem er abdrehte und einen Rückpass plante – allerdings ahnte sein Gegenspieler das Abdrehen nach hinten voraus und schob schnell genug seinen Körper in den Bewegungsablauf und damit zwischen Ball und Xavi.

Messi und Xavi

Messi und Xavi waren letztlich die beiden entscheidenden Schlüsselspieler, die Barcelona den Sieg „brachten“, wobei man natürlich die dominantere Mannschaft war. Messi agierte nicht zum ersten Mal in dieser Spielzeit auf seiner „alten“ nominellen Rechtsaußen-Position und nicht als Falsche 9 im Zentrum, doch dies hatte einen Grund. Auf halbrechts war er immer noch stark ins Spielgeschehen involviert bzw. aufgrund des generellen Rechtsdräng stand er hier sogar im Zentrum dessen, war aber weiter von den beiden Innenverteidigern weg, besonders dem stark antizipierenden Thiago Silva.

Aufgrund der enormen Zentrumsstärke Barcelonas waren es oft nur die Verteidiger, die Messi hätten aufnehmen können, doch durch sein Position blieben nur die beiden äußeren Verteidiger übrig, welche aber immer wieder vor Messi zurückweichen mussten, um den Passweg zum diagonal einlaufenden Außenstürmer nicht sperrangelweit zu öffnen.

Diesen Posten teilten sich dann Fabregas und Thiago auf, die dorthin rochierten oder mit Messi einen Positionswechsel vornahmen, wobei auch Xavi situativ die Seite übernahm, welche man sich generell aufteilte und hier auch Überzahl schuf, von der dann wiederum Messi nicht nur in Punko Anspielstationen, sondern vor allem raumtechnisch profitierte, da ihm weniger Aufmerksamkeit zuteil wurde – noch weniger gab es davon natürlich für die andere Seite und so war es kein Zufall, dass eine Messi-Verlagerung von halbrechts nach halblinks den ersten Treffer für die Katalanen brachte.

Um Messis Raum konsequent zu decken, verschob Seedorf nicht strikt zusammen mit dem restlichen Mittelfeld auf die andere  Seite, sondern blieb zur Sicherung etwas eingerückt stehen, was allerdings andere Räume freiließ und Messi selbst im Zentrum solche eröffnete. Nach einer guten halben Stunde wurde dann Boateng weiter zurückgezogen, was ein bisschen besser klappte, allerdings ließ man hier dann Barcelonas Dominanzspiel in stärkstem Ausmaß des Abends zu und Messi in zwei Situationen trotzdem durch das Mittelfeld dribbeln.

Ungewöhnlich an der Rolle von Xavi war, wie weit er mit nach vorne aufrückte, was sich in drei unmittelbaren Torbeteiligungen – allesamt nach Vorstößen in den Strafraum – niederschlug. Grund für dieses Aufrücken war die Tatsache, dass aufgrund der speziellen gegnerischen Spielweise vorne nicht weniger Platz war als hinten, doch vorne man konnte man so das exzellente Passspiel des Spaniers sehr gut ausnutzen, wobei er natürlich auch sich – ebenso wie Thiago und Fabregas – sehr weit fallen ließ, doch beides machte die Laufwege noch effektiver, da sie noch überraschender für den Gegner waren und Xavi so die Rolle des Profiteurs der Bewegungen der Falschen 9 übernahm.

Zweite Halbzeit

Größter Unterschied zum ersten Durchgang war nach dem Seitenwechsel die Tatsache, dass Milan eine sehr viel höhere Abseitslinie spielte und somit zu Beginn Barca stark nach hinten drücken konnte, denen einiges an Raum eingeengt wurde. Allerdings konnte Milan dieses Spiel nicht bis zum Ende durchhalten, bekam zwar selbst noch einiges an Ballbesitz, aber Barcelona löste defensiv die arge Asymmetrie etwas auf (beispielsweise immer klarere Viererkette mit Busquets in der Innenverteidigung) und stand solide – nach dem Tor durch Kevin-Prince Boateng waren zwei geblockte Schüsse die einzigen Abschlussversuche Milans in Hälfte zwei. Es fehlte der Kick in einem Spiel, dessen einziger Reiz das Prestige war.

Zwei unterschiedliche Torhüter

Einer der häufig unterschätzten Torhüter des Planeten ist Barcelonas Victor Valdés, der auf jeden Fall als vollwertiges Mitglied dieser außergewöhnlichen Mannschaft zu bezeichnen ist. Wie auch Manuel Neuer und David de Gea gehört er zu den besten Beispielen für den modernen Antizipationstorhüter, der Chancen im Voraus nicht entstehen lässt und äußerst gut herausläuft und mitspielt, wird aber deutlich weniger gewürdigt und oftmals sogar kritisiert, dass er überdurchschnittlich viele Torschüsse ins Tor lässt, was sich aber durch seinen Stil einfach begründen lässt.

Ein Vergleich ihrer Spielweise zeigt deutlich, dass Christian Abbiati ein ganz anderer Torwarttyp ist – konservativer und mit einem geringeren Aktionsradius. Dies ist allerdings nicht unbedingt schlimm, denn er erweist sich trotzdem als solider Rückhalt, der in diesem Spiel seine starken Momente hatte. Lange Jahre als fehleranfällig verschrien, gelang ihm im letzten Jahr der Durchbruch, als er entscheidend zur Meisterschaft beitrug – seine Fehler sind selten geworden.

Fazit

Es fielen bereits fünf Tore in diesem offenen Spiel, doch es hätten noch mehr sein können, wenn man sieht, wie viele große Chancen auch ausgelassen wurden.

Milan zeigte eine interessante und durchaus beeindruckende Leistung, die in der Theorie nicht schlecht klingt, über deren praktische Ausführung dieses Spiel aber nicht volle Auskunft gibt. Besonders herausragend waren allerdings die vielen kleineren Kniffe, die man anwendete – wie bspw. die Bewegungsantizipation.

Forellentee 25. November 2011 um 13:11

Diese Analyse fällt gegen die anderen hier doch sehr stark ab. Die vielen Tippfehler lassen den Schluss zu, dass der Autor wohl unter großem Zeitdruck gearbeitet hat.

Mir ist schon klar, dass die Analyse hier ergänzend zum Spiel zu sehen ist, aber dass Barcelona nur ein Tor aus dem Spiel heraus erzielt hat wird hier beispielsweise gar nicht erwähnt.
Meiner Meinung nach wurde dieses Spiel mehr von der inferioren Leistung des Schieds- und vor allem Torrichters entschieden, als von den hier erwähnten taktischen Kniffen. Auch hat gerade in diesem Spiel wieder einmal die Schwerkraft besonders stark auf die Barca-Spieler gewirkt

Barcelona hat stark gespielt, aber Milan hätte sich mMn mindestens einen Punkt verdient.

Abschließend ein großes Lob für eure Seite und eine Anregung: Wie wäre es mit Analysen der Schwächen bestimmter Mannschaften?
Wie man Barcelona am ehesten schlagen kann, fragt sich im Moment wohl ganz Europa…

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my_heroine 25. November 2011 um 01:16

„obwohl er noch beim Hinspiel-Remis beide Trainer für Milano beigesteuert hatte.“

… 😉 Abgesehen davon stimmt das nicht mal, aber egal.

Nun ja, wie Ian schon angemerkt hat, ist das 3-4-3 alles andere als das „Standardsystem“ Barcelonas. Es wurde nur gegen Teams mit zwei Stürmern benutzt – z.B. Villarreal, Milan im Hinspiel oder auch Sevilla. Bei letzterem stellte sich früh heraus, dass sie in Wirklichkeit ein 4-4-1-1 spielen würden und somit stellte Barcelona früh auf 4-3-3 um.

Was ich damit sagen will ist, dass Barcelona sehr stark ist im Verschieben, sodass sie nahtlos in ein anderes System übergehen können (um beispielsweise in der Verteidigung einen Mann mehr zu haben), ohne dass sie einen Wechsel vornehmen müssen. Busquets ist da ein Schlüsselspieler, da er ohnehin dafür bekannt ist, sich in die Innenverteidigung fallen zu lassen. Aber auch Puyol und Abidal sind gut geeignet – Abidal spielt ja bekanntlich mal als Linksverteidiger und mal als Innenverteidiger und Puyol fing seine Karriere als Rechtsverteidiger an. Und Seydou Keita ist der einzige Barcelonaspieler, der sowohl defensives als auch zentrales Mittelfeld spielen kann.

Generell würde Pep niemals mit einer Dreierverteidigung gegen einen Ein-Mann-Sturm spielen. Damit wäre ein Innenverteidiger absolut redundant. Ich vermute dass der Eindruck entsteht, da Messi und Fabregas auch desöfteren im 4-3-3 vorne als „Falsche Neun“ und „Falsche Zehn“ agieren, obwohl Messi+Fabregas im 3-4-3 logischer wäre, zumal sonst die rechte Seite komplett frei ist, wie ihr auch bei der Analyse richtig beschrieben habt. Messi war relativ zentral und Zambrotta dadurch mit viel Platz – er war auch derjenige, der Boatengs Tor vorbereitete.

Tatsächlich aber Barcelona sehr direkt. In den ersten 10 Minuten hatte Milan ca. 60% Ballbesitz und insgesamt hat Barca nur um die 550 Pässe gespielt – normalerweise spielen sie um die 700-800 (Höchstwert knapp 1000).

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Ian 24. November 2011 um 22:10

Als standardsystem würde ich das 343 nicht bezeichnen, gegen Ein-Mann-Stürmer Teams und in wichtigen Spielen wird meistens das 433 bevorzugt.

Finde auch, dass Barcelona beim 433 bleiben sollte, mir scheint die 3er Kette doch zu anfällig.

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