Borussia Dortmund – VfL Wolfsburg 5:1

Klopps Dortmunder feiern einen weiteren hohen Sieg. Zu Beginn machten ihnen die Wolfsburger Probleme, am Ende luden sie sie ein.

Startformationen

Nach dem abgeklärten Sieg in der Champions League über Piräus nahm der Dortmunder Trainer zwei Änderungen vor – Bender ersetzte Kehl, Kagawa kam für Perisic in die Mannschaft. Anders als in jener Partie war es kein 4-1-4-1, in dem sich Götze und Leitner als Bestandteile eines Dreier-Mittelfeld abwechselnd neben Bender zurückfallen ließen, sondern das typisches 4-2-3-1, wobei Leitner den kreativeren und offensiveren Part aufüllte, aber Bender ebenso beweglich wie der Youngster vor ihm agierte, welcher die allseits bekannte Offensiv-Dreierreihe Götze-Kagawa-Großkreutz unterstützte.

Felix Magath wollte den Schwarz-Gelben mit einer sehr defensiven Taktik begegnen. Dazu entwarf er eine sehr eigenwillige und asymmetrische Kreuzung eines 4-3-1-2 und eines 4-3-2-1. Die nominelle Raute war sehr flach, so dass Träsch nur leicht vor Josué agierte, während der eigentlich auf der rechten Halbposition spielende Ochs sehr breit stand und praktisch einen zusätzlichen Rechtsverteidiger gab. Aus dem Sturmzentrum musste sich ausgerechnet der offensiver ausgerichtete Mandzukic bei der defensiven Hilfe auf den Flügel oder ins Zentrum fallen lassen.

Wolfsburg isoliert das zentrale Mittelfeld

Zu Beginn funktionierte die Wolfsburger Taktik durchaus gut. Bis auf einige Ausnahmen, in denen die Staffelung nicht stimmte, Josué sich von Kagawa wegziehen ließ und die Borussen aus der Innenverteidigung Vertikalbälle zwischen die Linien spielen konnte, gelang es den Gästen, die Räume sehr eng zu machen und vor allem das Mittelfeldzentrum so zu verdichten, dass die gegnerische Viererkette den Ball zirkulieren ließ ohne Gefahr auszustrahlen bzw. sogar erzeugen zu können.

Interessant war in diesem Zusammenhang nicht nur die rautenförmige Mittelfeldanordnung des Grundsystems, welches in vorderster Reihe direkt ein Dreieck sowie insgesamt gleich vier zentrale Spieler bot und somit für eine besondere Abdeckung des Zentrums gut geeignet war, sondern das gelegentliche Switchen zu einem asymmetrischen 4-3-2-1. Während Ochs sich auf das Schließen seiner Seite beschränkte, rückte der halblinke Stürmer (meist Mandzukic) hierbei nicht immer auf den Flügel zurück, sondern häufig ins Zentrum ein und erzeugte mit den anderen drei Spielern eine Art Viereck, in welchem man die Dortmunder Mittelfeldspieler gut isolierte.

Doch obwohl diese Maßnahme eine der größten defensiven Stärke der Wölfe war, trug sie auch maßgeblich zu einer Schwäche bei, welche letztlich dafür entscheidend war, dass die Dortmunder in den entscheidenden Situationen die gegnerische Defensive öffnen konnten und in der Folge zunächst nicht zu vielen, aber zu qualitativ sehr hochwertigen Chancen kamen.

Dortmund beherrscht die Flügel

In der Theorie hatte Dortmund auf den Flügeln gegen die Formation der Gäste eine Überzahl. In der Praxis sah das so aus, dass vor allem Piszczek auf der rechten Seite häufig freie Räume hatte, um relativ weit mit dem Ball vorzustoßen. Wie üblich schob der ballnahe Halbspieler der Wolfsburger, in diesem Fall Polak und später Träsch, heraus und empfing den ballführenden Rechtsverteidiger der Dortmunder. Auch hier ergab sich für die Wolfsburger mitunter das Problem, dass man vor der Abwehr zu viel Raum ließ und die Kompaktheit verlor, weil die Staffelung fehlte oder Josué aus der Position gezogen wurde – allerdings war es nicht so stark wie im Freitagsspiel zwischen Mainz und Stuttgart.

Mit der Zeit nutzten die Dortmunder diese Vorstöße immer häufiger, um weiter nach vorne zu kommen, da der betreffende Wolfsburger Spieler meistens erst recht spät nach außen herausschob und der Dortmunder Akteur somit ziemlich einfach – wenn Mandzukic ihn nicht störte bzw. auf der anderen Seite Ochs – die erste Linie der gegnerischen Formation überlaufen konnte.

Mit dem vollgestellten Zentrum und den Freiheiten für die Außenverteidiger war es kein Wunder, dass sich das Dortmunder Angriffsspiel stark auf die Flügel verlagerte. Der Schlüssel zum Erfolg war hier schließlich die Überzahlbildung, durch die man die Wolfsburger auf dem Flügel überladen konnte. Die beiden zentralen Mittelfeldspieler, besonders der bewegliche Leitner, spielten sehr horizontal und halfen immer wieder beim Kombinieren auf den Außenseiten. Auch Kagawa bewegte sich zur Unterstützung auf die Flanken und selbst Götze tauchte einige Male auf links auf. Diese beiden waren es auch, die zusammen mit Leitner für das schön herausgespielte Führungstor der Dortmunder nach 12 Minuten sorgten, als man das lehrbuchhafte Beispiel für das obige Überladen präsentierte – Leitner leitete ein, Kagawa öffnete Räume in bewährter Manier und legte per Hacke auf den startenden Götze ab. Bereits kurz zuvor hatte Kagawa nach einer ähnlichen Szene von der anderen Seite eine große Chance gehabt, welche bis auf wenige Halbchancen die einzigen der ersten 25 Minuten waren.

Dortmunds Konter, Magaths Fehler und Wolfsburgs Probleme

Mit der Zeit konnten die Dortmunder zusätzlich auch immer wieder ihr schnelles Umschalten bei Konterangriffen einsetzen und schraubten so ihre Torschussbilanz auf letztlich 20 Versuche hoch. Nicht nur, dass man einen sehr guten Tag erwischte und auch hier von den Verbindungen zwischen den Spielern sowie den hervorragenden Automatismen beim Konterspiel profitierte, sondern auch, dass Magath nach seiner guten Anfangstaktik in diesem Bereich später einen Fehler machte, indem er mit langsamen Spielern die hohe Abwehr beibehielt und somit den Dortmundern in die Karten spielte – perfekt zu erkennen vor allem bei den Dortmunder Toren Nummer zwei (45.) und vier (66.).

Offensiv gesehen hatten die Gäste lange Zeit Probleme mit dem guten Dortmunder Pressing, welches ihnen in den engen Räumen oftmals die Luft zum Atmen nahm. Nach der Einwechslung Hlebs ins offensive Mittelfeld, der die Raute etwas auflockerte, für ein wenig Kreativität sorgte und das Ungleichgewicht der Seiten aufhob, sowie der von Jönsson, der seiner Mannschaft mehr Ballsicherheit brachte, wurde es in der Phase zu Beginn des zweiten Durchgangs etwas besser, wenngleich man dennoch nur 5 Abschlussversuche hatte und das Tor ein Konter nach einem Konter war. Insgesamt präsentierte sich die Mannschaft von Felix Magath erschreckend einfallslos und wenig abgestimmt, einzig die Pärchenbildung auf dem Flügel – ein Standardmittel – schien eine klare Strategie einer Mannschaft zu sein, deren Spiel für viele Zuschauer nicht schön anzuschauen gewesen sein dürfte. Nur mit einer defensiven Ausrichtung und Konterspiel in Ansätzen werden die Niedersachsen große Probleme bekommen. Schließlich muss auch noch am nötigen Zusammenhalt der Mannschaft gezweifelt werden, welche komplett neu zusammengestellt ist und immer wieder gewechselt wird. Ein „Wir-Gefühl“ oder eine besondere Kommunikation kann sich durch die vielen Wechsel nicht ausbilden, durch die Wechsel werden höchstens das Verstädnis für andere Rollen erweitert und die Spieler mit neuen Erwartungen konfrontiert, wobei dieser Effekt eher gering bleibt, wenn Auf- und Einstellung der Mannschaft als Ganzes für das jeweilige Spiel nicht passt.

Fazit

Ein verdienter Sieg für Dortmund, welche anfangs mit der geschickten Taktik Magaths etwas Probleme hatten, aber schnell Lösungen fanden und sie nach etwa 10 Minuten bereits umsetzten. Selbst wenn das Kreieren von guten Chancen auch danach noch zäh war, hatten die Borussen den Schlüssel längst in der Hand und nutzten ihn später immer öfter, so dass man mit schönem Spiel gegen eine auseinanderfallende gegnerische Mannschaft die Zuschauer erfreute. Klopp und seine Mannschaft scheinen vor dem Top-Spiel gegen Bayern gut aufgestellt.

Boba 7. November 2011 um 16:05

Lieber datschge,
das sollte eigentlich eine rhetorische Frage sein! Denn der Verein kauft seit Jahren genau die Spielertypen ein, um ein solches Spiel aufzuziehen.
Mir ging es gerade darum, deutlich zu machen, dass der Erfolg der Mannschaft nicht von einzelnen Spielern sondern von der konsequenten Umsetzung der Spielidee (Spiel gegen den Ball, Pressing, Verdichtung des offensiven Zentrums etc.) abhängt.
Aber wenn wir über Gündogan reden: Ein großartiger Spieler, der im Augenblick vom Trainer nur aus der Schusslinie der Öffentlichkeit genommen worden ist. Er wird spätestens in der Rückrunde ein wichtiger Spieler werden.

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datschge 7. November 2011 um 16:37

Ich weiß, ich wollte nur meinen Jubelkommentar darüber loswerden, dass Leitner endlich spielen darf. 😉
Ich finde es aber eine sehr interessante Entwicklung beim BVB, dass Klopp zuerst ziemlich stur relativ erfolglos auf eine feste Formation mit festen Spielern gesetzt hatte, aber deutlich mehr Erfolg hat seit er sowohl Taktik als auch Besetzung mehr variiert und an die Spielpaarungen anpasst. Gerade letzterer Ansatz ist auch für den doch sehr dünnen Kader optimal, da viele Spieler polyvalent agieren können.

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vastel 7. November 2011 um 17:21

Ein gutes Zeichen, dass Klopp aus seinen Fehlern lernt, die er zweifelsfrei zu Beginn der Saison gemacht hat, indem er stur auf offensichtliche Probleme nicht bzw. zu spät reagiert hatte.

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Emil Eimer 6. November 2011 um 12:27

Götze, Kagawa und Leitner – 3 kleine, wendige, kreative, technische gute offensive Mittelfeldspieler. Das steckt Potential drin. Wenn die noch länger zusammenbleiben, werden die noch so manche Abwehr schwindelig spielen.

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vastel 7. November 2011 um 12:49

Auf jeden Fall, das macht Freude 🙂

In diesem Zusammenhang aber bitte nicht Lewandowski vergessen, der für seine Körpergröße technisch sehr stark ist und über eine Menge Spielintelligenz und Kreativität verfügt, um mit den 3 genannten schöne Kombinationen zu erarbeiten, auch wenn er von 1 oder 2 IV hart bedrängt wird.
Schön, dass bei ihm endlich der Knoten geplatzt ist.

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Boba 7. November 2011 um 13:41

Lieber Emil,
was hat das hier zu suchen? Natürlich sind das schnelle und agile Spieler. Aber Dortmund ist deswegen wieder so stark, weil sie als Mannschaft wieder funktionieren. Das Pressing funktioniert wieder, die offensiven Mittelfeldspieler verdichten konsequenter den Raum vor dem gegnerischen Sechzehner, so dass es genug Platz für die nachstoßenden Außenverteidiger gibt. Dadurch gibt es ein Übergewicht auf den Flügeln und genug Anspielmöglicheiten über die entstehenden Dreiecke. Für dieses Spiel braucht man natürlich wendige und trickreiche Spieler. Aber welcher Dortmunder Spieler erfüllt diese Voraussetzungen nicht?

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datschge 7. November 2011 um 15:18

Gündogan vielleicht? Ist auf alle Fälle interessant anzusehen, dass Gündogan lange Zeit gesetzt war, der BVB damals aber Probleme hatte. Leitner hatte schon in der Vorbereitung geglänzt, ist aber seitdem nicht mehr eingesetzt worden, bis jetzt wo es auch für den BVB wieder besser läuft. Ein riskanterer Spieler wie Leitner passt wohl besser in dieses System, denn Gündogan hat kurioserweise von den nackten statistischen Zahlen her durchgehend bessere Werte.

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Phil 6. November 2011 um 12:26

Schön geschrieben, wie immer eigentlich …vor allem die Analyse der (nicht erfolgreichen) Idee Magaths zur Verdichtung des Mittelfelds ist interessant. Ich bin mal gespannt ob trotz der system-bedingten Schwächen andere Mannschaften das in Zukunft auch mal ausprobieren, denn eigentlich verspricht das bei der Aufstellung geeigneter Spieler und einer eingspielten Mannschaft durchaus Erfolg.

Nebenbei: Wie wäre es wenn ihr den Begriff „überladen“ mal ins Taktiklexikon aufnehmt?

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