Inter Milan – Juventus Turin 1:2

Inter stand unter gehörigem Zugzwang gegen Juventus, doch in einer sehr offenen Partie überwogen die defensiven Probleme und Risiken den positiven Lichtblicken.

Juventus übernahm mit diesem Erfolg die Tabellenspitze und kann sich nun als Topfavorit auf den Scudetto sehen – Lazio scheint zu bieder und zu stark auf Klose und Hernanes angewiesen, Inter kämpft sowieso mit großen Problemen, Napoli hat derzeit noch keine Konstanz erreichen können, dürfte aber neben Milan der größte Gegner sein, welche dennoch weiterhin unter fehlender Dynamik leiden, während auch Udine nicht die ganze Saison dort üben mitspielen dürfte. Doch auch man selbst offenbarte ihn dieser Partie einige Schwächen, auf die es zu achten gilt.

Während die Gäste nach dem Sieg über Florenz unverändert antraten, stellte Inters neuer Trainer Claudio Ranieri seine Mannschaft diesmal in einem 4-3-1-2 auf. Dass er vor einer schweren Aufgabe steht, zeigte sich in diesem Spiel eindrucksvoll, da er von enttäuschenden Vorgänger Gasperini eine wenig abgestimmte Mannschaft übernehmen muss.

Was Inter gut machte

Nichtsdestotrotz begannen die Blau-Schwarzen dieses Topspiel sehr furios und pressten die Turiner sehr früh, aggressiv und auch mit großer Wirkung. Das komplette Mittelfeld rückte kraftvoll nach vorne auf, selbst der Sechser Cambiasso ist hier mit eingeschlossen, der in der Arbeit ohne Ball quasi eine Freirolle hatte und dort abräumen oder attackieren durfte, wo er wollte bzw. es ihm am günstigsten erschien. Damit konnte man die Kreise des bislang so wirkungsvollen Spielmachers der „Alten Dame“ vor allem zu Spielbeginn stark begrenzen – Andrea Pirlo war im offensiven Dreieck aus Pazzini, Zarate und Sneijder eingeengt und wurde ebenso stark von den weiteren Mittelfeldspielern unter Druck gesetzt, welche in vielen Situationen ihm aber auch nicht gut zur Hilfe kamen, da sie zu hoch standen und eine Verbindung zwischen Offensive und Defensive verhinderten. Immer wieder gab es Situationen, wo die Viererkette und Pirlo im Bereich des eigenen Strafraums von 5-6 gegnerischen Spielern massiv attackiert wurden, während die Offensive und die Defensive der Heimmannschaft im Bereich der Mittellinie und zu Beginn der gegnerischen Hälfte postiert waren, so dass zwischen diesen Gruppen ein großes Loch klaffte.

Dies nutzte Inter im Angriffsspiel aus, in welchem auch die beiden Außenverteidiger extrem offensiv agieren durften und sehr weit aufrückten. Selbst Cambiasso stieß mit nach vorne und sorgte damit ein ums andere Mal für Gefahr – letzte Absicherung war dann Sneijder, eigentlich eine hängende Spitze, der die Fäden zog, was die offensive Ausrichtung versinnbildlicht. Ebenso wie beim Pressing powerte man im Angriff mit unglaublicher Physis und Energie nach vorne. Kopflos waren die Angriffe aber keinesfalls, denn die beiden Spieler auf den Halbpositionen bildeten ein Pärchen mit den Außenverteidigern, so dass man entweder den Gegner auf außen – auch mit Hilfe der drei abkippenden Offensivspieler – auf außen überrennen konnte oder die beiden Halbspieler alleine viel Raum hatten, wenn die Außenverteidiger absichtlich hinten blieben, was sich dann meist auf die Außenspieler der Gäste übertrug, wobei jene sowieso nicht unbedingt defensiv präsent waren – Pepe spielte erneut eine sehr freie Rolle und häufig gar nicht am Flügel zu finden, so dass Nagatomo ungestört marschieren konnte, während Vucinic ein wenig faul war – passenderweise fiel der Treffer Inters, nachdem man einige Chancen versiebt hatte, über einen kraftvollen Angriff über die Außen, den Maicon mit Urgewalt abschloss.

Inters Probleme führen zu Juventus´ Toren

Was Inter spielte, war allerdings auch hochriskant und führte zu einigen Konterchancen für Juventus, welche den Raum zwischen dem weit aufrückenden Mailänder Mittelfeld und ihrer Abwehr sowie hinter jener ausnutzen konnten, als sich Lucio und Chivu einige Male nicht geschickt genug zeigten.

Weil die Angreifer der Gäste dies auch häufig nicht waren und sich viele Konterchancen selbst verbauten, war das zweite Problem Inters ihr größeres. Eine derartige Intensität, wie man sie mit und ohne Ball in der Anfangsphase an den Tag legte, war schlichtweg nicht aufrecht zu erhalten und so musste man immer wieder das Pressing herunterfahren – wie es auch die Dortmunder machen, die die Intensität in verschiedene Phasen gliedern, um Erholung zu gewährleisten.

In den ruhigeren Phasen blieben die drei Offensivspieler allerdings weit vorne stehen und taten sehr wenig gegen den Ball, so dass Pirlo nun viel mehr Zeit zum Spielaufbau und Dirigieren hatte und man praktisch nur mit sieben Mann verteidigte. Folglich konnte Juventus Inter immer wieder überladen – entweder mit einer schnellen Verlagerung auf den sehr offensiven Rechtsverteidiger Lichtsteiner, der mit einer Hereingabe den ersten Treffer vorbereitete, oder mit einem Pass vom Flügel in die Mitte, denn wenn Inter nach außen verschob, um Juventus dort zu stellen, wurde man im Zentrum viel zu offen – Vidal, Pepe oder wie beim zweiten Tor Marchisio nutzten dies aus.

Spielcharakter und zweite Halbzeit

Der furiose Charakter und das horrende Tempo des Spiels wurden zum einen durch die Offenheit der beiden Mannschaften, ihrer Trennung in zwei Teile und die Öffnung des Mittelfeldes sowie zwei sehr direkte Stile und Inters Pressing bedingt, aber auch durch den wechselnden Spielrhythmus selbst, den das Pressing auslöste.

Im zweiten Durchgang war davon nicht mehr so viel zu sehen, da Inter mit der Einwechslung Castaignos erhöhte Sicherheit gewann, welcher für Zarate kam, aber als Hybrid aus Linksaußen und hängender Spitze eines asymmetrischen 4-5-1 besonders auf Lichtsteiner Acht gab, der nun deutlich besser abgedeckt war. Offensiv litt man aber darunter, dass man in Ein- wie Aufstellung nicht mehr so euphorisch war und dass sich das Spiel nun noch mehr auf links ballte, wo es aber zu eng wurde – und trotz einiger Phasen, in denen das Spiel wieder hin und her wog, gelang der Ausgleich nicht mehr.

Inter kam stark über links, wo die drei Offensivspieler mithalfen, Juventus über die rechte Seite, wo Lichtsteiner agierte und die Offensivkräfte sich ebenfalls hin bewegten – so gesehen war es offensiv ein Spiel des Überladens und der Überzahlbildung.

Fazit

Vielleicht könnte man sagen, dass es ein typischer Ranieri war – normalerweise ein relativ biederer Defensivtrainer, der vor allem darauf bedacht ist, mit 8-9 Spielern hinter den Ball zu kommen und eine solide Verteidigungsmauer zu kreieren, der aber immer wieder auch sehr gute und intelligente taktische Pläne und Einfälle hat – so war es auch hier, es war ein sehr gutes Konzept, doch es scheiterte letztlich ausgerechnet daran, dass die drei Offensivspieler nur beim Pressing defensiv halfen, aber nicht nach hinten zurückgingen in Phasen, wo man wenig presste.

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