Olympique Marseille – Borussia Dortmund 3:0

Der deutsche Meister aus Dortmund konnte auch sein zweites Gruppenspiel in der Champions League nicht gewinnen und verlor in Marseille glatt mit 3:0. Dabei waren die Gäste über weite Strecken spielbestimmend gewesen und hatten genügend Torchancen zu verbuchen, nur die Chancenverwertung ließ wieder einmal zu wünschen übrig.

Klopp und Deschamps wählen die sichere Variante

Grundaufstellungen

Meistertrainer Jürgen Klopp experimentierte bei seiner Startaufstellung nicht, sondern schickte die bewährten Kräfte der vergangenen Saison aufs Feld. Lediglich durch das Auflaufen Kehls an Stelle des abgewanderten Sahins stand nicht die komplette Erfolgself der vergangenen Hinrunde auf dem Rasen.

Sowohl Perisic, der sich in den vergangenen Spielen für einen Startelfeinsatz angeboten hatte, als auch Gündogan und Löwe nahmen zunächst auf der Bank Platz. Mit der Aufstellung Kehls wählte Klopp für sein defensives Mittelfeld eine eher defensive Variante. Damit sollte wohl das Zentrum gegen die konternden Gäste kompakter gehalten werden, zudem dürfte Kehls Erfahrung eine Rolle gespielt haben. Somit entschied sich Klopp bei der Startaufstellung bewusst für die sichere Variante mit zwei defensivorientierten Spielern, Offensivakzente sollten vor allem die offensiven Kagawa und Götze setzen.

Die Hausherren begannen ebenfalls defensiver als in den Spielen zuvor, OM-Trainer Deschamps hatte offensichtlich gehörigen Respekt vor den deutschen Gästen, denn er ließ seine Mannschaft sehr tief verteidigen. Die Defensivlinien formierten sich nur knapp vor dem eigenen Strafraum in sehr engen Reihen, sodass es dem BVB schwergemacht werden sollte, sich in den Strafraum zu kombinieren.

Zum anderen rückten die Dortmunder aufgrund der tiefen Defensive Marseilles weit auf. In der Folge ergaben sich für OM nach Ballgewinn offensiv viele Räume, die die dynamischen Offensivleute Olympiques immer wieder ausnutzten. Interessant zu beobachten waren die vielen Ballgewinne der Hausherren rund um den eigenen Strafraum und das schnelle Umschalten nach Ballgewinn. 120 Fehlpässe bei 252 angekommenen Abspielen belegen das vertikale Offensivspiel der Gastgeber. Dadurch, dass nur wenige Spieler bei den Angriffen aufrückten, konnten die Franzosen im Passspiel mehr Risiko eingehen, weil sie bei Ballverlust keinen gefährlichen Konter fürchten mussten.

Von den Pässen ins Angriffsdrittel fanden nur etwas mehr als die Hälfte (50 von 93 Pässen) einen Abnehmer, gerade die langen Bälle aus der Abwehr heraus wurden von der kopfballstarken Zentrale des BVB oft abgefangen. Doch spielte OM schnell auf die Außen, auf denen die BVB-Spieler Schmelzer und Piszczek wie gewohnt weit aufrückten, ergaben sich fast zwangsläufig Lücken für die Außenspieler der Gastgeber.

Immer noch scheint es so, als ob Jürgen Klopp kein rechtes Konzept für den Fall parat hat, dass man den Ball weit in der gegnerischen Hälfte verliert und das direkte Gegenpressing fehlschlägt. Dann nämlich sind die Außenverteidiger zu weit vorne und die anderen Defensivspieler können nicht die gesamte Breite abdecken, sodass man insgesamt sehr konteranfällig ist.

Diese Tatsache wurde in der vergangenen Saison durch das exzellente Gegenpressing direkt nach Ballverlust kaschiert, schlägt die Ballrückeroberungsstrategie jedoch vermehrt fehl, wie gestern in Marseille, bekommt der Deutsche Meister Probleme.

Mit Kagawa fehlt eine offensive Anspielstation

Im Offensivspiel der Gäste lief auch deswegen nicht allzu viel zusammen, weil Vohrjahres-Held Shinji Kagawa erneut nicht ins Spiel fand. Er war von seinen Mitspielern beinahe abgekapselt, und auch wenn er schon in der vergangenen Saison häufig durch seine Läufe ohne Ball glänzte, so sind 14 erfolgreiche Pässe in einer Stunde doch deutlich zu wenig für einen offensiven Mittelfeldspieler. Zudem fällt auf, dass Kagawa nur zwei erfolgreiche Pässe nach vorne spielte, die anderen Pässe spielte er allesamt nach hinten.

Verglichen mit seinem Nebenmann Götze liest sich die Bilanz Kagawas noch bescheidener: Während der 19-Jährige deutsche Nationalspieler 41 Pässe empfing und 26 erfolgreiche spielte erreichten Kagawa nur 17 Pässe. Götzes vier Torschüsse waren allesamt große Chancen, dagegen kam Kagawa nur zu einem Torschussversuch, zudem kreierte Kagawa keine einzige Chance (Götze fünf).

Fällt nun der zentrale Offensivspieler einer Mannschaft derart ab, dürfte es für fast jede Mannschaft der Welt schwierig sein, ein Spiel zu gewinnen. Doch muss man sagen, dass in dieser Begegnung die Chancen für einen Sieg trotz Kagawas unterdurchschnittlicher Leistung durchaus vorhanden waren, sie wurden bloß (einmal mehr) nicht genutzt.

Schon wieder die Chancenverwertung

Schaut man sich die Chancenverhältnisse der beiden Teams an, ist sofort das große Dilemma des BVB erkennbar. 21 Schussversuche sind ein achtbarer Wert, jedoch nützt dies nichts, wenn davon lediglich fünf Schüsse überhaupt aufs Tor kommen und kein einziger seinen Weg ins Tor findet. Während Marseille von seinen acht Schussversuchen fünf aufs Tor brachte und drei Treffer erzielte – was im übrigen eine herausragende Chancenverwertung von 37,5% bedeutet – ging die BVB-Offensive trotz der zahlreichen Versuche leer aus.

Wie schon in vielen vorherigen Spielen kann man auch nach dieser bitteren Niederlage bilanzieren, dass die Dortmunder spielerisch mithalten konnten bzw. überlegen waren, vor dem Tor jedoch erneut nicht clever genug waren und dadurch letzten Endes wichtige Punkte verspielten.

Ist die fehlende Erfahrung schuld?

Nach dieser Niederlage werden erneut viele Journalisten schreiben und Experten behaupten, dass die fehlende Erfahrung im BVB-Team – die Startelf hatte vor Anpfiff insgesamt lediglich 23 CL-Spiele absolviert – an der Niederlage bzw. der Krise der Mannschaft von Jürgen Klopp schuld sei.

Sicherlich kann man konstatieren, dass erfahrenen Spielern gewisse Fehler in der Defensive (Hummels) nicht passiert wären und ein reiferer Spieler eventuell die eine oder andere Chance vor dem Tor genutzt hätte. Doch muss man bedenken, dass man nicht mit einer Mannschaft bestehend aus alten Haudegen, sondern eben mit einer extrem jungen und unerfahrenen Mannschaft deutscher Meister geworden ist und sich damit das Recht erspielt hat, in der Champions League anzutreten – eine qualitative Schwäche oder generell fehlende Abgezocktheit kann man der Mannschaft prinzipiell nicht unterstellen, aber eine Zuführung an Erfahrung durch externe Spieler hätte dem harmonischen Mannschaftsgefüge auch deswegen mehr geschadet als genutzt, die älteren Spieler hätten sich nicht so einfach mit einer Reservistenrolle zufrieden gegeben.

Zudem hätte man Misstrauen an dem vorhandenen Spielermaterial dokumentiert. Da ein solches Misstrauen bei den Verantwortlichen zu keinem Zeitpunkt erkennbar war und man sich sehr wohl der Risiken einer solch jungen Mannschaft bewusst war, kann man nun auch „entspannter“ mit Rückschlägen wie am gestrigen Abend umgehen. Jürgen Klopp belegte diese Denkweise nach dem Spiel: „Der Umgang mit bitteren Niederlagen gehört zu unserem Entwicklungsprozess. Das ist unser Weg. Wir müssen mit den Fehlern leben, die aufgrund unserer Unerfahrenheit gemacht werden.“

Diese Aussage dokumentiert sehr anschaulich die Mentalität des BVB, man ist sich der Risiken einer solchen Mannschaft bewusst und ist bereit Leistungsschwankungen, in Kauf zu nehmen, ein anderer Weg scheint in Dortmund derzeit auch nicht denkbar.

Die bittere, weil unnötige Niederlage in Marseille ist eine weitere wichtige Erfahrung für die jungen Dortmunder, man wird die richtigen Schlüsse daraus ziehen, um bald bei einem ähnlichen Spielverlauf vielleicht nicht 3:0 zu verlieren, sondern zumindest einen Punkt mitzunehmen oder gar zu gewinnen – man wird sehen, wann die Zeit dafür kommt.

Doerk 30. September 2011 um 22:29

Nur ein paar Gedanken zum Spiel:

Marseilles spielerisches Vermögen war aus meiner Sicht erschreckend niedrig, mit vielen Fehlpässen: Massive Mittelfeld und Abwehrreihen und dann mit einigen gelungenen Kontern die Defensivaussetzer des BVB ausgenutzt. Für eine Heimmannschaft war das nicht viel.

Dortmund fehlt natürlich ein Sahin! Das Mittelfeldspiel der Borussia mit Kehl und Bender war ja in der Offensive unterirrdisch. Da fehlt ein Spieler mit der Passsicherheit und der Auffassungsgabe eines Sahin. Resultat waren die blind nach vorne (ins Niemandsland) gespielten Bälle von Subotic, Hummels und Co.

Spieler wie Grosskreutz, Schmelzer und Lewandowski sind pures Mittelmass und haben nciht die Qualität, um in der CL zu brillieren.

Die Borussia war nicht nur defensiv ungeordnet, sondern auch offensiv unstrukturiert. Götze wuselte überall herum und war klar der torgefährlichste Spieler der Borussia. Wenn es über rechts ging, stand Piszek dann aber häufig allein gegen die massive Abwehr von Marseille und schlug harmlose Flanken aus dem Halbfeld in Richtung Marseille Tor.

Alles in allem ein unglücklicher Sieg gegen eine schwache Mannschaft aus Marseille. Gemessen am erschreckend schwachen spielerischen Niveau der Borussia hat man, vor allem durch Götze, noch recht viele klare Chancen herausgearbeitet. Schmelzer, Grosskreutz, Kagawa und Lewandowski fehlt es an Form und Qualität. Klopp muss sich hinsichtlich Zusammenstellung und Spiel des zentralen Mittelfelds einige Gedanken machen.

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vastel 30. September 2011 um 23:17

Bester Beitrag hier!

1+ mit *

😉

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ob 1. Oktober 2011 um 14:30

Würde noch Piszczek mit dazunehmen. In Herthas Abstiegssaison hat er ja sein tatsächliches Leistungsvermögen als Aussenverteidiger gezeigt, da musste Arne Friedrich ständig für ihn, Ebert und Kacar mitarbeiten und sah nur deswegen häufig schlecht aus.

OMs Vorstellung ist allerdings recht typisch für die Ligue 1. Ausser Kontern geht da meist nicht viel, auch wenn Deschamps die Mannschaft systematisch runtergewirtschaftet hat und mit Valbuena und Dede Ayew die wichtigsten Spieler seit Jahren loswerden will.

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Mourinho 30. September 2011 um 12:21

in diesem spiel hat einfach die raumaufteilung im spielaufbau gefehlt, bender und kehl haben nichts für den spielaufbau getan. sahin war natürlich ein wichtiger spieler sehe ihn aber nicht als grund für diese niederlage

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hps 30. September 2011 um 13:03

Meiner Meinung nach kam über die linke Seite viel zu wenig. Gerade Kehl ging mir mit seiner Rugby-Spielweise (nur Pässe nach hinten) gewaltig auf den Keks. Kagawa war ja überhaupt nicht im Spiel. Vielleicht hätten Götze und Kagawa ihre Positionen auch noch freier interpretieren sollen.
Naja was solls, mal verliert man und mal gewinnen die anderen.

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ob 30. September 2011 um 10:43

Reden wir doch nicht lange um den heissen Brei herum, die einzige wichtige Statistik des Spiels lautet OM 3, BVB 0.

Den Dortmundern fehlt vorne und hinten schlicht die Qualität, um so ein Spiel dann auch mal gemütlich nach Hause zu fahren und das ist ja nun keine sonderlich überraschende Erkenntnis.

Die Meisterschaft in der letzten Saison war absolut verdient und Zorc+Klopp machen einen Bombenjob, allerdings lief auch alles absolut optimal und die Mannschaft spielte am allerobersten Rand ihres Leistungsvermögens, zudem gab es bis auf Kagawa praktisch keine Ausfälle wichtiger Spieler. Das ist in dieser Spielzeit nicht mehr so und da liegt neben dem Abschied von Sahin aus meiner Sicht auch der Hauptgrund für das bisher mäßige Abschneiden.

Jetzt müssen sich die Dortmunder auch wieder mit den kleinen und grossen Hindernissen herumschlagen, die ihnen letzte Saison fast vollständig erspart blieben.

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Vinnie 30. September 2011 um 00:49

Die von datschge angesprochene Idee mit Hummels als 6er wäre es m.E. wert, ausprobiert zu werden. Die Versäumnisse der Kaderplanung manifestieren sich nicht nur in der angesprochenen dünnen IV-Personaldecke, auch im Sturm fehlt ein zweiter Knipser, der ein Fehlen Barrios‘ kompensieren helfen könnte. Der alte, aber noch immer GROßARTIGE Klose wäre zu haben gewesen…

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SchottischeFurche 30. September 2011 um 10:59

also von versäumnissen in der kaderplanung würd ich nun nicht sprechen und ob klose nach dortmund gekommen wäre um wieder nur stürmer nummer zwei zu sein bezweifel ich auch stark.

ansonsten sehe ich das problem auch eher im bereich dm und iv. an und für sich finde ich die idee ja nicht schlecht hummels in den spielaufbau zu integrieren bzw. ihn gündogan zur seite zu stellen. da allerdings beide sahin in der hinsicht nicht eins zu eins ersetzen können muss bender oder wer auch immer den devensiven part der doppelsechs gibt eben die lücke füllen die hummels hinterlässt.

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ode 30. September 2011 um 00:34

Also, ich würde die Leistung der Dortmunder gerne etwas relativieren – und auch die von Marseille.

Aus meiner Sicht war ein Umstand, den man in taktischen Besprechungen scheinbar manchmal zu übersehen scheint: Dortmund hat seine Chancen versemmelt – Marseille seine reingemacht… Hätte, wenn und aber haben manchmal seine Berechtigung.

Natürlich hat Marseille gut gespielt und war besonders vorne sehr gut und zielstrebig. Aber Dortmund hatte nunmal das Problem, dass da eine 4er und eine 5er-Reihe vor dem Strafraum stand, die gut verschoben und die Räume eng gemacht hat. Dagegen mach mal erst das Spiel, wenn du durch so einen unglücklichen Ausrutscher (und mal ganz unter uns: Der Schuss zum 1:0 muss auch nicht unbedingt reingehen…) hinten liegst. Diese Kontertaktik (wie sie gestern auch Marseille spielte) scheint mir heutzutage ein recht gern genommenes Stilmittel zu sein.

Wäre Dortmund nicht so unglücklich in seiner Chancenauswertung gewesen, geht das Spiel 3:2 oder gar 3:3 aus.

Einen weitereren Aspekt, an dem Dortmund zur Zeit sicherlich etwas krankt , hat datschge schon angesprochen: Ersetz einfach mal so die individuelle Klasse von einem Spieler wie Sahin oder wie meine Leverkusener die von Vidal (dem einzigen, der da richtig gefightet hat, hab ich fast den Eindruck 😉 ). Das geht nicht so unbedingt von heute auf morgen.

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Incubo 29. September 2011 um 23:38

Als größte taktische Schwäche der jungen BVB-Truppe sehe ich die fehlende Entwicklung von Tempowechseln, sie spielen immer mit viel Power in eine Richtung, gepaart mit geringer Torgefährlichkeit verpuffen dann die Angriffsversuche, was gleichzeitig dazu führt, dass die Mannschaft irgendwann resigniert bzw. dann irgendwann auch die Luft ausgeht. Normalerweise stimmt dann wenigstens die defensive Mittelfeld- und Abwehrarbeit, was gegen Marseille aber auch nicht funktionierte.

Dann kommt hinzu, dass im Gegensatz zum letzten Jahr, die spielerische Leichtigkeit fehlt. Bis auf das erste Spiel gegen den HSV, muss der BVB immer einen großen Aufwand betreiben, siehe auch gegen Arsenal. Ich denke, dass den jungen BVB Spielern bereits jetzt der mentale Akku ausgeht, und es dann zu unerklärlichen Fehlern kommt. So ging es ja auch den Bayern im letzten Jahr. Gute Auftritte wechselten sich mit unerklärlichen Aussetzern ab.

Sicherlich, wenn Dortmund wieder die Sicherheit im Defensivverbund zurückbekommt wird irgendwann vorne schon mal wieder ein Tor fallen.
Mittel- und langfristig wird Dortmund aber das Problem haben, dass die technisch sehr gut entwickelten Spieler zu wenig Torgefahr ausstrahlen. Und da liegt der große Unterschied zu Ribery-Kroos-Müller-Robben, die zum Teil glänzende Vorbereiter, aber auch Vollstrecker sind. Und vorne lauert ein eiskalter Abstauber namens Gomez.

Der erste Schritt für Dortmund muss trotzdem für mich sein, dass Sie sich um einen (alten) Vollstrecker bemühen, vom Typ Pizarro, Klose, Huntelaar…ich finde auch, dass ein Senior Raul sehr gut zu der Truppe passen würde…

Mit so einem „Vollstrecker“ an der Seite könnte der BVB gegen solche unbequemen Gegner, wie es Marseille war, auch mal die ersten 60 Minuten mauern und selber auf einen Abstauber warten. Irgendwann hätte dann Marseille schon aufmachen müssen…

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44² 30. September 2011 um 01:16

„Als größte taktische Schwäche der jungen BVB-Truppe sehe ich die fehlende Entwicklung von Tempowechseln, sie spielen immer mit viel Power in eine Richtung“

Ich meine mich zu erinnern, dass man auf diese Weise (mit viel Glück und haarscharf, und mit enorm überlegenem Personal natürlich) vor langer Zeit Mal die Bundesliga gewonnen hat.

Im Ernst, ich find’s teilweise befremdlich, wie von vielen Seiten auf einmal wieder Muttis alte Hausrezepte rausgekramt werden, sobald es mal nicht läuft. Nur bedingt auf den nicht ganz unberechtigten Kommentar von Incubo bezogen, aber generell hört man von sehr vielen Stimmen gerade recht klugscheißerisches Gefasel.

So wie die Sache mit der „mangelnden Erfahrung“. Erfahrung ist doch keine Qualität. Erfahrung schießt keine Tore. Passgenauigkeit, Schussgenauigkeit, Spielintelligenz, physische Stärke, sowas schießt Tore. Götze ist doch vor seinem ersten Bundesligaspiel ’n besserer Fußballer gewesen als es Altin Lala je hätte werden können.
Erfahrung BRINGT natürlich Qualität. Mehr Ruhe, mehr Übersicht, mehr diesdas, je nach Spieler. Aber wenn ich dann sage, „Mannschaft xy fehlt Erfahrung“, womit vergleiche ich denn dann eigentlich? Mit anderen Mannschaften, die Erfahrung haben? Das ist doch Schwachsinn – Red Bull Lepizig hätte gestern sicher nicht besser ausgesehen als Dortmund.
Also dann vergleiche ich wohl mit der gleichen Mannschaft, nur in erfahrener? Dann wäre die Aussage „die Erfahrung fehlt“ nichts anderes als die Aussage: In paar Jahren sind die noch besser. Ja, ach!? Übertrieben hilfreiche Fehleranalyse…

Dortmund fehlte nicht die „Erfahrung“ gegen Marseille, sondern einfach die Ruhe und/oder die Konzentriertheit. So wie sie Kehl gegen Arsenal fehlte, trotz ganz viel Erfahrung.

Dazu fehlte auch noch ’ne dicke Portion taktischer Konsequenz, was momentan das größte Defizit ist, meiner Meinung nach.

Wie auch immer. Ich werd mich morgen mal auf meinem Blog etwas mit der Thematik außeinandersetzen. Bin übrigens auch nicht der Ansicht, dass „Sahin fehlt“. Natürlich wär er ein wertvoller Spieler, aber das wär Wayne Rooney auch. Trotzdem sag ich nich, „Dortmund fehlt Wayne Rooney“.

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Incubo 30. September 2011 um 07:24

Das Thema Erfahrung ist super komplex, sieht man auch in Ihrem Beitrag: „Erfahrung ist doch keine Qualität“ und etwas später: „Erfahrung bringt natürlich Qualität“, schon etwas widersprüchliche Aussagen…

Die positiven Aspekte von Erfahrung können sein:
>Erfahrung>Ruhe>Spielübersicht
>Erfahrung>Ruhe>Passgenauigkeit/Schussgenauigkeit
>Erfahrung>Spielintelligenz
Wenn einer eine (Druck)-Situation schon oft erlebt habt, kann es natürlich sein, dass er abgeklärter darauf reagiert.
Dann schießt eben Erfahrung schon Tore

Aber es gibt natürlich auch negative Aspekte von Erfahrung:
>Erfahrung>zuviel DenkenErfahrungErfahrung<zu Vorsichtig<Ballfluss

Von daher sollte wohl eine gesunde Mischung anzustreben sein?
Und die Saison vom letzten Jahr sollte man nicht als Maßstab verwenden: Der BVB hatte einen Megalauf, der Motor geriet nie ins Stottern.

Den Fall Kehl sehe ich langsam wie den Fall van Bommel (letzten Monate bei Bayern) : Er wirkt für das schnelle Spiel seiner Kollegen eher wie eine Bremse, der Spielfluss geht verloren. Dazu kommen unerklärliche Konzentrationsfehler (vielleicht weil er innerlich merkt, dass er nicht so ganz ins Getriebe passt).

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grombrindal 29. September 2011 um 22:21

Großes Problem war auch, dass die Sechser nicht in den Angriff eingebunden werden. Teilweise klafften riesige Löcher im Mittelfeld, da Marseille sich hinten reingestellt hat, aber Bender bzw. Kehl wurden meistens nicht mitgenommen, stattdessen wurde versucht vorne irgendwie in 2 oder 3 gegen 5-Situationen zu gehen, die halt entweder mit viel Glück oder individueller Klasse gut ausgehen, aber meistens scheitern.

Dadurch, dass die 6er nicht offensiv genug eingebunden werden, kann auch vorne nach Ballverlust in solchen Unterzahl-Situationen kein erfolgreiches Gegenpressing betrieben werden.

Anfang von Hälfte Zwei wurde das alles eigentlich viel besser gemacht und im Minutentakt gute Chancen erspielt (was in Hälfte 1 fast gar nicht der Fall war), aber nach dem Patzer von Hummels und dem 2:0 war der Faden dann wieder raus und Dortmund wurde wieder schwächer.

Außerdem fiel auf, dass die Spieler oft viel zu lange warten, um die offensichtlichen Pässe zu spielen, so als würden sie noch lange überlegen, ob sie doch noch einen Risikopass spielen, sodass der offensichtliche Pass zum freien Mann, der 5m seitlich steht und viel Raum hat, paar Sekunden zu spät kommt.

Find die Analyse insgesamt auch eher schwach, kaum näher die taktischen Aspekte analysiert und gerade eben der von mir beschriebene Aspekt des nicht genutzten Raumes, der in letzter Zeit gegen fast alle Gegner zu sehen war, da diese sich hinten reinstellten und die dadurch entstehenden Räume für die Sechser nicht genutzt wurden, wurde bisher in keiner Dortmund-Analyse genannt worden (soweit ich weiß – korrigiert mich falls ich falsch liege) – ihr könntet auf jedenfall in euren nächsten Analysen zum BvB mal auf diesen Aspekt achten 😉

Ist aber alles schon Meckern auf hohem Niveau, da der Bericht ansich schon noch gut ist, aber halt im Vergleich zu den sonstigen Analysen etwas abfällt – ist aber zu verkraften bei der unglaublichen Produktivität und Qualität, die ihr hier fast täglich abliefert. Also auch nochmal Danke für die tolle Seite 🙂

Mit freundlichen Grüßen

grombrindal

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datschge 29. September 2011 um 21:17

Ich fand es gestern wieder sehr schön zu sehen, wie der BVB immer noch keine Lösung für das Fehlen Sahins gefunden hat. Wie schon bei vergangenen Analysen angesprochen und hier der Grundformation angezeigt, versucht immer noch Hummels diese Rolle auszufüllen. Da alle weiteren Aspekte (aufgerückte AVs, antizipierende DMs) gegenüber letzter Saison gleich geblieben sind, ist dies für mich die entscheidende Schwächung der Defensive, die zum altbekannten Problem der Chancenverwertung hinzukommt und den BVB diese Saison so viel schlechter aussehen lässt.

Da Gündogan keine Vertikalpässe kann und weitere Spieler wie Leitner seit der Vorbereitung auf der offensiveren Sechs einfach nicht mehr gebracht werden, halte ich es für die defensiv sinnvollste Lösung, Hummels an Kehls Stelle zu bringen und dafür Santana in die IV rücken zu lassen. Richtig prekär in diesem Zusammenhang ist allerdings die dünne IV-Personaldecke, bei der nach Santana nur noch ein Hornschuh kommt…

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SchottischeFurche 30. September 2011 um 08:28

hab ich ähnlich gesehen. hummels übernimmt den sahin-part und bei ballverlust fehlt er dann hinten. allerdings bin ich nicht der meinung dass man ihn nun unbedingt auf die doppelsechs setzen sollte (dünne iv-personaldecke hast du ja angesprochen). ich wundere mich eher warum ein so erfahrener spieler wie kehl sich dann nich fallen lässt um hummels abzusichern.

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Zew 29. September 2011 um 17:34

Marseilles hat Dortmund einfach in Sicherheit gewogen und war (mindestens) dreimal einfach konzentrierter und schneller.

Das Konzept wie ja oben beschrieben sah so aus, den Dortmundern viel Spielraum zu geben, aber das letzte Drittel einsenhart und konzentriert zu verteidigen. Die drei zentralen Mittelfeldspieler haben das Zentrum gut dichtgehalten und wenn der Ball nach Außen ging, zog sich sofort eine Schlinge aus offensivem Außenspieler, Außenverteidiger und einem der ZMs zu. Die Folge: an die Linie gedrängt war kein Raum zum Dribbeln und die Passwege waren zu. Seitenwechsel waren dann zu ungenau, aber auf der anderen Seite war es dann sowieso das gleiche Spiel, umzingeln, unter Druck setzen. In eine gute Position zum Flanken sind die Dortmunder so kaum gekommen. Gegen das Zentrale Bollwerk hätte ein besserer Kagawa vielleicht geholfen, aber seine Nichteingebundenheit war wohl auch Resultat des engen Verteidigungsnetzes.

Wie auch im Artikel beschrieben war Marseilles Offensivspiel fast eine reine Kontertaktik mit wenigen teilnehmden Spielern. Begünstigt wurde Marseilles Spiel wohl dadurch, dass Dortmund immer wieder mehr auf den nächsten Angriff als auf die Defensive fokussiert schien. Beim 1-0 reicht ein einfacher Pass in den Lauf um vier Dortmunder aus dem Spiel zu nehmen. Während Marseilles da einfach überraschend das Tempo anzieht, steht einer der Dormunder DMs irgendwie unschlüssig im Mittelfeld rum, andere traben nur langsam zurück. Bevor Subotic ausrutscht steht es eigentlich schon eine 4 Angreifer gegen 3 Verteidiger. Auch bei beiden anderen Toren versuchen die weit aufgerückten Dortmunder, den Ball im Spiel zu halten und kassieren aus einer 1 gegen 3 und einer 2 gegen 5 Situation zwei Tore.

In der Verteidigung hätte ein entschlosseneres und konzentrierteres Vorgehen geholfen, vor allem die weit nach vorne gespielten Ball hätten bei der weit vorgerückten Mannschaft einfach ins Aus gespielte werden müssen statt den Ball immer wieder irgendwie im Spiel zu halten. Vorne hätte Dortmund entweder mehr Spieler um den Ball konzentrieren oder früher präziser gespielte Seitenwechsel vornehmen müssen. So war Marseilles in Ballnähe immer in der Überzahl und konnte kaum ausgespielt werden.

Insgesamt war das Ergebnis so nicht nötig, aber Dortmund hat auch eifrig Geschenke verteilt.

Gruß.

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Daniel 29. September 2011 um 17:04

Vielen Dank für die Analyse, ich glaube, das gestrige Spiel hat nicht mehr hergegeben. Vom taktischen Gesichtspunkt eher Magerkost war der eigentliche Reiz meiner Meinung nach im psychologischen und emotionalen Bereich zu suchen.

Was mir aufgefallen ist, ist die unglaubliche Präsenz der offensiven Spieler von Marseille am gestrigen Abend. Rémy, Lucho Gonzalez, Valbuena und Ayew waren dermaßen entschlossen in ihren Aktionen, dass es für Dortmund neben der realen Torgefahr auch eine permanente hohe nervliche Belastung bedeutete.

Zusätzlich denke ich, dass gerade die 6er-Position mit Kehl und Bender nicht kreativ genug besetzt ist, um auch aus der Tiefe torgefährliche Offensivaktionen zu schaffen. Beide sind Spieler, die eher den Ball abliefern, statt selbst zu gestalten. Das wird dann zum Problem, wenn die Offensiven (wie gestern durch das sehr disziplinierte und aggressive Spiel vom Marseille) fast ausgeschaltet werden, zumindest im letzten Spielfelddrittel.

Und, ohne Götze das Jahrhunderttalent absprechen zu wollen: Manchmal muss man eben den Ball einfach ins Netz stolpern, ohne einen weiteren Haken zu schlagen. Das hat Marseille gestern besser gemacht.

Viele Grüße
Daniel

Antworten

jo 29. September 2011 um 16:37

ich meine ein paar taktische Fehler gesehen zu haben:

-zu viele Spieler in Erwartung des hohen Balls, deswegen keiner für den Abpraller
-Kagawa in den ersten 45 Min sehr hoch (wird denke ich eine Anweisung von Klopp gewesen sein
-hatte das Gefühl in der ersten Halbzeit stand Dortmund zu breit. Deswegen waren etwas weniger Anspielstationen in Ballnähe und der Angriff musste bereits ab der Mittellinie mit sehr viel Risiko gespielt werden
– Bei vielen Angriffen gab wurde überhastet das Spiel verlagert. Bzw. die Flankenwechsel wurden unsauber gespielt.

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vastel 29. September 2011 um 15:47

Tut mir Leid, aber ich finde die Analyse im Vergleich zu anderen (z.B. Bayern…) ziemlich halbherzig und oberflächlich. Auf taktische Details wird leider gar nicht eingegangen…

Ein paar Denkanstöße:
Warum waren Kagawa und Lewandowski im Prinzip komplett aus dem Spiel?
Warum funktionierte das offensive Gegenpressing nicht?
Warum klaffte ein riesiges Loch zwischen IV/DM und OM/Sturm?

Ich würde mich über eine Überarbeitung/Ergänzung der Analyse freuen.

Antworten

jAguAr 29. September 2011 um 16:07

Ich schließe mich diesen Ausführungen an. Es fängt gut an, aber gerade wenn es um die Frage geht, was falsch läuft, wird nur auf die allgemeinen oberflächlichen Aussagen der Verwantwortlichen zurück gegriffen.

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