FC Bayern München – FC Zürich 2:0
Ein wichtiges Heimspiel erwartete die krisengebeutelten Bayern in der ersten englischen Woche dieser Saison. Das Playoffspiel gegen den FC Zürich war nicht nur vom finanziellen her, sondern viel mehr imagetechnisch ein eminent wichtiges Spiel und es war wenig verwunderlich, dass Coach Jupp Heynckes seine erste Elf gegen den Underdog aufbot.
Die Züricher hingegen hatten nichts zu verlieren und hofften zumindest auf ein Unentschieden in der Allianz Arena.
Wechselwirkung der jeweiligen Formationen
Die Gäste aus der Schweiz waren auf eine sichere Defensive aus und agierten mit einem Hybridsystem aus 4-4-1-1 und 4-2-3-1. Man stand recht tief und versuchte mit dem Sechser Aegerter und dessen etwas offensiverem Partner Barmettler das Zentrum zu kontrollieren, während Mehmedi, Djuric und Schönbächler ihre defensiven Aufgaben nach den Angriffsbewegungen der Bayern richteten. Djuric und Schönbächler hatten die Aufgabe, den Außenverteidigern und dem defensiven Zentrum beim Verteidigen gegen Bayerns Außenstürmer zu helfen und eine Doppelung zu erzeugen, während Mehmedi seine Defensivbemühungen an Schweinsteigers offensive Bewegungen anpasste.
Bei den Bayern konnte man ein klassisches 4-2-1-3 beobachten. Die Viererkette war mit Rafinha, Badstuber, Boateng und dem inversen Linksverteidiger Lahm wie gewohnt, doch davor tat sich eine kleine Überraschung auf. Luiz Gustavo und Schweinsteiger bildeten eine Doppelsechs, vor welcher Toni Kroos statt Thomas Müller agierte. Davon erhoffte sich Jupp Heynckes mehr Kompaktheit und Kreativität im Offensivspiel, desweiteren sollte der Raum im Zentrum für die inversen Außenstürmer Robben und Ribéry geöffnet werden. Im Sturmzentrum sollte Torschützenkönig Gomez die vorderste Anspielstation darstellen.
Die Münchner begannen stark und präsentierten sich deutlich besser als noch im Spiel gegen Wolfsburg.
Hauptgrund dafür war die Laufbereitschaft der offensiven Spieler und Bastian Schweinsteiger, welcher überall auf dem Platz zu finden war. Robben und Ribéry wichen aus der Doppelung der Züricher, in dem sie sich frei über den Platz bewegten und Kroos die offenen Positionen übernahm. Den Raum, der defensiv offen gelassen wurde, füllte Schweinsteiger aus und hinter ihm sicherte Luiz Gustavo ab. Besonders stark war die schematisch hohe Eroberung des Balles.
Die klare Rollenverteilung zwischen Gustavo und Schweinsteiger sorgte für erhöhte defensive Sicherheit und eine bessere Verteilung der Offensivaufgaben, hier machte sich Jupp Heynckes die Zweikampfstärke des Brasilianers und die Laufstärke und Spielintelligenz des Deutschen zunutze – die beiden waren in der ersten Halbzeit wohl die besten Spieler auf dem Platz.
Die Aufstellung Kroos‘ statt Müller sorgte für eine schematisch tiefere Position und mehr Bindung zwischen dem Mittelfeld und dem Sturm. Es fehlte zwar einige Male eine weitere Anspielstation um den Sechzehner herum, doch das Passspiel wirkte dynamischer und flüssiger, wovon auch die Außenstürmer profitierten. Die erhöhte Ballsicherheit und die längeren Phasen im Ballbesitz ermöglichten die Rochaden der beiden Starstürmer, welche überall im letzten Drittel auftauchten. Das 1:0 von Bastian Schweinsteiger war ein Paradebeispiel für die taktischen Maßnahmen Heynckes‘: Robben hatte sich nach links bewegt, setzte sich gegen seinen Gegenspieler durch und flankte. Der mitgelaufene Schweinsteiger kam mit Zug von hinten in den Strafraum und wuchtete den Ball per Kopf ins Tor.
Es sollte das einzige Tor in dieser Halbzeit bleiben. Durch die kompakte Abwehrreihe der Züricher gab es jedoch für einen Spieler ein Problem: Mario Gomez. Der deutsche Nationalstürmer hatte immer mindestens zwei Gegenspieler in der Nähe und verwickelte sich bei seinen Strafraumszenen viel zu oft in unnötige Ballkontakte und Dribblings.
Im Laufe der ersten Halbzeit wurden die Bayern schwächer und ideenloser, was neben den weniger werdenden Rotationen Ribérys und Robbens ebenso an Toni Kroos lag. Während der ersten Halbzeit verlor er die Bindung zum Spiel und konnte bis auf wenige Momente seine herausragenden Ansätze nicht zeigen.
Zürich versuchte nun etwas höher zu spielen, doch das gute Pressing der Bayern und die extreme Präsenz Gustavos im Zentrum sowie einer abermals starken Leistung der Viererkette um Jerome Boateng blockte den Großteil der Angriffe bereits im Aufbauspiel ab.
Nach einem angeblichen Wutausbruch Uli Hoeneß‘ in der Kabine kehrte die Mannschaft des Rekordmeisters wieder in die Spur zurück und agierte wieder konzentrierter in der Offensive. 21 Torchancen spielten sich die Bayern heraus, zehn der Schüsse gingen auf das Tor von Leoni, welcher die meisten Ballkontakte bei Zürich hatte. Der Großteil der Chancen entstand in typischer Manier – Pass auf außen und Robben bzw. Ribéry ziehen nach innen und schließen ab.
Während der gesamten 90 Minuten waren die Züricher nie wirklich gefährlich und schlossen nur dreimal ab – keiner der Schüsse ging auf das Tor von Manuel Neuer. Die Hauptursache dafür war das schwache Kombinationsspiel der Schweizer, denn der Spielaufbau wurde mit zahlreichen Fehlpässen selbst zerstört und es spricht Bände, dass Torhüter Leoni die meisten Ballkontakte hatte. Besonders auffällig ist auch, dass Torhüter Leoni 32 lange Bälle spielte und damit doppelt so viel wie der Zweitplatzierte Rafinha hatte, der 18 lange Bälle schlug, wovon unglaubliche 16 ankamen. Dies zeigt die unterschiedliche Rolle zwischen Rafinha und Lahm, welcher weniger als zehn Flanken schlug und sich viel mehr über das Kurzpassspiel kombinierte und dadurch einige Torchancen hatte. Defensiv hinterließ er jedoch öfters Löcher, die nur dank Gustavos starker Leistung nicht von den Schweizern genutzt werden konnten.
In der 60. Minute kam Thomas Müller für Toni Kroos, was eine Rückkehr zum alten 4-2-3-1 zur Folge hatte. Müller schien durch seine Rolle auf der Bank übermotiviert und hochgerechnet auf 90 Minuten wäre er unglaubliche 13,5km gelaufen – sein Konkurrent Kroos wäre bei hypothetischen 10km gemündet. Doch ebenso beeindruckend, wie Müllers Laufleistung war, so schwach waren seine Pässe. Neben Ribéry war er der ungenauste Spieler im Kombinationsspiel und bei den beiden kamen nur knapp über 60% der Pässe an.
Die beiden lagen damit weit über dem Mannschaftsdurchschnitt, der bei 83% lag. Zum Vergleich: die Züricher hatten eine Passerfolgsquote von 72% und hatten 39% Ballbesitz. Nur zwei Spieler der Schweizer hatten knapp über 80% erfolgreiche Pässe, bei den Bayern waren die Spitzenreiter Boateng und Badstuber, bei denen neun von zehn Pässen ankamen.
Nach zahlreichen erfolglosen Versuchen konnte Robben mit einem schönen Treffer den Sieg sichern und die Bayern dürften somit relativ sicher in der Champions League sein.
Fazit
Zu Beginn zeigte der Rekordmeister eine starke Leistung, spielerisch wie läuferisch. Auf diese gute Anfangsphase konnte man jedoch (der FC Zürich lief am Ende 2km mehr als die Münchner) nicht aufbauen und fand kein Mittel gegen die Abwehr der Schweizer.
Dank des frühen Treffers und einem Traumtor Robbens konnte man allerdings einen souveränen 2:0-Sieg feiern, welcher dank der starken defensiven Leistung nie gefährdet war.
3 Kommentare Alle anzeigen
j4g0 19. August 2011 um 14:28
Danke für die aufschlussreiche Aufbereitung. Ich mag mich irren, aber sah das heut‘ nicht gerade in der zweiten Halbzeit schon deutlich mehr nach Heynckes als nach van Gaal aus? Ich meine damit, dass weniger das Spiel sukzessive über Ballbesitz in die gegnerische Hälfte verlagert wurde, als über recht schnelle Stafetten? Da ich diesen Eindruck in der ersten Halbzeit nicht in dieser Form hatte, frag ich mich, ob es an etwaigen taktischen Veränderungen bei Bayern oder Zürich gelegen haben mag. Ist dir vielleicht etwas in dieser Hinsicht aufgefallen? (Du hattest ja beispielsweise auf die hohe Fehlpassquote bei Müller hingewiesen, die womöglich auch dem Versuch der Umsetzung der Heynckesschen Philosophie geschuldet sein mag).
Handkante 18. August 2011 um 18:08
Täusche ich mich oder hat die Laufleistung unter Heynckes abgenommen?
Ich glaube mich zu erinnern, dass der FCB unter van Gaal stets eine höhere Laufleistung als der Gegner hatte.
RM 18. August 2011 um 18:12
Dies war oft der Fall, ja, hängt aber vom Gegner ab.