Jürgen Klopp – Der Menschenfänger

Emotional, authentisch und sympathisch. Das ist Jürgen Klopp, Meistertrainer der Überraschungsmannschaft aus Dortmund, die heute Abend um 20.30 Uhr gegen den Hamburger SV die Bundesligasaison 2011/12 eröffnen wird. Zum Start in die neue Spielzeit gibt es nun ein Porträt des aktuell gefragtesten deutschen Fußballlehrers.

Wie der Vater so der Sohn

Wie bei jeder Fußballerkarriere beginnt auch die Geschichte des Jürgen Klopp zunächst mit einem sportbegeisterten und auch durchaus begabten Kind. Und wie man es so häufig hört, war auch bei Jürgen Klopp sein Vater Norbert Klopp ausschlaggebend für seine Begeisterung für den Sport. Die Faszination beschränkte sich bei Klopp lange Zeit nicht nur auf das runde Leder, vielmehr brachte ihm sein Vater sämtliche Sportarten bei. Besonders begabt war Klopp nach verschiedenen Aussagen im Tennis, doch der junge Jürgen entschied sich irgendwann gegen den Einzelsport und für den Mannschaftssport Fußball.

Seinem Vater hatte Klopp seinen enormen Ehrgeiz zu verdanken. Erbarmungslos sei er gewesen im Wettbewerb gegen ihn, sagte Klopp einmal. Eine Anekdote erzählt, wie der Vater den Sohn im Tennis mit 6:0, 6:0 besiegte. Daraufhin beschwerte sich Jürgen lautstark: „Meinst du, mir macht das Spaß so?“ Vater Norbert konterte: „Meinst du, mir macht das Spaß?“

Jürgen Klopp sagte einmal, er habe zuerst eine riesige Wut auf seinen Vater entwickelt, die sich dann schließlich zu einem unbändigem Siegeswillen entwickelt habe. Auch als er längst gegen Gleichaltrige antrat, bewahrte sich Jürgen diesen Siegeswillen, der ihn als Spieler viel weiter brachte als es seine fußballerischen Fähigkeiten normalerweise zugelassen hätten.

Der lange Weg nach Mainz

Der am 16. Juni 1967 geborene Klopp trat im Jahre 1972 seinem ersten Verein bei, dem SV Glatten. Dem Amateurverein hielt er insgesamt 11 Jahre, bis 1983, die Treue. Dann wechselte er zum TuS Ergenzingen, wo er seine restlichen drei Jahre als Jugendspieler sowie sein erstes Halbjahr als Seniorenspieler verbrachte. Schon im Juli 1986, in seinem ersten Jahr bei den Herren, hatte Klopp auf sich aufmerksam gemacht, als er in einem Freundschaftsspiel gegen Eintracht Frankfurt den Ehrentreffer zum 1:9 erzielte und eine herausragende Leistung zeigte.

Daraufhin stand er in den Notizbüchern der großen Frankfurter Eintracht. Im Winter jedoch wechselte er zunächst zum 1. FC Pforzheim. Der Oberligist überreichte den Verantwortlichen der TuS die ausgehandelte Ablösesumme von 12.000 DM bar in einer Autobahnraststätte.

Zur Saison 1987/88 wechselte Klopp dann schließlich zur Eintracht, jedoch „nur“ in die Reservemannschaft. Der große Durchbruch blieb Klopp auch in Frankfurt verwährt, sodass er nach einem Jahr erneut den Verein wechselte und bei Viktoria Sindlingen anheuerte. Nach erneut einer Spielzeit schloss sich der trotz seiner zahlreichen Wechsel erst 22-Jährige Jürgen Rot-Weiss Frankfurt an. In der Spielzeit 1989/90 erreichte er mit diesen die Aufstiegsrelegation für die 2. Liga. Doch statt den Frankfurtern stieg ein anderer Verein in die zweithöchste Spielklasse auf, der 1. FSV Mainz 05. Obwohl mit dem eigenen Verein nicht erfolgreich, gelang Klopp der persönliche Aufstieg durch einen Wechsel zum vorherigen Konkurrenten, sodass er ab der Saison 1990/91 für die Mainzer stürmte.

In den elf Jahren als Spieler für den Fußballsportverein bestritt Klopp insgesamt 340 Pflichtspiele, dazu erzielte er in der 2. Liga 52 Tore für die 05er.  In beiden Kategorien war er Rekordhalter, als Rekordspieler wurde er von Torhüter Dimo Wache abgelöst, Rekordtorschütze ist inzwischen Sven Demandt mit 55 Toren.

Die Einführung der Raumdeckung

Entscheidend geprägt wurde Klopp wie der gesamte Verein von einem heute fast gänzlich vergessenen Trainer: Wolfgang Frank. Dieser kam in der Saison 1995/96 nach acht Spielen, aus denen die Mainzer einen einzigen Punkt geholt hatten und ein Torverhältnis von 0:14 vorweisen konnten. Er führte als erster in Deutschland die Raumdeckung ein und verschaffte den 05ern dadurch einen riesigen Wettbewerbsvorteil. Mainz wurde zum besten Rückrundenteam, schaffte schlussendlich den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt und war in der Abschlusstabelle auf dem 11. Tabellenrang zu finden.

In der Folgesaison war der Abstiegskandidat Mainz 05 urplötzlich zum Aufstiegskandidaten geworden. Am Ende der Saison stand der 4. Tabellenplatz, sodass der Aufstieg denkbar knapp verpasst wurde. In den Folgejahren war der FSV zwar nicht mehr direkt am Aufstiegsrennen beteiligt, doch zumindest war man auch nicht mehr der Abstiegskandidat von früher.

Als die 05er in der Saison 2000/01 erneut tief im Tabellenkeller feststeckten, wurde der damals verletzte Klopp an Fastnacht als Nachfolger für den entlassenen Eckhard Krautzun berufen. Mit dieser sehr ungewöhnlichen Aktion bewies der damals noch ehrenamtlich arbeitende Manager Christian Heidel großen Mut, im Nachhinein aber auch eine große Voraussicht. Klopps Team legte einen beeindruckenden Schlussspurt hin und schaffte schließlich den Klassenerhalt.

Aufstiegsdramen und Abschiedstränen

In den folgenden Jahren schwang sich der FSV unter Klopp zu unvermuteten Höchstleistungen auf, doch selbst 64 Punkte reichten in der Saison 2001/02 nicht zum Bundesligaaufstieg. Im Folgejahr war es noch knapper, am Ende fehlte ein Tor gegenüber der Frankfurter Eintracht zum Aufstieg. Dennoch sammelten die mutig auftretenden Mainzer bundesweit Sympathien, gerade auch durch die bitteren Erfahrungen im Aufstiegskampf.

In der Saison 2003/04 sollte es dann endlich mit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga klappen. Wieder war es denkbar eng, erst am letzten Spieltag konnten die 05er Alemannia Aachen überholen und den lang ersehnten Aufstieg feiern.

In der Bundesliga angekommen galten die Mainzer sofort als Abstiegskandidat, doch in den ersten beiden Jahren konnte der Verein einen jeweils überzeugenden elften Rang vorweisen. Zur dritten Erstligasaison 2006/07 hatte der FSV namhafte Abgänge zu verkraften und trotz einer großen Aufholjagd in der Rückrunde stand am Ende der bittere Gang in die Zweitklassigkeit. Schon zu Beginn der neuen Saison 2007/08 gab es Gerüchte, dass Klopp seinen Vertrag in Mainz nicht verlängern wolle. Schließlich verkündete Kloppo „seinen“ Fans, dass er bei Nichtaufstieg den Verein endgültig verlasse. Trotz einer überzeugenden Hinrunde wurde der Aufstieg, erneut äußerst knapp verpasst, sodass Jürgen Klopp nach insgesamt 18 Jahren als Spieler und Trainer die Domstadt verließ, um Borussia Dortmund zu trainieren. Circa 15.000 Fans bereiteten ihrem Idol einen unvergesslichen Abschied, bei dem sich der Trainer tränenreich von seinen Freunden und Fans verabschiedete.

Klopp und der BVB – Neu verliebt

Mit der ersten Pressekonferenz in Dortmund hatten Fans wie Verantwortliche gleich das Gefühl, in dem authentischen Klopp genau den richtigen Trainertypen in Zeiten von Sparzwängen und Konsolidierung verpflichtet zu haben. Ganz im Gegensatz zum Hamburger SV, wo der Aufsichtsrat den Vorschlag des damaligen Vorstandsvorsitzen Bernd Hoffmann, Klopp als neuen Cheftrainer zu installieren, aufgrund seines „äußeren Erscheinungsbilds“ verwarf. In Dortmund dagegen machte man sich nichts aus dem „Acht-Tage-Bart“, den langen Haaren und dem emotionalen Auftreten Klopps, mit seinem Äußeren passte Klopp vielmehr sehr gut nach Westfalen.

In der ersten Saison unter Klopp erreichten die Borussen einen ordentlichen 6. Tabellenplatz, der jedoch nicht zur Teilnahme an der Europa League berechtigte. Dennoch überzeugte die mit dem „Kinderriegel“ (bezogen auf die Innenverteidigung, bestehend aus den beiden damals 19-Jährigen Mats Hummels und Neven Subotić) agierende Mannschaft durch ihren erfrischenden Fußball und vor allem durch ihre große Laufbereitschaft. Klopp versuchte anfangs, die allgemeine Laufleistung durch Belohnungen zu steigern. So versprach er dem Team bei insgesamt 120 zurückgelegten Kilometern einen trainingsfreien Tag als Belohnung.

In Klopps zweiten Jahr stürmten seine Spieler auf den fünften Tabellenrang vor, nachdem man sich lange Zeit durchaus berechtigte Hoffnungen auf einen Champions-League-Startplatz machen durfte. Im Vergleich zur Vorsaison hatte sich das Team stark weiterentwickelt, vor allem im Spiel gegen den Ball agierten die Dortmunder nun reifer. Kritiker warfen der Borussia jedoch vor, nach dem Ballgewinn keine Idee zu haben, was mit dem Ball anzufangen sei. Und tatsächlich hatte sich Klopp in seinen ersten beiden Jahren anscheinend vordergründig um die Verbesserung der Defensivleistung gekümmert.

Gerade durch die Einführung eines neuen Defensivkonzepts, dass das heute so BVB-typische Gegenpressing direkt nach Ballverlust vorsah, konnte Klopp seine Mannschaft entscheidend stabilisieren. Doch durch die häufig zu leichtfertigen Ballverluste war man zu schnell wieder defensiv gefordert, sodass am Ende der Saison trotz eigentlich überzeugender Defensivleistungen unbefriedigende 42 Gegentore standen.

Für Klopp war vor der Saison 2010/11 klar, dass diese hohe Anzahl an Gegentoren relativ wenig mit der tatsächlichen Defensivleistung zutun hatten. Stattdessen beschloss er, die Vorbereitung vor allem dafür zu nutzen, neben der schon obligatorischen außergewöhnlichen Fitness vor allem auf das Ballbesitzspiel zu legen.

Und so entwickelte das Trainerteam Spielideen, Strategien zum effektiven Aufbauspiel und verpasste dem BVB ein Offensivkonzept, welches perfekt zur aggressiven Ballrückgewinnungsstrategie passen sollte: Schnelles vertikales Spiel nach Ballgewinn in Mittelfeld oder Angriff, ruhiger Spielaufbau über die Innenverteidiger sowie Sahin gegen tief stehende Gegner. Gerade das vertikale Spiel perfektionierte die Borussia in der abgelaufenen Spielzeit, die offensive Dreierreihe im 4-2-3-1-System tat sich hier entscheidend hervor, schob sehr weit in die Mitte und schaffte hier Anspielstationen für die Aufbauspieler, sodass die im Laufe der Saison immer kompakter spielenden Gegner in den meisten Fällen ausgehebelt werden konnten. Eine detaillierte Analyse der Taktik des BVB in der abgelaufenen Spielzeit liefert Tim Hill auf seinem Blog.

In der Hinrunde war das Offensivspiel der Dortmunder geprägt durch den Japaner Kagawa. Dieser agierte aus dem zentralen offensiven Mittelfeld extrem torgefährlich, stieß immer wieder in die Spitze vor und überzeugte generell vor allem durch sien Spiel ohne Ball, das die gegnerische Defensive in Bewegung hielt und so immer wieder Lücken für die Mitspieler schuf.

Durch die Verletzung Kagawas war Klopp gezwungen sein System zur Rückrunde umzustellen. In den meisten Partien beorderte er den überzeugenden Youngster Götze auf die Spielmacherposition und brachte dafür Błaszczykowski auf der rechten Seite. Götze interpretierte die Position im offensiven Mittelfeld mehr wie ein klassischer Spielmacher, er war Dreh- und Angelpunkt des Offensivspiels und setzte seine Mitspieler gekonnt in Szene.

Der Pole „Kuba“ spielte ebenfalls anders auf rechts als Götze in der Hinrunde, er war mehr ein klassischer Flügelspieler, nutzte immer wieder seine Schnelligkeit um auf rechts durchzubrechen und Flanken in die Mitte zu schlagen. Dafür spielte Piszczek häufig etwas zentraler und nicht mehr so sehr an der Außenlinie wie normalerweise üblich für Außenverteidiger. Weil Götze anders als Kagawa seltener in die Spitze stieß war es Kevin Großkreutz, der von links immer wieder in den Strafraum lief um die jetzt häufigeren Flanken gemeinsam mit Barrios zu verwerten.

Mit der verbesserten Spielweise dominierte der BVB die gesamte Spielzeit klar. Die extrem junge Mannschaft, in der nur Torhüter Weidenfeller älter als 26 Jahre war, setzte sich schnell von der Konkurrenz ab und ließ sich auch durch die verbalen Attacken aus München nicht verunsichern. Die offiziell nie als Ziel ausgegebene Meisterschaft konnte schließlich schon am 32. Spieltag gefeiert werden, am Ende der Saison standen für die Borussia 75 Punkte bei lediglich 22 Gegentoren.

Die Beziehung zwischen Borussia Dortmund und Jürgen Klopp, sie wurde zu einer Liebesgeschichte. Nach 18 Jahren in Mainz wäre es als unwahrscheinlich einzustufen gewesen, dass Klopp schon nach drei Jahren in Dortmund sagen würde, er habe sich „neu verliebt“. Diese emotionale Verbindung zu seinen Vereinen, ist die größte Stärke Klopps, der sich dadurch extrem angreifbar und damit auch menschlich zeigt, und genau dadurch an Stärke gewinnt. Ein BVB ohne Klopp, scheint schon jetzt ähnlich unvorstellbar wie 2008 ein Mainz ohne seinen Kloppo, doch auch in Dortmund wird der Fanliebling nicht ewig die Seitenlinie entlang toben.

Eine besondere Beziehung

Die Entwicklung der Mannschaft ist jedoch nicht Klopp allein, sondern dem gesamten Trainerstab als Erfolg zuzuschreiben. Dabei sticht  ein Mann heraus, der Klopp schon seine gesamte Trainerkarriere begleitet: Željko Buvač. Zusammen mit Klopp spielte er beim FSV, gemeinsam lenkten sie das Geschehen auf dem Rasen. Zwei Seelenverwandte, die sich versprachen, den jeweils anderen mitzunehmen, sollte einer von ihnen eines Tages Profitrainer werden. Früher als gedacht wurde Klopp dann bekanntlich Cheftrainer in Mainz, und umgehend löste er sein Versprechen ein. In der Folgezeit blieb Buvač stets der Schattenmann, der Analytiker im Hintergrund. Ihm kommt wohl eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Spielphilosophie Klopps zu. Auf dem Trainingsplatz agieren Chef- und Co-Trainer gleichberechtigt, der Bosnier unterbricht häufig und erklärt den Spielern taktische Fehler, während Klopp eher aus der Beobachterrolle agiert.

Zudem stand noch bis 2004 Buvačs Name auf den Spielberichtsbögen, da Klopp bis dahin lediglich die A-Lizenz besessen hatte. Co-Trainer Buvač hat sich in all den Jahren niemals in die Öffentlichkeit gedrängt, er lehnt Interviewanfragen höflich ab. Er fühlt sich ganz anscheinend wohl in seiner Rolle jenseits des öffentlichen Interesses, doch mitten im Profifußball.

Die wenigen Aussagen über Klopps Rechte Hand sind durchweg positiv, in Mainz bedauerte man seinen Weggang zwar, hatte jedoch nie auf einen Verbleib bei einem Weggang Klopps gehofft. Doch jeder seiner Wegbegleiter schwärmt von Buvač, laut Klopp der „Fleisch gewordener Fußballsachverstand und Meister aller Trainingsformen“. Ein ausführliches Porträt widmete das Internetportal Spox dem zweifachen Familienvater.

Der Menschenfänger

Will man verstehen, warum der limitierte Fußballer Klopp zu einem derart erfolgreichen und gefragten Trainer geworden ist, gelangt man früher oder später zwangsläufig zu seinem Umgang mit den Menschen in seiner Umgebung. Für Klopp sind gute und vertrauensvolle Beziehungen zu den Mitarbeitern des Vereins – und damit sind ausdrücklich nicht nur die Spieler gemeint – die Grundlage seiner Arbeitsweise.

Er kann sich fürchterlich aufregen, wenn einer seine Spieler respektlos gegenüber einem Mitarbeiter der Geschäftsstelle auftritt, er selbst sagte einmal, dass er in Mainz „mit allen Spielern bis zur U17 per Du“ sei. Auch außerhalb seines natürlichen Aufgabenfeldes war und ist der Cheftrainer immer wieder aktiv. Zu Mainzer Zeiten war Klopp „Mädchen für alles“, er kümmerte sich um Ausweichplätze im Winter und war bei Sponsorengesprächen häufig anwesend. Auch in Dortmund ruft er am Ende des Tages häufig noch einen zögernden Sponsor an und überzeugt diesen von einem Engagement beim BVB.

Zudem interessiert sich Klopp bemerkenswert intensiv für die Amateur- und Jugendmannschaften des Vereins, beobachtet samstags häufig Spiele der Junioren und schaut auch hin und wieder in der Kabine vorbei. Dadurch gibt er den Jugendspielern das Gefühl gesehen und beachtet zu werden. Zudem lebt er die Verzahnung von Jugend und Profis vor, lässt herausragende Spieler mittrainieren und zeigt ihnen damit eine realistische Perspektive im Verein auf.

Im Umgang mit der Mannschaft ist Klopp autoritärer als gemeinhin angenommen. Seine wohl größte Fähigkeit ist es, mit dem verschiedenen Persönlichkeiten unterschiedlich umzugehen. So bekommt ein Mohamed Zidan eine andere Behandlung als bspw. ein Sebastian Kehl. Klopp schafft es augenscheinlich gut, den einzelnen Typen gerecht zu werden, er findet meist den richtigen Ton im Umgang mit den Spielern und weckt in den Spielern dieselbe Motivation und Begeisterung für ihren Beruf, die auch ihn antreibt.

Treffend beschrieben wurde Klopps Art der Menschenführung wohl von BVB-Geschäftsführer Watzke, als er sagte: „So einen Menschenfänger habe ich noch nicht kennen gelernt.“

Klopp und die Medien

Neben der sozialen Kompetenz zeichnet Klopp aus, dass er sich zu einem wahren Medienprofi entwickelt hat. Seine natürliche Art kam schon immer gut in der Öffentlichkeit an, ebenso seine häufig ungezügelten Emotionen. In ganz Deutschland bekannt wurde Klopp durch seine Tätigkeit als „TV-Bundestrainer“ beim ZDF. Für das Zweite analysierte er gemeinsam mit Johannes B. Kerner und Urs Meier zunächst den Confederations Cup 2005 und im Jahr darauf die WM 2006 in Deutschland.

In den Sendungen vor und nach den Spielen sowie in den Halbzeitpausen verblüffte er die Zuschauer mit kurzen Taktik- und Fehleranalysen. Am elektronischen „Taktik-Tisch“ veranschaulichte er Fehler im Aufbauspiel der Argentinier oder das unzureichende Defensivverhalten der Schweden. Die besondere Stärke seiner Analysen lag in der allgemeinen Verständlichkeit. Ganz Deutschland war von der Aufmachung begeistert, sodass Klopp auch die Spiele der EM 2008 analysierte und anschließend die WM 2010 auf RTL gemeinsam mit Günther Jauch. Seit 2006 ist Klopp damit bundesweit als Taktikexperte anerkannt, was für einen aufstrebenden Trainer nur hilfreich sein kann.

Die Sendungen mit Klopp erhielten 2006 und 2010 den Deutschen Fernsehpreis, zudem wurde er 2007, 2009 und 2011 mit dem alle zwei Jahre vergebenen HERBERT-Award als „Bester Sportexperte“ ausgezeichnet.

Doch seine Tätigkeit rund um die Nationalmannschaft hatte nicht nur positive Seiten. Als Klopp mit Mainz in der Saison nach der Heim-WM tief im Abstiegskampf steckte, musste er deutschlandweit gehässige Kommentare gerade auch aus den Medien ertragen.

Doch insgesamt ist die Beziehung zwischen Klopp und den Medien eine Win-Win-Situation, Klopp liefert den Zeitungen und dem Fernsehen interessantes und teils auch sehr amüsantes Material, im Gegenzug ist die Berichterstattung über Klopp und seine Arbeitsweise fast durchgehend positiv. Besonders seine gehaltvollen und ausführlichen Antworten machen ihn zu einem gefragt Interviewpartner der Print- und Onlinemedien,

Fazit

Auch durch seine kluge Nutzung der Medien ist Klopp heute der wohl beliebteste Trainer Deutschlands. Sein Umgang mit Spielern, Mitarbeitern und Fans ist in dieser Form wohl einmalig, schon nach drei Jahren ist er aus Dortmund nicht mehr wegzudenken. Doch auch taktisch hat Klopp in Dortmund sein Meisterstück abgeliefert und eine Mannschaft aufgebaut, die – sollte sie zu großen Teilen zusammenbleiben – den Bayern über einen langen Zeitraum ernsthaft Konkurrenz machen kann.

Aus Klopps Zeit in Dortmund lässt sich noch eine wichtige Erkenntnis gewinnen: Gibt man einem wirklich guten Fußballlehrer die Zeit, ein Team aus jungen, formbaren Spielern über einen Zeitraum von mehreren Jahren ohne größeren Druck von außen zu entwickeln, kann mitunter eine Mannschaft wie die derzeitige des BVB entstehen, die trotz finanziellen Nachteilen gegenüber den anderen Spitzenvereinen sportlich konkurrenzfähig ist und die bei Zusammenbleiben der Schlüsselspieler dauerhaft um die Meisterschaft mitspielen kann.

So wird auch in der kommenden Saison mit dem BVB im Meisterschaftsrennen zu rechnen sein, gespannt sein darf man auf das Auftreten der jungen Mannschaft in der Champions-League.

Jojo 6. Mai 2014 um 11:44

Sehr guter Artikel. Mich würde ein Update interessieren.
Gerade was die „Win-Win-Situation“ mit den Medien betrifft hat sich ja schon einiges geändert. Zum Einen durch seine häufiger auftretenden Sperren und zum Anderen durch die Genervtheit, die er häufiger bei Interviews zeigt.
Hat er sich generell geändert? Spürt er jetzt den Druck? Oder eher die Sorgen?

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karl-ton 6. Mai 2014 um 18:34

Hat sich da die Beziehung so wirklich geändert? Man redet sicher anders über Klopp. Wobei ja nach wie vor niemand auf die Idee käme ihm die Kompetenz abzusprechen. Da die Sperren ja auch meistens kommen, wenn seine Mannschaft nicht so super spielt, bin ich mir auch nicht sicher, ob es ihm nicht lieber ist, man redet über die Sperre, als über das schlechte Spiel.

Zumal die Bundesliga ja voll ist von Cholerikern an der Seitenlinie. Ab und an fliegt halt mal jemand. Keine Ahnung was die Fans so dazu sagen, aber mich stört das alles nicht so wahnsinnig. Zumal Ecken und Kanten eben auch zur oft geforderten Authentizität im Fußball gehören. Aber über die Widersprüche, die es da so gibt, kann man auch komplette Bücher schreiben 😉

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Daniel_D 6. Mai 2014 um 21:19

Ich denke, dass der Stressfaktor für einen Trainer an der Seitenlinie einfach immens ist und die gelegentlich cholerische Art bei fast allen Trainern vorkommt. Heutzutage wird das dank entsprechender Kameraaufnahmen und dem 4. Offiziellen einfach deutlicher herausgenommen.

Was Pressekonferenzen betrifft sollte man halt wissen, dass Klopp ein radikaler Gegner der Springer- und Boulevardpresse ist, und grundsätzlich deren Vertreter regelmäßig abkanzelt. Wenn es dann noch spielerisch nicht so läuft reagiert er auf Fragen wie „Würden Sie die Situation in der Sie sich befinden schon als Krise bezeichnen?“ nun mal genervt.

Schon 2008 hat er ja während der WM Experte gespielt und auch während der Pressekonferenzen beschreibt er durch aus mal taktische Zusammenhänge. Ich glaube es stört ihn, dass Fußball immer noch als so einfach verstanden wird und so wenige Menschen, die sich damit beschäftigen (vor allem Journalisten, aber auch Experten und ehemalige Spieler) wirklich verstehen, wie er funktioniert.

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karl-ton 6. Mai 2014 um 21:33

Ja. Es gab ja dieses merkwürdige ZDF Filmchen, das die besten Ausraster auf den Pressekonferenzen zusammengefasst hat. Ich hatte als ich das gesehen habe immer noch die eigentlichen Pressekonferenzen im Kopf (die man sich ja frei anschauen kann auf der BVB Webseite) und ehrlich: Ich wundere mich da immer, dass nicht viel mehr Trainer ausrasten. Wenn man dann zum dritten Mal in drei Wochen die gleiche dämliche Frage gestellt bekommt. Wobei es Klopp glaube ich immer mehr stört, wenn da so Fragen kommen, die man eigentlich mehr in der Regenbogenpresse erwartet.

Übrigens stört mich das Rumhüpfen der Trainer auch absolut nicht (falls das so rübergekommen ist). Ich finde es trägt zum Flair der Veranstaltung bei. Und sowieso: Richtiger Trainer ist man erst, wenn man einmal in der CL vom Platz geflogen ist 😉

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Monogol 6. Mai 2014 um 22:25

Und wer weiß, vielleicht bleibt uns ein Klopp, der hin und wieder ausrastet, länger erhalten, als ein Trainer, der auf den immensen Stress des Jobs mit depressiven Mustern (Burn-out etc.) reagiert. Mir solls (dringend) recht sein.

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Daniel_D 7. Mai 2014 um 11:11

Effektiv geht es bei den meisten Journalisten ja nur darum, dass sie vorher schon eine Story im Kopf haben und mit Suggestivfragen dem Trainer, Politker, wem auch immer, die vorher schon überlegten Stichwörter in den Mund legen wollen.

Ich würde mir auch wünschen, wenn weniger Trainer, trainiert durch zahlreiche Rhetorik Kurse, politikeresk durch die Gegend schwafeln würden.

Man muss schon den Hut vor Klopp ziehen. Er hat es geschafft eine unglaubliche Popularität zu erreichen ohne sich an das Boulevard zu ketten. Die Bild ist was Transfers und Gerüchte von Dortmund angeht immer unglaublich schlecht informiert.

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Louis 21. Mai 2013 um 13:52

Heute erschien eine Interview-Zusammenfassung im Guardian. Darin hebt Klopp den Einfluss von Sacchi hervor:

„His first coaching inspiration, Wolfgang Frank, managed Klopp for years at Mainz and they were fascinated by Arrigo Sacchi’s work at Milan. „Even though we were in the second division we were the first German team to play 4-4-2 without a libero. We watched this very boring video, 500 times, of Sacchi doing defensive drills, using sticks and without the ball, with Maldini, Baresi and Albertini. We used to think before then that if the other players are better, you have to lose. After that we learned anything is possible – you can beat better teams by using tactics.““
http://www.guardian.co.uk/football/2013/may/21/jurgen-klopp-borussia-dortmund-champions-league

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mookid 2. Juli 2012 um 12:22

sehr interessantes dossier, danke

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44² 5. August 2011 um 19:20

Mal wieder tolles Portrait.

Ergänzend dazu kann ich das hier empfehlen. 😉

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datschge 5. August 2011 um 13:44

Riesengroßes Lob dafür, dass Ihr auch schaut, welche oft medial ignorierte weitere Leute hinter dem Werden und Wirken von einem Trainer stehen.

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