Ajax – FC Twente 1:2
In einem spannenden und guten Finalspiel um den niederländischen Supercup konnte Pokalsieger Twente Enschede gegen Meister Ajax Amsterdam mit 2:1 die prestigeträchtige „Johan-Cruijff-Schaal“ gewinnen.
Ajax-Trainer Frank de Boer begann mit der Elf, die man derzeit wohl als Stammelf ansehen kann – inklusive zweier Neuverpflichtungen. Sein Gegenüber Co Adriaanse stellte mit Cornelisse, Berghuis, John und Willem Janssen vier Neuzugänge auf. Nach seinem Wechsel zu Ajax traf der ehemalige Mittelfeld-Chef Twentes, Theo Janssen, zum Einstand sogleich auf seinen alten Arbeitgeber.
Adriaanse kontert de Boer
Für seinen neuen Verein nahm Janssen im typischen 4-3-3 die defensivste Mittelfeldrolle ein. Zu Beginn war dies allerdings etwas problematisch, weil zum einen die Abstimmung und damit bisweilen auch die nötige Staffelung zwischen den drei Spielern noch nicht gefunden waren und zum anderen die Anbindung von der Defensive an das Mittelfeld fehlte.
Jenes stand sehr hoch und konnte – auch dank guter Verteidigungsarbeit – Twentes nicht angespielt werden. Wahrscheinlich war dies allerdings geplant, denn de Boer bediente sich einer Maßnahme, die man von seiner Mannschaft schon in der letzten Saison häufiger gesehen: Ein Innenverteidiger stößt mit Ball in Libero-Manier ins Mittelfeld vor.
Diesmal war dafür hauptsächlich Toby Alderwereild verantwortlich. Da er teilweise auch ohne Ball zwischen seinem Partner Daley Blind und dem Mittelfeld stand, erinnerte sein Spiel ein wenig an die Rolle, die Frank Rijkaard im großen Ajax-Team von 1995 unter Louis van Gaal gespielt hatte.
Die risikoreiche Formation zeigte Wirkung und Ajax dominierte mit einer Überzahl im Zentrum den Ball und das Geschehen, ohne aus dieser Kontrolle Chancen kreieren zu können, denn Alderwereild konnte zwar häufig ungehindert bis in die gegnerische Hälfte laufen, traf dort allerdings auf ein Mittelfeldpressing und ein gespiegeltes Mittelfeld. Jeder Akteur hatte einen direkten Gegenspieler, womit es den Ajax-Spielern schwer fiel, sich zu lösen und als Anspielstation anzubieten.
Weil bereits ein Innenverteidiger immer aufrückte, konnten die beiden Außenverteidiger zwar durchaus offensiv spielen, mussten aber meist den inneren Weg nehmen (wobei van der Weil auch wegen des schnellen John recht defensiv blieb) und konnten somit nicht für Breite sorgen. Die beiden Außenstürmer klebten allerdings auch nicht an der Linie.
Anstatt den Gegner auseinander zu ziehen und die Bewegungen des Falschen 9ers Sigthorsson effektiver zu machen, so dass die offensive eingestellten Mittelfeldspieler die Räume nutzen und Twente mit einer Überzahlsituation überladen hätten können, zogen sie in die Mitte, um dort selbst das Übergewicht herzustellen – doch damit machten sie die Mitte noch enger und außen fehlte es an Breite.
Adriaanse instruierte sein Team, auch immer wieder offensive Pressing-Perioden einzubauen. Wenn Twente weit vorne presste und mit dem Vorschieben von Luuk de Jong die Innenverteidiger-Vorstöße eindämmte, stockte das Ajax-Spiel gewaltig, so dass Theo Janssen bereits nach kurzer Zeit tiefer stand, die Rolle auch gut ausfüllte. Im Verlauf der ersten Halbzeit wurden diese Phasen häufiger.
Doch Twentes Offensivpressing war – typisch für Adriaanse – riskant: Entweder würden sie weiter aufrücken müssen, was Ajax aber Räume hinter der Abwehr zugestehen würde, oder sie würden Probleme haben, das Mittelfeld kompakt zu halten und in Gefahr geraten, überladen zu werden, was eines von Twentes zentralen Problemen gewesen war, als man zum Ende der letzen Spielzeit zweimal auf den Hauptstadtklub getroffen war.
In der Tat konnte sich Ajax mehrfach befreien und das Pressing umspielen, aber vor allem die fehlende Breite verhinderte die offensive Durchschlagskraft. Eine echte Entfaltung des Offensivspiels war wegen des konstanten Drucks nicht möglich – und so muss man sagen, dass Adriaanse sein Ziel erreichte.
Führung für Twente
So konnte man mit der Zeit auch offensiv mehr tun – die Vorstöße von Willem Janssen brachten ein wenig Unruhe in die Amsterdamer Hintermannschaft, so dass man das Zentrum nicht so recht schließen konnte.
Anfällig präsentierte sich Ajax auf den Außenbahnen. Die beiden Außenverteidiger haben ihre Stärken nämlich eher in der Offensive. Nach einem Stellungsfehler von Boilesen kam Cornelisse auf außen frei und brachte den Ball in die Mitte, wo seine Teamkollegen einen Strafstoß herausholen konnten, den Janko versenkte (22.).
Ajax dominierte im Anschluss weiter das Geschehen, Twente hielt den Druck ziemlich konstant aufrecht und insgesamt war es konsequente Breite, die dem Meister abging – es war zu halbgar. Man konnte zwar – durch Überladen, Pässe hinter die Abwehr oder die intelligenten Bewegungen der Falschen 9 Sigthorsson, welcher sich als Neuzugang bereits sehr gut mit dieser Rolle akklimatisiert hatte – Chancen kreieren, aber die Qualität dieser Gelegenheiten war nur mittelmäßig.
Zweite Halbzeit: Der Faktor Platzverweis und der Faktor Ruiz
Bereits nach drei Minuten des zweiten Abschnittes stellte sich eine völlig andere Situation dar, als Berghuis nach einer Schwalbe mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen wurde. Die Überzahl spielte Ajax zunächst in die Karten. Gegen Twentes asymmetrisches 4-2-3-0 mit de Jong als Falscher 9 konnten die Innenverteidiger gegen einen sich einigelnden Gegner immer wieder nach vorne marschieren.
Ajax baute nun großen Druck auf und kam auch zu Chancen. Der Ausgleichstreffer lag in der Luft und fiel auch recht frühzeitig. Nachdem die Offensivspieler geschickt Platz geschaffen hatten, konnte Alderwereild fast ungehindert bis zum gegnerischen Strafraum durchlaufen und dann aus ca. 20 m einen satten Schuss an die Unterkante der Latte zum 1:1 unterbringen (55.).
Doch noch immer war es nicht genug Breite und so brachte de Boer Ooijer für Boilesen und stellte Blind auf die Linksverteidiger-Position, wo jener weiter außen stand. Außerdem war dies wohl als Absicherung gegen den zur Pause eingewechselten Twente-Starspieler Bryan Ruiz gedacht, der seit dem Platzverweis auf seiner angestammten rechten Außenbahn spielte.
Doch ausgerechnet der ansonsten stark spielende Blind war es, der beim Doppeln von Ruiz einmal zu passiv agierte. Jener bedankte sich, zog ungehindert nach innen und schloss einen der wenigen Entlastungsangriffe mit einem sehenswerten Treffer ab. In den letzten 20 Minuten warf Ajax noch einmal alles nach vorne, konnte gegen ein nur noch verteidigendes Twente die Chancen, die man hatte, allerdings nicht nutzen – so blieb es beim 2:1.
Fazit
Ajax dominierte das Spiel über die gesamte Spielzeit, konnte sein Spiel aufgrund des konstanten Druckes von Twente nicht voll entfalten. Dass man dennoch zu einigen Chancen kam, lag vor allem daran, dass das Pressing von Twente recht riskant war – van Gaal nannte Adriaanse einmal einen Zocker, der alles oder nichts spielt.
Theoretisch hat Ajax nicht nur eine junge, talentierte Mannschaft, sondern auch ein gutes taktisches System mit aufrückenden Innenverteidigern, offensiven Außenverteidigern, einem Spielmacher auf der Sechs, einer Falschen 9 und zwei vorstoßenden Achtern, die die geschaffenen Räume ausnutzen. de Boer muss das Ganze noch ein wenig mehr an die Spieler anpassen und vor allem das Problem der Breite lösen, das hier der wohl entscheidende Punkt für die Niederlage war.
In jedem Fall war das Spiel Werbung für den niederländischen Fußball und machte Lust auf diese beiden Teams, von denen wir Qualität, taktisch sehr interessante Spiel und wohl auch einige Erfolge erwarten können.
3 Kommentare Alle anzeigen
grombrindal 31. Juli 2011 um 23:39
Eine kleine Anmerkung zu euern Grafiken: Könntet ihr vielleicht unten links und oben rechts in die Ecken noch die Namen der jeweiligen Mannschaft schreiben?
Muss manchmal erst ein bisschen lesen oder suchen, um herauszufinden, welches Team welches ist.
Ansonsten großes Lob für diese sehr produktive und qualitativ hochwertige Seite! Freue mich schon auf Spielberichte über meinen BVB 🙂
aTOM 2. August 2011 um 01:02
Ist das nicht so schon eindeutig ? Oder kennst du keinen Spieler von Ajax bzw. Twente ?
Ich glaube der Text ist das Hauptaugenmerk des Beitrags und die Grafik nur bildliche Unterstützung.
Macht weiter so, ich liebe diese Seite !
TR 2. August 2011 um 12:49
Können wir natürlich trotzdem machen – so wie jetzt beim Pokalspiel der Bayern!