Argentinien – Uruguay 5:6 n.E.
Nach einer spektakulären ersten Halbzeit konnte Uruguay zunächst den Dampf rausnehmen, musste sich dann aber in die Verlängerung retten, welcher trotz toller Unterhaltung keine Tore und deshalb das 11-m-Schießen folgen mussten – wo Uruguay den argentinischen Traum vom Copa-Sieg zuhause zerstörte.
Oscar Tabarez änderte seine Mannschaft zweimal – für Coates und Rodriguez spielten Victorino und Caceres. Bei Argentinien vertraute Trainer Batista auf jene Elf, welche im letzten Gruppenspiel mit einem Sieg gegen Costa Rica das Weiterkommen besiegelt hatte.
Pressing zum Start
In den Anfangsminuten wirkte das Spiel unruhig und zerfahren. Mit frühem Attackieren wollten die Urus gleich ein Signal setzen und das argentinische Spiel aus dem Rhythmus bringen, so dass es in der Anfangsphase zu vielen Ballverlusten und Umschaltmomenten kam und sich das Spiel nicht einpendeln wollte.
Nach nur sechs Minuten erfuhren die Gastgeber der Copa den absoluten Schock – nach einem Freistoß brachte Diego Pérez die Uruguayer in Führung.
Erst nach einer guten Viertelstunde hatten sich die Gauchos davon erholt und übernahmen nun mehr den Ball und das Kommando.
Argentiniens rechte Seite als Schlüsselaspekt
Tabarez hatte einen guten Plan, wie man mit Messi umzugehen hatte. Zunächst einmal wurde die eigene linke Seite sehr defensiv formiert, mit einem Innenverteidiger und einem Linksverteidiger – eine typische Maßnahme, deren Effektivität man beobachten konnte, als Messi auch bei Barcelona noch rechts spielte.
Das eigentliche Ziel von Uruguay war es aber, den Ball nicht zu Messi kommen zu lassen. Mit dem engen 4-4-1-1 und dem defensiv exzellenten Sechser-Duo Pérez – Àrevalo, der Messi auf den Füßen stand, machte Uruguay das Zentrum dicht und zwang den Weltfußballer nach außen. Wenn Argentinien dann über rechts spielte, wurde Zabaleta von Alvaro Pereira, der auch gut gegen Gago arbeitete, immer sehr früh angelaufen und dabei der Passweg nach außen angeboten, so dass Messi – wenn er den Ball bekommen wollte – gezwungen war, sehr weit nach außen zu gehen. Man ließ Zabaleta nicht die Zeit, vorne das Spiel breit zu machen und zwang so Messi, dies zu tun.
So hatte Messi immer wieder weit außen den Ball gegen mehrere Gegenspieler, aber dennoch kam er immer wieder durch und – auch wenn er selbst fast gar nicht zum Abschluss kam – initiierte fast alle Torszenen seiner Mannschaft. Zum Teil lag dies an seiner Klasse im Dribbling, aber wichtig war auch, dass – wenn er nach innen zog – Zabaleta und Gago ihn gut unterstützten, Gegner nach außen wegzogen und mit diesen entgegengesetzten Laufwegen Unruhe und Lücken bei Uruguay provozierten.
Argentinien vernachlässigte das Flügelspiel zu sehr – Messi zeigte mit seinen Aktionen, dass man es effektiver über außen hätte probieren können, aber es war schon eine gewisse Ironie, dass es ausgerechnet Messi war, der lieber im Zentrum spielt und auch dann nur von außen nach innen ging.
Für Uruguay bedeutete die Fokussierung auf jene Seite auch, dass man hier im Offensivspiel Akzente setzen wollte – als man einmal schnell kontern wollte gegen die offene Seite bei Argentinien, verlor man selbst den Ball und fing sich seinerseits einen Gegenzug: Messi zog von außen nach innen und servierte für Higuaín (18.).
Auch wenn Argentinien dominant wirkte, hatten sie doch ein Problem: Es ging einzig über Messi. Das Zentrum konnte Uruguay auch deshalb so verengen, weil sie es sich erlauben konnten, die linke Seite ihrer Gegner etwas zu vernachlässigen – dort mangelte es immer noch an Breite.
Zweite Halbzeit
Uruguay musste nach dem Platzverweis gegen Pérez kurz vor der Pause mit nur 10 Mann in den zweiten Abschnitt starten und stellte auf ein 4-3-1-1 um. Argentinien wollte nun mehr über die außen kommen, die beiden Außenverteidiger standen nun auch höher, doch Gefahr konnten sie über dieses bessere Flügelspiel auch nicht versprühen.
So hatte es eher negative Folgen für Argentinien. Mascherano rückte zur Absicherung in eine Dreierkette ein. Mit starker Defensiv- und viel Laufarbeit konnten Forlan und Suárez das argentinische Aufbauspiel immer wieder verlangsamen und zwangen mit ihrer Schnelligkeit und der ständigen Gefahr, die sie bei Gegenstößen ausstrahlten (Suárez provozierte unfassbar viele Fouls und fast ein Dutzend gelber Karten), Argentiniens Abwehr, tiefer zu stehen.
Dies gab ihnen nach Ballgewinn Raum zwischen den Linien, von wo aus man den Ball nach außen spielen konnte – so konnte man einfacher in Ballbesitz bleiben und für etwas Entlastung sorgen.
Weiterhin schadete dies auch den Argentiniern. Gegen die kompakte Dreierreihe vor der uruguayischen Abwehr verloren Gago und di María die Mittelfeldkontrolle, was durch die wegen der tiefen Abwehr vergrößerten Abstände zwischen den Mannschaftsteilen noch verschlimmert wurde. In der Phase nach der Pause bekam Argentinien somit keinen Zugriff – auch weil Messi durch Zabaleta nach innen „gezwungen“ wurde und dort gegen das Dreier-Mittelfeld der Urus weiter keinen Platz bekam.
Mit der Zeit wurde Argentinien dann allerdings wieder stärker. Dies lag daran, dass die Uruguayer müder wurden und Argentinien geduldiger. Sie verlagerten nun immer wieder und nutzten damit die Müdigkeit ihrer Gegner aus, die immer wieder verschieben mussten. Zudem schaltete sich Mascherano nun wieder mehr ins Mittelfeld ein und stärkte dies, Zanetti stand zur Absicherung weiter hinten – nach vorne hatte er gar nichts bewirkt und als Anspielstation konnte er immer noch dienen.
Auch die argentinischen Stürmer bewegten sich nun wieder mehr, um die müde Defensive aufzubrechen. So fand Messi wieder etwas besser ins Spiel.
Der entscheidende Punkt war allerdings die Einwechslung von Pastore für di María. Der Mann von Palermo belebte das argentinische Spiel entscheidend, er war sehr beweglich und vor allem half er entscheidend dabei mit, dass Argentinien mehr und mehr dominierte. Die Kontrolle wiedergewonnen, ergaben sich für die Albiceleste nun auch wieder mehr Chancen.
Auch hier tat sich Pastore hervor. Nun war Messi nicht mehr der einzige, der Gelegenheiten kreierte (wie bei Higuaíns Dropkick), sondern er hatte mit Pastore einen Spielpartner, mit dem er kombinieren konnte – so entstanden ebenfalls einige gute Aktionen Argentiniens: Das Verständnis der beiden Kreativkräfte war erstaunlich gut.
Forlan und Suárez blieben aber stets gefährlich, im Anschluss an die große Chance für Higuaín vergab der WM-Star von Atletico Madrid im Duell mit Sergio Romero. Als Higuaín dann kurz vor Ende erneut am überragend reagierenden Muslera scheiterte, war die Verlängerung besiegelt.
Verlängerung
Nun ging es im 10 gegen 10 weiter, denn auch Mascherano war nach 87 Minuten des Platzes verwiesen worden. Beide Teams schienen ihre Rollen nun zu spezialisieren – einige Spieler warteten vorne auf die Bälle, während die anderen sich um die Arbeit hinten kümmerten. Dies führte zu einem sehr offenen Mittelfeld und vor allem für Argentinien zu vielen Chancen – gegen Uruguays müden 4-3-Defensivblock, der mit Argentiniens individueller Klasse und Power nicht mehr mitkam.
Doch weder Messis Mannen noch der WM-Vierte aus Uruguay konnten noch einen Treffer erzielen – und so musste das ungeliebte 11-m-Schießen entscheiden. Uruguay dürfte damit gar nicht so unzufrieden gewesen sein – schließlich hatten sie bei der WM in dieser Lotterie gute Erfahrungen gemacht. Und es waren dann auch die Urus, deren Schützen eiskalt waren und deren Torwart einmal parieren konnte.
Fazit
Argentinien dominierte das Spiel und hatte die besseren Chancen, so dass man durchaus von einem unglücklichen Ausscheiden sprechen kann, da man vor allem in der Verlängerung auf den Sieg drückte. Doch auch Uruguay hat das Weiterkommen verdient – man zeigte eine taktisch extrem disziplinierte Leistung und war nach vorne immer gefährlich. Argentiniens einzige Waffe gegen das Defensivkonzept von Tabarez hieß lange Zeit Messi – und das ist dann schlussendlich zu wenig.
Batista schaffte nur einen Sieg in vier Spielen und scheiterte – während sein Gegenüber bisher sehr klug taktierte – letztlich an den immer wiederkehrenden taktischen Fehlgriffen. Zunächst versuchte er, das System Barcelona zu kopieren, aber auch sein neues System blieb immer mit den gleichen Schwächen behaftet. Die misslungene Umstellung als Reaktion auf Uruguays Platzverweis war dafür symbolisch. Dass ausgerechnet Tévez, der in der Verlängerung eingewechselt und dann komischerweise als eine Art Zehner spielte, aber nie den Killerpass liefern konnte, den entscheidenden 11m verschoss, ist vielleicht auch sinnbildlich für eine (es erinnert ein wenig an die Frauen-WM) hoch enttäuschende Copa América aus argentinischer Sicht.
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