Frauen-WM: Brasilien – USA 5:7 n.E.
In einem qualitativ schlechten, aber dennoch sehr unterhaltsamen wie aufregenden Viertelfinale setzten sich die USA im Duell der Titelaspirantinnen gegen Brasilien und Starspielerin Marta durch.
Bei den USA kehrte im Vergleich zum letzten Gruppenspiel wieder O´Reilly für Rapinoe zurück, während Brasilien für Renata Costa wieder Daiane in die Mannschaft brachte.
Diese Daiane eröffnete das Spiel dann auch nach bereits zwei Minuten, als sie aus einer recht harmlosen Flanke ein Eigentor und damit die Führung für die US-Girls fabrizierte.
Im Anschluss entwickelte sich eine schwache Partie, die von enorm vielen Fehlern und Unzulänglichkeiten geprägt war. Auch wenn die Brasilianerinnen gegen die USA, die in der ersten Halbzeit fast ausschließlich sich mit der Führung im Rücken zurückzogen und abwarteten, die dominante und spielbestimmende Mannschaft war, mochte so ein Spielfluss nicht aufkommen – die Fehler verhinderten dies ebenso wie die Tatsache, dass die USA eben sehr tief standen und Brasilien fast nur vor dem Gegner spielte.
Doch manchmal ermöglichten die Fehler sowie das 2-gegen-2-Duell im Mittelfeld dort Räume – neben seltenen Gegenstößen entstanden so die gefährlichsten brasilianischen Szenen, wenn Marta sich gelegentlich zwischen den Linien Platz schaffen konnte. Die unsicher wirkenden Amerikanerinnen waren aber auch nicht gefährlicher: Die Außen wurden von den Wing-Backs zu Defensivarbeit gezwungen und wegen der Überzahl im Abwehrzentrum Brasiliens war die amerikanische physische Power weitestgehend unbrauchbar und wirkungslos – hier zeigten sich die Vorteile des 3-5-2 gegenüber dem 4-4-2.
Dennoch blieb es, weil bis zur Halbzeit folgerichtig nichts mehr passierte, beim Rückstand aus Sicht der Südamerikanerinnen. Zur zweiten Halbzeit allerdings steigerten sie sich: Die beiden Wing-Backs wurden deutlich zielstrebiger und effektiver im Angriffsspiel und brachten dem Angriffstrio mehr Unterstützung. Auch im Mittelfeld verbesserte sich die Situation: Rosana kam nun häufiger ins Zentrum und mit der höheren Positionierung von Ester sah es bei Brasilien manchmal wie ein 1-2-Mittelfeld-Dreieck aus.
Jedenfalls waren die Verbindungen zwischen den Mannschaftsteilen nun deutlich besser – das beruhigende, wenn auch durch den kleinlicherweise wiederholten Elfmeter schräg anmutende Ausgleichstor kam und beruhigte die brasilianische Spielanlage wieder etwas.
Anders war dies bei den Zuschauern wie bei den USA – nicht nur durch die Elfmeter-Geschichte benachteiligt, sondern auch durch die vorausgegangene rote Karte Buehlers dezimiert entwickelte sich ein physisches, schnelles und leicht fanatisch wirkendes Kampfspiel – ganz im Sinne der Amerikanerinnen.
Doch auch die taktische Reaktion von Trainerin Pia Sundhage war lobenswert: Das Zurückrücken von Boxx in die Abwehr war nur eine Übergangslösung – anschließend spielte einfach nur die Abwehr enger, Boxx sowie situativ eine der äußeren Offensivspielerinnen tiefer. Es war eine mutige Entscheidung, aber sie sollte sich als richtig erweisen: Man fand eine gute Balance und auch eine tiefe Schaltstation im Mittelfeld tat den USA sichtlich gut.
Es gelang ihnen, die Verlängerung zu erreichen, doch erneut gab es ein frühes Tor – diesmal für Brasilien, eingeleitet durch den Vorstoß von Wing-Back Maurine. Nun übernahmen die USA endgültig das Kommando: Man drückte die Brasilianerinnen nach hinten, die somit – auch wenn sie gewollt hätten – das für die USA riskante Spiel mit Dreier-Abwehr gegen drei Stürmerinnen nicht bestrafen konnten.
Stattdessen nutzte man besser die Schnittstellen in der brasilianischen Dreierkette. Die von jenen gespielte Manndeckung war zu leicht aufzubrechen – dies hatten die USA erkannt und brachten ihre Gegnerinnen einiges an Chaos, welches man mit ihrem physischen Spiel gut ausnutzen konnte: In der Nachspielzeit der Verlängerung war es Wambach, die nach einer Flanke inklusive Fehler von Andrea doch noch ausgleichen konnte.
Auch beim Tor stand eine brasilianische Verteidigerin unsinnigerweise extrem tief – dies hatte man schon vorher oft gesehen, die Abstände stimmten nicht, es war symbolisch für ihre chaotische Defensivarbeit. Schon in den ersten 45 Minuten standen beide Teams sehr tief, was das offene Mittelfeld begünstigte: Die USA wegen schlechter Erfahrungen aus vorigen Spielen, die Brasilianerinnen waren gegen die schnellen US-Spielerinnen ebenso gewarnt, zudem bietet eine Dreierkette mehr Schnittstellen, weniger Deckung und die freie Spielerin zog sich in diesem Fall unnötigerweise extrem weit zurück. Diese Streckung der Teams hatte zu Spielbeginn die Mannschaftsteile noch weiter voneinander entfernt und führte nun ebenfalls zu Brasiliens Untergang, eben weil die zentrale Verteidigerin so tief stand.
Im Elfmeterschießen hatten die US-Girls dann den psychologischen Vorteil und wurden von ihrer Welle des Willens noch weiter getragen.
Fazit
Das frühe Tor tat dem Spiel nicht gut – es war eine langweilige erste Halbzeit, dazu noch unerklärliche Fehler und Unsicherheiten. Brasilien steigerte sich dann – stärkte die dezimierten Amerikanerinnen mit dem Ausgleich aber wieder.
Nun steigerten sich die bis dahin enttäuschenden US-Girls und verknüpften ihre typischen Tugenden mit ganz neuen Ideen – Boxx spielte eine zentrale Schaltstation und sie nutzen die schlechte brasilianische Organisation aus, spielten im Offensivspiel variabler als zuletzt.
Vor allem die schlechte Organisation sowie die schlechten Verbindungen zwischen den Mannschaftsteilen muss man Brasilien vorwerfen, zudem konnten sie viel zu selten ihren Systemvorteil gewinnbringend verwenden – so hätten beispielsweise zwei zentrale Stürmerinnen und eine Spielerin hinter ihnen die USA vor massive Probleme stellen können.
Hätte das Spiel nicht diese Dramatik gehabt, wäre es ein enttäuschendes Trauerspiel geworden, doch so könnte es für die USA zum großen Schlüsselerlebnis werden.
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