Frauen-WM: Frankreich – England 4:3 n.E.

Auch im zweitem Viertelfinale setzt sich mit Frankreich die spielerich stärkere Mannschaft durch. England hält mit einer körperbetonten Spielweise gut dagegen, verliert allerdings im Elfmeterschießen.

Die Aufstellungen beider Mannschaften bot keine Überraschungen: Frankreich wechselte im Vergleich zum Deutschlandspiel, bei dem wichtige Spielerinnen geschont wurden. Einzig die rotgesperrte Torhüterin Sapowicz musste durch Deville ersetzt werden. Auch England baute auf das gewohnte 4-2-3-1 System mit Ellen White als einzige Sturmspitze.

Aggressives Pressing auf beiden Seiten

Zu Beginn des Spiels neutralisierten sich beide Mannschaften. Sowohl die Französinnen als auch die Engländerinnen betrieben ein laufintensives Pressing, bei dem die Gegenspielerinnen in der gegnerischen Hälfte gestört wurden. So konnten beide Mannschaften ihre Offensive nicht zur Entfaltung bringen. Die Spielidee beider Teams hätte dabei unterschiedlicher nicht sein können: Die Engländerinnen wollten über lange Bälle hinter die Abwehr zum Erfolg kommen. Der erste Pass ging meistens weit in die gegnerische Hälfte, wo die flinke Mittelstürmerin White den Ball erlaufen sollte.

Das englische Spiel ist allerdings nicht gleichzusetzen mit stumpfsinnigem „Kick-and-Rush“, schließlich haben die Engländerinnen mit Scott, Williams und der zurückgezogenen 10erin Smith drei Spielerinnen, die solche Pässe sehr gut und präzise spielen können. So hatten sie bereits in der ersten Minute eine große Chance, als Smith schön geschickt wurde. Das blieb allerdings für lange Zeit der einzige Torschuss, denn durch die Aggressivität der Französinnen blieb ihnen keine Zeit, durchdachte Bälle zu spielen. Oftmals wurden die Bälle also unkontrolliert nach vorne gespielt.

Frankreichs Spielidee setzte ebenfalls auf schnelle Konter, jedoch versuchte sie über schnelle Flachpasskombinationen zum Ziel zu kommen. Der erste Ball sollte schnellstmöglich zum spielstarken Offensivtrio Thiney, Abily und Necib weitergeleitet werden. Diese sollten durch schöne Dribblings und Läufe in den freien Raum Spielmöglichkeiten kreieren. Aber auch diese Spielidee konnte ebenfalls durch das gegnerische Pressing gekontert werden. Frankreichs Verteidigerinnen sind nämlich im Spielaufbau alles andere als sicher. Der Ball kam nur selten zur Offensivreihe, so dass auch ihr Spiel nicht allzu kreativ war.

Bei der Frauenfußballweltmeisterschaft waren es in solch umkämpften Spielen meist die Standarts, die den Unterschied ausmachten. Doch in diesem Spiel standen sich zwei kopfballstarke Mannschaften gegenüber. Kein Team konnte sich daher eine Lufthoheit erarbeiten.

Frankreich spielstärker

Bis zur 30. Minute egalisierten sich die Teams. Bis auf die erwähnte frühe Möglichkeit der Engländerinnen gab es auf beiden Seiten keine Chancen, stattdessen gab es viele lange Bälle und durch gutes Pressing erzwungene Fehlpässe zu sehen.

Als nach rund 30 Minuten beide Mannschaften im Pressing einen Gang zurückschalteten, zeigte sich schnell, dass die Französinnen die reifere und kreativere Spielanlage hatten. Besonders von Thiney und Abily gingen viele gefährliche Aktionen aus. Die letzte Viertelstunde der ersten Hälfte gab es so ein klares Chancenplus für die Französinnen: Mit 8 zu 1 Torschüssen ging es in die Pause.

Auch nach der Halbzeit lief das Spiel so weiter. Erstaunlich war Frankreichs Kontrolle über das Mittelfeld. Die passsicheren Spielerinnen konnten das Mittelfeldpressing des Gegners gut umgehen. Sobald die englische Mannschaft hinten ein wenig unsortiert war, nutzte man das mit schönen Pässen auf die Außenpositionen aus. Die Engländerinnen gaben ihnen jedoch nur selten die Möglichkeit, sich so zu entfalten. Ihre defensive Ordnung stand sicher – wie bei so vielen Teams dieser WM.

Offensiv hingegen sah man lange Zeit nichts von ihnen. Ihre Genauigkeit in den langen Bällen nahm ab. Etwas überraschend fiel daher der Führungstreffer in der 59. Minute. Scott erlief einen dieser langen Bälle, narrte zwei Gegenspielerinnen und schoss kunstvoll über die Torhüterin. Der Gegentreffer bestrafte ineffektive Französinnen, die aus ihrer Feldhoheit kein Kapital schlagen konnten.

Frankreich musste reagieren. Mit Thanis (67. für Soubeyrand) und Bretigny (79. für Necib) kamen zwei Offensivkräfte. Abily fiel etwas in die Zentrale zurück, Bretigny wurde zweite Stürmerin neben Delie. Diese Wechsel taten dem französischen Spiel gut, da man jetzt in der Mittelfeldzentrale ebenfalls mehr Kreativität und Offensivkraft hatte. Außerdem gab es vorne nun eine Anspielstation für die langen Bälle, die in der K.O.-Phase eines Turniers zum Standartrepertoire einer zurückliegenden Mannschaft gehören.

Dennoch war es faszinierend zu sehen, wie lange die Französinnen über spielerische Elemente den Ausgleich erreichen wollten. Verzweifelte Flanken aus dem Halbfeld wurden erst in den letzten Minuten ihr Mittel. Bis kurz vor Schluss löste man viele Situationen mit schnellen, flachen Pässen. Am Ende stand ein klares Chancenplus für Frankreich zu Buche. In den letzten zehn Minuten gab es vier wirklich hochklassige Chancen – am Ende schossen sie den verdienten Ausgleichstreffer durch Busaglia (87.).

Das Spiel ging in die Verlängerung, in der England nun ein Problem hatte: Man hatte sein Wechselkontingent mit defensiven Wechseln kurz vor Schluss aufgebraucht. Dadurch stand man defensiv sicherer, war nach vorne allerdings harmlos. Erschwerend hinzu kam, dass man nach einer Verletzung Smiths praktisch zu zehnt auf dem Platz war. Umso bemerkenswerter war es, dass man mit großem Kampf und viel Laufbereitschaft bis zum Ende das Unentschieden halten konnte. Nach 120 Minuten stand es 37 zu 7 nach Torschüssen für Frankreich. Fazit

Am Ende war es die Elfmeterlotterie, die das Spiel zugunsten Frankreichs entschied. Von verdient und nicht verdient kann man nach einem Elfmeterschießen nie reden. Dennoch hat sich – wie auch im anderen Viertelfinale – die spielerisch reifere Mannschaft durchgesetzt. England kam hauptsächlich über ihr laufintensives, körperbetontes Pressing. Frankreich hielt mit spielerischen Mitteln dagegen. So stehen nun mit Japan und Frankreich die zwei Mannschaften im Halbfinale, die technisch bisher am meisten überzeugten.

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