Periodisierungstechniken: Die Wellenperiodisierung

Im Krafttraining gibt es einen aktuell sehr populären Trend in der Periodisierung: Die Wellenperiodisierung. Vorsicht vor einem false-friend: Auf englisch heißt es „Undulating model“, die „wave periodiziation“ bezeichnet nämlich eine Variante der klassischen Periodisierung. Diese Art der Periodisierung ist verwandt mit der Multi-Stufen-Periodisierung (von Peter Coe im Lang- und Mittelstreckenlauf in den frühen 70ern entwickelt) und beides wird auch oft als innereinheitliche Periodisierung“ bezeichnet.

Bei der wellenförmigen Periodisierung wird innerhalb von sehr kurzen Abständen, oft von einem Tag auf den anderen, das Training variiert. Es verändert sich dabei bei den Übungen, bei der Intensität, dem Volumen und dem jeweiligen Trainingsziel (bspw. Wechsel von Maximalkraft auf Schnellkraft). Das klingt erst einmal unlogisch, hat aber einige interessante Aspekte.

Entstehung der wellenförmigen Periodisierung

Erstmals erwähnt wurde die wellenförmige Periodisierung von Poliquin im Jahre 1988. Sein Werk „Five ways to increase the effectiveness of your strength training program” im National Strength & Conditioning Association Journal, 10(3), Seite 30-33, erwähnte dabei die Vorteile eines möglichen andauernden Wechsels der Belastung in ihren Aspekten.

Diese Vorteile sind rein logisch schon klar ersichtlich. Durch eine Variation der Übungen, der Intensität und Trainingsziele kann der Körper nicht nur öfter, sondern auch variabler gefordert werden. Dies erzeugt eine größere Schockreaktion und trainiert den Körper, da dieser sich nicht so simpel anpassen kann. Da oftmals auch unterschiedliche Systeme angesprochen und gereizt werden, kann bei Berücksichtigung der jeweiligen Wechselwirkungen durchaus auch etwas öfter trainiert werden. Man merkt einen (versuchten) Paradigmenwechsel: Die Blockperiodisierung geht davon aus, dass man durch die Fokussierung, das Erlernen der Technik und die schnelle Erhöhung des Niveaus besser trainieren kann, die Wellenperiodisierung geht eher von einer biologischen Seite daran heran und kommt zu einem anderen Schluss.

So argumentierten Baker et al. 1994 in ihrem Werk “Periodization: the effect on strength of manipulating volume and intensity” im Journal of Strength and Conditioning Research, 8(4), Seite 235-242 mit einer Prävention neuraler Erschöpfung. Eine lineare Periodisierung betrachtet Ermüdung spezifisch für einen Trainingsinhalt und baut deshalb von einem Trainingsreiz auf den anderen auf; dies kann zu geringerem Trainingseffekt führen.

Eine Variation zwischen hochintensivem Training und Training mit großem Volumen sowie Veränderung der jeweiligen Trainingsziele kann diesem vorbeugen und bei stärkerer Beanspruchung unterschiedlicher Systeme zu mittelfristig und langfristig größeren Trainingseffekten in der Gesamtheit der Fähigkeiten führen. Eine größere Belastung des neuromuskulären Systems gilt als die Ursache für körperliche Verbesserungen, bei der wellenförmigen Periodisierung wird diese am größten.

Eine Studie von Rhea et al. aus dem Jahre 2002 namens „ A Comparison of Linear vs. Undulating Periodized Porgrams with Equated Volume and Intensity for Strength“ im „Journal of Strength and Conditioning“, Seite 250-55, bewies positive Befunde für eine größere Steigerung bei der wellenförmigen Periodisierung.

Die Gruppe mit dem täglich variierenden Programm verbesserte sich z.B. beim Bankdrücken um beachtliche 28,78% Prozent, während die linear trainierende Gruppe sich um nur 14,37% verbesserte. Der erhöhte Stress und die Variabilität der Übung sorgen nach dieser Studie für erhöhte Effekte, anstatt wie bei einer monatlichen Veränderung und zuvor linear aufsteigendem Training.

Theoretisch könnte allerdings bei linearen Verfahren etwas mehr Einfachheit für Anfänger ausgemacht werden. Wird längerfristig ohne größere Veränderungen trainiert, dann entsteht natürlich mehr Routine bei der Ausführung. Technische Fehler dürften dadurch seltener werden, was die Effektivität der Ausführung und damit der Wirkung erhöht.

Beim Krafttraining hat sich die wellenförmige Periodisierung auf höchstem Niveau aber durchgesetzt. Powerlifter Ed Coan oder der vierfache Mr. Olympia Jay Cutler oder auch Mr. Olympia Phil Heath trainieren damit, sie verändern ihre Trainingsweise nahezu von einer Übung zur anderen.

Der Vorteil erscheint logisch: Sie befinden sich bereits auf so einem hohen Niveau, dass eine Blockperiodisierung nur für kleine Fortschritte sorgt, diese aber während der anderen Blocks schneller abnehmen, als bei „normal“ trainierten Athleten. Eine klassische Periodisierung zur Wettkampfphase hätte ein ähnliches Problem. Es dürfte fraglich sein, trotz muskulärer Erinnerungseffekte, zur jeweiligen Peak-Zeit auf das wirklich optimale Niveau zu kommen, obgleich diese Art der Periodisierung weitestgehend genutzt wird; sie ist auch mit der wellenförmigen Periodisierung vereinbar, wie ich später noch ausführen möchte.

Mit der wellenförmigen Periodisierung können Kraftathleten das Training variieren und unterschiedliche Aspekte jeweils verschieden fordern. Fleck et al. 2001 verglichen dafür wellenförmige Periodisierung mit Blocktraining. Jene Athleten im Kraftbereich, die eine wellenförmige Periodisierung nutzten, hatten signifikant höhere Werte. Beim Blocktraining wurde auf diesem Niveau nach 3-6 Monaten ein Deckeneffekt erreicht.

Eine wellenförmige Periodisierung im Rugby, genommen von dieser Seite. Fokus liegt auch hier auf Kraft.

Eine wellenförmige Periodisierung im Rugby, genommen von dieser Seite. Fokus liegt auch hier auf Kraft.

Wie genau lässt sich das jedoch abseits des Kraftsports nutzen?

Nutzung im Fußball

Das Ziel der wellenförmigen Periodisierung ist im Grunde ähnlich wie bei der Multi-Stufen-Periodisierung eine multidisziplinäre Schulung des Körpers. Coe trainierte dafür gleich mehrere Aspekte auf einmal, beim Krafttraining wird ähnliches durch schnelle Abfolge von variablen Trainingszielen im Tages- und Wochenrhythmus erzielt. Insbesondere beim Laufsport liegen die Vorteile auf der Hand: Wechsel zwischen den jeweiligen Trainingsgruppen und körperlichen Systemen gehen einfacher vonstatten, da keines zeitweise unterentwickelt ist. Überbelastung und Verletzungen verringern sich.

Interessant: Die wellenförmige Periodisierung ist theoretisch in eine klassische Periodisierung einzubetten. Der Trainingsinhalt in Mesozyklen wird dabei variiert, die Intensität und das Volumen fluktuieren ebenfalls in einem bestimmten Rahmen auf und ab, dieser Rahmen wird aber nach einem Prinzip der klassischen Periodisierung nach oben oder nach unten geschoben. Das bedeutet, dass über einen Jahres- bzw. Saisonverlauf mit der Intensität und dem Volumen gespielt wird. Metaphorisch gesprochen: Die Wellen schlagen manchmal weiter nach oben aus.

Normalerweise könnte dies im Fußball praktiziert werden. Eine rein wellenförmige Periodisierung dürfte in Sportarten wie dem Radsport oder der Leichtathletik eher seltener verwendet werden, da man zu einem bestimmten Zeitpunkt topfit sein soll und bei einer wellenförmigen Periodisierung eventuell daran vorbei trainieren, noch nicht in Topform sein oder in einen unpassenden Biozyklus kommen könnte. Beim vorher schon erwähnten Bodybuilding hingegen lässt sich der Körper durch die Eigenheit dieser Sportart nahezu ganzjährlich mit ähnlicher Intensität trainieren und es gibt lediglich eine Art „Tapering“-Phase unmittelbar vor Wettkampfbeginn.

Beim Fußball wäre es aber möglich, da hier die Periodisierung ohnehin stark durch den Spielplan und die Natur der Sportart vorgegeben ist; eigentlich jeder Verein muss in der Liga ohnehin so viele Punkte wie möglich schaffen, die Pause ist für alle gleich, eine besondere kurze Wettkampfphase gibt es nicht. Eine Wellenperiodisierung über die Saison mit einzelnen physischen Blockaspekten zuvor wäre hierbei eine Variante.

Wer mehr zum Thema erfahren möchte: Hierzulande gilt Professor Dietmar Schmidtbleicher als ein prominenter Vertreter der wellenförmigen Periodisierung in der Trainingswissenschaft.

Literaturverzeichnis:

Baker, D., Wilson, G., & Carlyon, R. (1994). Periodization: the effect on strength of manipulating volume and intensity. Journal of Strength and Conditioning Research, 8(4), 235-242.

Rhea M., Ball, S., Phillips, W., & Burkett, L. (2002). A Comparison of Linear VS Undulating Periodized Programs with Equated Volume and Intensity for Strength. Journal of Strength and Conditioning, 16(2), 250–255.

Poliquin, C. (1988). Five ways to increase the effectiveness of your strength training program. National Strength & Conditioning Association Journal, 10(3), 30-33.

Leon 6. Januar 2014 um 12:20

Höchst interessanter Artikel. Hätte nie gedacht, hier Periodisierung zu lesen.

Der amerikanische Trainer Dan John unterteilt Athleten in vier Quadranten.
Quadrant 1 ist prinzipiell jeder bis 18 und sollte so viele verschiedene Sportarten wie möglich beinhalten. Idealerweise sollte jemand beim Anschauen der Olympischen Spiele sagen können, dass er jede Disziplin mal gemacht hat.
Zusammengefasst viele Qualitäten auf niedrigem Niveau.

Quadrant 2 sind viele Qualitäten auf hohem Niveau. Darunter fallen Mannschaftssportarten und bestimmte Einheiten der Polizei und des Militärs.

Quadrant 3 sind alle, die diesen Artikel lesen. „We don’t do much and we don’t do it well.“ Wichtig ist hier lediglich ein gewisses Maß an Kraft, Mobilität und Ausdauer aufzubauen.

Quadrant 4 sind wenige oder auch nur eine Qualität auf dem höchsten Niveau. Sprinter oder Gewichtheber sind dafür gute Beispiele.

Normale Freizeitsportler sollten nicht den Fehler machen, Methoden von Athleten aus Quadrant 2 oder 4 zu kopieren.

Das Problem mit Quadrant 2 ist es zu bestimmen, was genau wirklich hilft. Daher findet man in den Trainingsräumen von Am. Football Vereinen so gut wie jedes Trainingsgerät, dass auf dem Markt ist. Da so viele Qualitäten vorhanden sein müssen, ist es schwer zu sagen, was wichtig ist, und was wirklich hilft. Ein Fußballteam kann in grandioser physischer Verfassung sein und trotzdem jedes Spiel verlieren.

Dass ihr das Thema ansprecht, finde ich sehr positiv. Ich habe den Eindruck, dass Fußball eher konservativ ist, was neue Trainingsmethoden angeht. Im Eishockey werden schon seit den 70igern Übungen aus dem Gewichtheben verwendet, um die Spieler explosiver und kräftiger zu machen.
Und anscheinend herrscht im Fußball immer noch häufig der Eindruck, dass Muskeln langsam und unbeweglich machen. Ich könnte mir vorstellen, dass Fußballer in Zukunft kräftiger aussehen werden. Götze ist ein gutes Beispiel für diese These. Klein von Wuchs, aber durchaus kräftig.

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