Die Defensive stärken und den Aufbau verbessern
Klare defensive Abläufe und Detailarbeit
Viele der Verbesserungsvorschläge für die Defensive ergeben sich fast zwangsläufig aus der Problemanalyse. Das Offensichtliche zuerst: Anhand der zahlreichen Fehlern in der Übergabe von Spielern, im Einrücken und im allgemeinen gruppentaktischen Verhalten müssen diese Situationen eintrainiert und verinnerlicht werden. In der aktuellen Lage muss das ballorientierte Verschieben die oberste Priorität haben. Eine zonale Mannorientierung mit klaren Übergabemechanismen ist der erste Schritt zu einer defensiven Besserung.
Hierunter fällt auch die Arbeit im Detail: Standards müssen genauso einstudiert werden wie Abläufe im eigenen und im gegnerischen Sechzehner. Solche einstudierten Varianten können helfen, das vorhandene Potenzial besser auszunutzen, vor allem gegen individuell unterlegene Gegner. Auch fehlte bisher vor allem bei den Standards eine konkrete Beziehung zum jeweiligen Gegner. Individuelle Varianten wären ein erster Schritt, um sich bei gegnerischen Standards zu stabilisieren.
Höhe der Abwehrlinie
Ein starkes Pressing lässt sich nicht von heute auf morgen eintrainieren, ist aber unabdingbar, wenn man in der Bundesliga im Jahr 2014 bestehen will. Mirko Slomka dürfte versuchen, das von ihm bekannte 4-4-2-Mittelfeldpressing zu etablieren. Das ist gar keine schlechte Wahl, bedenkt man, dass der HSV im Mittelfeld potentiell starke Ballgewinner hat.
Kurzfristig muss die Devise allerdings heißen: Im Zweifel lieber tief stehen. Der HSV zeigte sich zuletzt anfällig für Schnittstellenpässe, auch die Absprachen zwischen Keeper und Abwehr funktionierten nicht immer (siehe das 0:2 gegen Schalke). Nach und nach muss es das Ziel sein, weiter vorzuschieben, den Raum zu verengen und mit einem situativen Pressing Ballgewinne auch in der gegnerischen Hälfte zu verbuchen.
Mannorientiertes Gegenpressing
Ein Gegenpressing wird dringend benötigt, um bei Ballgewinnen in der gegnerischen Hälfte Konter zu verhindern oder Ballgewinne in potentiell gefährlichen Zonen zu erreichen. Das wohl am wenigsten komplexe und am leichtesten zu trainierende Gegenpressing ist das zugriffsorientierte bzw. mannorientierte Gegenpressing. Nach einem Ballverlust greifen ein oder zwei ballnahe Spieler den Gegner an, der Rest orientiert sich an nahen Gegenspielern. Der Gegner kann so in direkte Duelle gezwungen werden und der HSV die durchaus vorhandene individuelle Klasse einsetzen.
Engen bespielen, Badeljs herausragende Fähigkeiten nutzen!
Mit Milan Badelj hat der HSV einen Spieler, der in engen Situationen überdurchschnittlich begabt ist. Regelmäßig ist er der HSV-Akteur mit den meisten erfolgreichen Dribblings pro Spiel. Zur Zeit finden diese Dribblings jedoch lediglich zur Schadensbegrenzung statt – nämlich dann, wenn Badelj auf der Suche nach Anspielstationen von immer mehr Gegnern bedrängt wird. Dieses Potenzial ließe sich bei einer stärkeren Fokussierung auf das Zentrum besser nutzen. Wie bei den Schwachstellen schon angesprochen, agiert der HSV im zweiten Spielfelddrittel zu hektisch und verpasst es, dort Dominanz aufzubauen.
Möchte man das angesprochene Abkippen beibehalten, gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten. Entweder man kombiniert aus den tieferen Räumen im Kollektiv und versucht so, Raum zu gewinnen oder man staffelt sich besser für zweite Bälle.
Ersteres dürfte bei den vorhandenen HSV-Akteuren eigentlich kein großes Problem darstellen. Neben Badelj verfügt der HSV mit Arslan, Bouy und van der Vaart über passsichere Spieler mit guter Technik. Die drei Erstgenannten und auch mit Abstrichen van der Vaart können Engen bespielen und das gegnerische Pressing so ins Leere laufen lassen. Die Hamburger Zentrale sollte also enger und intensiver zusammenspielen und sich gemeinsam über das Feld bewegen. Dies böte auch den Vorteil, sofortigen Zugriff im Gegenpressing zu haben, wenn einmal ein Ball verloren geht. Badelj hat ein hervorragendes Timing beim Herausrücken, wenn er nicht zu große Räume abzudecken hat, auch Arslans eher hektischer Spielweise gegen den Ball dürfte dieses engere Gebilde entgegenkommen.
Abkippen und ballfern ballen
Lange Bälle zu spielen ist weiterhin möglich, müsste jedoch anders umgesetzt werden. Als Ausgangslage würden hier van der Vaarts bevorzugte Bewegungen in Richtung des eigenen Rechtsverteidigers sein, der weit vorschiebt. Bei van der Vaarts Ballannahme würde nun eine kollektive Linksverschiebung des Teams stattfinden.
Vorne links würden sich Lasogga und Jansen in vorderster Linie positionieren und auf den ersten Ball gehen, während der Linksaußen und der ballnahe Sechser den Rückraum sichern und für den zweiten Ball bereit stehen. Direkt dahinter sichert der ballnahe Sechser ab. Van der Vaart könnte lange Diagonalbälle schlagen, die Jansen oder Lasogga sich gegenseitig in den Lauf legen könnten.
Die in engen Situationen starken Calhanoglu und Badelj/Arslan/Bouy dahinter könnten zweite Bälle verarbeiten, aus der Enge hinausdribbeln und in die Tiefe spielen. Der Rechtsaußen würde ähnlich wie Thomas Müller bei den Bayern diagonal hinter die Abwehr starten und die Seite für den aufrückenden Rechtsverteidiger freimachen.
Mutigere Laufwege von Innen- und Außenverteidigern
Um im Offensivspiel weniger vorhersehbar zu sein, bieten sich für die Abwehrspieler zwei simple Maßnahmen an.
Kippt einer der Sechser zwischen oder neben die Innenverteidiger ab, wird eine breite Dreierkette formiert. Innerhalb dieser Kette wird das Spiel verlagert, einer der breit stehenden Innenverteidiger ist häufig frei und hat Zeit am Ball. Statt anspruchsvolle lange Pässe zu riskieren, könnten die Innenverteidiger hier mit dem Ball durch den Halbraum an den gegnerischen Stürmern vorbei ins Mittelfeld vorrücken. So entstehen neue Passwinkel, mögliche Mannorientierungen des Gegners werden durcheinander gebracht. Westermann könnte hier seine Dynamik ausspielen, Djourou seine Passstärke.
Auch die Außenverteidiger sollten variantenreicher agieren. In der Regel beschränken sich ihre Offensivlaufwege auf das klassische Hinterlaufen, sodass ihre Vordermänner mit dem Ball am Fuß nach innen ziehen können. Problem hierbei: Das Hinterlaufen ist recht vorhersehbar und leicht zu verteidigen. Zudem spielen die Flügelspieler beim HSV nur selten auf den hinterlaufenden Außenverteidiger, das Frustpotenzial nach mehreren 60-Meter-Sprints ist demnach hoch.
Um den gegnerischen Abwehrverbund vor Probleme beim Übergeben zu stellen, könnten die Außenverteidiger des HSV ihre Vordermänner auch mal vorderlaufen, sie also innen überholen und in die Spitze starten. Hier ist für den Gegner oft nicht klar, wer den durchbrechenden Außenverteidiger übernehmen soll. Wird der Ball also auf den breit stehenden Flügelspieler gespielt, startet der Außenverteidiger in die Schnittstelle der gegnerischen Viererkette. Vorteil daran: Der Hamburger Flügelspieler kann einen recht simplen angeschnittenen Ball die Linie entlang spielen und den Außenverteidiger in eine gute Position bringen. Dies würde sich auch positiv auf die Absicherung auswirken, denn der passgebende Flügelspieler bleibt in diesem Szenario recht tief und kann bei Ballverlust sofort den Raum des aufgerückten Hintermanns übernehmen.