Juventus Turin – AS Roma 4:0

Mit zwei Toren innerhalb von acht Minuten überrumpelt Juventus die Roma – die richtige Systemwahl, die hervorragenden Vorstöße Vidals, die Kontrolle des Mittelfeldzentrums und die letztlich daraus resultierenden Freiheiten auf den Flanken waren die Schlüssel zu einem hochverdienten Sieg.

Während Juventus um die erste Meisterschaft seit Jahren kämpft, will die Roma das internationale Geschäft sichern und sich eigentlich in den Kampf um die Champions League einmischen. Dabei konnten beide Mannschaften von den Patzern ihrer Konkurrenz profitieren – sowohl der Tabellenzweite Milan als auch der Dritte Lazio hatten jeweils nur Remis gespielt. Insofern also eine große Chance für die Teams, sich entweder abzusetzen (Juventus) oder näher heranzurücken (Roma).

Das 3-5-2 diesmal die richtige Wahl

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Beide Mannschaften haben vor dieser Saison einen neuen Trainer verpflichtet und dabei einen neuen Weg eingeschlagen – auf der einen Seite Antonio Conte, der Juventus in eine all-round-Angriffsmacht verwandelt hat, und auf der anderen Seite Luis Enrique, der die Roma im Geiste der Spielphilosophie Barcelonas spielen lässt. Ein sehr interessanter, wenn auch oftmals diskutabler Aspekt bei Conte ist, dass er je nach Gegner zwischen einer 4-3-3-Formation und einem 3-5-2 wechselt, wobei Letzeres zuletzt immer häufiger gespielt wurde – beispielsweise gegen Napoli.

In dieser Partie gegen die Roma und das von jenen gespielte – und ohne Francesco Totti sehr klassisch interpretierte – 4-3-1-2 mit einer Mittelfeldraute traf Conte aber genau die richtige Wahl, wieder auf das 3-5-2 zu setzen.

In der zentralen Verteidigung hatte man gegen die beiden gegnerischen Spitzen Osvaldo und Borini eine Überzahlsituation und somit immer einen Mann zur Absicherung, während die anderen beiden ihre Gegner konsequent attackieren konnten. Das zweikampfstarke Innenverteidiger-Bollwerk der Turiner konnte somit die Römer Torgefahr und Durchschlagskraft stark eingrenzen.

Juventus mit der Überlegenheit im Mittelfeld und der daraus resultierenden Kontrolle der Flügel

Auch im Mittelfeld waren die Hausherren ihren Gegnern überlegen. Inspiriert und angetrieben von Andrea Pirlo, der auf der Sechserposition erneut eine starke Vorstellung als tiefliegender Spielmacher zeigte und von der Roma nicht in den Griff zu kriegen war (117 Ballkontakte, 94 % Passgenauigkeit), liefen ihre Angriffe in Richtung gegnerisches Tor.

Mit ihren enorm gefährlichen Läufen sorgten Vidal und Marchisio immer wieder für Gefahr im Strafraum oder zwischen den Linien – Perrotta und Marquinho konnten ihrem Tempo nicht folgen, die Struktur des Mittelfelds der Römer brach zusammen. Weil sich aus dem Sturmzentrum auch noch Vucinic fallen ließ, um für zusätzliche Überlegenheit zu sorgen, wurde Gago schlussendlich von Juventus überladen, die diese Lücken im Zentrum gerne ausnutzten.

Von dort konnte man dann auf die Flügel spielen, wo Juventus´ Wing-Backs – abgesichert von ihren drei Innenverteidigern – ungebremst nach vorne marschieren konnten, so dass man auch das Gebiet auf den Flügeln dominierte und die Roma nach hinten gedrückt wurde. Sowohl Lichtsteiner auf rechts als auch de Ceglie der auf der anderen Flanke standen enorm breit. Die Viererkette der Gäste musste sich aufgrund ihrer zentralen Unterlegenheit sehr eng zusammenziehen, konnte somit die beiden Turiner Außenspieler kaum mehr verteidigen und ihre Flanken nicht verhindern – allein de Ceglie brachte insgesamt 7 Hereingaben. Im Zentrum hatte man mit den beiden Stürmern und dem enorm aggressiv nachstoßenden Vidal zahlreiche potentielle Abnehmer. So war es nach vier Minuten eine dieser Flanken de Ceglies, die der Chilene auf Höhe des zweiten Pfostens einschoss.

Bezüglich der Spielzüge durch das Zentrum sollte noch die Rolle der beiden Stürmer der Gastgeber nicht unerwähnt bleiben: Während Quagliarella die Räume für Vidal freiblockte, standen er und sein Partner Vucinic immer wieder auch als Anspiel-Prellbock zur Verfügung stand. Hieraus entstanden einige sehr sehenswerte Spielzüge, wenn die Stürmer vertikale oder horizontale Zuspiele Pirlos, de Ceglies oder Marchisios ablegten – eine solche One-Touch-Kombination inklusive Hackentricks von Vucinic sollte später dann gar zum sehenswerten 4:0-Schlusspunkt durch Marchisio führen.

Rote Karte als Folge der Kräfteverhältnisse

Grundformationen nach dem Platzverweis für Stekelenburg (26.)

Vorher hatten die Gäste allerdings noch unter einem enorm frühen 2:0 bereits in der 8. Spielminute durch Vidal zu leiden sowie unter einem Platzverweis für Stekelenburg (26.) und dem im Nachschuss verwandelten fälligen Elfmeter von Pirlo (29.). Entstanden war die Elfmetersituation, als ein weiteres Zuspiel aus dem Zentrum auf de Ceglie gespielt wurde, der von der eng zusammengezogenen gegnerischen Abwehr profitierte, durchbrach und anschließend den Elfmeter herausholte.

Spätestens mit diesem Treffer waren alle Hoffnungen der Roma dahin. Nun wurden sie von einem aggressiven Pressing Juventus´ ausgelaugt, welches die Überzahl nutzte und den Willen der Roma brach – Vidal attackierte den zurückfallenden Gago gnadenlos, so dass man kaum mehr von hinten heraus spielen konnte. Mit einer Mischung aus einem 4-4-1 und einem 4-3-2 versuchte Luis Enrique die Situation kreativ zu lösen, doch konnte man sich weder aus dem gegnerischen Pressing lösen und vorne für genug Gefahr sorgen, noch war man defensiv wirklich stabil. Zum einen konnte man die Linien zwischen Abwehr- und Mittelfeldreihe nicht schließen, zum anderen eröffnete sich ein Freiraum auf halbrechts für Vidal/Giaccherini, Pirlo und Lichtsteiner, wobei man dennoch bevorzugt über die sehr dominante linke Seite mit de Ceglie, Marchisio und Vucinic angriff.

Fazit

Ein verdienter Sieg für die Heimmannschaft, aufgrund ihrer taktischen Überlegenheit, die schon mit der Wahl des 3-5-2 als Grundformation begann und Contes Versuch der Flexibilität belohnte. Einiges gibt es für die Alte Dame sicherlich noch zu verbessern, doch man wird seinen Weg machen, möglicherweise die Meisterschaft holen und in jedem Fall nächstes Jahr in der europäischen Königsklasse spielen. Mal sehen, wie es dort läuft.

Die Roma sollte dieses Spiel möglichst schnell abhaken – es gab diesmal nichts zu holen und die derart große Überlegenheit des Gegners war auch dadurch bedingt, dass man nach 8 Minuten zwei Gegentreffer gefangen hatte, demoralisiert war und sich nicht mehr entgegen stemmen konnte. Es fehlt dem System Enriques noch an Stabilität – personell, aber auch in der genauen Einstellung auf die Gegner sowie in Bezug auf die Konstanz der Leistungen. Immer wieder kehrende Ausrutscher wie das kürzliche 2:5 gegen Lecce sollten dringen vermieden werden.

Lino 24. April 2012 um 11:12

Sehr schöner Artikel, der wunderbar die Schwächen eines 4-4-2 (mit Raute) aufdeckt.

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juventino 23. April 2012 um 19:08

super artikel! ich glaube jedoch, dass es marchisio war der denn elfmeter rausholte, nicht de ceglie. conte’s 3-5-2 gefällt mir unterdessen sehr gut. vor allem lichtsteiner blüht so extrem auf und die mittelfeld dominanz durch marchisio, vidal und pirlo wird verstärkt. ich glaube die meisterschaft ist uns nicht mehr zu nehmen. wenn wir uns im sommer gut verstärken werden wir auch nächstes jahr international sehr ernst zu nehmen sein.

auf jeden fall vielen dank für die analyse.

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