Chelsea FC – Tottenham Hotspur 0:0
Ein direktes Duell um die Champions-League-Plätze.
Nach der Entlassung von André Villas-Boas hat Übergangscoach Roberto di Matteo der Mannschaft Chelseas eine deutlich defensivere Ausrichtung verpasst und lässt ein klares 4-2-3-1 spielen. Damit konnte man in der Königsklasse gegen Napoli noch den Einzug in die nächste Runde schaffen, während man in der Liga weiterhin auf Rang 5 liegt und um den neuerlichen Einzug in die Champions League kämpft. Nun kam es zum Londoner Derby gegen die Tottenham Hotspur, welche auf dem dritten Platz liegen und somit ein direkter Konkurrent für die Blues sind – in der jüngeren Vergangenheit hatten die Spurs einige Probleme und scheinen zu Frühlingsbeginn nicht mehr ganz so gut in Form zu sein wie noch im Herbst und Winter.
Leider merkte man beiden Teams deutlich die Bedeutung dieser Partie an, so dass beide eher vorsichtig und abwartend spielten, den riskanten Ball lieber vermieden und nicht mit voller Kraft unbedingt auf ein Tor gingen. So ergab sich eine enorm ereignisarme und schlichtweg langweilige erste Halbzeit ohne wirkliche Torchancen, in der es nur einen einzigen Schuss aufs Tor gab.
Die Hausherren traten mit einem 4-5-1/4-4-1-1-System an und waren zunächst einmal auf Sicherheit bedacht, verteidigten bei gegnerischem Ballbesitz also sehr kollektiv und tief. Auf der anderen Seite formierten sich auch die Spurs in der Defensive in einem 4-5-1 und ließen Chelsea den Ballbesitz – beiden Mannschaften gelang es aus mehreren Gründen nicht, die jeweilige Defensivmauer des Gegners zu knacken.
Warum Tottenham ungefährlich blieb
Auf dem Papier schickte Trainer Harry Redknapp ein 4-3-3/4-1-4-1 mit Rafael van der Vaart auf der rechten Seite auf das Feld, wovon allerdings in der Realität kaum etwas zu sehen war, denn der Niederländer spielte eigentlich komplett im Zentrum oder gar halblinks. Auch das Trio im zentralen Mittelfeld rochierte sehr viel, sowohl Sandro als auch Modric ließen sich gelegentlich nach hinten fallen, Sandro wich auf die rechte Seite aus, um dort die Räume abzusichern, Modric rückte stärker nach vorne auf. Da auch Adebayor extrem viel auf die Seiten rochierte, waren Parker als Sechser und Bale als Linksaußen praktisch die einzigen beiden Fixpunkte in der Offensive der Spurs, die zusätzlich noch vom gewohnt offensiven Rechtsverteidiger Walker unterstützt wurde, der das Loch eines fehlenden rechten Flügelspielers vor sich schließen musste.
Hier wurden allerdings schon zwei Probleme der Gäste offenbar: Zum einen hatte ihr Spiel einen zu starken Linksdrang (46 % ihrer Angriffe kamen über diese Seite) und schnürte sich sozusagen selbst ein. Es schien gar so, als habe man etwas zu viel Fluidität und Bewegungen im Mittelfeld, denn diese Bewegungen arteten teilweise in einfache Positionswechsel mit Ball aus, die das Tempo verlangsamten und nicht in Richtung Tor gingen. Teilweise standen die drei rochierenden Offensivkräfte alle auf dem linken Flügel, während sich die drei tiefstehenden Spielmacher alle im gleichen Raum ballten – man machte sich also die Räume speziell im sowieso von Chelsea vollgestellten Mittelfeld selbst eng und besetzte nicht die Räume in Tornähe.
Zum anderen gelang es gegen die solide stehende Chelsea-Defensive bereits der Abwehr nicht, genug Druck aufzubauen, um die Mittelfeldspieler aus ihrer Situation befreien zu können. Assou-Ekotto blieb zu tief und stand sich somit mit Kaboul auf den Füßen, Gallas ging im Spielaufbau nicht aktiv nach vorne und zwang Chelsea zu keinerlei Bewegungen, wobei dies auch an Sturridge lag, der ohne gegnerischen Flügelspieler hinter sich mit nach vorne aufrücken und gegen Gallas das Zentrum versperren konnte. So musste Modric immer wieder nach hinten kommen. Dann konnte Chelsea allerdings Parker durch Mata und Sandro durch Lampard abdecken, Modric Zeit am Ball lassen und mit Essien eventuelle Lücken schließen – so konnte Tottenham trotz ihrer Bewegungen und ihres versuchten Überladens keine effektiven Überzahlen herstellen.
Nachdem das kollektive Angriffsspiel der Nord-Londoner weitestgehend fruchtlos blieb, waren Dribblings von Gareth Bale die verbliebene Alternativ-Route zum Tor. Doch auch hier war Chelsea gut genug vorbereitet und stellte Rechtsverteidiger José Bosingwa mit Ramires einen sehr defensiv- und laufstarken Außenmittelfeldspieler zum Doppeln an die Seite. Bei der Niederlage gegen Manchester City unter der Woche hatte Chelsea mit Mata auf dem Flügel noch Probleme gegen Citys Außenverteidiger Zabaleta gehabt – nun allerdings war man auf Gefahrenquellen auf dem Flügel mit genug Defensivstärke vorbereitet. In der Praxis klappte dies ebenfalls sehr gut, so dass man Bale gegen die doppelte Absicherung kaum in Aktion sah.
Warum Chelsea ungefährlich blieb
Hinten wollte Chelsea Bale neutralisieren und vorne den Raum hinter ihm ausnutzen. Dafür agierte Bosingwa bei Ballbesitz relativ offensiv und stieß im Rücken seines walisischen Gegenspielers weit vor, um dann mit langen Seitenwechseln oder Chip-Pässen über Bale hinweg freigespielt zu werden.
So sollten gute Flankenmöglichkeiten auf den kopfballstarken Drogba und den von der anderen Seite einrückenden Sturridge heraus gearbeitet werden, was allerdings nicht funktionierte, da die Bälle auf Bosingwa nicht ganz so leicht zu spielen waren und die 30 Flanken, die man dann schließlich doch in die Mitte schlug, nicht an den Abnehmer gebracht werden konnten. Ansonsten brachte man aber kaum etwas Offensives zustande – Mata war gegen die Vielzahl an zentralen Mittelfeldspielern bei Tottenham und in Anbetracht eines fehlenden dynamischen Kombinationspartners kaum auffällig, während Lampard und Essien sich zwecks Vorsicht zurückhalten sollten und daher nur sporadisch ins letzte Drittel aufrückten. 30 Flanken – wie bereits erwähnt – und 71 % der Angriffe über die Flügel – die Statistiken fassten Chelseas Strategie treffend zusammen.
Zweite Halbzeit
Nach langweiligen 44 Minuten hatte der erste Durchgang mit einem Paukenschlag – der ersten großen Chance des Spiels, die gleich eine fulminante Dreifachchance für die Spurs war – geendet. Im zweiten Durchgang bekam man gute Chancen dann ein wenig häufiger zu sehen, da sich das Spiel etwas öffnete und besonders die Spurs zu mehr Chancen kamen.
Man agierte nun wesentlich kollektiver und bezog auch den rechten Flügel wieder stärker mit ein, was Chelseas Verteidigung zu stärkerem Verschieben zwang, womit sie schon unter der Woche gegen die Citizens Probleme gehabt hatten. Im zentralen Mittelfeld wurden die vielen Wechsel entschärft und gerade an Sandro und Modric klarere Rollen verteilt – Erstgenannter sicherte auf halbrechts und spielte verstärkt neben Parker, während Modric sich stärker nach vorne einschaltete und mit dem nach innen kommenden Bale interagierte.
Allerdings waren dies in ihrer Wirkung eher Nuancen und erst in den letzten 20 Minuten wurde die Partie deutlich offener, was besonders auch an den Auswechslungen lag. Chelsea brachte Torres für Essien ins Spiel und stellte auf ein 4-4-2 um, während auch Tottenham mit Saha mehr Durchschlagskraft brachte – positiv äußerten sich diese Wechsel für die Gäste, die im Mittelfeld mehr Platz bekamen und für viel physische Kraft im Sturm sowie aus der Tiefe sorgte – doch die Chancen im Schlussspurt wurden vergeben.
Fazit
In der ersten Halbzeit wollten beide Teams keinen Fehler machen – in Ballbesitz spielte man vorsichtig, in der Defensive tief. Dabei gelang es Chelsea, das Mittelfeld gut zu verengen und Bale auszuschalten, wobei sich Tottenham auch selbst das Leben schwer machte, während auf der anderen Seite nicht genug Mut und Kreativität aufgebracht wurde, sondern vor allem Flanken zum Erfolg führen sollten. Die Wechsel in der zweiten Halbzeit begünstigten Tottenham, doch ein 0:0 war am Ende korrekt – kein Spiel, das lange in Erinnerung bleiben wird.
3 Kommentare Alle anzeigen
Whoever 26. März 2012 um 13:26
…ein wesentlich aehnlicherer Ersatz waere Dos Santos gewesen, aber Harry war klar darauf aus, die Defensive zu staerken. Mit einem Punkt kann er ja auch sehr gut leben.
Whoever 26. März 2012 um 13:23
Lennon war noch verletzt am Samstag. Spielt moeglicherweise ab naechster Woche wieder.
Flowbama 26. März 2012 um 02:23
Hätte Aaron Lennon an Stelle Sandros das Problem mit der Linkslastigkeit gelöst? Immerhin verfügt Tottanham doch mit der Flügelzange Lennon/Bale über ein hervorragendes Mittel um gegnerische Verteidigungsketten zum ständigen verschieben zu zwingen.