Hjulmand mehrkämpft sich zum Auftaktsieg – MX
Nach der Entlassung von Eric ten Hag in der Länderspielpause kursierten in der deutschen Boulevardpresse zahlreiche Namen: Raul, vielleicht Roger Schmidt? Am Ende fiel die Wahl jedoch auf Kasper Hjulmand, der in den vergangenen Jahren das dänische Nationalteam geprägt hatte. Bei seinem Bundesliga-Debüt setzte er seine Mannschaft in einer 3-4-2-1-Grundordnung auf. Im Vergleich zum 3:3 gegen Werder Bremen veränderte Hjulmand die Star
telf auf drei Positionen: Badé rückte für Tape in die Abwehr, Palacios ersetzte Aleix Garcia im Mittelfeld und Vazquez, der sein Bundesliga-Debüt feierte, übernahm die Rolle von Kofane. Die Eintracht reiste nach einem 3:1-Sieg in Hoffenheim mit breiter Brust nach Leverkusen. Dino Toppmöller vertraute seinerseits auf ein 4-2-3-1-System. Burkardt kehrte nach auskurierten Rückenproblemen in die Spitze zurück und verdrängte Wahi. Zudem musste Larsson krankheitsbedingt passen; auf der Acht wurde er durch Höjlund ersetzt.
Leverkusen im 5-3-2-Mittelfeldpressing
In der Anfangsphase war das Spiel etwas zerfahren – ausgeglichene Ballbesitzanteile, viel Stückwerk und Fouls. Später verteidigte die Heimelf überwiegend aus einem 5-3-2-Mittelfeldpressing heraus. Tella rückte dabei als rechter Stürmer neben Patrick Schick in die erste Linie. Die Pressingauslösung erfolgte klassisch aus halbräumiger Grundposition mit vertikalen Winkeln auf die Innenverteidiger der Eintracht. Dadurch wurden potenzielle Anbindungen auf die Halbraumspieler – insbesondere die Zehner – konsequent isoliert, sodass Frankfurt verlässlich auf die Außenbahnen gedrängt wurde.
Anschließend orientierte sich der ballnahe Stürmer meist mannorientiert am jeweiligen Innenverteidiger der Eintracht, um Rückpassoptionen zu isolieren. Problematisch wurde es für Leverkusen jedoch häufig, wenn sich der Frankfurter Sechser Højlund ballnah anbot. Die Zuordnung im Doppelsturm war dabei nicht eindeutig: Der ballferne Angreifer verfolgte die Bewegung zunächst teilweise mit, löste sich dann aber oft wieder. Damit blieb die Verantwortung zwangsläufig beim ballnahen Stürmer hängen. Das Resultat dieses unsauberen Prozesses: Der jeweilige Innenverteidiger konnte freigezogen werden und Frankfurt hatte über diesen Weg regelmäßig die Möglichkeit, Rückpässe einzustreuen und die Ballzirkulation zu stabilisieren.
Interessant war zudem die Rolle des ballfernen Stürmers. Seine Aufgabe bestand darin, horizontale Verlagerungen der Frankfurter Flügelspieler ins Zentrum oder auf die ballferne Seite durch ein raumorientiertes Einschieben nach innen zu unterbinden. Dieser Mechanismus griff strukturell durchaus solide. Problematisch wurde es jedoch, wenn Højlund sich ballnah bewegte. Dann ließ sich der ballferne Part regelmäßig aus seiner Position ziehen, wodurch Passwege ins Zentrum geöffnet wurden. Vor allem Chaibi konnte auf diese Weise immer wieder von Doan zwischen den Linien eingebunden werden. In der Folge wurden die beiden Stürmer zunehmend auch vertikal nach hinten gedrückt. Damit verlängerten sich die Pressingwege bei Rückpässen auf die Innenverteidiger erheblich. Nach anschließenden Verlagerungen über die Abwehrreihe tat sich Leverkusen daher mit der Absicherung spürbar schwer.
Um den beschriebenen Effekt abzumildern, begannen die Außenspieler der zweiten Pressinglinie zunehmend ballfern nach vorne zu schieben und markierten den jeweils ballfernen Innenverteidiger der Eintracht – insbesondere Tillman tat dies sehr aktiv gegen Koch. Dadurch wurde Frankfurt in diesen Phasen daran gehindert, die Ballzirkulation flach über die Innenverteidiger aufzuziehen. Das Problem aus Leverkusener Sicht bestand jedoch darin, dass die Außenspieler durch dieses vertikale Aufrücken ihre Mannorientierungen im Halbraum aufgeben mussten – also genau in dem Bereich, den Frankfurt über die Halbraum-Zehner als zentrale Verbindungszonen bespielt. Um diese Lücke zu schließen, rückte Andrich als zentraler Akteur der zweiten Linie wiederholt in den Halbraum heraus, öffnete damit jedoch das Zentrum, das folglich anfälliger und bespielbar wurde. Hier fehlten Frankfurt allerdings die passenden Bewegungen, um dieses Loch konsequent zu nutzen. Vor allem Burkardt ließ sich kaum aus der vordersten Linie abkippen, um diesen Raum gezielt anzuspielen und damit weiterführende Verfolgungsbewegungen in Leverkusens Abwehrkette zu provozieren.
Anfällig zeigte sich Leverkusens erste Pressinglinie auch dann, wenn Frankfurt situativ eine Dreierkette in der Aufbaureihe herstellte – etwa durch Browns Einschieben als halblinker Verteidiger. Das zentrale Problem bestand darin, dass die Leverkusener Stürmer, allen voran Tella, in ihrer Orientierung unsauber wirkten: Es blieb unklar, wie sie anlaufen und welche Pressingwinkel sie wählen sollten. Gerade bei Theate, der als zentraler Innenverteidiger den Ball führte, versuchte Tella mehrfach im Bogenlauf Druck nach innen aufzubauen. Dabei setzte er seine Laufwege jedoch zu eng an und wurde leicht überspielt. So konnte Brown auf der linken Halbseite mehrfach ungestört andribbeln, während Tella ihn nur noch von hinten attackieren konnte. Über diesen Mechanismus erzielte die Eintracht wiederholt Raumgewinn. Hervorzuheben war dabei auch Browns starke Vororientierung: Er ließ sich häufig erst vertikal zurückfallen, sobald Tella anlief. Dadurch kippte er im toten Winkel seines Gegenspielers ab, sodass dieser kaum noch reagieren konnte.
Breite kippt ab, Halbraum schiebt durch
Hervorzuheben sind an dieser Stelle die wiederkehrenden Muster der Gäste. Wie bereits in den Vorwochen stellte Frankfurt die Flügelspieler spiegelverkehrt zu ihrem starken Fuß auf – Bahoya agierte links (rechter Fuß), Doan rechts (linker Fuß). Der zentrale Gedanke dahinter: Die Eintracht versteht die Flügel primär als Verbindungszonen. Es geht weniger um direkten Raumgewinn durch lineare Dribblings, sondern vielmehr um das indirekte Aufziehen von Tiefe. Dafür ist die Möglichkeit entscheidend, aus der Breite in den Halbraum zu spielen. Genau hier liegt die Logik: Mit dem starken Fuß nach innen aufgedreht, können die Flügelspieler saubere Anbindungen in den Halbraum schaffen. Durch diese frühe Höhenanpassung der Breitengeber verschaffte sich Frankfurt zu Beginn der Partie häufig einen Zeitvorteil. Gerade Vazquez hatte große Probleme mit Bahoya und schob mehrfach ohne direkten Gegenspieler heraus – bei Ballspiel Bahoyas musste der Spanier dann relativ unkontrolliert herausverteidigen. Dadurch konnte Chaibi aus dem linken Halbraum durchschieben, da Quansah beim Einrücken oft zu spät kam. Infolgedessen öffnete sich für Chaibi mehrfach auch die Tiefe.
Chaibi selbst zeigte dabei ein interessantes Positionsprofil: Sein Fokus lag zwar klar auf dem Durchschieben, doch wenn Bahoya gegen Vazquez nicht aufdrehen konnte, erkannte er diese Situation früh und bot sich unterstützend an. Allgemein war sein Scanning infolge herausragend. Schwierigkeiten hatte er allerdings dann, wenn Brown halblinks andribbelte. Hier offenbarte sich eine gewisse Unklarheit: Sollte er den Halbraum in höherer Position besetzen oder tiefer bleiben und durchschieben? Dadurch stand er Brown mehrfach auf den Füßen. Das führte dazu, dass Bahoya in einigen Szenen isoliert im 1-gegen-1 auf der Außenbahn agieren musste.
Diese Situationen löste er jedoch stark durch inverse Dribblings in den Halbraum – ein Muster, mit dem Vazquez deutliche Probleme hatte. Unterstützt wurde er zudem von Uzun, der mehrfach als ballferner Zehner in den Halbraum einschob und genau für diese Dribblings im Raum vor der Box als Anspielstation diente. Hier zeigte sich eine klare Schwachstelle bei Achter Andrich: Der agierte im Zentrum raumorientiert, verfolgte Uzuns weite horizontale Bewegungen jedoch nicht. So musste Quansah wiederholt tief aus der Abwehrlinie herausverteidigen, was in der Box Räume in der Tiefe öffnete. Stürmer Burkardt konnte diese Räume jedoch nicht konsequent besetzen, was das Angriffsspiel der Eintracht an dieser Stelle etwas entschärfte.
Auf der rechten Seite zeigte sich eine etwas andere Musteranordnung. Hier übernahm Uzun im Halbraum deutlich häufiger die Rolle des Verbindungsspielers. Dies hatte vor allem einen systematischen Grund: Ähnlich wie Brown auf der linken Seite agierte auch Collins als Rechtsverteidiger immer wieder etwas tiefer – insbesondere im Ballbesitz von Sechser Højlund. Dadurch wurde Leverkusens linker Außenspieler in der zweiten Pressinglinie, Tillman, regelmäßig gezwungen, ins Halbfeld auf Collins herauszuschieben. In dessen Rücken konnte sich Uzun dann mehrfach horizontal in die Breite lösen.
Auch bei diesen Bewegungen offenbarte Andrich erneut große Probleme im Verfolgen. Uzun erhielt dadurch nicht nur gute Winkel, um den Ball vor dem direkten Gegenspieler abzuschirmen, sondern war zudem anspielbar gegen Tillman, dessen diagonale Pressingwinkel auf Collins dadurch leicht umspielt wurden. Collins selbst zeigte, ähnlich wie Brown, eine sehr gute Höhenanpassung, um für Hojlund anspielbar zu sein. Im Unterschied zur linken Seite blieb Doan in der rechten Breite nahezu permanent hoch positioniert – vermutlich auch, um Grimaldo zu binden und dessen Herausrücken auf Uzun zu verhindern. Im späteren Verlauf reagierte Tillman, indem er sich zunehmend tiefer positionierte und Uzun direkter markierte. Collins wurde dadurch jedoch nur noch von Schick im Rückwärtsanlaufen attackiert.
Hojlund freigespielt
Interessant war in der Mitte der ersten Halbzeit die Rolle von Højlund. Anders als in der Anfangsphase war der Sechser nun deutlich häufiger anspielbar. Ausschlaggebend war vor allem Browns Abkippen als linker Halbverteidiger: Tella presste dabei auf ihn heraus, während Schick primär die Querpasswege auf Theate blockierte. Da sich Theate bewusst etwas tiefer positionierte und Schick mit nach hinten zog, wurde der Mittelstürmer aus dem Sechserraum herausgelockt. Durch den diagonalen Pressingwinkel Tellas auf Brown öffnete sich der Raum vor der Abwehrkette immer wieder für Højlund. Mit seiner hohen Qualität im raumöffnenden ersten Kontakt konnte er sich anschließend mehrfach sauber auf die rechte Seite aufdrehen und so die Ballzirkulation der Eintracht vorantreiben.
Besser wurde es in dieser Hinsicht erst, als sich Leverkussen anpasste gegen die temporäre Dreierkette: Schick bewegte sich nun immer wieder aus seinem Deckungsschatten von Hojlund diagonal anpressend auf MIV Theate, wärehend sich Tella nun immer mannorientierter auf Brown fokussierte, während rechtsaußen Tillmanauf Koch aufschob, um diesen Querpass zu isolieren – dementsprehcend wurde es zunehemnd zu einem 5-2-3. Zwar wurde so die Zirkulation innerhalb der ersten Aufbaulinie der Frankfurter unterbunden, aber eben durch das Aufrücken von Tillman sah man nun ein 2v3 auf der rechten Seite gegen Rechtsverteidiger Collins (der bei der temporären Dreierkette höher agierte), Uzun und Doan. Die Eintracht konnte diese Überzahl auch immer wieder diagonal über theate bespielen, was vor allem an Schick lag: Durch die initiale Mannorientierung auf Hojlund wurde einerseits der Pressingwinkel teils zu diagonal, sodass eine Diagonalverlagerung nicht unterbinden werden konnte, als auch der Pressingweg zu lang, da sich Hojlund Theate bewusst auseinanderbewegten, um Schick möglichst weiten Pressingweg zu ziehen.
Interessant war in diesem Zusammenhang, dass Uzun Grimaldo im Halbraum immer wieder band, obwohl Halbverteidiger Tapsoba grundsätzlich ebenfalls den Halbraum-Zehner hätte aufnehmen können. Dadurch wurde Doan auf dem rechten Flügel häufig als Zielspieler für Verlagerungen frei. Gegenüber Grimaldo hatte er dabei den Vorteil, dass dieser seine Mannorientierung auf Uzun auflösen und horizontal herausrücken musste. In den direkten 1-gegen-1-Duellen zeigte sich Grimaldo deshalb mehrfach anfällig. Hinzu kam der typische Dynamiknachteil einer solchen Übergabe: Der durchschiebende Halbraumspieler konnte kaum mit voller Wucht übernommen werden, was Frankfurt spürbar nutzte. Collins unterstützte zudem regelmäßig in die Breite, insbesondere dann, wenn Doan nach inversen Dribblings feststeckte – in diesen Situationen war er ein wichtiger Entlastungsfaktor.
Ein genauer Blick auf die Dribbel-Struktur lohnt ebenfalls. Immer wieder zog Doan mit Ball ins Halbfeld, während Uzun nach außen auswiche. Kam der Rückpass auf Collins, schob Doan erneut in den Halbraum, während Uzun die Breite besetzte. Mit dieser Rotation hatte Leverkusen sichtbare Probleme bei den Übergaben: Uzun stand auf dem Flügel mehrfach völlig frei, da Grimaldo Doan konsequent ins Halbfeld verfolgte. Allerdings gelang es Frankfurt nicht immer, aus diesen Strukturen zwingend in die Box zu kommen. Einerseits suchte Doan häufiger das inverse Dribbling, anstatt den tief startenden Uzun einzubinden. Gegen Grimaldo fand er dabei nicht immer den Durchbruch – der Bayer-Verteidiger konnte durch seine horizontalen Pressingwinkel die Innenbahn oftmals effektiv schließen (jeder Nachteil bringt eben auch einen Vorteil mit sich). Erwähnenswert ist zudem Tillmans sehr gutes Rückwärtspressing: Er konnte Collins nach Rückpässen aus der Abwehr sofort anlaufen, die Dynamik leicht stören und potenzielle Verlagerungen über die Innenverteidiger unterbinden. Andererseits hatte die Eintracht durch Uzuns hohe Grundposition wiederholt Schwierigkeiten in der Tiefenstaffelung. Nach diagonalen Verlagerungen schob er häufig zu früh durch und stand schnell im Abseits, sodass Doan ihn nicht mehr bedienen konnte.
Zur Mitte der ersten Halbzeit veränderte sich das Spielgeschehen – nicht zuletzt, weil die Eintracht im letzten Drittel zunehmend Schwierigkeiten offenbarte. Mehrfach hatte ich zuvor Andrich für seine starke Zentrumsfokussierung kritisiert, vor allem aufgrund der damit verbundenen mangelnden Halbraumpräsenz. An dieser Stelle lohnt jedoch die selbstkritische Relativierung: Denn die Ausrichtung hatte auch positive Effekte. Immer wieder ließ sich Burkardt aus der letzten Linie ins Zentrum vor die Leverkusener Abwehr fallen. Andrich konnte ihn dort mehrfach im Ballbesitz oder beim Abschluss entscheidend stören und damit Zone 14 vor der Box absichern – ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Stabilität. Darüber hinaus verfolgte er Højlund bei dessen Durchstößen ins Zentrum aufmerksam und unterband so mehrere potenzielle Verbindungsmöglichkeiten der Frankfurter über die Mitte.
Angriffspressing als Momentum-Verstärker?
Das Momentum auf Seiten Leverkusens manifestierte sich insbesondere durch das Angriffspressing aus dem 3-4-3-System. Grundsätzlich agierten die Außenstürmer der ersten Pressinglinie anpressend auf die ballführenden Verteidiger Frankfurts. Interessant war dabei, dass Schick als Mittelstürmer mannorientiert im Sechserraum auf Højlund verblieb – vermutlich eine Lehre aus den ersten Spielen der Eintracht, da Højlund häufig der Spieler ist, über den Frankfurt auch unter Druck die Ballzirkulation auslöste. Frankfurt baute dabei aus einer Dreierkette auf, leicht nach rechts geneigt über Collins’ breite Position, wodurch eine gewisse Vorhersehbarkeit in der Ausführung von Theate auf MIV Koch entstand. Tillman lief diesen im vertikalen Pressingwinkel an, um den Vertikalpass von Koch auf Højlund im Halbraum zu isolieren – eine der Standardoptionen der Eintracht aus den ersten Spieltagen über Dreiecks- und Ablagespiel.
Diese doppelte Isolation verdeutlicht, wie essenziell es für Leverkusen war, Højlund aus dem Spiel zu nehmen. Das Spiel der Eintracht wurde so konsequent auf den rechten Halbverteidiger Collins gelenkt. Gleichzeitig presste Tillman im Bogen durch, während Grimaldo diagonal aus halbräumiger Grundposition auf Collins herausrückte. Dadurch entstand ein Mehrkampf in der rechten Breite um Collins, wobei Passwege diagonal ins Zentrum – etwa auf Zehner Uzun – durch Grimaldo abgesichert und Querpassoptionen über Tillman unterbunden wurden.
Tendenziell waren die Unterstützungsbewegungen von Højlund zu tief angesetzt: Er bewegte sich diagonal nach hinten frei, lief sich dabei jedoch im Rücken von Tillman fest und konnte im Druckspiel daher keine Option für Collins darstellen. Folglich musste Collins häufig in die rechte Breite auf Doan ausweichen, der direkt von Tapsoba verfolgt wurde, und konnte nur auf Burkardt ablegen, der sich synchron zu Doan zentral tiefer orientierte. Burkardt hatte im Wandspiel gegen Badé jedoch Probleme, sodass Leverkusen den Ball in diesen Situationen nur eingeschränkt progressiv nach vorne bringen konnte. Zudem bewegte sich Uzun teilweise etwas zu weit vom Burkardt im Halbraum, sodass diesem der direkte Anschluss im Wandspiel fehlte.
Teilweise ließ sich Brown in die linke Breite fallen, wodurch eine flache Viererkette (4-2-1-3) entstand – meist bei der Ausführung von Koch auf Keeper Zetterer, der den Ball dann häufig direkt auf Brown in die linke Breite spielte. In der Folge musste Vazquez Chaibi im linken Halbraum an Garcia übergeben und Cob diagonal auf den Linksverteidiger abdecken. Dieser nutzte seinen diagonalen Pressingwinkel, um einerseits den Pass zu Chaibi zu isolieren und andererseits lange Optionen auf Stürmer Burkardt zu verhindern. Burkardt musste daher meist ebenfalls in die Breite auf Bahoya oder später auf eine weiter ausweichende Position ausweichen. Ein generelles Problem bestand zudem darin, dass über die tiefen Halbraumspieler häufig der Anschluss aus der vollen Höhe im Wandspiel fehlte. Den Flügelspielern fiel es außerdem vergleichsweise schwer, sich gegen die aggressiv herausverteidigenden Bayer-Halbverteidiger aufzudrehen und das Dribbling zu suchen.
Gute Ansätze zeigten sich vor allem dann, wenn Burkardt auf die linke Außenbahn auswich und Bahoya gleichzeitig im Bogen in den Halbraum einschob. Dadurch entstand gewissermaßen eine Rotationsbewegung in der Breitenaufteilung. Diese Staffelung sicherte den Zugriff auf zweite Bälle sowie die Anschlussmöglichkeiten im Wandspiel deutlich besser ab und ermöglichte dadurch eine stabilere Progression nach vorne. Gleichwohl tat sich Burkardt gegen den physisch starken Badé insbesondere in Luftduellen weiterhin schwer.
Gegen Ende der ersten Halbzeit konnte der halblinke Innenverteidiger Theate mehrfach andribbeln. Da Tella sein diagonales Anlaufen im Pressing teilweise zu eng ansetzte (Theate postierte sich meistens vor dem Anspiel breiter; Tella passte sich nicht darauf an), öffnete sich für Theate der Passweg in den Halbraum auf Chaibi, der dadurch wiederholt unter Druck anspielbar wurde. Gerade Andrich hatte in diesen Situationen Probleme, die Verbindungen über die Markierung zuverlässig zu schließen. Alternativ fand Theate auch mehrfach den diagonal einrückenden Bahoya, der sich über inverse Dribblings sowohl ins Zentrum als auch über Verlagerungen auf die ballferne Seite einband. Allerdings blieb das Ausspielen dieser Ansätze lange Zeit technisch unsauber – gerade weil Leverkusen weiter im Rückwärtspressing durchaus sich sehr gut zeigte.
Man muss es klar benennen: Mit der frühen 1:0-Führung hatte Leverkusen das Momentum auf seiner Seite. Frankfurt tat sich in der Progression schwer, während Bayer durch hohe Ballgewinne zusätzlichen Zugriff bekam – die Spielanteile kippten entsprechend zwar vielleicht nicht weiter, aber Leverkusen war stabil. Symbolisch dafür stand das späte 2:0 kurz vor der Pause: Theate traf bei einer Diagonalverlagerung unglücklich Schick, im direkten Umschalten wurde Tillman gefoult, den fälligen Elfmeter verwandelte Leverkusen. Mit diesem Ergebnis ging es schließlich in die Halbzeitpause.
Frankfurt kommt besser aus der Pause
Die Gäste kamen nach der Pause deutlich dynamischer ins Spiel und erarbeiteten sich bis zum Anschlusstreffer in der 51. Minute mehrere gute und kontrollierte Sequenzen, ausschlaggebend war dafür vor allem:
- Collins agierte im tiefen Aufbau nun eingerückter, wodurch Tillman als Außenstürmer isoliert auf den Halbverteidiger herauspressen musste. Grimaldo orientierte sich eher auf das Blocken des Vertikalpasswegs, ohne dabei konsequent durchzuschieben. Damit wurde der zuvor entstehende Mehrkampf umgangen: Der Halbverteidiger geriet weniger unter Druck, konnte Tillman aufgrund dessen zu weiter Bogenläufe mehrfach überdribbeln und fand über den veränderten Pressingwinkel regelmäßig den Weg ins Zentrum – vor allem zu Uzun und Burkardt. Hinzu kam, dass die Achter der Eintracht beim Nachschieben nun deutlich aktiver agierten, insbesondere ballfern. Dadurch konnten Chaibi und Brown Burkardt im Wandspiel wesentlich besser unterstützen.
- Im höheren Aufbau stellte Frankfurt noch konsequenter auf eine Dreierkette um und provozierte damit Leverkusens 5-2-3-Staffelung. Ziel war es, gezielt Überzahlen auf den Flügeln herzustellen. Die Vororientierung der Halbverteidiger funktionierte dabei weiterhin sehr sauber, sodass die Leverkusener Außenstürmer im vertikalen Rauspressen Probleme hatten. Besonders wertvoll erwies sich die Dreierkette im sehr hohen Aufbau: Sie ermöglichte ein raumgreifendes Zirkulieren um den tiefen Block der Werkself. Immer wieder schob der ballnahe Halbverteidiger unterstützend in die Breite, ohne dass Leverkusen diese Bewegung konsequent verfolgte – so ergaben sich mehrfach drucklösende Optionen über die Außenbahn.
In ähnlicher Weise entwickelte sich auch die Folgephase. Über Collins fand Frankfurt weiterhin zuverlässig den Zwischenlinienraum, während Burkardt im Wandspiel nun deutlich stabiler agierte als noch in den ersten 45 Minuten. Ein Faktor dabei war, dass Badé im Herausverteidigen Probleme hatte: Er verfolgte Burkardts tiefe Bewegungen zwar eng, kam aber nicht konsequent in den Zweikampf. Dadurch lag durchaus in der Luft. Auffällig war zudem, dass sich die Halbraumzehner Uzun und Chaibi nun deutlich enger um Burkardt positionierten. So entstanden nach Ballverlusten des Stürmers unmittelbare Zugriffsmöglichkeiten, die im Gegenpressing immer wieder positive Effekte hatten.
Leverkusen mit 10 Mann
Als Robert Andrich in der 59. Minute vom Platz gestellt wurde, schien es – auch aus meiner Sicht – so, als sei die Eintracht nun klarer Favorit auf einen Punktgewinn oder gar mehr. Doch dieser Eindruck erwies sich schnell als Trugschluss. Frankfurt blieb im Ballbesitz erwartungsgemäß bei einem 3-1-System, während Leverkusen in ein 5-3-1/5-1-3-Mittelfeld- bzw. Abwehrpressing wechselte. García übernahm dabei als zentrale Acht die Rolle von Andrich – eine Aufgabe, die, wie zuvor ausgeführt, keineswegs unbedeutend war.
Die Außenstürmer pressten nun nicht mehr aktiv auf die Halbverteidiger, sondern orientierten sich stärker passoptionsbezogen. Das ermöglichte es den Halbverteidigern Frankfurts insbesondere gegen das Abwehrpressing, dass man nun immer wieder Fernschüsse (hervorzuheben der Lattenschuss von Collins in Minute 61) ziehen konnte durch das fehlende Anpressen seitens Leverkusen. Insbesondere die diagonalen Zuspiele ins Zentrum auf Chaibi – der zudem von García eng verfolgt wurde – sollten unterbunden werden. Auch Schick blieb nun konsequenter bei Højlund, anstatt die erste Pressinglinie aktiv anzulaufen. Grundsätzlich zielte Leverkusen darauf ab, die Eintracht weiter (bzw. noch aktiver) um den Block herumzuleiten und Zwischenräume im Zentrum zu schließen. Die Verteidigungskette rückte noch kompakter zusammen, um vor allem Zugriffe in den Räumen zwischen Halb- und Flügelverteidigern zu verhindern.
Spannend war in dieser Phase vor allem die Frage der Übergaben zwischen den sogenannten „Connector“ in den diagonalen Verbindungslinien – also Brown und Uzun/Chaibi – und den jeweiligen Flügelspielern in der Breite. Wurden diese von den Halbverteidigern angespielt, nahmen die Leverkusener Außenstürmer deren Bewegungen zunächst ballnah auf, um direkten Zugriff herzustellen. Schoben die Connector-Spieler jedoch in die Tiefe bzw. in den Zwischenraum durch, übernahmen die Halbverteidiger in enger Mannorientierung. Auf diese Weise sollte vermieden werden, dass durch ein unmittelbares Herausrücken / kontext-unabhängiges Übernehmen der Halbverteidiger Räume hinter der Kette geöffnet würden – genau jene Zonen, die Burkardt immer wieder aktiv suchte, letztlich aber nicht bespielen konnte. Der Mechanismus griff bemerkenswert schnell und zuverlässig.
Teils ließen sich die Connector auch etwas tiefer und breiter fallen, um aus diesen Zonen Optionen für Halbfeldflanken im letzten Drittel zu öffnen – gerade Chaibi praktizierte das regelmäßig. Um diese Ansätze zu unterbinden, wurden die Connector von den Außenstürmern Leverkusens teils aktiv angelaufen; durch deren diagonale Pressingwinkel ließen sich potenzielle Flankenoptionen isolieren. Flanken entstanden nun vor allem über inverse Dribblings von Doan und Bahoya, da der Halbraum vor der Verteidigungslinie durch das einzeln besetzte Zentrum Leverkusens vergleichsweise offen war. Über die systematische Enge ergaben sich zudem verlängerte Pressingwege, wodurch die Flügelverteidiger der Werkself im direkten Duell mit den Eintracht-Flügelspielern teils in einen Dynamiknachteil gerieten. In der Box tat sich Frankfurt jedoch weiterhin schwer – insbesondere Kopfball-Klärungenvvon Badé verhinderten einige Möglichkeiten.
Tatsächlich blieb der Ball in der Breite weiterhin ein zentrales Mittel für Frankfurt: Man kam verlässlich auf die Flügelspieler, doch der Weg in die Box blieb weiterhin offen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Frankfurt nicht permanent Flanken schlagen möchte und eventuell auch nicht über die entsprechenden Spielertypen in der Box verfügt. Daher waren weiterhin ballnahe Bewegungen von Stürmer Burkardt zu beobachten, der sich mit fortlaufender Spielzeit jedoch zunehmend schwer tat. Besonders im rechten Halbraum, bei Ballbesitz von Doan, hatte er Probleme gegen die Intensität von Tapsoba. Die Connector agierten weiterhin unterstützend beim Ballspiel der Flügelspieler, doch durch das mitrückende Pressing der Leverkusener Außenspieler konnten viele drucklösende Optionen der Eintracht unterbunden werden. Dadurch wurden auch typische Doppelpassmuster, wie sie bei der SGE häufig zu sehen sind, deutlich erschwert.
Für Burkardt kam in den letzten zehn Minuten Batshuayi ins Spiel. Dieser zeigte immer wieder weite Abkippbewegungen, bereits beim Ballbesitz der Halbverteidiger im Halbraum. Leverkusen verteidigte diese Wege jedoch konsequent nicht mit der eigenen Verteidigungslinie heraus, sodass keine Räume hinter der Linie für mögliche Chips entstanden. Vielmehr agierte Batshuayi situativ als Connector in der rechten Breite und rotierte gemeinsam mit Chaibi, wenn dieser in die letzte Linie zurückfiel. Der entscheidende Effekt blieb jedoch aus, da Chaibi sauber an den Außenstürmer Fernandez auf den Halbverteidiger Tapsoba übergeben wurde. In der Box bot Batshuayi dennoch gute Optionen für Ablagenspiele, insbesondere auf den (eingewechselten) Zehner Dahoud, der sich um den Stürmer herum bewegte. Nach einem solchen Muster verpasste Dahoud allerdings in der 88. Minute die Chance zum 2:2.
Fazit
Nach einer etwas wilden Schlussphase und einem sehenswerten Freistoß von Grimaldo gewann Leverkusen am Ende zu neunt mit 3:1 gegen die SGE. Es wäre unfair zu behaupten, die Werkself sei wie die Jungfrau zum Kinde zu diesen drei Punkten gekommen, gleichzeitig spiegelt das Ergebnis aber nicht zwangsläufig die tatsächliche Leistung auf beiden Seiten wider – insbesondere nach den Platzverweisen. Ein – wie erwartet – schwierig zu bewertendes Debüt für Hjulmand also.
Insofern ist dieses Spiel eher ein Vorgeschmack: Es zeigt (verständlicherweise) noch keine klare, neue taktische Richtung seitens Hjulmand, aber bereits positive Ansätze, etwa in der defensiven Stabilität. Frankfurt lieferte keine schlechte Partie ab, doch insbesondere im letzten Drittel war die Effektivität nicht überzeugend und hätten gegen zehn Mann dominanter / zwingender auftreten müssen – gerade im Vergleich zu den Leistungen der vergangenen Wochen. Letztlich wird dieses Spiel erst in ein paar Wochen in seiner tatsächlichen Bedeutung eingeordnet werden können.
MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübersachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst.
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