Rückblick: Eine Große Analyse zu Celtic Aberdeen
Part 1: 1:5 Niederlage im Heimischen Stadion
Wir richten unseren Blick nach Schottland, wo der FC Aberdeen nach beeindruckenden 35 Jahren endlich wieder einen Titel feiern konnte. Im prestigeträchtigen Hampden Park in Glasgow lieferten die Dons eine packende Vorstellung ab: Nach einem 1:1-Unentschieden in der regulären Spielzeit retteten sie sich in die Verlängerung und sicherten sich schließlich im nervenaufreibenden Elfmeterschießen mit 4:3 den Sieg gegen Celtic Glasgow.
Besonders bemerkenswert ist dabei die Vorgeschichte dieses Triumphs. Nur zehn Tage zuvor hatten sich dieselben Teams in der schottischen Liga gegenübergestanden – eine Partie, die Celtic im Pittodrie Stadium mit einem deutlichen 5:1 für sich entschieden hatte. All das und vieles mehr analysieren wir in diesem Artikel.
Celtic zerlegt Aberdeen mit 1:5
Im Grunde genommen schien von Anfang an alles klar: Celtic würde den Pokal holen! Und genauso präsentierten sie sich auch – dominant, mit viel Ballbesitz, sodass das Geschehen nahezu ausschließlich in einer Spielhälfte stattfand. Doch bevor wir tiefer ins Finale eintauchen, werfen wir zunächst einen Blick zurück auf das 1:5 zehn Tage zuvor in der Liga. Welche Probleme Aberdeen in diesem Spiel begegneten? Und wie sie darauf im Finale reagierten?
Zehn Tage zurück: Aberdeen traf auf Celtic in einem Spiel, das für Aberdeen von großer Bedeutung war. Es ging um den Einzug in das europäische Geschäft, wobei der direkte Konkurrent Dundee United ebenfalls am 37. Spieltag, dem vorletzten Spieltag, im Einsatz war. Während Aberdeen gegen Celtic antrat, musste sich Dundee United gegen die Rangers beweisen – ein Spiel, das sie mit 1:3 verloren.
Die Ausgangslage versprach somit ein packendes Finale am letzten Spieltag, an dem Aberdeen und Dundee United im direkten Duell um die begehrte Platzierung kämpfen würden. Doch Aberdeen wollte schon gegen Celtic die Weichen stellen und sich einen Vorteil verschaffen. Trainer Jimmy Thelin stellte daher seine Stammkräfte auf das Feld, um die entscheidenden Punkte zu sichern.
Im Gegensatz zu Aberdeen hatte Celtic den Meistertitel bereits vorzeitig gesichert und nutzte das Spiel, um die Belastung der Stammspieler zu reduzieren und der zweiten Reihe Einsatzzeit zu geben. Trainer Brendan Rodgers drehte die Rotationsmaschine ordentlich auf, was gleich mehreren jungen Talenten und Ergänzungsspielern die Möglichkeit bot, sich zu beweisen. Unter ihnen war auch Kenny, der bei dieser Gelegenheit sein lang ersehntes Debüt in der Startelf feiern durfte.
Trotz der zahlreichen Veränderungen in der Startelf nahm Celtic die Partie von Beginn an ernst. Sie starteten dominant und kontrollierten das Spielgeschehen mit viel Ballbesitz. Zwar gelang es ihnen in der Anfangsphase nicht, daraus zwingende Torchancen zu kreieren, doch ab der 20. Minute fanden sie zunehmend besser ins Spiel.
Mit fortschreitender Spielzeit steigerte sich Celtics Offensive merklich. In der ersten Halbzeit erspielten sie sich einen xG-Wert von 1,56 und hielten dabei über 70 Prozent Ballbesitz. Diese Dominanz setzte sich auch in der zweiten Hälfte fort, sodass sie am Ende des Spiels einen xG-Wert von 3,61 erreichten.
Aberdeens Hohes Pressing
Aberdeen hatte von dem Beginn an Schwierigkeiten, die Angriffe von Celtic erfolgreich zu verteidigen. Celtic agierte wie gewohnt in ihrer 4-3-3-Struktur im Ballbesitz. Aberdeen setzte im hohen Pressing auf eine offensiv ausgerichtete 4-2-4-Formation, um früh Druck auf den Spielaufbau von Celtic auszuüben. Sobald sie sich jedoch in die eigene Hälfte zurückziehen mussten, formierten sie sich in einem kompakten und defensiv stabilen 4-4-2 mit flacher Linie, um die Räume effektiv zu schließen.
Im höheren Pressing agierten Nisbet und Gueye im Sturmzentrum, wobei Gueye besonders darauf bedacht war, den Sechser McGregor bzw. in der Schlussphase Bernado aus dem Spiel zu nehmen. Zusammen mit Keskinen auf der linken Seite und Morris auf der rechten Seite bildeten sie die offensive Viererreihe. Direkt dahinter agierten Palaersa und Clarkson, sich um die Achter Bernado und McCowan kümmerten.
So konnte die Viererkette, bestehend aus Jensen, Dorrington, Knoester und Shinnie, in einer +1-Überzahl gezielt gegen die drei Offensivspieler von Celtic agieren.
Aberdeen agierte im Pressing jedoch eher abwartend und versuchte nicht, den ersten Ball sofort als Auslöser zu nutzen, sondern suchte stattdessen gezielt den richtigen Moment für das Pressing. Besonders wichtig war es, McGregor aus dem Spiel zu nehmen: Der ballferne Stürmer übernahm seine direkte Manndeckung, während der ballnahe Stürmer gezielt den Innenverteidiger von Celtic attackierte.
Das Ziel war, Glasgow Celtic auf eine Spielfeldseite zu lenken. Sobald dies gelungen war, schloss der ballnahe Stürmer den ballnahen Innenverteidiger von Celtic, während der ballferne Stürmer weiterhin für McGregor zuständig blieb. Der ballferne Innenverteidiger wurde durch den ballfernen Außenstürmer kontrolliert. Dadurch wollte Aberdeen in ballnaher Zone eine Mann-gegen-Mann-Situation mit einer Überzahl von +1 in der letzten Linie erzeugen – zu dem Preis, dass sie auf der ballfernen Seite den Außenverteidiger offenließen. Das Pressing verhalten führte auf der rechten Seite vereinzelt zu guten Pressingsequenzen.

Hier ein Bild das in der Anfangsphase eher selten zu sehen war, Aberdeen gelingt es durch ein Abwartendes Pressing mit dem Ballnahen Stürmer Celtic auf den Flügel zu lenken und dort einen Mann-gegen-Mann Situation herzustellen.
Dabei lenkte Aberdeen das Spiel häufig auf die linke Seite von Celtic. So löste Keskinen oft dem Pass auf den rechten Innenverteidiger das Pressing aus. Dahinter steckte vermutlich die Absicht, den jungen Nwrocki unter Druck zu setzen und das gute Pressingverhalten von Keskinen auszunutzen. Keskinen arbeitete sehr clever und effektiv mit seinem Deckungsschatten, was in diesem Pressingverhalten von entscheidender Bedeutung war, da Aberdeen mit der vorderen Reihe in Unterzahl – effektiv 4 gegen 5 – anlief. Durch sein geschicktes Verhalten versuchte Keskinen, den freien Spieler, in diesem Fall den Außenverteidiger, nicht anspielbar zu machen. Im Gegensatz dazu zeigte sich Morris auf der anderen Seite im Pressing weniger geschickt.
Celtic findet den Freien Spieler
So gut das Pressing von Aberdeen in der Theorie auch klingen mag, zeigte es in der Praxis deutliche Schwächen. Die Mannschaft schaffte es nicht, ausreichenden Druck auf den ballführenden Spieler zu erzeugen, da Celtic immer wieder in der Lage war, das Pressing geschickt auszuhebeln und sich aus dem Druck zu befreien.
Celtic zeigte in diesem Spiel herausragende Ansätze, wie sie das Pressing von Aberdeen effektiv aushebelten. Ihre Herangehensweise im Positionsspiel erinnerte dabei stark an Prinzipien, wie sie auch unter Roberto De Zerbi zu beobachten sind. Grundsätzlich verfolgte Celtic die Strategie, Aberdeen durch gezielte Pässe, häufige Querpässe oder Lockende Anspiele in den Druck, ins Pressing zu locken. Sobald der Gegner, also Aberdeen, das Pressing ausgelöst hat, spielte Celtic den Ball in die Richtung, aus der der Druck ursprünglich kam. Dieser Ansatz nutzt eine zentrale Schwäche des Pressings von Aberdeen: Wenn eine Mannschaft in Unterzahl presst und ein Spieler das Pressing auslöst, entsteht zwangsläufig ein Freier Spieler an dieser Stelle.
Celtic nutzte diese immer wieder gezielt aus, indem sie über kluge Ablagen den freien Spieler fanden. Dieser konnte entweder über den Sechser, Callum McGregor sein, oder den ballnahe Achter, der in diesen Momenten ein kurzes Angebot gab, um über das große Dreieck rauszukommen. Dabei spielte der Torhüter eine zentrale Rolle: Er war in dieser Situation der freie Mann, da er keinen direkten Gegenspieler hatte und somit problemlos mit einem Querpass angespielt werden konnte. Dadurch musste der Spieler, der das Pressing ursprünglich vom Innenverteidiger aus ausgelöst hatte – häufig Keskinen – durchlaufen. Dies führte dazu, dass sowohl der Innenverteidiger als auch der Außenverteidiger ohne direkten Gegenspieler blieben. Auf diese Weise gelang es Celtic, den Innenverteidiger durch eine geschickte Ablage freizuspielen.
Besonders auf der rechten Seite funktionierte diese Strategie hervorragend, weil Keskinen häufig das Pressing auslöste. Dadurch ließ er entweder den Außenverteidiger oder – wenn er den Torhüter anlief – sogar sowohl Außen- als auch Innenverteidiger ohne direkten Gegenspieler.

Kein Zugriff im Hohen Pressing: Keskinen läuft Sinisalo an. Über einen Flachen Achter schafft es Celtic aus dem Druck und kann so an höhe gewinnen.
Außerdem nutzte Celtic gezielt die Tatsache, dass der ballferne Außenstürmer häufig locken ließ und den ballfernen Innenverteidiger attackierte. Durch einen präzisen Querpass brachten sie diesen Spieler ins Pressing, um anschließend mit einem einfachen Ball in die Breite den Außenverteidiger anzuspielen und so einen effektiven Ausweg aus der Drucksituation zu schaffen. Ein entscheidendes Detail dieser Vorgehensweise war die Bewegung des Innenverteidigers. Dieser setzte sich bewusst in Richtung des eigenen Tores ab, wodurch der Pressingweg für den Gegner deutlich verlängert wurde. Diese Methode gab Celtic die nötige Zeit und Raum, um kontrolliert und effektiv aus der Drucksituation herauszuspielen.
Dadurch konnte Aberdeen keinen wirkungsvollen Druck auf den Ball ausüben, sodass Celtic in der Lage war, Überzahlsituationen auf den Flügeln zu schaffen und dort immer wieder 3-gegen-2-Konstellationen herzustellen.
Aberdeen konnte deshalb in der Anfanngsphase nur selten zu gefährlichen Ballgewinnen kommen, meist nur nach Fehlern von Celtic. Ein Beispiel dafür war die 15. Spielminute: Sinisalo, der Torwart von Celtic, wurde von keskinen unter Druck gesetzt und wollte über das große Dreieck in den Rücken spielen. Allerdings hatte McCowan ein schlechtes Timing und löste sich zu spät, sodass Clarkson den Ball abfangen und Aberdeen so eine Torchance ermöglichen konnte. Dies war jedoch eines der wenigen Beispiele für solche Situationen.
Aberdeen passt an
Doch kurz vor der Halbzeit gelang es Aberdeen durch gefährliche Ballgewinne zunehmend ins Spiel zurückzufinden. Dafür waren zwei wesentliche Faktoren verantwortlich. Zum einen kippte das Momentum nach dem Ausgleichstreffer zum 1:1 durch Nisbet deutlich auf die Seite der Dons. Zum anderen nahm Jimmy Thelin während einer längeren Unterbrechung in der 34. Minute – ausgelöst durch einen medizinischen Notfall eines Zuschauers – entscheidende taktische Anpassungen vor.
Von diesem Zeitpunkt an übernahmen die Stürmer Gueye und Nisbet eine aktive Rolle im Pressing, indem sie den Torwart mit einem geradlinigen, jedoch lenkenden Anlaufverhalten attackierten (also einfach einen kleineren Anlaufbogen). Dabei wurde das Zentrum gezielt blockiert, wodurch Celtic gezwungen war, den Ball auf einen der Innenverteidiger zu spielen. Auf der ballnahen Seite konnte der Stürmer dann durchlaufen, während der Ballferne Stürmer abkippte, um Mc Gregor zuzustellen. Der ballferne Flügelspieler schob gleichzeitig in Richtung des Torwarts, um so die Verlagerung zuzuhalten.
Durch dieses Anlaufen der Stürmer aus dem Zentrum und das gezielte Lenken des Spiels auf die Innenverteidiger gewann Aberdeen an Kontrolle. Sie konnten die Spielrichtung mehr diktieren und unterbanden das Ablagenspiel von Celtic, was verhinderte, dass sich Celtic aus der Drucksituation befreien konnte und bei Anspiel in den Druck beispielsweise auf einen flachen Achter Anspielstationen ausgingen.
Die Außenstürmer behielten weiterhin die Aufgabe bei, in einer flexiblen Position zwischen dem äußeren Flügel und dem Halbraum zu agieren. Dabei sollten sie situativ Druck auf die Innenverteidiger des Gegners ausüben. Im Unterschied zur Anfangsphase war ihr Vorgehen jedoch deutlich zurückhaltender, sodass sie weniger aggressiv nach vorne drängten und stattdessen eine eher abwartende Rolle einnahmen, um die defensive Stabilität zu wahren. Dies geschah beispielsweise, wenn Celtic durch einen abgelegten Pass den zentralen Stürmer umspielte, wenn der Ball unsauber gespielt wurde, oder wenn ein Innenverteidiger breiter agierte und der zentrale Stürmer dadurch keinen Zugriff auf ihn hatte. Durch diese gezielte Anpassung gelang es ihnen deutlich häufiger, in die Mann gegen Mann-Situationen am Flügel zu gelangen.

Anpassung von Aberdeen: Nach einem Rückpass ist es nicht Keskinen der den Torwart anläuft sonder Nisbet.
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Nisbet läuft den Querpass auf Trusty nach weshalb Morris bei Schlupp bleiben kann. Keskinen macht den Torwart zu und hält Celtic so auf der Seite wo sie eine Mann-gegen-Mann Situation kreiert haben.
Doch auch hier zeigte sich das Pressing zwar verbessert doch nicht immer effektiv. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Situation in der 56. Minute: Nisbet läuft Sinisalo, den Torwart, in einem sehr geraden Winkel an. Sinisalo spielt den Ball auf Trusty, der sich breit positionierte. Diese breite Positionierung verhinderte – im Vergleich zu vorherigen Situationen –, dass Nisbet konsequent durchpressen konnte. Stattdessen war es Morris, der zum Pressing herausrückte. Da Morris jedoch ebenfalls nicht mit voller Intensität agierte, gelang es Celtic mit einem einfachen Pass, das Pressing zu umgehen. Aberdeen war daraufhin gezwungen, den Angriff durch ein taktisches Foul von Gueye zu unterbrechen, der dafür die Gelbe Karte sah.
Auch das Tor zum 3:1 zeigte, dass Celtic dennoch, dank ihrer individuellen sowie kollektiven Qualität in der Lage war, sich aus dem Pressing von Aberdeen zu befreien, vorallem wenn Aberdeen nicht konsequent genug in dem Mann gegen Mann Verteidigung war. Denn bei diesem Tor gelang es Celtic, sich erfolgreich aus dem Pressing zu befreien. Zwar konnte Aberdeen auf der linken Seite eine Mann-gegen-Mann-Situation herstellen, doch Celtic fand dennoch eine Lösung, um den Druck zu überwinden. Celtic löste die Situation geschickt über Yang, der von der Außenspur in die Halbspur einrückte und so zusätzliche eine Option und Ebenen für das Ablagenspiel schuf und einen flachen Achter spielte hier Bernado. Dabei verteidigte Palaversa nicht so aggressiv und mannorientiert vorwärts, wie es auf der gegenüberliegenden bei Seite Clarkson der Fall war. Dadurch konnten sie über Trusty und dann über Mc Gregor, der Frei wurde, weil Gueye auf Bernado attackierte, aus dem Druck heraus in die ballferne Halbspur gelangen, was möglich wurde, weil Keskinen sich auf den Torwart fokussierte. Ralston leitete den Ball weiter zu Forest, den Celtic bereits gegen Ende der ersten Halbzeit vermehrt nach dem Überspielen des Pressings ins 1-gegen-1 gegen Shinnie schickte – eine Situation, mit der Shinnie sichtlich überfordert war und für die er in der 58. Minute ausgewechselt wurde. Clarkson rückte zum Doppeln heran, wodurch Raum für einen Rückpass auf Höhe des rechten Fünfmeterraums für McCowan entstand, den Forest mit einem perfekten Pass bediente.
Gleichzeitig agierte Keskinen zurückhaltender im Pressing: Er verzichtete darauf, den Innenverteidiger aggressiv zu pressen und das Pressing aktiv auszulösen, und fokussierte sich mehr darauf, die linke Abwehrseite zu sichern. Gueye übernahm verstärkt die Aufgabe, Druck auf Nawrocki auszuüben und bei Rückpässen von Celtic war es in der Regel Nisbet der den Auslöser darstellte. So gelang es Aberdeen Mann gegen Mann Situationen am Flügel zu kreieren und für Gefahr durch hohe Ballgewinne für Gefahr sorgen. Gleichzeitig konnten Aberdeen so auf der linken Seite mehr Druck auf die Ablage ausüben, da Keskinen durch sein passiveres Verhalten nach Ablage die Innenverteidiger gezielt attackieren konnte. Zuvor, als Keskinen den Torwart anlief, waren sowohl die Innenverteidiger als auch die Außenverteidiger ohne Gegenspieler, was eine effektive Druckausübung erschwerte.
Doch es lag nicht ausschließlich an Aberdeen. Denn in dieser Phase offenbarte Celtic einige individuelle Fehler, insbesondere bei Nawrocki zeigte generell keine gute Partie mit Ball und hatte immer wieder Probleme in der Entscheidungsfindung. In der 42. Minute beispielsweise als zunächst das Spiel nicht sauber öffnete. Anschließend wurde der Torwart von Gueye attackiert, was Celtic über eine Ablage auf Nawrocki gut löste. Dabei konnte Keskinen sofort Druck ausüben, unterstützt von Nisbet. Anstatt über den Flachen Achter zum Außenverteidiger mittels Passspiels zu gelangen, entschied sich Nawrocki für ein riskantes Dribbling, was zu einem von mehreren Balleroberungen führte.
Generell waren es jedoch nicht nur Nawrocki, sondern auch andere Spieler wie Sinisalo, McCowan, Schlupp und Kenny, die vorallem in Halbzeit eins einigen Situationen kleinere Fehler machten und gewisse Details bzw. Situationen nicht optimal lösten. Dies ist allerdings verständlich, da der Kader zuvor stark durchgemischt wurde und einige dieser Spieler zum ersten Mal im Trikot von Celtic aufliefen.
Das Kernproblem im Tiefen verteidigen
Aus diesem Grund entwickelte sich ein Spiel, das sich vorallem in der Anfangsphase, wo Aberdeen gar kein Zugriff bekam. überwiegend in der Hälfte von Aberdeen abspielte. Sobald sich Celtic aus dem Druck lösen konnte, zog sich die Mannschaft tief in ein kompaktes 4-4-2-Defensivsystem zurück.
Zwar gelang es Celtic vorallem in den ersten 30 Minuten nicht, durch das Herausspielen aus dem Hohen Pressing direkte Torchancen zu kreieren, doch sie konnten zumindest kontinuierlich an Feldhöhe gewinnen. Erst zum Ende der ersten Hälfte und Anfang der zweiten Hälfte gelang es Celtic den Raum hinter der Kette effektiver zu bespielen und in Tormöglichkeiten umzumünzen wie zuvor beschrieben beim Tor zum 3:1.
Sobald also Celtic den Außen- oder Innenverteidiger freigespielt hatte, ergab sich, durch das Attackieren des Außenspielers von Aberdeen eine 3-gegen-2-Überzahl gegen den Sechser und den Außenverteidiger von Aberdeen. Die Defensive von den Dons versuchte in solchen Situationen, durch diagonales Zurückfallen die Räume zu schließen, anstatt konsequent zu pressen. Nur selten rückte ein Sechser von Aberdeen aggressiv heraus, um Druck auszuüben. So beispielsweise in der 12 Minute als Celtic es über einen flachen Achter löste und Clarkson auf den Außenverteidiger durchpresste. In dieser Sequenz spielte auch MC Gregor eine Tragende Rolle, der hier ein super Spielverständnis hat und sich in den offenen Raum bewegt und ein 2 vs 1 gegen Shinnie den Außenverteidiger von Aberdeen herstellte. Der IV konnte nicht durchschieben, da erstes der Weg brutal weit war und zweitens er von Kenny gebunden wurde. In dieser Situation war die Ablage etwas ungenau, wodurch es in erster Welle der Ball abgefangen wurde, doch durch ein super Gegenpressing konnten Celtic in dieser Situation gefährlich werden. Genau aus diesem Grund, konkret weil Aberdeen so am Flügel in Unterzahl gelang, sah man selten das Aberdeen nach ausgespieltem Pressing, mit dem Sechser oder Außenverteidiger nach überspielen durchpresste.
Hier offenbarte sich das größte Problem von Aberdeen: Celtic gelang es wiederholt, ihr Flügelspiel erfolgreich aufzuziehen. Dabei lag der Fokus darauf, durch Rotationen und klare Spielmuster in ballnahen Räumen hinter die Abwehrkette zu gelangen – eine Vorgehensweise, die Aberdeen immer wieder vor erhebliche Schwierigkeiten stellte, defensiv dagegenzuhalten.
Celtic agierte dabei häufig mit einem hohen Breitengeber, der ein kurzes Angebot in der breite gab. Besonders auf der rechten Seite zeigte sich dies effektiv, wo Forest mit seiner Dynamik und physischen Stärke regelmäßig 1-gegen-1-Duelle für sich entscheiden konnte.
Der Außenverteidiger von Celtic rückte häufig in die Halbspur ein, was mehrere taktische Effekte zur Folge hatte. Zunächst verteidigte Aberdeen diese Bewegung in der ersten Halbzeit oft mit ihrem Außenspieler, der dabei seinen Deckungsschatten nutze. Dies öffnete jedoch den Passweg zum Breitengeber, der dadurch anspielbar wurde.
Das kurze Angebot des Breitengebers zwang den Außenverteidiger von Aberdeen, weit herauszurücken, um Druck aufzubauen. Gleichzeitig wurde der Ballnahe Innenverteidiger von Kenny gebunden und konnten daher häufig nicht nach außen durchschieben, was zu großen Abständen zwischen den Abwehrspielern führte. Dieser Raum konnte nun vom Außenverteidiger von Celtic mit Tiefenläufen effektiv genutzt werden, wodurch Aberdeen gezwungen war, rückwärts zu verteidigen – eine klare Bewegungsnachteilsituation für den Außenspieler von Aberdeen.
Situativ schob der ballnahe Innenverteidiger von Aberdeen durch, um den Raum zu schließen, kam jedoch meist zu spät. Dadurch ergab sich oft eine 2-gegen-2-Situation in der Box, bei der zudem kein Spieler der Dons den ersten Pfosten abdeckte, was Celtic zusätzlich Vorteile in der Box eröffnete.
Ein anschauliches Beispiel für diese Spielweise ist das Tor zum 4:1. Obwohl Aberdeen am Flügel eine Drei-gegen-Drei-Situation herstellen konnte, löste Celtic die Situation clever. Sie spielten den Ball auf Yang, der diesen direkt auf Bernardo prallen ließ, während er selbst in die Halbspur rotiert. Gleichzeitig bewegte sich Schlupp nach außen, um den Raum am Flügel zu besetzen.
Die Folge dieser Bewegung war, dass Jensen weit nach außen auf Yang herausrücken musste. Dadurch entstand ein großer Abstand zwischen Außen- und Innenverteidiger, den McCowan, der ballferne Achter, hervorragend nutzte. McDowen, der in solchen Situationen oft auf die ballnahe Seite rotiert, um eine Überzahl zu schaffen, belief diesen Raum mit perfektem Timing und verschaffte Celtic so die Möglichkeit diesen Raum zu bespielen und Johnny Kenny den Startelfdebütanten perfekt zu bedienen.
Aberdeen passt auch im Tiefen verteidigen an
Doch auch dies erkannte Jimmy Thelin und sein Trainerstab, woraufhin sie entsprechende Anpassungen vornahmen. Statt wie zuvor den Außenverteidiger nach außen durchschieben zu lassen, übernahmen vermehrt die beiden Außenstürmer, Morris und Keskinen, die Aufgabe, den entgegenkommenden Breitengeber zu verteidigen.
Durch diese Anpassung konnte der Außenverteidiger in der Halbspur verbleiben, was es ihm ermöglichte, die Tiefenläufe der Gegenspieler effektiver aufzunehmen und den Abstand zu den Innenverteidigern deutlich zu verringern. Diese kompaktere Defensive erschwerte es Celtic, die entstandenen Räume wie zuvor auszunutzen.

In der Schlussphase versuchte Aberdeen das Flügelspiel wie folgt zu verteidigen: Nun war es der Außenstürmer der auf den Breitengeber von Celtic attackierte und der Außenverteidiger der in der Halbspur blieb. Zwar war diese Herangehensweise bereits in der Anfangsphase vereinzelt zu beobachten, doch zum Ende des Spiels hin wurde sie deutlich häufiger eingesetzt. Dies deutet darauf hin, dass es sich um eine bewusste taktische Anpassung handelte, um den zunehmenden Druck über die Flügel effektiver zu neutralisieren.
Doch auch auf diese Anpassung fand Celtic wirksame Lösungen. Der entscheidende Spieler in diesen Situationen war erneut der ballferne Achter, der bei Celtic häufig im Zehnerraum agierte, während der der ballferne Außenverteidiger die ballferne Halbspur besetzte. Der Grund dafür war, dass der Achter so ballnah mit eingreifen konnte, sowie eine höhere Kompaktheit hergestellt wurde. Dies ermöglichte nicht nur einen guten Anschluss für Folgeaktionen, sondern stärkte auch die Effektivität im Gegenpressing. So konnte Celtic es in diesen Situationen häufig über den ballfernen Achter mit einem gezielten Ball in den Druck den Breitengeber freizuspielen.
Hierbei hatten die Spieler klare Aufgaben: In der Halbspur war es die Vorgabe, hoch zu binden – entweder durch den Außenverteidiger oder durch den Achter.
Dadurch wurde der gegnerische Außenverteidiger gezwungen, nach außen herauszuschieben, oder die gegnerischen Spieler orientierten sich nach innen, wodurch der Flügel offen blieb und der Außenverteidiger gebunden wurde. Dies eröffnete Celtic die Möglichkeit, ihr rotierendes Flügelspiel mit dynamischen Positionswechseln aufzuziehen. Der Spieler, der in der Halbspur gebunden hatte, konnte dabei zusätzlich die Funktion eines Wandspielers übernehmen, um weitere Kombinationen zu ermöglichen.
Auch die Einwechslungen zeigten ihre Wirkung. Brendan Rodgers brachte in der 61. Minute Reo Hatate für McGregor ins Spiel, was sich unmittelbar bemerkbar machte, da das Mittelfeld dadurch variabler und vor allem offensiver wurde und es zu Situationen führte vorallem wenn Aberdeen etwas höher stand, wo Celtic mit einer Doppelsechs aus Hatate bzw. MC Dowen und Bernado aufbaute.
Diese Chance entstand, weil Bernardo, der ab diesem Zeitpunkt konsequent die ballnahe Seite überlud, auf der linken seite eine 4-gegen-3-Situation herstellte. Durch die extreme ballnahe Positionierung von Bernardo wurde Clarkson aus seiner Position gezwungen und musste auf Bernardo verteidigen. Dadurch geriet Shinnie in eine 2-gegen-1-Unterzahlsituation, da McDowen durch seine hohe Positionierung den Kapitän von Aberdeen gebunden hatte.
Generell war es Bernardo, der nun verstärkt versuchte, die ballnahe Seite zu überladen. Gleichzeitig ließ sich Hatate immer wieder in den Sechserraum fallen, was dazu führte, dass Gueye häufig zwischen zwei Gegenspielern positioniert war.
Direkt nach seiner Einwechslung führte dies auch gleich zu einem vielversprechenden Angriff. Bernardo kreierte auf der linken Seite eine 4-gegen-3-Situation. Durch seine extreme ballnahe Positionierung wurde Clarkson gezwungen, aus seiner angestammten Position herauszurücken und direkt gegen Bernardo zu verteidigen. Dadurch geriet Shinnie in eine 2-gegen-1-Unterzahlsituation, da McCowan durch seine hohe Positionierung den Kapitän von Aberdeen effektiv band.
Die Schlussphase
In der Schlussphase war das Spiel weitgehend entschieden, und die Intensität ließ spürbar nach – wenig überraschend angesichts des Spielstands von 4:1 zugunsten von Celtic. Bei Aberdeen zeigte sich insbesondere bei Morris die Ermüdung, die sich in einer geringeren Intensität widerspiegelte. Zudem agierten die Außenspieler Keskinen und Morris in ein bis zwei Situationen unnötig aggressiv, indem sie erneut aauf die Innenverteidiger attackierten, obwohl dies in der jeweiligen Spielsituation wenig erfolgversprechend war.
In der 78. Minute verschärfte sich die Situation weiter als Celtic Bernardo, über eine Ablage durch den in Halbspur eingerückten Johnston fand. Bernado schickte Idah mit einem präzisen Pass in die Tiefe. Dabei geriet Dorrington in einen Zweikampf mit Idah. In einer unkontrollierten Aktion erhielt Dorrington seine zweite Gelbe Karte und musste das Spielfeld verlassen.
Aberdeen reagierte auf die Unterzahl, indem sie ihre Formation auf ein 4-3-2 umstellten. Celtic nutzte diese Anpassung geschickt, um auf den Flügeln Überzahlsituationen im Form 3-gegen-2 zu erzeugen. Auf der rechten Seite attackierte Clarkson fortan den gegnerischen Außenverteidiger, wodurch sich für Celtic vermehrt Räume in der Halbspur öffneten.
In der Schlussphase versuchte Celtic, diese Freiräume gezielt durch Tiefenläufe in der Halbspur zu nutzen, da der Achter keinen direkten Gegenspieler mehr hatte. Dies war möglich, weil Palaversa einen weiten Weg zurücklegen musste, um auf den Achter durchzuschieben. Wenn er dies dennoch tat, gelang es Celtic mit cleveren Rotationen, diese Bewegungen auszuspielen.
Ein Beispiel dafür zeigte sich in der 89. Minute: Der Achter wich in die Breite aus, während Kühn (eingewechselt) als Außenspieler in die Halbspur rückte und den gegnerischen Außenverteidiger band. Johnstone spielte auf den Achter, der in die Außenspur rotiert war, und dieser leitete den Ball auf Bernardo weiter, der erneut in die ballnahe Seite einrückte. Johnstone nutzte die entstehende Dynamik, indem er in die Tiefe startete und ein effektives 2-gegen-1 herstellte – ein wiederkehrendes taktisches Element, auf das wir im weiteren Verlauf nochmals zu sprechen kommen.
Fazit: Rückschlüsse für das Finale
Bevor wir uns detailliert mit den Anpassungen von Aberdeen im Finale beschäftigen, möchten wir zunächst noch einmal klar und prägnant die vier zentralen Probleme auflisten:
1.Kein Zugriff im Hohen Pressing:
Zwar gab es eine Phase, in der Aberdeen einige hohe Ballgewinne erzielte, doch über die gesamten 90 Minuten gelang es Celtic immer wieder, sich aus dem Pressing zu befreien. Besonders problematisch erwies sich das Verhalten der Außenspieler, die immer wieder und oft zu ungeduldig die Innenverteidiger oder im falle von Keskinen den Torwart attackierten. Celtic nutzte dies konsequent aus, indem sie mit Ablagen oder einfachen Pässen auf die Außenverteidiger die Drucksituationen auflösten. Dadurch investierte Aberdeen viel Kraft und Energie, die letztlich jedoch wenig Effekt hatte und weitgehend wirkungslos blieb und geriet in Unterzhalsituationen bzw. in Mismatches wie auf der rechten Seite Forest gegen Shinnie.
2. Zuordnungsprobleme am Flügel
Im tiefen Verteidigen hatte Aberdeen immer wieder mit Zuordnungsschwierigkeiten zu kämpfen. Die strukturierte Spielweise von Celtic, die meist in einer 2-3-2-3-Formation agierten, brachte die Defensive der Dons regelmäßig in Bedrängnis. Zwar versuchten die Flügelspieler, mit ihrem Deckungsschatten die Passwege auf die Außenverteidiger in der Halbspur zu blockieren, doch häufig führte dies zu zuordnungsproblemen. Besonders die dynamischen Tiefenläufe von Celtic erwiesen sich in diesen Situationen als äußerst gefährlich und stellten Aberdeen immer wieder vor große Probleme, da die Aufgabe nicht klar war wer diesen Lauf aufnimmt bzw. der Außenstürmer Aberdeens zu spät kam.
3. Abstände zwischen Innen- und Außenverteidiger
Celtic gelang es insbesondere in der ersten Halbzeit, die gegnerischen Außenverteidiger immer wieder aus ihrer Position herauszuziehen und dadurch große Abstände zwischen den Außen- und Innenverteidigern in der Kette zu provozieren. Diese Lücken nutzten sie gezielt. So waren die Tiefenläufe der Außenverteidiger noch effektiver.
Celtic nutzte diese Räume nicht nur durch die Tiefenläufe der Außenverteidiger, sondern auch durch den ballfernen oder ballnahen Achter, die diese Lücken gezielt bespielten. Darüber hinaus zeigte Kenny, der Stürmer, ein hervorragendes Gespür für Raum und Timing, indem er diese Bereiche immer wieder clever belief. Zudem ermöglichten die flacheren Positionierungen der Flügelspieler, diese in offene 1-gegen-1-Situationen zu bringen.
4.Boxverteidigung
Auch in der Box zeigte Aberdeen wiederholt Schwächen in der Defensivordnung. Der ballnahe Innenverteidiger schob oft nach außen durch, kam jedoch zu spät, um am Flügel entscheidend eingreifen zu können, und befand sich dadurch in einer ineffektiven Position. Dies führte häufig dazu, dass Aberdeen in der Box in eine 2-gegen-2-Situation geriet, die Celtic geschickt mit einem Ball auf den 2. Pfosten auszunutzen wusste.
Zusätzlich gelang es Aberdeen nicht immer, den ballnahen Rückraum effektiv zu sichern. Besonders problematisch wurde es, wenn Forrest ins 1-gegen-1 gegen Shinnie ging. In diesen Situationen eilte oft Clarkson zur Unterstützung, wodurch er den ballnahen Achter unbewacht ließ und Celtic eine weitere gefährliche Option eröffnete.
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VR: VR ist bei einem Traditionsreichen Reginalligisten im Analysebreich tätig. Sein Größter Traum ist es langfrisistig irgenwann mal mit diesem Verein in der Champions League aufzulaufen. Kurzfrisitig ist das Ziel der Aufstieg in Liga 3.
SR: Studiert Geschichte und Philosophie, was man an seinen Texten an der einen oder anderen Stelle merkt. Neben dem Studium schreibt er Gegneranalysen für einen Schweizer viert Ligisten und versucht jedes mögliche Fussballspiel zu sehen.
RO: Ist sich sicher, er liebt den Fußball. Seit 12 Jahren versucht er Ihn aus allen erdenklichen Blickwinkeln
zu betrachten. Um letztendlich rauszufinden, was es überhaupt bedeutet den Fussball zu lieben.
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