Chelsea FC – Liverpool FC 1:2
Zuhause gegen Liverpool musste für Chelsea und Trainer Villas-Boas ein Sieg her, doch trotz einer starken zweiten Halbzeit kassierte man den späten Knock-Out und die Medien sprechen von einer Krise, obwohl es sich um ein Übergangsjahr handelt.
André Villas-Boas ließ das typische 4-3-3 spielen, entschied sich in der Viererkette beim Spiel „2 aus 3“ für Ivanovic und David Luiz sowie in Mittelfeld und Angriff für Mikel und Drogba anstelle der beiden Ex-Liverpool-Spieler Meireles und Torres, doch das System ähnelte stärker jenem aus seiner Porto-Zeit als dem der letzten Wochen, was vor allem daran lag, dass Mata auf rechts spielte und Malouda auf links für eine breite Grundordnung sorgte, mit der man wohl in einem solchen Spiel zum einen für mehr Ausgeglichenheit und Einfachheit auf dem Platz sorgen und zum anderen die defensive Anfälligkeit für Konter reduzieren wollte, was in den letzten Wochen ein großes Problem gewesen war.
Kenny Dalglish hielt ebenso einige Anpassungen bereit, besonders überraschend im typischen 4-4-1-1/4-4-2 war die Besetzung der drei offensiven Rollen – Kuyt spielte rechts, Bellamy zentral und Maxi Rodriguez, nach guten Leistungen im Schlussspurt der letzten Saison diese Saison mit nur wenigen Minuten Spielzeit in der Versenkung verschwunden, auf links.
Duelle auf den Flügeln
Diese Umstellungen von Kenny Dalglish hatten allerdings ihren Grund. So stellte er nämlich mit Kuyt einem ausgewiesenen Defensivstürmer und mit Maxi einen ebenfalls defensivstarken Akteur, der bereits als Außenverteidiger oder Wing-Back gespielt hat, auf den Flügelpositionen im Mittelfeld auf, um den beiden offensivstarken und immer weit aufrückenden Außenverteidigern der Blues entgegen zu wirken.
Besonders die Neutralisation von Ashley Cole war ein wichtiges Ziel für den Coach der Reds, wie es auch Alex Ferguson schon häufig mit Park Ji-Sung machte, was in dieser Partie vor allem in der ersten Halbzeit gut gelang, als Kuyt (starke 5 erfolgreiche Tacklings) und Maxi ihre Gegenspieler verfolgten und ausschalteten.
Duelle im Mittelfeld
Insgesamt gesehen war es gerade zu Spielbeginn eine ausgeglichene Partie, in der sich Dominanz- und Ballbesitzphasen zwischen den Teams abwechselten und sich gegenseitig die Waage hielten, was besonders darauf zurückzuführen ist, dass keines der beiden Teams sich entscheidend den Zugriff im Zentrum sichern konnte.
Dies ist wiederum dadurch zu erklären, dass in der Grundordnung der beiden Teams bei gegnerischem Ballbesitz jeder Spieler von einem direkten Gegner gut abgedeckt war – Ramires von Adam und Lampard von Lucas bzw. andersherum, teilweise war dies auch bei Mikel und Bellamy der Fall.
Bei Ballbesitz Liverpool war auffällig, dass sich Chelsea relativ abwartend gab, erst ab der Mittellinie attackierte und sich nur auf das Zustellen von Passwegen und Gegnern beschränkte, anstelle des durchaus aggressiven Ansatzes der letzten Wochen, wie bereits oben erwähnt, was auch gut klappte, denn durch die vorderer Vierrerreihe des 4-1-4-1 ergab sich eine kompakte Schutzmauer, durch die Liverpool recht selten durchkam – gefährlich wurden sie mit Ausnahme ihrer Konter nur durch Spielzüge über den Flügel, auf den sich Bellamy zur Unterstützung bewegte.
Chelsea mit Ballbesitz, Liverpool mit leicht riskanter Pressing-Strategie
Mit der Zeit wurde dann aber klarer, dass diese Szenen mit Liverpooler Ballbesitzphasen immer seltener wurden und Chelsea die Dominanz übernahm. Die Reds störte das allerdings wenig, sie stellten sich in ihrem 4-4-1-1/4-4-2 auf, überließen Chelsea gerne das Leder, um dann auf den Fehler in deren hinteren Reihen zu warten – man näherte sich langsam und vorsichtig, aber doch beständig, und rückte dann – durchaus oft im richtigen Moment – zum Pressing auf.
Hatte das Pressing Erfolg, boten sich gute Konterchancen für schnelle Gegenstöße, die man aber nicht optimal ausspielte, hatte es keinen Erfolg und konnte von Chelsea ausgehebelt werden, war die Entstehung der einzigen großen Chancen für die Hausherren möglich, denn in diesen Momenten konnte man gegen die beiden aufgerückten zentralen Offensivspieler die nominelle Überzahl von 3 gegen 2 im Mittelfeld ausspielen und auch mit weiteren hinzu kommenden Spielern – besonders dem vom rechten Flügel weit in die Mitte ziehenden Mata – den Gegner hier überladen.
Nicht nur, dass man mit fortschreitender Spieldauer dieses Risiko – ganz nach der Philosophie Villas-Boas´, den defensiven Gegner zu provozieren und aus seinem kompakten Block herauszulocken – bewusster einging, sondern auch, dass Bellamy sowohl aufgrund seiner Rochaden auf die Flügel bei Ballbesitz als auch wegen einiger Undiszipliniertheiten nicht immer Mikel abdeckte, so dass sich die Situationen mit einer effektiven Chelsea-Überzahl im Zentrum häuften und Liverpool ein wenig ins Wackeln geriet.
Den ersten Treffer der Partie erzielten allerdings die Gäste – passenderweise resultierte sie aus genau so einer Situation, in welcher ihr Pressing Erfolg hatte, welches man nun, immer mutiger, bereits schon bei gegnerischen Abstößen anwandte. Adam lauerte im Rücken von Mikel, den er nun neben Ramires in einer Hybrid-Rolle durchaus effektiv mit abdeckte und damit seiner Mannschaft wieder etwas Sicherheit gab, auf den Fehler, eroberte den Ball und Bellamy, Suárez und Maxi spielten eine tolle Kombination, die Letzerer abschloss.
Gründe, warum Chelsea seine Überzahl im ersten Durchgang schließlich doch nicht in gute Chancen oder gar Tore umwandeln konnte, finden sich nicht nur in der angepassten Rolle des laufstarken und robusten Adam, sondern auch in jener von John Obi Mikel, der seine Freiheiten zwar für eine gute Ballverteilung nutzte, aber beispielsweise mit einem beherzten Vorstoß für Unruhe und Zuordnungsprobleme sorgen und noch mehr aus dieser Überzahl hätte herausholen können.
Villas-Boas´ Risiko in Halbzeit zwei
An dieser Stellschraube drehte Villas-Boas nach der Pause und läutete damit eine beeindruckende Aufholjagd seiner Mannen ein. Mikel wurde für einen zusätzlichen Offensivmann geopfert, der in Person von Daniel Sturridge auf rechts ging, während Mata in die Mitte rückte, aber oft mit Sturridge rochierte. So wurde die Formation der Gastgeber quasi zu einem 4-0-2-3-1, wobei sich Ramires durchaus oft sogar bis in die Abwehrreihe fallen ließ.
Dieses große Loch zwischen Mittelfeld und Abwehr konnte man bewusst in Kauf nehmen, weil es schlicht nicht notwendig war, es abzudecken – vorne brauchte man noch mehr Präsenz, Kreativität und Gefahr und hinten orientierten sich Suárez und Bellamy quasi an den gegnerischen Spielern statt am Raum, den sie damit ignorierten und sich selbst von den Kollegen isolierten – Chelsea gewann durch diese Maßnahme paradoxer- wie genialerweise sogar noch an defensiver Stärke, was erst nach einigen Instruktionen seitens Dalglish besser wurde, der Maxi anwies, ins offensive Mittelfeld zu gehen, und dafür Bellamy mit seiner Power auf den linken Flügel verschob.
Nun war Chelsea im offensiven Zentrum weit überlegen und konnte Liverpool mit Leichtigkeit überladen, so dass man auch einige gute Kombinationen zustande brachte (Mata). Am gefährlichsten wurde es aber über die etwas direktere Route und die Angriffe über die Flügel, von denen man viele Flanken in die Mitte schlug, was aufgrund der vielen Offensivspieler und damit potentieller Abnehmer auf dem Platz sehr effektiv war und auch den schnellen Ausgleich durch Sturridge brachte.
Vorteilhaft an den Spielzügen über die Flügel war auch, dass man über außen den Spielaufbau ohne den verteilenden Sechser besser sicher stellen konnte. Zwar fiel Ramires immer wieder auch zurück, doch über den Flügel ging es, wenn man auch von dort gerne wieder in die Mitte spielte, leichter, was an drei interessanten Faktoren lag.
Verkehrter Spielaufbau reloaded
Schon zu Beginn der Spielzeit zeigte man beispielsweise gegen Norwich eine interessante Alternativtaktik, falls der Spielaufbau stockte, die man in etwas abgewandelter Form auch hier anwandte – Mikel machte Platz, Cole zog von links in die Mitte und Terry wich auf den Flügel. Doch während in jenem Spiel es das Ziel war, einen Akteur gegen das dichte Zentrum des Gegners in der Mitte frei zu bekommen, wollte man hier den zweiten Effekt erzielen, nämlich, dass Terry ungedeckt auf links in die gegnerische Hälfte marschieren konnte. Wenn es auch keine Paradesituation war, zeigt dies doch die Entstehung des 1:1 dieses Mittel durchaus auf und man erkennt vor allem die Mischung aus Verwirrung und Teilnahmslosigkeit, die Kuyt dem Lauf Terrys gegenüber zeigt.
Faktor Nummer zwei ist eng mit dem ersten verbunden, ebenso wie mit dem Spiel und dem Überladen durch das Zentrum. In dieser Situation würde man den Ball nach schneller und risikoloser Zirkulation in der hinteren Reihe auf die Außen bringen, wo sich der Innenverteidiger entweder direkt hinbewegen und aufrücken oder den Außenverteidiger anspielen würde, damit dieser nach vorne stieß. Anschließend würde man den Ball zur Mitte in den gegnerischen Defensivblock spielen, wo die beiden zentralen Spieler in Überzahl wären und anschließend eine Linie weiter nach vorne spielen, was zu einer ähnlichen Situation führen würde und dazu, dass man mit quasi 4 zentralen Mittelfeldspielern den Gegner ausspielte und im letzten Drittel in recht guter Position war.
Faktor Nummer drei hängt mit der ersten Anpassung Dalglishs zusammen. Als er Maxi in die Mitte zog, spielte man mehr eine Mischung aus 4-4-1-1 und 4-1-4-1, so dass Adam etwas auf die rechte Seite rücken musste, was ihm nicht unbedingt gut lag und damit Malouda auf dem linken Flügel etwas Platz zugestand, der neben Mata zum gefährlichsten Spieler und zur treibenden Kraft wurde.
Dalglish stellt die Weichen auf Sieg
Vorwerfen muss man Chelsea, dass sie den Anfangsdruck nicht ganz aufrecht erhielten und vor allem, dass sie ihre Torchancen nicht nutzten. So blieb Liverpool im Spiel und Dalglish konnte mit einer geschickten Maßnahme das Spiel zu seinen Gunsten drehen – die Einwechslung Hendersons für Bellamy brachte insgesamt einen zusätzlichen Mittelfeldspieler und mehr Präsenz, was es für Chelsea schwieriger machte und nun ihrerseits die Offensivkräfte isoliert sah.
Johnson traute sich in der 87. Minute mit nach vorne, wurde mit einer schönen Verlagerung angespielt und setzte sich zugegebenermaßen glücklich durch, doch er traf und wurde für seinen Mut belohnt. Somit waren es nicht die kurz zuvor als Henderson-Konter eingewechselten Ex-Reds Torres und Meireles, sondern der Ex-Blue Johnson, der das Spiel entschied. Nach dem Rückstand setzte Chelsea dann auf lange Bälle, doch genau dazu passten die Einwechslungen nun nicht mehr – Liverpool brachte den Sieg über die Zeit.
Fazit
Man muss sagen, dass es ein sehr interessantes und ausgeglichenes Spiel war mit dem etwas glücklicheren Ende für ein Liverpool. Ein Unentschieden wäre wohl gerecht gewesen, da beide Trainer taktisch sehr gut agierten wie reagierten und sich einen würdigen Kampf lieferten, doch nun spricht man von Krise in London, obwohl die Saison eigentlich klar als Übergangssaison tituliert worden war. Selbst bei einem Sieg wäre der Rückstand auf die Spitze enorm gewesen. Die Losung für die Zukunft sollte es sein, sich durch übertriebene und unangemessene Zielsetzungen nicht beeinflussen lassen, denn sonst kann es böse Folgen haben – siehe auch FC Bayern 2010/2011. Stichwort Bundesliga: Am Mittwoch gastieren die Blues in Leverkusen, die versuchen sollten, die mögliche Verunsicherung zu nutzen, sich von der angeblichen Krise aber nicht einlullen lassen sollten und auch auf die Anpassungen von Villas-Boas dringend Acht geben müssen.
2 Kommentare Alle anzeigen
asd 26. November 2011 um 06:20
Schöne Analyse, aber wo hast du her dass die Saison für Chelsea als „Übergang“ tituliert worden war? Villas-Boas hat nach dem Liverpool-Spiel in einem Interview gesagt, dass das Ziel nach wie vor die Meisterschaft ist. Das absolute Minimalziel wird die CL-Quali sein, sollte die nicht erreicht werden sehe ich keine Zukunft für AVB bei Chelsea.
YNWA 21. November 2011 um 18:11
Hallo,
herzlichen Dank für die inhaltlich stimmige Analyse.
Meistens sind Eure Artikel recht gut zu lesen, dieser holpert aber an fast allen Ecken und Ende. Zahlreiche Endlossätze, Formulierungen wie „Man muss sagen“ und diverse Grammatikfehler.
Ansonsten macht bitte weiter so, dass ist eine große Bereicherung!
YNWA