Türkei – Kroatien 0:3

„Wir werden das Hinspiel in Istanbul wie ein entscheidendes K.O.-Spiel handhaben.“ Mit diesen Worten kündigte Slaven Bilić die Einstellung seiner Mannschaft vor dem EM Qualifikaitons Play-off Spiel in Istanbul an. In bester Manier eines Auswärtsteams nutzten die Kroaten die Schwächen der Türkei und sorgte für die Vorentscheidung mit einem 3:0 Auswärtssieg. Guus Hiddink steht dagegen vor dem Ende mit einer desolaten Türkei, die auf eigenem Platz nicht einen Schuss aufs Tor bringen konnte.

Hiddink ist bekannt dafür aus dem vorhandenen Spielermaterial das Beste zu machen. Doch an sein Team wurde in dieser Partie Anforderungen gestellt, denen es nicht gerecht werden konnte. In einem Play-off-Hinspiel ist das Heimteam besonders gefordert. Es muss das Spiel machen, weil der Gegner sich in der Regel auf das Rückspiel vor eigenem Publikum verlässt und mit einem Unentschieden, wenn möglich einem Auswärtstor, zufrieden ist.

Das Hinspiel vor eigenem Publikum war für die Türken Gift. Zum einen haben Sie ihre Schwächen wenn es um das herausspielen von Großchancen geht, zum anderen passte es den Gästen sehr gut einfach auf Konter spielen zu können.

Die türkische Abwehr verteilt Geschenke

Kroatien spielte das frühe Tor von Olić in der zweiten Spielminute natürlich in die Karten. Auf links war Gönül von Ćorluka ausgespielt worden und im Strafraum hatten die Mittelstürmer die Abwehr durcheinander gebracht. So konnte Olić am zweiten Pfosten den frühen Treffer markieren.

Startaufstellungen

Die Ausrichtung von Kroatien ist einfach zu beschreiben. Zwei 4er-Reihen bildeten das Bollwerk vor dem die Türken Querpässe hin und her schoben und die beiden Stürmer durften von hinten Druck aufs defensive Mittelfeld ausüben. Dabei musste Bilić auf Mladen Petrić, Ivan Strinić und Niko Kranjčar verzichten. Trotzdem konnte sich die Startelf mit Srna und Modrić sehen lassen.

Hiddink baute auf ein 4-3-3, dass sich in der Defensive zum 4-1-4-1 verschob. Hamit Altıntop und Arda Turan als Flügelzange hinter Burak Yılmaz, aber ohne den gerade erst genesenen Nuri Şahin im Mittelfeld. Auch Halil Altıntop war nicht nominiert worden.

Die kompakte Aufstellung der Kroaten stellte die Türkei vor enorme Probleme. In den Minuten nach dem Rückstand waren sie aktiv und versuchten sich Torchancen zu erspielen. Dabei bauten sie ihre Angriffe über Arda und Altıntop auf. Beide wurden von ihren Außenverteidigern unterstützt und suchten vor dem Strafraum auch den Weg in die Mitte.

Das Problem der Türken war, das sie trotz 60% Ballbesitzes in den ersten 20 Minuten kaum an der kroatischen Abwehr vorbei kamen. Das Mittelfeld verschob sich immer zum ballführenden Spieler, was die Türken zu vielen Querpässen zwang. Die Kroaten machten Druck auf ihre Gegenspieler sobald die ins zentrale Mittelfeld vorstoßen wollten und in der Regel gewannen die Kroaten den Ball. Das zwang die Türkei viel hinten rum zu spielen.

Es blieb also nur der Weg über die Flügel oder lange Pässe hinter die Abwehr. Letzteres funktionierte gar nicht, Burak konnte nicht gefährlich geschickt werden.

Einmal konnte Sabri aus dem Zentrum Arda auf dem Flügel schicken, der hatte eine Halbchance mit einer Flanke, die Richtung Tor ging. Szenen wie diese, bei denen die türkischen Außen mal hinter die Verteidigung kamen, waren aber Mangelware. Und tödliche Pässe im Zentrum erst recht. Meist suchten die Spieler das Dribbling, was viel Kraft kostete und selten Erfolg versprach.

Die Kroaten hatten ihre Angriffsbemühungen beinahe komplett eingestellt und machten sich erst nach einer halben Stunde wieder zum gegnerischen Strafraum auf. Bei diesen Szenen zeige sich ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen beiden Teams: das Umschaltverhalten.

Kroatien schaltet schneller

Kroatiens Strategie beruhte auf Kontern, daher ist schnelles Umschalten von Verteidigung auf Angriff zu erwarten. Aber auch das Umschalten in die Defensive funktionierte bei den Kroaten sehr gut. Wenn einmal viele blaue Spieler in der türkischen Hälfte waren und die Türken den Ball eroberten, dann brauchten die Kroaten meist nur wenige Sekunden um wieder hinter den Ball zu kommen. Dabei versuchte ein Spieler den ballführenden Türken zu stellen und den Angriff zu verzögern.

Die Türken dagegen kassierten ihr zweites Gegentor nach einem Ballverlust im Mittelfeld und gaben den Gästen in der Szene mehr als 30 Sekunden Zeit, um sich vier Möglichkeiten zu erspielen. Dabei war die türkische Abwehr mit 5 Spielern gegen 2 Stürmer im Vorteil, als Modrić den Konter einleitete.

Der erste Schuss wurde noch geblockt und geklärt (Möglichkeit 1). Aber anstatt zurück zu sprinten und die Abwehr zu stärken, joggten die türkischen Angreifer allenfalls (wohl in der Gewissheit, dass die eigene Abwehr in Überzahl ist).

Die Kroaten rückten dagegen schneller nach. Emre konnte die zweite Welle nicht alleine stoppen und Srna durfte Olić auf der rechten Seite im Strafraum schicken. Dessen Hereingabe wurde kurz vor Mandžukić geblockt (Möglichkeit 2). Alle Verteidiger hatten sich zum Fünfmeterraum orientierten und Modrić stand im Strafraum frei. Sein Schuss wurde ebenfalls geblockt (Möglichkeit 3). Er konnte aber Srna einsetzen, der immer noch ganz frei in halbrechter Position außerhalb des 16ers stand. Srnas Flanke konnte Mandžukić dann ins Tor köpfen (32.).

36 Sekunden gefüllt mit schwachem Umschaltverhalten von Ballbesitz auf Defensive und unkoordinierter Abwehrarbeit. Dass die Türken überhaupt dreimal klären konnten war pures Glück. Kein kroatischer Spieler im Rückraum wurde eng gedeckt. Arda Turan stand ein paar Meter von Srna entfernt und hätte fünf Meter Rückstand aufholen müssen, um die Flanke vor dem Tor zu verhindern. Dabei hätte der letzte Pass von Modrić nie gespielt werden und vor allem nicht bei Srna ankommen dürfen.

Guus Hiddink brachte nach der Pause Töre vom HSV für Gönül, Sabri ging nach rechts hinten und Töre auf den rechten Flügel. Töre sorgte mit seinen Dribblings für neue Impulse und gab Altıntop die Möglichkeit halbrechts im Mittelfeld zu spielen.

Keine sechs Minuten waren gespielt, da setzte Kroatien den Schlusspunkt in der zweiten Hälfte. Ćorluka köpfte freistehend nach einem Freistoß ein.

Kroatien war nicht unüberwindbar. Einzelne Kombinationen von den Türken zeigten das aber viel fiel ihnen nicht ein. Diagonale Pässe oder Kombinationen gab es selten und oft fehlte die Präzision. Die Kroaten machten nur sporadisch etwas für die Offensive, vor allem dann wenn sie die Türken für verwundbar hielten. Nach drei Auswärtstoren lag ihr Augenmark aber darauf die Partie nach hause zu bringen.

Fazit

Slaven Bilić machte alles Richtig mit einer schulbuchmäßigen 4-4-2-Konterstrategie gegen spielschwache Türken. Einen 3:0 Vorsprung hatte er vor dem Spiel aber bestimmt nicht erwartet. Mit dieser Taktik kann Kroatien bei der Europameisterschaft viele Teams zur Verzweiflung bringen.

Die Türkei muss sich dagegen fragen, was alles schief gelaufen ist. Harmlos vor dem Tor und eine Abwehrarbeit, die bestraft werden musste. Es wäre ihnen wahrscheinlich besser bekommen zuerst das Auswärtsspiel zu bestreiten um sich ein knappes Ergebnis zu ermauern.

Guus Hiddink wird mit dieser Mannschaft kein Wunder von Zagreb schaffen. Es fehlt die Kreativität, um selber das Spiel zu machen und auch noch drei Tore aufzuholen. Eine realistische Chance hätte nur bestanden, wenn ihnen mindestens ein Tor im eigenen Stadion gelungen wäre.

Diese Mannschaft scheint auch an den Ansprüchen zu scheitern. Ratlos, zeitweise kopflos, präsentierten sich die Türken. Provokation zwischen Demirel und den Fans zeigen, dass Hiddink ein fragiles, vielleicht unkontrollierbares, Gebilde zu betreuen hat.

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