Juventus mit Problemen im Supercup

Im italienischen Supercup traf Doublesieger Juventus auf Cupfinal-Verlierer Lazio. Dieses Mal konnte Lazio das Spiel für sich entscheiden. Die Mannschaft von Simone Inzaghi presste gut und wurde im Umschaltspiel gefährlich, Juventus dagegen konnte so früh in der Saison noch nicht sein gewohntes Leistungsniveau abrufen.

Trotz diverser Aktivitäten am Transfermarkt bot Max Allegri fast die selbe Startelf wie in der vergangenen Saison auf. Die zwei Torschützen aus dem Cupfinale mussten beide ersetzt werden: statt Dani Alves spielte Andrea Barzagli, an Stelle von Leonardo Bonucci lief Mehdi Benatia auf. Obwohl Federico Bernardeschi und Douglas Costa für den offensiven Flügel geholt wurden, spielte auf rechts weiterhin Mario Mandzukic von Beginn an. Lazio ersetzte den zu Milan abgewanderten Lucas Biglia durch Lucas Leiva und spielte ohne die Offensivstars Keita und Felipe Anderson.

Lazio steigert sich im Pressing

Die Anfangsphase des Spiels gehörte den Favoriten aus Turin. Juventus startete druckvoll in die Partie und hatte bereits nach wenigen Minuten eine ausgezeichnete Torchance, als man mit gegenläufigen Movement von Mandzukic und Alex Sandro und einem guten Ball in die Tiefe die mannorientierte Abwehr von Lazio aushebeln konnte, wobei ähnliche Aktionen ansonsten kaum zu sehen waren. Bei Ballbesitz wechselte Juventus zwischen einem Aufbau mit Viererkette und Dreierkette, abhängig von den Positionierungen der Außenverteidiger Alex Sandro und Barzagli. Das Pressing von Lazio hatte anfangs seine Probleme damit, konnte sich mit der Zeit aber besser darauf einstellen.

Szene aus der Anfangsphase des Spiels: Milinkovic und Luis Alberto stehen zu breit, Immobile schiebt heraus ohne dabei den Passweg auf Pjanic zu blockieren.

Szene aus der Anfangsphase des Spiels: Milinkovic und Luis Alberto stehen zu breit, Immobile schiebt heraus ohne dabei den Passweg auf Pjanic zu blockieren.

Lazio spielte in den ersten Minuten ein 5-3-2-Mittelfeldpressing, wobei Inzaghi (laut Rai1 Field-Reporter) schon nach wenigen Minuten kritisierte, dass sich Luis Alberto zu weit hinten bewegte. Fortan wurde in einem grundsätzlichen 5-2-3 gepresst, bei dem die Staffelung der vordersten drei Spieler variierte und sich zunächst eher ein 5-2-2-1 formte. Die Innenverteidiger Juves wurden nur zaghaft attackiert und die ersten Pressingspieler konzentrierten sich darauf, einen weiteren Spielaufbau zu verhindern. Dies taten sie aber in der Anfangsphase des Spiels eher schlecht. Luis Alberto und Milinkovic-Savic standen etwas zu breit hinter Immobile, sodass Khedira und Pjanic innerhalb dieses Dreiecks immer wieder angespielt werden konnten. Auch Immobiles Orientierung im Pressing war oftmals unpassend und er konnte die Passwege auf die Sechser nicht blockieren.

Mit der Zeit wurde das Pressing aber besser und der Sechserraum sehr gut versperrt. Die drei vorderen Spieler blieben enger beisammen und die Außenverteidiger Juves wurden primär von den Flügelverteidigern gepresst. Lazio bildete vermehrt ein 5-2-1-2, bei dem sich Luis Alberto überwiegend am tieferen Sechser orientierte. Parolo war weiter vorne positioniert und suchte die Nähe zum höheren Sechser. Lucas Leiva dagegen blieb stets sehr eng bei Paulo Dybala und verließ dadurch oft das Zentrum vor der Abwehr, was jedoch kaum Auswirkungen hatte, da zentrale Passwege durch die vorderen Spieler zumeist ausreichend blockiert waren.

Das Spiel wurde dadurch mehr auf die Außenverteidiger geleitet, wobei hier die Probleme von Juventus begannen. Alex Sandro positionierte sich zumeist sehr hoch, Mandzukic bewegte sich dann entlang der letzten Linie in Richtung Zentrum. Sandro war dadurch schwerer anspielbar und konnte schnell durch den Flügelverteidiger gepresst werden. Der stets eng von Wallace gedeckte Mandzukic war zudem eine kaum nutzbare Anspielstation. Barzagli positionierte sich zumeist etwas tiefer, was längere Wege für den Flügelverteidiger bedeutete. Dieser war aber in der Regel gut auf dem Sprung nach vorne, übergab Cuadrado und konnte Barzagli recht schnell stellen. Die Sturmreihe verschob ebenfalls sauber in Richtung Außenverteidiger und stellte Räume zu, ließ die Rückpassoption zur Innenverteidigung dabei aber immer offen.

Lazios Pressing wurde nach der Anfangsphase besser. Das Spiel wurde auf die Außenverteidiger gelenkt, welche gut unter Druck gesetzt werden konnten. Juventus fehlt es an passender Besetzung der Halbräume.

Lazios Pressing wurde nach der Anfangsphase besser. Das Spiel wurde auf die Außenverteidiger gelenkt, welche gut unter Druck gesetzt werden konnten. Juventus fehlt es an passender Besetzung der Halbräume.

Juve mit Problemen in Ballbesitz

Das Ballbesitzspiel entwickelte sich von den Außenverteidigern aus nur selten produktiv nach vorne. Es mangelte an Verbindungen in die Halbräume, die Cuadrado nur sporadisch und Dybala nur in enger Deckung besetzte. Khedira und Pjanic konnten die Außenverteidiger nicht genug unterstützen, sie blieben beide zu zentral und horizontal oft unpassend zueinander. Da sie so nur wenig Bälle bekamen, kippte Pjanic im Verlauf des Spiels auch öfter einmal ab, was sich nur kontraproduktiv auswirkte und sogar zum ersten Gegentreffer führte: In der Situation vor dem 1-0 ließ sich Pjanic zurückfallen, was Chiellini durch eine breitere Positionierung ausglich. Pjanic bewegte sich aber nach Abspiel wieder einige Meter nach vorne, wodurch eine löchrige Restverteidigung entstand, was Immobile mit einem guten Lauf in den Raum hinter Pjanic ausnutzen konnte.

Dies war nicht die einzige gefährliche Situation durch Lazios Umschaltspiel. Juventus hatte seine Probleme in Ballbesitz und verlor gegen die in der Abwehr eng am Mann stehenden Römer – die doch ein deutlich höheres Tempo als die Turiner gingen – einige Bälle. Zusätzlich problematisch war die Konterabsicherung. Das Mittelfeldzentrum war mit Khedira und Pjanic schwach besetzt, sonstige Offensivspieler positionierten sich eher am Flügel oder in der vordersten Linie.

Im Spielaufbau probierte es Chiellini mit einigen Vorstößen (eine Stärke von ihm, welche er auch in diesem Spiel gut einbrachte), allerdings brachte dies Risiko mit sich und verschlechterte die Absicherung. Lazio dagegen hatte im Spiel gegen den Ball quasi drei Stürmer, dadurch nach Balleroberungen direkt eine aussichtsreiche Staffelung und mit Immobile sowie Milinkovic-Savic auch zwei sehr gute Konterspieler.

Außer in Umschaltsituationen konnte Lazio kaum gefährlich werden. Das Ballbesitzspiel war unspektakulär: Im 3-5-2 ließ man ruhig in der Aufbauraute den Ball zirkulieren, Sechser Lucas Leiva stand dabei stets vor der ersten Pressingreihe. Luis Alberto und Parolo spielten als höhere Achter, Milinkovic-Savic, der eigentlich Mittelfeldspieler ist, kam neben Immobile als zweite Spitze zum Einsatz, hatte aber einen sehr groß Aktionsradius und wich gerne auf die linke Seite aus. Juventus verteidigte dies in seinem gewohnt kompakten, tieferen 4-4-2-Pressing und gewährte Lazio einige längere Ballbesitzphasen.

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Auffällig war wieder die Flexibilität der Defensive von Juventus. Die Bianconeri waren sehr darauf bedacht nach Spielverlagerungen auf den ballfernen Flügelverteidiger schnell Zugriff zu erzeugen. Der ballferne Mittelfeldspieler verschob dadurch oft nicht mit Richtung Ball und blieb im ballfernen Halbraum oder bildete gar eine Fünferkette. Die Abstimmung zwischen Flügelspieler und Außenverteidiger passte sehr gut und die Defensivstaffelung variierte je nach Situation.

Allegri mit Umstellungen in der zweiten Hälfte

In der zweiten Halbzeit erhöhte sich der Rhythmus des Spiels und Juventus konnte Lazio besser kontrollieren. In der 54. Minute brachte Allegri Douglas Costa für Cuadrado und De Sciglio für Benatia. Der Brasilianer brachte etwas Schwung ins Spiel. Er bewegte sich überraschend gut in den Halbräumen und konnte vereinzelt sein hohes Tempo zeigen, was Cuadrado zuvor nicht gelang. Bedeutsam und sinnvoll war auch die Einwechslung von De Sciglio, da Barzagli dadurch in die Innenverteidigung rückte und der bisher spielerisch recht wertlose Benatia vom Platz ging. Mit Barzagli und Chiellini war die Innenverteidigung stärker im Spielaufbau. Zudem kippte Pjanic kaum noch ab. Eine weitere Änderung war die Höhe der Außenverteidiger, denn auch Alex Sandro positionierte sich im Spielaufbau nun tiefer, was Lazios Flügelverteidigern weitere Wege bescherte.

Lazio verteidigte nun tiefer in der eigenen Hälfte, überwiegend in einem 5-4-1. Die hohe Intensität aus der ersten Halbzeit konnten sie nicht ganz aufrechterhalten und Dybala konnte sich beispielsweise immer öfter aus seiner engen Deckung befreien. In der Schlussphase gelang durch einen Dybala-Freistoß der Anschlusstreffer und es entwickelte sich eine Abwehrschlacht, in der Juventus per Elfmeter in der 90. Minute den Ausgleich erzielte. Zum Sieg reichte dies dennoch nicht, da der eingewechselte Jordan Lukaku kurz darauf De Sciglio überlief und Murgia dessen flache Hereingabe zum 3:2-Endstand verwertete.

 

Fazit:

Lazio begann das Spiel eher schwach, verbesserte sich aber im Pressing und konnte das Geschehen dadurch eine Zeit lang gut kontrollieren. Sie versperrten das Zentrum und pressten gut Richtung Flügel. Juventus hatte damit seine Probleme und fand in der ersten Halbzeit zunächst keine Lösung darauf. Während man sich defensiv gewohnt stark präsentierte, funktionierte das Ballbesitzspiel nicht so gut wie in der vergangenen Saison. Hier machte sich das Fehlen von Bonucci bemerkbar, welcher in Zukunft eher durch Rugani ersetzt werden sollte, der mit seinem starken Andribbeln gegen Lazio eine entscheidende Rolle hätte spielen können. Mit Barzagli war der Spielaufbau besser und die guten Umstellungen von Allegri in der zweiten Halbzeit ermöglichten eine Aufholjagd, welche durch den später Treffer von Murgia jedoch unbelohnt blieb.

Daniel 17. August 2017 um 15:07

Toll dass es mal eine Analyse aus der Serie A gibt. Danke und gern mehr davon!

„Obwohl Federico Bernardeschi und Douglas Costa für den offensiven Flügel geholt wurden, spielte auf rechts weiterhin Mario Mandzukic von Beginn an.“

Sicher? In den Grafiken ist Mandzukic auf links abgebildet, dort spielte er meiner Erinnerung nach auch in der Vorsaison großteils. Rechts spielten doch schon Cuadrado und Dybala.

„Das Mittelfeldzentrum war mit Khedira und Pjanic schwach besetzt…“

Hm. Ich bin ein ziemlicher Fan von Pjanic. Es gibt sicher noch bessere (Hallo Herr Kroos), aber ihn als schwache Besetzung im Mittelfeld zu sehen find ich fragwürdig. Und auch wenn ich nicht unbedingt ein Fan des Spielertyps Sami Khedira bin, kann man ihm eine hohe individuelle Klasse find ich dennoch nicht absprechen. Ein wesentlich besseres Mittelfeld als Pjanic/Khedira haben nur wenige Vereine, und von denen spielt keiner in Italien. Oder ist das eine quantitative Aussage, dass Juve nur zwei Spieler im Mittelfeldzentrum hatte?

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AB 17. August 2017 um 17:20

ja, Mandzukic spielte natürlich links, so wie es auch in den Grafiken zu sehen ist. Da ist nur ein kleiner Fehler unterlaufen.

„Das Mittelfeldzentrum war mit Khedira und Pjanic schwach besetzt…“ das ist vielleicht ungeschickt formuliert von mir. Es ging hier überhaupt nicht um die Qualität von Khedira und Pjanic, die ich beide sehr schätze (besonders Pjanic). Durch die breiten/sehr hohen Positionierungen der anderen Offensivspieler + häufiges Pjanic abkippen war das Zentrum einfach nicht gut abgesichert. „schwach“ bezieht sich also auf die Besetzung dieser Räume und nicht auf die beiden Spieler

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Chris 17. August 2017 um 10:34

Solide Analyse, speziell das Pressingverhalten der Römer wurde gut herausgearbeitet – nicht ganz anfreunden kann ich mich allerdings mit Cuadrado’s Leistungseinschätzung, fand den Kolumbianer nicht unauffälliger/ weniger gefährlich als Douglas Costa.
Für die Hintermannschaft der „Alten Dame“ bleibt zu hoffen, dass Rugani bald die Rolle von Benatia/Barzagli übernimmt!

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