Blick über den Tellerrand – Folge 32
Das exotische Element liefert diesmal ein Verfolgerduell aus der australischen Liga. Den Schwerpunkt der Ausgabe bildet das Baskenland, mit der Derbyniederlage Athletics und der folgenden Entwicklung. Dazu gibt es Spallettis Roma in der Rhythmusanalyse.
Spiel der Woche I: Melbourne City – Sydney FC 3:0
So langsam aber sicher nähert sich die diesjährige A-League-Saison dem Endspurt. An der Spitze ist es noch eng, nun trafen sich Melbourne City und Sydney zum Verfolgerduell. Die Gastgeber unter John van´t Schip wollten am Spitzentrio dranbleiben, Sydney muss seinen Play-Off-Platz sichern. Große personelle Probleme plagten Coach Graham Arnold jedoch vor diesem Gastspiel in Melbourne. Das sorgte letztlich auf Seiten Sydneys auch für eine überraschende formative Umstellung hin zu einem 5-2-1-2.
Die Hausherren begannen in einer Rautenformation, mit kleineren Asymmetrien, wenn einer der Halbspieler mal breiter ging. Dabei praktizierten sie ein etwas erhöht angelegtes Mittelfeldpressing. Gelegentlich schob auch mal Cáceres in eine Art 4-3-3-0 vor, wodurch die Gastgeber den einen oder anderen langen Ball erzwingen konnten. Im Normalfall gelang es Sydney jedoch, zunächst einmal ihre beiden Sechser einzubinden, die sich gut bewegten und zwischen dem gegnerischen Zehner immer mal etwas Raum fanden. Die – wie generell das Team – lose mannorientierten Achter von City hielten sich etwas zurück und suchten die Absicherung.
Aus dem Sechserraum fokussierte sich Sydney häufig darauf, das Spiel mit langen Diagonalbällen ihrer Mittelfeldakteure weiterzuentwickeln. Gesucht wurden dabei die umtriebigen Angreifer, die immer wieder aufwändig auf die Flügel auswichen, um dort nach Lücken zu suchen. Dadurch kamen die Gäste auch gar nicht so schlecht in hohe Zonen, hatten allerdings Schwierigkeiten, die Szenen weiterzuentwickeln und wieder in die Mitte sowie vor das Tor zu gelangen. Die Nachrückbewegungen des Kollektivs erfolgten erst eher vorsichtig, waren dann zu linear aus der Grundposition nach vorne gerichtet. Die eigene Rolle wurde solide weitergetragen, aber es gab wenig Umformungen oder kreative Elemente.
Als problematisch erwies sich auch, dass der verbindende Bereich um den Zehnerraum über weite Strecken zu unpräsent besetzt war. Hier machte sich bemerkbar, dass die Stürmer trotz ihrer zahlreichen engagierten – aber oft vor allem horizontalen – Bewegungen insgesamt zu hoch agierten. Dadurch musste Ninkovic die Bereiche im offensiven Mittelfeld alleine füllen. In Momenten, in denen er den mannorientierten Malik wegziehen und dadurch Lücken reißen konnte, fehlte es an entsprechenden Bewegungen seiner Mitspieler, die dies nachhaltig ausgenutzt hätten. Vereinzelt half Dimitrijevic mal, aber das war auch bloß individuelles Eingreifen.
Grundsätzlich blieben die Hausherren daher mit ihrer soliden Defensivleistung stabil. Einerseits entstanden durch die losen Mannorientierungen samt kleineren Desbalancen mal offene Lücken. Andererseits gab es einige gute Heraus- und Nachrückbewegungen im Pressing oder Übergaben der Mannorientierungen, ebenso Rückwärtspressingansätze durch Cáceres. Brachte Sydney das Spiel auf einen der Flügelverteidiger, reagierte Melbourne mit verschiedenen, flexiblen Mustern. Links defensiv schob der etwas tiefere, absichernde Melling oft nach außen, gegenüber löste sich häufig Franjic herausrückend aus der Kette und im zweiten Durchgang lief dies nach einem personellen Wechsel gar spiegelverkehrt.
Trotzdem erwiesen sich Szenen über die Flügel als die vielversprechendsten Gelegenheiten für Sydney. Gerade die rechte Seite mit Hoole tat sich hervor. Dieser erhielt durch die formativen Gegebenheiten zwischendurch Freiraum im zweiten Drittel und konnte dann seine – wenngleich gelegentlich überdrehten – überraschend starken, mutigen und vielseitigen Dribblings starten, oft diagonal. Mal schuf er sich Chancen für Hereingaben, mal ergaben sich durch die entstehende Dynamik Anschlussoptionen im Zusammenspiel. Bei den Hereingaben machte sich das 5-3-2 bezahlt: Gegen die Raute Citys wurde ballfern der nachrückende Abbas häufig frei und hatte zwei gute Abschlüsse aus dem Rückraum.
Einige weitere Gelegenheiten ergaben sich durch Einzelaktionen – oder mal im Doppelpass mit Ninkovic – der Stürmer, nachdem diese festgemachte lange Bälle aus den Flügelräumen wieder in die Mitte schleppten. Allerdings waren es oft nur Distanzversuche. Alternativ wurde der Ball in die Rückzirkulation gespielt, die zwar in letzter Instanz wenig Torgefährliches einbrachte, aber die gute Absicherung illustrierte. Dies war neben dem „indirekten Zusammenspiel“ der Flügelverteidiger die zweite große Stärke Sydneys bei Ballbesitz: Ihre Sechser boten sich tief gut an, auch zur Seite, agierten pressingresistent und ballsicher. So konnte man sich auch aus schwierigen Szenen noch lösen und war stabil.
Gleichzeitig bedeutete das auch, dass den Hausherren kaum Kontermöglichkeiten gegeben wurden. Ballgewinne konnten fast nur in tiefen, seitlichen Zonen verbucht werden. Das gelegentliche Zocken nach außen von Fornaroli und Novillo zahlte sich gegen die Präsenz der Dreierkette und der absichernden Sechser nicht aus. So musste die Torgefahr für Melbourne City aus dem Aufbau erwachsen, doch damit taten sie sich schwer. Gerade zu Beginn der ersten Halbzeit machte Sydney früh Druck, stellte mit den beiden Stürmern aggressiv die Innenverteidiger zu und Ninkovic orientierte sich an Malik. Zahllose lange Bälle Melbournes waren zunächst nicht die Folge.
Überhaupt zeigte Sydney in der Organisation gegen den Ball gute Momente. Auf den Außenbahnen fanden die Flügelläufer der Fünferkette im Großen und Ganzen das richtige Timing, um situativ die gegnerischen Außenverteidiger unter Druck zu setzen. Vereinzelt konnte Ninkovic Melling in seinem Deckungsschatten halten, vor allem gelang dies jedoch Dimitrijevic eine Ebene tiefer gegen Cáceres. Da das Nachrücken Sydneys gegen die linke Offensivseite Citys nicht ganz so kohärent war, konnten sich diese hier einige Male freispielen. Etwas zu häufig fiel der Zehner dann jedoch aus dem Zwischenlinienraum zum Ball zurück, während die gegnerischen Sechser dagegen gut hinüberschoben.
Letztlich versandeten diese Ansätze häufig, gegenüber der eigentlich bevorzugten rechten Seite fehlte Melbourne hier Konsequenz. So richteten sie sich, wenn sie lang bolzen mussten, klar auf den rechten Flügel ein. Dorthin schoben sie einige Spieler für prinzipiell gute Präsenz zusammen und gewannen damit manche Abpraller. Überhaupt versuchten sie dort überladende Ballungen aufzuziehen. Gegen die solide 5-2-Grundstaffelung des Gegners fehlte es aber an guten Mechanismen. Im Ausspielen wirkte City unsauber und improvisiert, die Rollenverteilung zu unklar. So hatten sie noch weniger Durchschlagskraft als das etwas zielgerichtetere Sydney auf der anderen Seite.
Gelegentlich erzeugte Melbourne City über die Rochaden von Mooy nach außen Unordnung gegen die auch bei Sydney vorhandenen losen Mannorientierungen. So entstanden kleinere Ansätze, insbesondere in Zusammenwirkung mit Franjic´ Vorrücken. Die gefährlichsten Momente waren jene, wenn Abbas mit kurzer Stafette herausgezogen und Raum für einen seitlichen Durchbruch geschaffen werden konnte. Die Hereingaben von der Grundlinie brachten aber letztlich nichts ein. So war die 1:0-Halbzeitführung für die Hausherren eher glücklich. Der Treffer entstand untypisch nach einem langen Abschlag des Keepers im Anschluss an eine gegnerische Standardsituation.
In der zweiten Halbzeit taten sich keine größeren Veränderungen mehr auf. Gerade der Anfangsteil lief ereignisarm ab, mit nur wenigen Torchancen. Die Gäste versuchten viel, wollten ihre ausweichenden Stürmer fokussieren, aber hatten auch ähnliche Probleme wie zuvor. Bei Melbourne wirkte die personelle Umstellung im Mittelfeldzentrum förderlich auf das Pressing, teilweise auch für die Ballzirkulation. Dadurch konnten sie das Zusammenspiel der Stürmer – Novillo bereitete per Lochpass das 2:0 für Fornaroli vor – und die Läufe Mooys im ballfernen Halbraum besser einbinden. Kurz vor Schluss fiel das 3:0 nach einem isolierten Flügeldribbling mit eigentlich ungefährlicher Hereingabe, bei der Jurman aber über den Ball trat. Mit nur acht Abschlussversuchen insgesamt holte sich City den Sieg.
Spiel der Woche II: Athletic Club – Real Sociedad 0:1 (mit „Nachgeschichte“)
Schon am vorletzten Wochenende, also noch mitten im Februar, fand diese Partie, das große Derby des Baskenlandes, statt. Die Mannschaft von Ernesto Valverde empfing das im vergangenen November von Eusebio Sacristán übernommene Real Sociedad, das seitdem eine gute Erfolgsserie aufzuweisen hatte.
Bei den vorigen Auflagen entwickelte sich dieses Aufeinandertreffen oft zu sehr intensiven und umkämpften Partien, geprägt von Pressing und – in den vergangenen Jahren häufig – losen Mannorientierungen. Letzteres war auch diesmal zu beobachten: Die Sechser bewegten sich im Dunstkreis der Zehner, es entstanden viele Duelle zwischen Illarra und Beñat. So gab es zahlreiche lange Bälle, direktere Pässe, herausrückende Bewegungen, enge und umkämpfte Szenen. Gelegentlich fuhr sich die Partie in den Zuordnungen fest, manchmal entstanden vereinzelt plötzlich offene Lücken, nach einer Viertelstunde lagen die Passquoten bei 53 bzw. 43 %.
Zunächst war es zwischen den mannorientierten, gruppentaktisch soliden und insgesamt recht stabilen 4-2-3-1-Formation ein ausgeglichenes Duell mit einigen taktischen Ähnlichkeiten, in dem keine Mannschaft klar die Oberhand erhalten konnte, sondern beide gelegentlich zu ihren Szenen kamen. Im ersten Teil des ersten Durchgangs entwickelte sich dann aber doch ein leichtes Übergewicht für die Gäste, das mit der Zeit etwas schärfer hervorstach. Sie hielten ihre nominelle Doppel-Sechs etwas kohärenter zusammen, übergaben die Mannorientierungen minimal harmonischer und gestalteten auch den Pressingübergang durch das Vorrücken des Zehners besser.
Dieser schob aus seiner halbrechten Grundposition und der prinzipiellen Mannorientierung heraus nach vorne, bis etwa auf eine Höhe mit Jonathas. Dabei setzte er einen der Innenverteidiger leicht diagonal unter Druck, legte seinen Deckungsschatten über San José hinter ihm. Athletic tendierte gegen dieses 4-4-2-hafte Aufrücken zwischenzeitlich dazu, zu viel auf die langen Bälle zu setzen. Dadurch konnten sie aber ihre nominelle Doppel-Sechs kaum ins Spiel einbinden und wurden zunehmend zerfahren in der Anlage. Es dauerte eine Weile, bis sie mehr Konsequenz und Präsenz auf die Abpraller fanden, eigentlich erst einige Zeit nach dem Rückstand.
Nun kam auf Seiten der Gäste eine leichte Desbalance ins Spiel hinein, indem das Vorschieben Xabi Prietos zu früh, weit und teilweise etwas isoliert ausgeführt wurde. So verlor Real Sociedad ein wenig an Kompaktheit nach hinten. Bei langen Bällen Athletics waren die eigenen Sechser in ihren Bewegungsmustern daher mehr eingeschränkt als zuvor, mussten oft einfach die Absicherung suchen. Mit kleineren Umformungen konnte das Team aus Bilbao sie nun unter Druck setzen: Die offensiven Flügel rückten eng ein, Muniain rochierte immer häufiger nach außen.
Dadurch kamen sie gelegentlich zu kleineren lokalen Überzahlen und konnten etwas Raum finden. Entweder gelang dies durch einzelne Dribblings der einrückenden Flügel oder Muniain, der entgegengesetzt quasi um die gegnerischen Sechser herum spielte. Bis dahin waren allein diagonale Dribblings von de Marcos gegen die Mannorientierungen gefährlich gewesen. In einer solchen Szene hatte er schon in der ersten Minute Raum gefunden und dann mit einem Schnittstellenpass ein nicht gegebenes Abseitstor vorbereitet. Doch auch wenn die Hausherren nun manchmal Zwischenlücken fanden: Insgesamt erfolgte das alles fahrig. Letztlich kamen sie häufiger mal zum Strafraumeck, aber dort nicht entscheidend weiter.
Es fehlte an Harmonie in den Bewegungsmustern, einzelne kluge Positionierungen wurden von den Kollegen schlicht übergangen. Rechts entstanden mit Beñats Hilfe Überladungsansätze, aber gab es insgesamt zu viele Flanken. Der zweite Durchgang verzeichnete eine kleine Steigerung in Sachen horizontaler Kohärenz, mit wie gegen den Ball. Im Pressing orientierte sich beispielsweise der ballferne Flügelspieler einrückend an einem gegnerischen Sechser. Diese verloren an Präsenz, wurden durch lange Bälle oder früh am Flügel festgedrückte Szenen noch mehr übergangen. Nach vorne konnte Athletic ihre durch die horizontal festere Formation entstehenden Überladungsansätze kaum entfalten, traf im Passspiel mehrmals hektische und unfokussierte Entscheidungen. So reichte es nicht mehr zu einem Tor.
So ging der Sieg an die Mannschaft aus San Sebastián, die bereits nach etwa einer Viertelstunde in Führung gegangen war. Grundsätzlich fokussierte sich das Angriffsspiel des Teams von Eusebio Sacristán – ehemals Spieler bei Barca in der Cruijff-Ära – stark auf die rechte Seite, unter anderem mit den Dribblings von Vela. Auch hier nahm Xabi Prieto eine Schlüsselrolle ein, indem er den Mexikaner immer wieder unterstützte und weit zum Flügel ging. Trotz der äußeren Grundräume und der simplen Logik sorgten die Bewegungen aufgrund ihrer scharfen Klarheit doch immer mal für Unruhe, zumindest gelang damit seitliches Aufrücken.
So kamen sie einige Male zum Strafraum und konnten dann zumindest – wenn sie keine spielerischen Durchbrüche fanden – durch gute Nachrückbewegungen im Rückraum zu Szenen kommen. Gerade Illarramendi bewegte sich von halblinks klug in Richtung Abpraller und fand zwischen den Mannorientierungen nachstoßend kleinere Freiheiten. Diese nutzte er für den einen oder anderen ordentlichen Abschluss. Gewisse Probleme hatte Athletic vor allem durch einzelne ballfern bleibende Mannorientierungen, die im Verschieben nicht sauber aufgelöst wurden. Folgten von der bevorzugten rechten Seite Real Sociedads dann Verlagerungen nach links, bewegte sich das Kollektiv nicht immer konsequent genug herüber.
So ergaben sich im ballfernen Halbraum Zwischenlücken innerhalb der Defensivlinien. Den linken Außenspielern boten sich immer mal offene, einfach strukturierte gruppentaktische Situationen, beispielsweise lokal im 2gegen2. Ähnlich vor dem 0:1: In einer weitgehend für sich stehenden Gleichzahlsituation reichte ein simples Kreuzen mit Doppelpass für Raumgewinn. Athletic konnte mannschaftlich nicht unterstützen und der Pass wurde auf Jonathas durchgesteckt, der dann auch aus schwieriger Lage verwandelte. Vor allem nutzte der Angreifer damit die auch zwischen den Innenverteidigern bestehende Zwischenlücke.
Man kann letztlich zwar nicht sagen, dass es eine wirklich schlechte Leistung von Athletic in diesem Derby war, und vielleicht wäre sogar ein Unentschieden das gerechtere Ergebnis gewesen. Doch trotzdem gelang es dem Team von Ernesto Valverde zumindest nicht, eine allzu überzeugende Partie abzuliefern. Nachdem man eben früh in Rückstand geraten war, reichte die insgesamt doch nur solide und oft eher lineare Anlage mit den vielen langen Bällen nicht, um genügend Torgefahr zu entwickeln und das Spiel noch zu drehen. In der folgenden Partie gegen Valencia beispielsweise gelang dies den Mannen aus Bilbao, wie auch schon User @Mananski in den Kommentaren angemerkt hat, viel besser:
Eine taktische Umstellung – möglicherweise motiviert durch die Derbyniederlage, aber ebenso personell – tat dem Team gut und förderte ein interessantes neues System zutage, das gegen Valencia und Deportivo zwei deutliche Siege feierte. In einer Mischung aus 4-3-3-0 und 4-3-1-2 agierte Muniain zumeist als zurückfallender Mittelstürmer zwischen den einrückenden Flügeln. Dadurch konnten sie zum einen besser aufbauen: Beñat wurde als tiefster Mittelfeldmann fokussiert und konnte frei durch den Sechserraum driften, während die Achter aus klarer Grundposition heraus anpassten, Raum schufen oder im Übergang als vielseitige Ablagestation dienten.
Zusammen mit dem umtriebigen Muniain, einzelnen ansehnlichen Zwischenraumbesetzungen und gutem Timing für Verlagerungen auf die vorrückenden Außenverteidiger konnte man sich gut nach vorne spielen. Auch den gelegentlichen langen Bällen war die rautenähnliche Anordnung zuträglich, bot sie mit ihrer zentralen Präsenz doch passende Voraussetzungen zum Gegenpressing der Abpraller. Zwar wirkten die Bewegungen in letzter Instanz oft noch unsauber und im ersten Drittel gab es einige schwache Entscheidungen. Doch konnte man letztlich über die Vielseitigkeit der Bewegungen den Sieg mit drei späten Toren erzwingen.
Für den zweiten Treffer bei diesem Sieg im Mestalla war das verbesserte Pressing mit einem vorausgehenden Ballgewinn entscheidend. Neben den eher seltenen 4-3-1-2- und 4-3-3-0-Phasen formierten sich die Basken meist im 4-1-4-1 oder 4-4-2(-0), bei einigen tieferen Muniain-Positionierungen. Insgesamt präsentierte sich die Mannschaft solide, mit recht gleichmäßigem Verschieben, einzelnen Mannorientierungen und vielen Herausrückbewegungen, die in dieser Struktur gut zur Geltung kamen. Gelegentlich gab es gar angedeutete Halbraumpressingfallen beim Vorschieben eines Achters, wenn Beñat und der ein Einrücken andeutende Flügelspieler den Raum dahinter belauerten.
Von Dauer sollte dieses interessante taktische Experiment allerdings nicht sein. Schon danach beim Heimspiel gegen Deportivo folgten die Rückkehr zur 4-2-3-1-Formation und jene von Mittelstürmer Aduriz, der unter anderem mit der erhöhten Zahl an langen Bällen fokussiert wurde. Dazu kamen schnelle, lineare Flügelangriffe und teilweise Konter, jedoch in der Ausführung besser. Gerade die effektivere Einbindung des Supports durch de Marcos, kleine Rochaden zwischen Muniain und Raúl García sowie dessen Unterstützung im Mittelfeldspiel wirkten der Effektivität förderlich. Flanken gab es nicht mehr ganz so viele, auch bei Sporting de Gijón wurde an diesem Wochenende gewonnen.
Ein Dank geht an dieser Stelle erneut an laola1.tv, die das Bildmaterial für die Screenshots freundlicherweise zur Verfügung stellen.
Interessant zu beobachten: Rhythmus und Intensität beim Roma-Sieg gegen die Fiorentina
Grundsätzlich ist die Fiorentina in dieser Spielzeit taktisch interessanter zu beobachten als die Roma, die auch unter Luciano Spalletti in etwas fahriger Anlage noch nach der richtigen Ausgewogenheit sucht. Auch spielerisch sind die Mannen aus Florenz von Trainer Paulo Sousa eigentlich etwas ansehnlicher. Diesmal kam es jedoch anders: Die Roma konnte diesem Verfolgerduell seinen Stempel aufdrücken, hatte mit Ball in einem von kollektiv intensiven Rhythmus aufgeputschten Duell die besseren Momente und setzte sich am Ende verdient, wenngleich etwas zu hoch mit 4:1 durch.
Bei den formativ flexiblen Gästen aus der Toskana erwies sich die Startanordnung diesmal nicht als die beste Wahl. Ihre enge 4-2-2-2/4-4-1-1-hafte Ausrichtung – daneben sind sie auch für häufige Dreierketten oder asymmetrische Mischungen bekannt – war gegen das Römer Pressing nicht besonders gut geeignet und offenbarte einige Schwächen. Vorne bewegten sich Salah und El Shaarawy bei den Hauptstädtern zunächst in einer Zwischenposition, agierten mal etwas breiter, verstellten situativ Passwege oder rückten aus dem Halbraum auf die Innenverteidiger nach, den Weg zur Seite im Deckungsschatten blockierend.
Dahinter entschied sich Spalletti für lose Mannorientierungen auf die beiden gegnerischen Sechser. Diese wurden von Perotti – dem nominellen, freien und oft zurückfallenden Zehner der 4-3-1-2-haften Grundordnung – und Pjanic als etwas höherem Achter übernommen. So hatte die Roma in den ersten Linien zunächst einmal viel Zugriff aus einer unangenehmen, aber für sie klaren Staffelung. Halbrechts konnte Nainggolan als tieferer Achter prinzipiell lückenstopfende und absichernde Aufgaben – ansatzweise als Mittelfeldlibero – erfüllen, aber ebenso die einrückende Rolle Borja Valeros punktuell auffangen.
Die verschiedenen Mannorientierungen, die sich somit über die Spielweise der Roma verteilten, führten sie aber nicht plump aus. Wurden beispielsweise die vordersten Stürmer mal überspielt, rückten Perotti und/oder Pjanic oft sehr harmonisch aus ihren Mannorientierungen auf die Seite nach und machten Druck. Ebenso gab es durch situationsbedingte Anpassungen weite Herausrückbewegungen der Außenverteidiger, die dafür ihre prinzipielle Mannorientierung nicht stur durchspielten. Bei tiefen Einwürfen für die Fiorentina schob der Gastgeber teilweise in einer klareren Raute ballorientiert zu.
Insgesamt erwies sich das Pressing der Römer als sehr wirkungsvoll. Sie drückten die Fiorentina phasenweise hinten fest, zerstörten deren Rhythmus. Lösten sich die Gäste mal und versuchten über das zweite Drittel aufzurücken, wurden sie in diesen Momenten zu schnell hektisch, versuchten überambitionierte und überfrühte Pässe in die Spitze oder Dribblings. So war das Pressing ein zentraler Pfeiler zur eigenen Dominanz für die Roma. Darüber hinaus wussten sie auch in Sachen Gegenpressing über weite Phasen zu überzeugen, da gerade das zentrale Mittelfeld sich vielseitig und aufmerksam in der für Präsenz um den Ball prädestinierten Raute zeigte.
Auch die Aufbaumomente der Römer stellten sich als Phasen intensiven Rhythmus´ dar. Von beiden Mannschaften gab es zahlreiche herausrückende und zurückfallende Bewegungen innerhalb kurzer Zeitspannen. Bei den Hausherren sah man die schon unter Rudi Garcia häufigen Ab- und Herauskippbewegungen, beispielsweise durch einen der beiden Achter möglich, von den Anschlusspositionierungen und Passmustern nun etwas besser ausgeführt. Dazu ließ sich noch Perotti weit fallen, oft für zusätzliche Präsenz halbrechts. Bei der Fiorentina schoben dagegen die beiden Sechser oft vor – mal lose mannorientiert, mal nahmen sie diese gegnerischen Umformungen am Ball auf.
Die nominellen Flügelspieler schlossen dafür eng an und sicherten tendenziell ab, wobei Bernardeschi auch vereinzelt gegen Digne in die letzte Linie fiel oder Borja Valero sich vor allem darauf konzentrierte, verschiedene Passwege Richtung Salah zu versperren. Diese verschiedenen Bewegungen, die Reaktionen darauf und die grundsätzlich kollektive Disziplin der Fiorentina,bei manchen Mannorientierungen (bspw. der Außenverteidiger) und punktuellen Intensitätsspitzen, sorgten für einen teils rasanten Rhythmus im Mittelfelddrittel. Dadurch kam zwischendurch Hektik ins Spiel und sorgte bisweilen mal für völlig seltsame Entscheidungen einzelner Spieler, die dann wieder unerwartete Folgeeffekte brachten.
Die Besetzung der zentralen Zwischenräume hinter situativ herausrückenden gegnerischen Sechsern gestaltete die Roma etwas inkonstant. Letztlich entwickelten sich aus ihren Angriffen zum Strafraum hin chaotische bis wirre Überladungsversuche. Diese Ballungen waren einerseits vom Prinzip gut gedacht, in der Ausführung aber fahrig und etwas übertrieben. Zudem zogen einzelne kleine Probleme die Ansätze herunter: So fiel die linke Seite mit zu vielen simplen Flankenaktionen etwas ab und in den Anfangsmomenten der Szenen agierten die hybridartigen Stürmer oft noch zu breit und ungebunden.
Man sah jedoch, dass die Roma mit grundsätzlich konstruktiven Versuchen und einer passenden zonalen Verteilung in Basissachen auf einem guten Weg war, nur die genauen Details innerhalb jener Überladungsbereiche stimmten nicht immer. Die wechselhafte Quintessenz: Sie wühlten sich zu einigen improvisierten Kombinationsversuchen um das Strafraumeck, konnten diese manchmal auch über gruppentaktische Elemente sauberer gestalten. Mit der Zeit tat sich vor allem die halbrechte Seite um Salah hervor, der dribbelte und für Diagonalläufe sorgte.
Mit dem konstant helfenden Perotti und den später konsequenter dorthin schiebenden Achtern hatten die Hausherren prinzipiell gute Möglichkeiten für das Zusammenspiel. In letzter Instanz war die Fiorentina, auch wenn sie oft hinterherlaufen mussten, zum Strafraum in einer reaktiven Haltung noch recht stabil, konnte diesen gegnerischen Versuchen durchaus Paroli bieten und oft gerade noch klären. Auch im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit brachten die Mannen von Spalletti nur wenige dieser Kombinationen sauber durch, das 2:0 war aber – etwas glücklich durch den abgefälschten Schuss von der Strafraumkante – mal solch ein Beispiel.
Letztlich waren die anderen Treffer zum 4:1 nicht unbedingt alle folgerichtig aus den prägenden taktischen Elementen abgeleitet, auch etwas Abschlussglück spielte beispielsweise mit. Trotzdem verdienten sich die engagierten Hausherren in einem Spiel mit intensivem und teils außergewöhnlichem Rhythmus diese drei Punkte.
3 Kommentare Alle anzeigen
Bernhard 7. März 2016 um 21:04
Schade, dass kein kurzes Spielerporträt in diesem Bericht enthalten ist.
RadicalEd 7. März 2016 um 13:49
Danke für diesen (wie erwartet) interessanten Blick über den Tellerand, mich würde noch interessieren wie stark/schwach die A-League hier generell eingeschätzt wird. Von dieser Liga habe ich abseits von ein paar Geschichten über Thomas Broich noch nicht wahnsinnig viel mitbekommen. Wie würdet ihr etwa die australischen Spitzenteams in Deutschland einordnen? (Also bspw. eher als Zweitliga-Mannschaften?)
karl-ton 7. März 2016 um 13:59
Here you go: http://www.theguardian.com/sport/picture/2016/mar/03/david-squires-on-a-league-clubs-in-the-asian-champions-league
Dann weißt Du auch gleich den Stellenwert der A-League in Australien einzuordnen 😉