Abstiegskampfdefensive und Abstiegskampfoffensive
Tabellarisch ist Hertha gegen Paderborn eine hochspannende Angelegenheit. Bei einer Niederlage wäre Hertha weiter in den Abstiegssumpf geraten; bei einem Sieg können sie sich ein kleines Polster auf die drei Abstiegsfavoriten (Stuttgart, Paderborn, HSV) schaffen und Paderborn unten halten. Das Spiel zeigte gute und schlechte Seiten der zwei Teams.
Die Defensive Paderborns funktioniert
Die Gäste traten in einem 4-1-4-1 an. Die Pressinghöhe war relativ tief, der Mittelstürmer Paderborns stand nur knapp vor der Mittellinie und attackierte nicht die Innenverteidiger der Hertha, sondern stellte den Sechserraum passiv zu. Herthas Doppelsechs wurde wiederum von den zwei Achtern Paderborns manngedeckt, weswegen die Berliner kaum Pässe ins defensive Zentrum spielen konnten. Einerseits gab es die Gefahr, dass der Mittelstürmer diese abfangen könnte, andererseits konnten sich die Sechser der Hertha kaum drehen und wurden sofort unter Druck gestellt.
Dadurch wurden die Hausherren auf den Flügel geleitet; Paderborn hatte auch auf den Seiten viele klare Manndeckungen und waren in Ballnähe relativ intensiv, trotz grundsätzlich tiefer und zurückhaltender Ausrichtung. Herthas Außenverteidiger und Flügelstürmer hatten dadurch kaum Möglichkeiten ins Dribbling zu kommen oder ohne Druck zu kombinieren, desweiteren verschob Paderborn vergleichsweise kompakt und schnell zum Ball. Ihre zentrumsorientierte Ausrichtung verhinderte, dass sich die Hertha aus den Druckzonen herauskombinieren konnte.
Weil die ballfernen Spieler ohne Manndeckung agierten und unterstützend einrückten sowie mindestens ein Spieler in den zentralen Positionen keinen Gegenspieler hatte, konnte Paderborn Überzahl in Ballnähe erzeugen. Die Hertha fand dadurch keine Wege nach vorne und Paderborn stand stabil. Auch das weite Vorschieben der Außenverteidiger Berlins sorgte kaum für Probleme. Paderborn reagierte gut, die Flügelstürmer verfolgten sie einfach so weit, wie nötig und hielten Abstand, um situativ in der Mitte helfen oder ballorientiert verschieben zu können. 4-3-2-1artige Staffelungen waren keine Seltenheit.
Die Defensive Herthas funktioniert
Ähnlich wie die Gäste spielte auch die Hertha relativ stabil. Sie formierten sich in keinem 4-1-4-1/4-3-2-1, sondern entschieden sich für ein vergleichsweise simples 4-4-2. Grundsätzlich standen sie etwas höher als die Paderborner, nutzten aber ebenfalls kein Angriffspressing oder dergleichen. Paderborn musste lediglich etwas tiefer aufbauen, wurde aber in den Räumen um den eigenen Strafraum herum nicht gestört.
Hertha stellte ebenfalls die Mitte, insbesondere den Sechserraum, zu und leitete Paderborn dadurch nach außen. Die zwei Stürmer Herthas pressten kaum auf die Innenverteidiger Paderborns, sondern schlossen lediglich die Passwege ins Mittelfeldzentrum. Zwar ließ sich gelegentlich Ziegler zurückfallen oder auch einer der Achter bewegte sich tiefer in die defensiven Halbräume, das mannorientierte Herausrücken von Herthas Mittelfeldspieler sorgte im Verbund mit Paderborns relativ langsamer Ballzirkulation dafür, dass es keine wirklichen Vorteile aus diesen Aufbaubewegungen gab.
Darum hatte Paderborn ebenfalls viele Flügelangriffe und griff auch zu zahlreichen langen Bällen zurück. Hertha verschob ganz gut auf die Seite und isolierte die Gäste dort, wodurch es kaum Durchbrüche ins letzte Drittel gab. Insofern haben beide Mannschaften eine gute Defensivleistung gebracht. Von einer beeindruckenden Offensivleistung kann allerdings nicht die Rede sein.
Die Offensive beider Teams stottert
Um das Angriffsspiel der beiden am schärften zu kritisieren, reicht eigentlich eine Statistik: Es gab zeitweise doppelt so viele Flanken wie Schüsse in diesem Spiel. Und ein Teil dieser Abschlüsse wurde durch Distanzschüsse herausgespielt, während viele der Flanken schlichtweg blinde, hohe Bälle von den äußeren seitlichen Zonen in Richtung Elfmeterpunkt waren. Das mag zwar nicht ungewöhnlich sein, ist aber taktisch-strategisch und auch statistisch weit weg von einer ‚effizienten‘ Spielweise.
Soll heißen: Unkreativ und vom Gegner aufgedrängt. Besonders die Hertha wurde von Paderborn extrem zum Flanken gezwungen und hatte auch keine Mittel, um vom Flügel sauber in die Mitte zu kombinieren oder zumindest effiziente Hereingaben von der Seite zu spielen, z.B. Pässe in den Strafraumrückraum oder zumindest nicht zu hohe Hereingaben in passend besetzte Räume und dynamische Situationen.
Desweiteren blieben beide Mannschaften in den kompakten und umkämpften zentralen Zonen stecken. Erfolgsstabile Kombinationen durch die Mitte gab es nicht, beide Mannschaften keine schnellen Positionswechsel, guten Bewegungen im Kombinationsspiel oder adäquate Passmuster, um die wie schon erwähnt starken Defensivverbünde zu zerspielen.
Gar das Konterspiel war insgesamt auf Stabilität orientiert, vielfach wurde im offensiven Umschaltmoment sehr schnell in isolierte Zonen nach vorne gespielt (und gebolzt), woraufhin es einige versuchte Unterzahlkonter gab, die im Gegenpressing der jeweils anderen Mannschaft untergingen. Hertha schien ein paar Mal die Höhe der Außenverteidiger zu variieren, die in einzelnen Spielzügen etwas tiefer standen und die Flügelstürmer dadurch breiter agierten, meistens schoben aber die Herthaner mit den Außenverteidigern sehr weit nach vorne und ließen die Flügelstürmer einrücken.
Zwar gab es ein paar Mal potenzielle Kombinationsmöglichkeiten und Überladungen in der Mitte, doch insgesamt kam man trotzdem nicht gegen Paderborns Kompaktheit und Mannorientierungen an. Unter Druck gab es auch viele zu lange Bälle und Kalous an sich guten Bewegungen als Mittelstürmer wurden selten passend genutzt. Bezeichnenderweise war es ein Standard, der an die Latte kam und dessen Abpraller letztlich zum 1:0 führte.
Das Spiel öffnete sich danach; es gab zahlreiche Angriffsversuche Paderborns, die mehr Initiative übernahmen. Sie agierten deutlich fokussierter auf zentrale Durchbrüche, stellten auf ein 4-4-2 um und obwohl sie weiterhin Probleme im flachen Kombinationsspiel hatten, so waren sie zumindest aggressiver im Attackieren der Herthaner.
Diese wiederum fokussierten sich verstärkt auf das Konterspiel, hatten ein paar Großchancen, unter anderem zwei 1-gegen-1-Situationen. Eine Flanke kurz vor Schluss besorgte letztlich das 2:0; und dieses Mal war es eine Flanke mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit: In einer dynamischen Situation auf den zweiten Pfosten zu einem freien Mitspieler gespielt, der den Ball per Fuß direkt nehmen kann.
Fazit
Eine sehr langweilige, träge erste Halbzeit, welche von einer deutlich interessanteren zweiten Hälfte abgelöst wurde. Hierbei war es natürlich die Führung für die Hertha, die zu einer Öffnung des Spiels und einem schnelleren, intensiveren Rhythmus führte. In Rückstand spielte Paderborn viel druckvoller und offensiver, währenddessen hatte Hertha aber einige gefährliche Konter. Kurz vor Spielende setzten sie den Schlusspunkt durch eine starke Hereingabe und den eingewechselten Schulz.
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