Manchester-Derby: Gut gedacht ist nicht immer gut gemacht

Stets bemüht. Jeder Arbeitnehmer weiß, dass diese Formel im Arbeitszeugnis zwar nett klingt, aber gleichzeitig eine vernichtende Bewertung darstellt. So war auch die Leistung beider Teams im Manchester-Derby weder aus spielerischer noch aus taktischer Sicht überragend.

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Grundformationen zu Beginn des Spiels

Louis van Gaal hat es nicht leicht: Sein Team steht mitten im Umbruch, und dennoch erwarten Fans und Experten von einem renommierten Verein wie Manchester United Ergebnisse. Ähnlich unter Druck stand vor dem Manchester-Derby sein Gegenüber Manuel Pellegrini, der mit City ein Erfolgserlebnis brauchte. Eigentlich eine gute Ausgangsposition für ein flottes Derby. Doch das Spiel enttäuschte – fußballerisch wie taktisch bestand das Spiel hauptsächlich aus guten Ideen, die schlecht ausgeführt wurden.

United mit Fokus auf den linken Halbraum

Uniteds Aufstellung war vielversprechend: Louis van Gaal schickte eine spielstarke Mannschaft auf das Feld. Wayne Rooney durfte im zentralen Mittelfeld als halblinker Achter vor Sechser Blind agieren. In der Theorie war diese Idee gut: Gegen den oft aufrückenden Yaya Toure als halbrechter Sechser Citys wollte United den eigenen halblinken Raum nutzen. Dafür rückte di Maria oft von der linken Seite in den Halbraum, während Robin van Persie nach links rückte.

Diese gute spielerische Idee wurde von United allerdings zu selten effektiv genutzt. Das große Problem der Red Devils ist momentan vor allem der Spielaufbau aus der Abwehr; zu selten bedienten die Verteidiger die guten Positionierungen von Rooney und di Maria. Dazu fehlt im Mittelfeld ein Verbindungsspieler – Blind kippte weit ab, während Januzaj und Fellaini sich durch ständiges Aufrücken selbst aus dem Spiel nahmen. Es blieb praktisch alles an Rooney hängen, der jedoch selten Zuspiele bekam, die er intelligent hätte verarbeiten können. Insgesamt war Uniteds Spiel viel Stückwerk und wenig Fluss.

City zeigt Muskeln

Das lag auch am Pressing der Citizens, das sich ähnlich wie Uniteds Spielaufbau als „gute Idee, aber schlecht ausgeführt“ bezeichnen lässt. City ließ im wahrsten Sinne des Wortes die Muskeln spielen: Sie setzten auf Eins-gegen-Eins-Duelle, direkte Zuteilungen und die eigene Dynamik wie auch Kraft. Die Stürmer liefen die Verteidiger an, die Außenstürmer rückten mit hoher Dynamik hinterher. Das kollektive Element wurde in diesem Pressing zwar vernachlässigt, dafür drückte City die eigene individuelle Klasse durch gegen Uniteds eher spielschwache Abwehr.

Allerdings nutzte City dieses Pressing weder durchgehend noch rückte die Abwehr weit genug auf, um den Druck auch im zweiten Drittel hochzuhalten. Nachdem Blind sich stärker zwischen die Verteidiger fallenließ, verlor auch das 4-4-2-Pressing der Citizens seine Wirkung. In der Folge zogen sie sich weiter zurück und agierten teilweise in einem kompakten 4-1-4-1 mit Jovetic neben Yaya Toure auf der Doppelacht.

Löcher auf den Flügeln und rote Karte

So wirkte das Manchester-Derby in der ersten Halbzeit wie der örtliche Dialekt: abgehackt, mit vielen Längen und ohne rechten Fluss. Torszenen gab es praktisch nur nach Flügelangriffen von City. Diese bespielten die Mannorientierungen von United auf den Flügeln recht intelligent: Die Außenstürmer agierten recht hoch, ließen sich aber situativ zurückfallen und zogen dadurch Uniteds Außenverteidiger mit sich. Die entstehende Lücke auf den Flügeln besetzten Jovetic oder die aufrückenden Außenverteidiger. Besonders um die 20. Minute konnte City sich mehrere Male über die Flügel vor das Tor kombinieren.

Grundformationen nach der Einwechslung von McNair (56.)

Grundformationen nach der Einwechslung von McNair (56.)

Ironischerweise war diese Schwäche Uniteds auch mitschuldig an der gelb-roten Karte für Smalling: Der vorbelastete Verteidiger musste auf den Flügel rausrücken und wusste sich nur mit einem gelbwürdigen Foul zu behelfen. Die gelb-rote Karte drehte das Spiel komplett. United musste nach der Pause auf ein 4-4-1 umstellen, wobei Rooney und di Maria ihre Außenstürmerrolle stark einrückend interpretierten.

Citys Flügelfokus

City übernahm in der Folge die Kontrolle über das Spiel. Die Außenverteidiger rückten weiter vor, insgesamt rückte das Team wesentlich weiter auf und setzte auf Angriff. Sie versuchten weiterhin, über Flügelattacken vor das Tor zu gelangen. Zunächst gelang ihnen das gut, auch weil Valencia weiterhin proaktiv aus der Kette rausrückte. City spielte einige intelligente Pässe in die Schnittstelle.

Kurz nach der Pause versuchte United dieses Problem zu beheben, indem di Maria sehr tief agierte. Teilweise stand United in der eigenen Hälfte in einer Fünferkette. Hierdurch konnte United jedoch kaum mehr Druck im Zentrum ausüben. City nutzte dies, um mit einer ungestörten Spielverlagerung durch das Zentrum das Führungstor einzuleiten. Di Marias Präsenz auf links verhinderte nicht, dass City das Tor über diese Seite einleiten konnte.

Keine Kontrolle über das Spiel

Trotz Führung und Überzahl musste City in der Schlussphase um den Sieg zittern. Hier zeigt sich ihre größte Schwäche: Ihnen fehlen Mechanismen, um ein Spiel zu dominieren und eine Führung herunterzuspielen. Weder können sie ein starkes Ballbesitzspiel vorweisen noch eine kompakte Defensive.

United warf in den Schlussminuten alles nach vorne. Di Maria und Rooney hielt nichts mehr auf dem Flügel, sie kombinierten miteinander im Zentrum. Fellaini rückte weit nach vorne und versuchte sich als Sturmtank im Strafraum. Doch die letzte Durchschlagskraft fehlte. Die Flanken der hoch aufgerückten Außenverteidiger blieben ungenau, zumal van Gaal mit der Herausnahme von Robin van Persie zugunsten des jungen Wilson die Offensive nicht unbedingt stärkte. Dieser Wechsel wirkte umso schwerer, als dass Rooney und di Maria in der Schlussphase absolut platt waren. City konnte so die Führung über die Zeit retten.

Fazit

Weder United noch City bewarben sich mit dieser Partie für den englischen Meistertitel. City wurde erst gefährlich, nachdem United nur noch mit zehn Mann auftrat. Selbst in Überzahl konnten sie nach einer Führung erneut nicht den Spielrhythmus diktieren. United hingegen wirkt wie ein Team im Umbruch, das sich durch mangelnde Verbindungen und Dummheiten wie der gelb-roten Karte von Smalling selbst das Leben schwer macht. Van Gaal konnte zumindest bislang noch nicht das erhoffte Patentrezept präsentieren, um United wieder unter die Top 4 zu bringen.

DerSpielmacher 4. November 2014 um 11:23

Vielen Dank für eure großartig geschriebenen und inhaltlich sehr erhellenden Analysen. Spielverlagerung hat mir, der ich auch auf nicht ganz niedrigem Niveau taktische Vorbildung erhaschen durfte, jetzt schon oft neue Perspektiven auf das Spiel eröffnet – toll!

Eine Frage stellt sich mir, die ich weder während des Spieles noch in eurer Analyse beantwortet fand: DASS es wenig hilfreich war, als van Gaal van Persie rausnahm, sah man deutlich – aber gibt es Erklärungsansätze bzgl. eines WARUM? Ich kenne Wilson nicht gut genug, um seine Funktion einschätzen zu können, aber van Persie als kompletter Stürmer mit einem gewissen Torinstinkt für auch „dreckige“ Situationen wäre nun nicht mein erster Kandidat für eine Auswechslung in der Spielsituation gewesen… War das nur so ein Trainer-Bauchgefühl? Kann ich bei vG kaum glauben.

Danke!

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Partizan 3. November 2014 um 21:04

Exzellente Analyse, die die Schwächen beider Teams aufzeigt.
Bei City muss ich leider feststellen, das sich das Team einfach nicht weiterentwickelt hat, seit Pellegrini die citzens übernommen hat.
Ein funktionierdens Pressing hat man bis heute nicht, was auch in der Analyse treffend zur Geltung kam, die Abwehrreihe rückt da einfach nicht konsequent auf, was vielleicht auch an einem Demichelis geschuldet ist der nie einer der schnellten Innenverteidiger war. Bei Toure bin ich auch nicht überzeugt das er bereit ist hierfür die nötige laufarbeit zu leisten. Jovetic oder wenn mal Dzeko als zweit/hängende Spitze spielt glänzen ebenfalls kaum in der Arbeiten nach hinten.
Im großen und ganzen ist es nicht verwunderlich, das sich City auf CL Niveau so schwer tut

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Koom 3. November 2014 um 11:52

Ich bin immer wieder negativ beeindruckt, wie schlecht abgestimmt die englischen Vereine oft agieren. Stand der Dinge wirkt da bei den Topteams nur Chelsea auf einem gewissen Niveau. ManU mag man noch den großen Taktik-Einlauf von Van Gaal verzeihen – in anderen Ländern trifft Van Gaal vermutlich auf besser geschulte Grundlagen. Aber City?

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HW 3. November 2014 um 13:28

Vor allem, weil in der Premier League seit Jahren ausländische Trainer und Spieler am Werk sind.

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Isco 3. November 2014 um 10:59

„Di Marias Präsenz auf links verhinderte nicht, dass City das Tor über diese Seite einleiten konnte.“
Ist etwas verwirrend formuliert, hätte man vielleicht irgendwie anders lösen können^^

Guter Artikel zum bösen Spiel; Manchester City enttäuscht mich leider immer wieder, die hätten so viel mehr Potenzial als sie zeigen.

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