Robin Dutt – Von der Bezirksliga in die Champions League

Robin Dutt fing seine Trainerkarriere in der Verbandsliga Baden-Württembergs an. Rund 15 Jahre später steht er bald bei Champions League-Spielen am Rand. Das Porträt eines Aufsteigers.

Anfänge einer Karriere

Noch vor rund 15 Jahren war die Profiwelt des Fußballs eine unzugängliche Parallelwelt. Nahezu alle Trainer und Manager, die den Spielfeldrand der Bundesliga bevölkerten, waren ehemalige Profispieler. Quereinsteiger gab es in diesem abgeschotteten Geschäft kaum. Heutzutage hat sich der Fußball für Spezialisten geöffnet, und so sind gerade die Scouting-Abteilungen der Ligen voll mit Leuten, die nie als Profis gespielt haben.

Auf der Trainerposition ist das immer noch eine Ausnahme, auch zwanzig Jahre nach Arrigo Sacchis (Erfolgstrainer des AC Milan Ende der 80er/Anfang der 90er) Ausspruch: „Ein guter Trainer muss kein guter Spieler gewesen sein – genauso wenig wie ein guter Jockey ein Pferd gewesen sein muss.“ Eine der großen Ausnahmen in dieser Hinsicht ist Robin Dutt, der in seiner aktiven Zeit nie weiter als in die Verbandsliga kam. Trotzdem war Fußball immer die größte Leidenschaft des jungen Industriekaufmannes. Obwohl seine fußballerischen Fähigkeiten stark limitiert waren, hatte er immer den Wunsch, sein Hobby zum Beruf zu machen.

Seine Karriere begann unscheinbar: Nachdem der Sohn indischer Einwanderer in jungen Jahren von Köln nach Baden-Württemberg zog, tingelte er dort als Stürmer in Jugend- und Amateurmannschaften von Kleinstadtverein zu Kleinstadtverein. Er selbst sagt im Nachhinein, dass ihm die Schnelligkeit fehlte, um als Stürmer für höhere Weihen bestellt zu sein. Seine Defizite in diesem Bereich musste er ausgleichen, indem er mehr auf seine Positionierung achtete. Er entwickelte als Aktiver eine vergleichsweise hohe Spielintelligenz, um trotz seiner körperlichen Nachteile in den höheren Amateurklassen mithalten zu können.

Schon damals achtete er auf die taktischen Details innerhalb eines Spiels. Kein Wunder also, dass der Wechsel vom Feldspieler zum Trainer nahezu nahtlos verlief. Im Alter von 33 fing er als Spielertrainer beim TSG Leonberg an. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn wurde er Coach des TSF Ditzingen, bei dem er schnell vom Betreuer der Nachwuchsmannschaft zum Cheftrainer des Oberliga-Teams aufstieg  (wer mehr über diese Zeit erfahren möchte, dem sei der Kommentar von unserem User Stepi ans Herz gelegt).

Die südwestdeutsche Trainergilde

Eine Spielerkarriere in der Bezirks- und Verbandsliga und ein Posten bei einem wenig ambitionierten Oberligisten – das klingt nicht gerade nach einem idealen Start für eine Trainerkarriere. Robin Dutt zeichnete sich jedoch immer durch extremen Fleiß aus. Für ihn war klar, dass er eines Tages sein Hobby zum Beruf machen wollte. Dementsprechend arbeitete er immer ein bisschen mehr als seine Kollegen. Seine Freizeit neben dem Beruf widmete er ganz dem Trainerjob. Er las viele Fachzeitschriften und versuchte, aktuelle Trends in sein Training mitaufzunehmen.

Seine Laufbahn wäre jedoch ohne gehörige Portion Glück nicht möglich gewesen. Robin Dutt war schlicht und ergreifend in vielen Situationen zur rechten Zeit am rechten Fleck. Es beginnt damit, dass Baden-Württemberg Ende der 90er der beste Ausgangspunkt für eine beginnende Trainerkarriere war: Während im Rest von Fußballdeutschland Begriffe wie Viererkette, Raumdeckung und 4-4-2 selbst noch zum Ende des 20. Jahrhunderts kritisch beäugt wurden, war die Fußballszene im Schwabenlande weiter. Beim Württembergischen Fußballverband wurde das ballorientierte Verteidigen schon in den 80er Jahren von Helmut Groß eingeführt und später von Ralf Rangnick übernommen. Die anderen süddeutschen Fußballverbände folgten in den 90er Jahren diesem Vorbild. Nicht umsonst haben viele der heutigen Top-Trainer im süddeutschen Raum ihr Handwerk gelernt – vom erwähnten Ralf Rangnick über Thomas Tuchel bis hin zu Joachim Löw.

Seine Herkunft verschaffte Dutt nicht nur eine sehr gute Ausbildung, sie versorgte ihn zudem mit wichtigen Kontakten. Seinen A-Trainerschein machte er zusammen mit einem gewissen Marcus Sorg, heute Cheftrainer des SC Freiburg. Die beiden freundeten sich an, und als Sorg 2001 das Cheftraineramt beim damaligen Drittligisten Stuttgarter Kickers übernahm, legte er bei den Verantwortlichen ein gutes Wort für den aufstrebenden Robin Dutt ein. So wurde dieser 2002 Trainer der Reservemannschaft der Kickers.

Marcus Sorg blieb nicht lange in Stuttgart. Anfang 2003 wurde er entlassen und von Rainer Adrion abgelöst, der heute die deutsche U21-Nationalmannschaft betreut. Als auch dieser jedoch nach nur einem halbem Jahr im Oktober 2003 entlassen wurde, war die große Stunde des Robin Dutt gekommen: Er bekam seinen ersten Cheftrainerposten bei einer Profimannschaft.

Seine Zeit bei den Stuttgarter Kickers

Seine Aufgabe bei den Stuttgarter Kickers war keine leichte: Vor der Saison als Aufstiegsaspirant gehandelt, war nach einem misslungen Saisonstart keine Rede mehr von der Rückkehr in die Zweitklassigkeit. Zu jener Zeit hatte der frühere Bundesligist wie so viele Traditionsvereine mit finanziellen Problemen zu kämpfen und konnte sich nur durch den Verkauf der Namensrechte am Stadion vor der Insolvenz retten. Er war daher in den kommenden Jahren darauf angewiesen, junge Talente aufzubauen anstatt namhafte Spieler für teures Geld zu verpflichten.

Für Robin Dutt ging trotz der schwierigen Bedingungen ein Traum in Erfüllung: Er hatte es ins Profigeschäft des Fußballs geschafft. Nun galt es zu beweisen, dass seine bisherigen Erfolge nicht nur daher rührten, dass er zur rechten Zeit am rechten Ort war. Er stürzte sich akribisch in seine Arbeit und war besonders an einer Verbesserung des Scoutings und der Trainingsmethoden interessiert.

Nicht nur die sportliche Situation stellte ihn zu dieser Zeit vor eine Herausforderung: Er begann kurz nach Beginn seiner Tätigkeit in Stuttgart die Ausbildung zum Profitrainer an der Hennes-Weisweiler-Akademie. Die dauernden Reisen vom Neckar nach Köln und zurück setzten dem jungen Trainer zu. Dennoch meisterte er beide Aufgaben und schaffte den Abschluss im Juni 2005 sogar als Jahrgangsbester mit einer Note von 1,4. Die Kurse absolvierte er übrigens zusammen mit Jürgen Klopp, mit dem ihn seitdem eine professionelle Freundschaft verbindet.

Trotz der Doppelbelastung und der finanziellen Engpässe stabilisierten sich die Kickers unter Dutt im Tabellenmittelfeld der Regionalliga Süd. Nach drei höhepunktarmen Spielzeiten im Nirgendwo der Tabelle wurde die Saison 2006/2007 zur erfolgreichsten für die Kickers seit Jahren. Zum ersten Mal seit Dutts Ankunft musste der Verein keine Lizenzauflagen erfüllen – ein finanzieller Erfolg, der sich auf den sportlichen Bereich übertrug. Besonders der Achtungserfolg im DFB-Pokal, als man in der ersten Runde den Bundesligisten Hamburger SV mit 4:3 nach Verlängerung besiegte, katapultierte den Coach in das nationale Rampenlicht.

Der Wechsel zum SC Freiburg

Nach seinen feinen Trainerleistungen in dieser Saison war er nicht nur im Blickfeld der Medien, sondern auch im Gespräch bei einigen höherklassigen Vereinen. Bekannt wurde vor allem das Interesse von Bundesligist Hannover 96, die einen Nachfolger für den gefeuerten Peter Neururer suchten, sich letztendlich aber für Dieter Hecking entschieden. Ernst wurde es im März, als der damalige Zweitligist SC Freiburg für die neue Saison einen Nachfolger für den ewigen Volker Finke suchte. Nachdem er sich das Angebot einige Tage durch den Kopf gehen ließ und auch ernsthaft in Betracht zog, den eingeschlagenen Weg bei den Stuttgarter Kickers weiterzugehen, nahm er schließlich an.

Die Idylle, die den SC Freiburg ansonsten zu einem der ruhigsten Profivereine Deutschlands machte, wurde durch diesen Trainertausch erschüttert. Es entwickelte sich schnell eine Initiative, die den Verbleib von Volker Finke forderte. Die Aktion „Wir sind Finke“ fand vor Saisonschluss besonderen Zulauf, als der SC Freiburg nach guten Leistungen in den letzten Wochen der Finke-Herrschaft den Aufstieg nur knapp verpasste. Trotz einiger kritischer Stimmen auch innerhalb des Vorstandes standen die Breisgauer zu ihrer Entscheidung und so trat Dutt seine neue Aufgabe zur Saison 2007/2008 an.

Gerade die Besetzung der neuen Posten wurde zum Drahtseilakt: Zu viele neue Mitarbeiter wäre ein Affront gegen den bei den Fans beliebten alten Trainer – zu wenig neue Mitarbeiter ein Zeichen von Schwäche. Er wählte den Mittelweg: Zum einen wollte er eine größtmögliche personelle Kontinuität erreichen und beförderte unter anderem Damir Burić, der bereits unter Volker Finke arbeitete, zum Co-Trainer. Andererseits zeigte er seine Loyalität zu ehemaligen Weggefährten und legte ein gutes Wort für ehemalige Kollegen ein, so zum Beispiel für seinen Förderer aus Kickers-Tagen, Marcus Sorg, der im Sommer 2008 Trainer der Amateure wurde.

Mit dem SC Freiburg übernahm Dutt erneut einen Verein, der in einem personellen  Umbruch stand. Er musste wie schon bei den Stuttgarter Kickers sich nicht nur als Übungsleiter, sondern auch in der Kaderzusammenstellung hervortun. Im Sommer verließen bereits viele Spieler den Verein, es kamen ebenso viele neue hinzu. In der Winterpause ging der Umbruch weiter und es kam unter anderem Mo Idrissou zu den Freiburgern.

In dieser Spielzeit waren die Anforderungen an den Trainer enorm. Auf der einen Seite stand eine nicht so kleine Gruppe Fans, die den neuen Trainer kritisch beäugten und am liebsten Finke wieder im Amt gesehen hätten. Auf der anderen Seite erhöhte Dutt selber die Erwartungen, als er den Aufstieg eigenmächtig als Saisonziel ausgab. Obwohl der Vorstand einen Mittelfeldplatz ausrief und damit dem Trainer den Druck von den Schultern nehmen wollte, war Dutt der Meinung, dass nach dem vierten Platz der letzten Saison eine bessere Platzierung und damit der Aufstieg das Ziel sein müsse. Damit machte er sich gerade bei den Vereinsverantwortlichen keine Freunde.

Diesen Anfangsschwierigkeiten zum Trotz schaffte der SC Freiburg in der ersten Saison einen respektablen fünften Platz. Den Aufstieg verpasste man aufgrund einer Niederlagenserie zu Beginn der Rückrunde. Außerhalb des Platzes beruhigte er die Anhänger mit seiner unaufgeregten, sachlichen Art und machte Volker Finke schnell vergessen. Aber auch fußballerisch war die erste Saison wichtig für Robin Dutt, der hier das Fundament für die kommenden Erfolge legte.  Er impfte den Spielern eine Taktik ein, die nicht mit den Prinzipien von Volker Finke brach, sondern dessen Spielidee auf eine neue Stufe hob. Er installierte einen ballbesitzorientierten Fußball in einem 4-2-3-1 System, das auf Kurzpassspiel, die volle Ausnutzung der Breite des Platzes und viele Positionswechsel setzte.

Das verflixt gute zweite Jahr

Die Spielidee seines ersten Jahres in Freiburg entwickelte er in der zweiten Saison konsequent weiter. Robin Dutt implantierte nun modernste taktische Ideen in sein Spiel: In der Offensive spielte der SC Freiburg mit einer Dauerrochade, die vier offensiven Akteure tauschten immer wieder die Positionen. Einen etatmäßigen Stürmer gab es dabei nicht, vielmehr verschob sich situationsbedingt ein Akteur der Offensivreihe in die Spitze. Die Dauerrochade war möglich, weil Robin Dutt auf mehrere torgefährliche Offensivspieler zurückgreifen konnte: Idrissou war im zweiten Jahr zwar der herausragende Torschütze mit 13 Treffern, andere Spieler wie Bechmann und Jäger trugen sich aber ebenfalls mit sieben Toren in die Trefferliste ein. Die Freiburger waren mit ihrem variablen System nicht von einem Torjäger abhängig.

Die Vermischung der Aufgaben eines offensiven Mittelfeldspielers und eines Stürmers wurde sonst nur bei Manchester United betrieben, mit Akteuren wie Rooney und Christiano Ronaldo. „Sagen Sie nicht, wir spielen wie Manchester United. Sonst heißt es gleich, der ist größenwahnsinnig“, wies Robin Dutt die Vergleiche von sich. Dennoch bewies Dutt mit dieser taktischen Maßnahme sein Gespür für internationale Taktiktrends.

Auffällig war auch, wie oft die Freiburger den Weg über die Außen suchten. Das Team nutzte damit geschickt aus, dass die Freiburger den kürzesten, aber auch breitesten Platz aller Profimannschaften in Deutschland bespielen. Seine Taktik war damit auf die Platzverhältnisse im Breisgaustadion abgestimmt.

Mit hohen Ballbesitzzahlen und vielen kurzen Pässen dominierte man die zweite Liga. Der SC Freiburg stürmte schnell an die Tabellenspitze und gab den Platz an der Sonne nur noch selten her. Am 31. Spieltag der Saison 2008/2009 konnten sie mit einem 5:2-Auswärtssieg den Aufstieg und die Zweitligameisterschaft perfekt machen – Robin Dutt war angekommen in der obersten deutschen Spielklasse. Beeindruckend war besonders die Dominanz, mit der der Aufstieg erzielt wurde: In der Rückrunde war der Aufstieg zu kaum einer Zeit ernsthaft gefährdet. Am Ende hatte man ein Torverhältnis von 60:36 und fünf Punkte Vorsprung auf den zweitplatzierten FSV Mainz 05.

Harte Zeit in der ersten Liga

Nach dem Aufstieg folgte eine harte Saison für den SC Freiburg: Wirtschaftlich stand man zusammen mit Mitaufsteiger Mainz am Schlusslicht der Tabelle, der direkte Wiederabstieg wurde von vielen Experten prophezeit. Der Kader konnte daher nur punktuell verstärkt werden, dafür blieben bis auf Daniel Schwaab (Wechsel zu Bayer Leverkusen) alle Leistungsträger.

Dutt lernte eine neue Facette des Trainerberufs kennen: Zum ersten Mal in seiner Karriere kämpfte er vom ersten Spieltag an gegen den Abstieg. Nach einer durchschnittlichen Hinrunde stand sein Klub mit 18 Punkten auf einem akzeptablen 13. Rang. In Erinnerung blieb jedoch nicht die passable Platzierung, sondern vor allem die deutlichen Heimniederlagen gegen Bayer Leverkusen (0:5) und Werder Bremen (0:6).

Robin Dutt fasste die erste Zeit in der obersten Liga passend im Gespräch mit der offiziellen Internetpräsenz des SC Freiburg treffend zusammen: „Wir haben in der Anfangsphase versucht, die gleichen Ballbesitzzahlen zu erreichen, wie in der Zweiten Liga. Dafür sind wir bestraft worden, Leverkusen oder Bremen haben sich bedankt, und uns die Tore eingeschenkt. Da mussten wir erst einmal sehen, dass wir uns defensiv besser organisieren.“

Robin Dutt zog seine Schlüsse aus den teilweise desolaten Auftritten und stellte sein System um. Spätestens ab der Rückrunde spielte der SC Freiburg in einem eindeutigen 4-1-4-1 System. Nach und nach veränderte sich die Spielweise des SC Freiburg, weg vom Kurzpassspiel hin zu schnellem Umschalten. Die vielen Positionswechsel und die Ausnutzung der ganzen Breite blieben aber bestehen.

Neu in diesem System waren vor allem die Rollen zweier Spieler: Auf der einen Seite stand der in der Winterpause für eine Rekordablöse von 1,6 Millionen nach Freiburg  gekommene Cisse, der einzige Sturmspitze wurde. Der SC Freiburg hatte nun eine feste Anspielstation vorne, die Bälle halten, ablegen und im Zweifelsfall alleine den Weg zum Tor suchen konnte. Cisse sollte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten als großer Glücksgriff erweisen. Seine sechs Treffer in der Rückrunde trugen zum Nichtabstieg bei – sein wahres Potenzial sollte er jedoch erst in der kommenden Saison abrufen.

Die zweite wichtige Personalie war Julian Schuster. Er spielte bereits einige Zeit bei den Freiburgern, ehe  Robin Dutt seinem Schützling mehr Verantwortung übertrug. Im 4-1-4-1 System übernahm er die wichtige Rolle zwischen den beiden Viererketten und sollte dafür sorgen, dass niemand diesen Raum ausnutzt. Noch interessanter als seine Defensivaufgaben war seine Rolle im Spielaufbau der Freiburger. Hier ließ sich Robin Dutt erneut von internationalen Top-Klubs inspirieren und implantierte als erster Bundesligatrainer den so genannten „Libero vor der Abwehr“ in sein Spiel.

Im Spielaufbau fiel Schuster aus der Mittelfeldzentrale zwischen die beiden Innenverteidiger zurück. Hierdurch rückten diese auf die Außenverteidigerposition, wodurch die Außenverteidiger wiederum mit nach vorne rücken konnten. Aus der Viererkette wurde im Spielaufbau so eine Dreierkette. Im Falle eines Ballverlustes kamen die Außenverteidiger schnell wieder zurück, um die alte 4-1-4-1 Ordnung herzustellen. Dass Dutt und Schuster bereits zuvor mit dieser Idee kokettierten, war zu erkennen – deutlich wurde sie erst zu Teilen in der Rückrunde der Saison 2009/2010.

Die zweite Bundesligasaison und der Wechsel zu Bayer

Die Freiburger Spielidee verlangte viel Flexibilität von den Spielern und musste lange eintrainiert werden. Es ist keine Überraschung, dass das 4-1-4-1 System in der Rückrunde noch nicht hundertprozentig harmonierte. Dennoch war eine Steigerung zur Hinrunde zu sehen, da die hohen Niederlagen ausblieben und man sogar die großen Bayern am Rande einer Niederlage hatte. Am Ende erreichte die Mannschaft mit 35 Punkten bereits einen Spieltag vor Saisonschluss den Nichtabstieg.

Dutts komplexes System mit den vielen Positionsrochaden sollte in der darauffolgenden Saison dem SC Freiburg zu ungeahnten Erfolgen führen: Vor der Saison erneut als Abstiegskandidat gehandelt, konnten die Breisgauer am Ende der Hinrunde gar von einem Europa League-Rang träumen. Die zwei Eckpfeiler der Mannschaft, Julian Schuster und Cisse, befanden sich in ausgezeichneter Form und sorgten dafür, dass man sich schon früh in der Saison vom Abstiegskampf verabschieden konnte. Erfolgreich sein und schön spielen – Dutts Prämisse wurde in der Hinrunde 20010/2011 voll erfüllt.

Die Rückrunde der Saison verlief nicht mehr so glanzvoll, so dass am Ende der neunte Rang heraussprang. Gründe für das schwache Abschneiden in der zweiten Saisonhälfte waren einerseits Verletzungen – besonders Julian Schuster konnte nach einer Zwangspause nicht mehr an seine alten Leistungen anknüpfen. Als man sich nach einigen unglücklichen Niederlagen zu Beginn des Jahres im Tabellenniemandsland wiederfand, schlich sich zudem ein kleiner Schlendrian in die Mannschaft ein.

In dieser Phase der Saison machte die Bundesliga besonders außerhalb des Platzes auf sich aufmerksam: Das Trainerkarussell drehte sich in hoher Geschwindigkeit. Am Ende öffneten die zahlreichen Wechsel innerhalb der Liga eine Tür für Robin Dutt: Bayer Leverkusen bot ihm eine Stelle als Cheftrainer an. Nach reiflicher Überlegung nahm er die Chance wahr.

Ausblick auf seine Zeit in Leverkusen

Robin Dutt war angekommen – von der Verbandsliga hat er es in nur 15 Jahren in die Champions League geschafft. In der Bundesliga ist sein Werdegang herausragend, weil er nie Teil der Bundesligamaschinerie war. Er hat es durch harte Arbeit und eine nicht zu leugnende Portion Glück geschafft, als Quereinsteiger Trainer eines Topklubs der Liga zu werden.

Taktisch war Robin Dutt immer ein Verfechter von anspruchsvollem Kurzpassspiel. Erfolg ist kein Selbstzweck, wichtig ist die Frage, wie dieser Erfolg erzielt werden kann. Durch seine Vorliebe für das schöne Spiel zeigt sich seine Liebe zum Fußball, die ihn vom TSF Ditzingen bis hin zu Bayer Leverkusen führte. Auf der anderen Seite ist eine schöne Spielweise auch ein Garant dafür, bei den Fans beliebt zu sein – ein nicht unwesentlicher Faktor, wenn man bedenkt, dass Robin Dutt als Außenstehender zu Beginn seiner Karriere bei seinen Stationen nicht viele Fürsprecher fand.

Mit seinem neuen Verein Bayer Leverkusen hat er nach wenigen Spieltagen bereits eine ganze Handvoll Probleme. Als neutraler Beobachter sollte man jedoch verstehen, dass Dutts Idee vom Fußball eine gewisse Zeit braucht, bis sie bei einem Verein hundertprozentig funktionieren kann – ballbesitzorientierter Fußball ist immer schwerer zu vermitteln als eine Kontertaktik aus einer sattelfesten Defensive. Die Fans sollten ihm Zeit geben, seine Idee vom Spiel zu entwickeln. Schon jetzt zeigt sich, dass taktisch und spielerisch eine große Leverkusener Mannschaft entstehen kann, siehe die großartige erste Halbzeit gegen Dynamo Dresden im Pokal.

Die anderen Probleme, die er teilweise selbst geschaffen hat, lassen sich mit einem Blick auf seine Biographie erklären. So rief er in Leverkusen das Saisonziel Meisterschaft aus und machte sich (wie schon zu seiner Anfangszeit in Freiburg) damit nicht nur Freunde. Diese Aussagen sind jedoch für ihn nur konsequent: Stagnation oder gar Rückschritt waren nie ein Bestandteil seines Aufstieges von unten nach ganz oben. Auf einen zweiten Platz kann bei ihm nur der Erste folgen, das war und ist Teil seiner eigenen Motivation.

Neu ist für ihn auch die Situation, eine Mannschaft zu übernehmen, die nicht in einem Umbruch steckt. Bei den Stuttgarter Kickers übernahm er einen Verein am finanziellen Ende, beim SC Freiburg beerbte er einen Vorgänger, der über 16 Jahre im Amt war. Bayer Leverkusen hingegen hat einen gefestigten Kader und war in der Vorsaison sehr erfolgreich – hier wird zunächst nicht seine Fähigkeit in der Kaderzusammenstellung, sondern seine Kompetenz als Übungsleiter im Vordergrund stehen.

Dass Robin Dutt taktisch zu den besten Trainern der Liga zählt, unterstrich seine hochmoderne und flexible Spielweise in Freiburg. Die Schwierigkeit in Leverkusen ist es, zu akzeptieren, dass das sportliche Prinzip in der Öffentlichkeit anders gewichtet wird. Während er im beschaulichen Breisgau einen Spieler, der nicht in das taktische Konzept passte, ohne großen Aufschrei auf die Bank setzen konnte, gestaltet sich das gerade im Fall Ballack als schwierig. Seine Aussage, man könne Rolfes und Ballack nicht zusammen aufstellen, macht sportlich Sinn – sie nimmt allerdings zu wenig Rücksicht auf die öffentliche Debatte, die sich längst von sportlichen Kriterien gelöst hat.

Robin Dutt stand früher als gedacht in Leverkusen am Pranger. Es ist eine wichtige Station für ihn, denn jetzt hat er die einmalige Chance zu zeigen, ob er zu den besten Trainern der Bundesliga gehört. Wenn er scheitert, wäre es der erste echte Rückschlag in einer Karriere, die bisher nur den Weg nach oben kannte. Die nächsten Wochen werden eine harte Probe für den Quereinsteiger.

Blub 17. Oktober 2011 um 10:14

08.10.2011 Leverkusen gegen Gladbach
Was war denn das wieder für ein Experiment von Dutt? Sam auf der linken Seite? Schürrle als hängende Spitze? Castro im rechten offensiven Mittelfeld? Ballack und Bender im defensiven Mittelfeld. Wer war im zentralen Mittelfeld? Wer im offensiven? Wer war Dutts kreativer Spieler? Ich glaube kaum, dass das ein ernster Positionstest war sondern eine Einstellung auf den Gegner, aber in wieweit macht das Sinn, wenn man damit seine eigenen Stärken schwächt? Ich finde die Spieler von Leverkusen haben ein Niveau, da muss man sich nicht groß nach dem Gegner orientieren. Ob ein Sam gegen Daems oder Jantschke spielt ist doch egal, man kann solche Duelle nicht 100% planen. Als Sam gegen Köln kam hab ich auch gedacht, prima gegen Jemal wird er machen können was er will und was kam von ihm? Nichts! Das sind einfach zuviele Parameter an denen Dutt schraubt. Neue Spieler Schürrle, Balitsch, Toprak, neue Aufgaben für Bender, Ballack, Augusto, neues Spielsystem mit vielen Positionswechsel. Ich bin momentan wieder sehr verunsichert von Dutt, auch die Auswechselung kommen mir komisch vor. Das Mittelfeld war schon so komisch besetzt (oder hat Ballack vor Bender gespielt in einer Raute mit Castro und Sam??) und dann kommt Derdiyok für Sam?? Ich habe auch das Gefühl, dass die Mannschaft total gefangen ist, nach einem 1:0 wirkt sie nicht befreit, nein sie hat Angst vor dem Ausgleich und verfällt in einen Schockzustand. Leverkusen hat meiner Meinung nach tolle Techniker, die gegen Köln, Gladbach & Co. spielerisch bestehen können auch ohne spezielle Taktik oder ausgeklügeltem Spielsystem. Es muss im Kopf klick machen, Klopp und Daum arbeiten mit der neurolinguale Programmierung, dass wäre für Leverkusen genau das richtige, ebenso die Arbeit mit Psychologen. Schürrle rennt nach dem Treffer zum ausgewechselten Ballack! Beim letzten Spiel läuft Castro zu Augusto. Was wollen die Spieler wem sagen? Dieses ewige Ballack/Rolfes Spiel nervt, es sollte Spiele geben, wo Ballack ODER Rolfes spielt und nicht immer nur 60 Minuten Ballack. Klar nun wartet auch wieder die Champions League und Schalke und vielleicht ist Dutt ja im Moment von Ballack überzeugt und wollte ihn schonen oder vor einer Roten Karte schützen. Dutt sagt ausfälle müssen vermieden werden und Castro leistet sich so eine Beleidigung, dass darf nicht sein. Leider gab es zuletzt keine Leverkusenspiele mehr in der Analyse :/

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Jan 2. September 2011 um 11:24

Hallo TE,

Respekt für den hervorragend recherchierten Artikel. Es ist sehr erfrischend einen Fußball-Artikel zu lesen, der ohne Floskeln und Gemeinplätzen auskommt.
Eines jedoch stimmt nicht: Robin Dutt hat Volker Finke in Freiburg nie „vergessen“ gemacht; zum einen ist das historisch gar nicht möglich, zum anderen war es auch die herausragende Leistung von Dutt, sich zu Beginn seiner Freiburger Zeit von Finke zu emanzipieren, ohne dessen Verdienste in Frage zu stellen (wie Du ja am Beispiel Damir Buric erläutert hast).

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Stepi 1. September 2011 um 16:16

Lieber Daniel,

ich glaube nicht, dass Dutt sich mittelfristig bei Bayer auf ein System festlegen wird. Seine Arbeit in den letzten Jahren hat gezeigt, dass er sein System sehr gut an das Spielermaterial anpassen konnte. Markant ist hier seine Saison 06 – 07 in der er mit den Kickers um den Aufstieg in die Zweite Liga mitspielte und den HSV aus dem DFB Pokal kegelte. Weil der Verein wenig Geld hatte, musste Dutt mit einem extrem kleinen Kader zurechtkommen. In seiner zwanzigköpfigen Mannschaft fanden sich letztlich nur drei nominelle Verteidiger und die Hälfte der Mannschaft kam aus der eigenen Zweiten – die Dutt zuvor selbst trainierte (Vergl : http://www.kickersarchiv.de/pmwiki.php/Main/2006-2007 ). Dutt veränderte während der Saison mehrmals das System um jeweils die Formstarken Spieler in Szene setzen zu können. Meistens ließ er ein 4-4-2 mit einer flachen Vier spielen, die Kickers wurden damals angetrieben von zwei Spielintelligenten Spielern Mirnes Mesic und Bashiru Gambo. Mesic spielte eine falsche 9, je nach Bedarf konnten die Kickers so mit einem klassischen Doppelsturm spielen oder mit einer hängenden Spitze. Bis zur Winterpause sollte das Aufstiegsrennen spannend bleiben, die Kickers haben damals übrigens gegen eine gewissen TSG Hoffenheim trainiert von Ralf Rangnick um den Aufstieg gekämpft. Doch dann konnte die TSG aus Hoffenheim nen Schlüßelspieler der Kickers Mirnes Mesic abwerben. Nach internen querelen verließ auch Torgarant Okpala den Verein, das neue Sturmduo Sean Dundee und Angelo Vaccaro konnte an Dynamik und Spielintelligenz nicht mit dem alten mithalten. Also stieg Dutt auf ein 4-1-2-1-2 um, so konnte er mit Bashiru Gambo hinter den Spitzen mehr Druck erzeugen, der Plan ging auf, die Kickers konnten sich Chancen erspielen die aber oft aus ihren bescheidenen Möglichkeiten machen. Dutt sprach damals unheimlich viel mit seiner Mannschaft und konnte die Verfassung ungenutzt blieben, zudem wurden die langsamen Verteidiger oft ausgekontert und Dutt stieg auf ein 4-5-1 indem er dem jungen Manuel Hartmann eine zentrale Rolle zudachte. Letztlich reichte es nicht für den Aufstieg, aber die Kickers konnten das maximale seiner Spieler gut einschätzen. Anfang der Rückrunde neigte er zur Risikobereitschaft mit einem Offensiveren System versuchte er nocheinmal einen Angriff auf die Aufstiegsplätze zu wagen, die abgeschwächte Form seiner Mannschaft am Ende der Hinrunde versuchte er mit Defensiver Spielweise zu helfen. Allerdings tat er damit seiner Mannschaft keinen Gefallen, im Oktober flogen die Kickers nach einem Spielabbruch aus dem DFB Pokal, der ganze Verein lechzte nach Wiedergutmachung und sehnte sich nach einem Selbstbewussterem Auftreten der Mannschaft.

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Daniel 1. September 2011 um 14:51

Wow, gerade noch gewünscht, schon ist das Porträt schon da. Super! Als Dutt und Taktik Laie gefällt es mir gut, sehr interessant. Ich muss zugeben, dass ich nach den ersten beiden Niederlagen mit auf den Dutt Skeptikerkurs aufgesprungen bin, da ich auch ein Ballack Fan bin. Dazu kamen einige Schlagzeilen von ihm die man erstmal so hingenommen und sich gewundert hat. Mitlerweile habe ich auch hier einiges gelesen, seine Aussagen versteht man nun, ich habe Interviews mit ihm gesehen und bin begeistert. Auch seine Art mag ich mitlerweile sehr. Ich hoffe, Leverkusen gibt ihm viel Vertrauen und Zeit! Ich Vertraue ihm schon in der Hinsicht, dass ich nicht mehr enttäuscht bin, wenn Ballack nicht spielt *g*.
Was mich aber noch interessieren würde und zwar wird Dutt ja ein großes Repertoire an taktischen Systemen kennen. Meint ihr er wird in Leverkusen das seiner Meinung nach ideale Spielsystem spielen lassen? Oder fehlt dafür die ein oder andere Kompetenz so das er Abstriche machen muss? Wenn Heynckes auch ein so starker Trainer ist, warum ist dann die Umstellung auf dieses starke und moderne System von Dutt so schwierig? Wie trainiert Dutt sowas, spricht er auch einzelnd mit den Spielern und geht alle Situationen durch? Was ich nicht verstehe, gerade bei Barcelona sieht man doch dass Ballsicherheit das wichtigste ist. Ruhe behalten, immer einen sicheren Pass spielen zu können. Warum trainiert man dies nicht stundenlang mit den bekannten Schweinespielchen bis die Spieler auch gedanklich schneller werden?
Von den Spieleranlagen mal abgesehen, wo sind die größten Abweichungen zu der Taktik von Barcelona? Ihr werdet da jetzt wohl mit den Augen rollen, aber vielleicht nur 1 oder 2 Punkte?
Waren die knappen Ergebnisse gegen Bremen und Stuttgart Zufall oder ist Dutt jemand, der bei einem Vorsprung auch gerne mal italienisch etwas defensicher und dichter weiterspielt?
Vielleicht kann ja noch jemand was zu dem ein oder anderen Punkt sagen, danke 🙂

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Marinus 1. September 2011 um 13:54

Hallo, das ist ja eine schöne ausführliche Geschichte. Hier und da bekommt Robin Dutt ein paar Lorbeeren zu viel ab (Kurzpass? Naja. Die Rochaden waren in Freiburg ein alter Hut) , aber sein Werdegang ist gut beschrieben. Ich möchte euch allerdings auf 2 Fehler hinweisen. Cisse kam für „nur“ 1,5 Mios. Das lässt sich in einem Interview (http://www.sueddeutsche.de/sport/transferkarussell-bundesliga-flops-sind-fuer-uns-ruinoes-1.994471) nachlesen. Und er war auch nicht der teuerste Freiburger Einkauf. Das stand zumindest mal in einem Interview mit dem Vizepräsident in dem Stadionmagazin. Trotzdem weiter so. Gute Seite!

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Stepi 1. September 2011 um 12:21

Verzeihe mir, ich habe mein Kommentar offline geschrieben, daher ist mir deine Korrektur noch nicht aufgefallen. Um weitere Missverständnisse zu vermeiden, ich erwarte keine Biographie. Um eine Person aber gut zu charakterisieren hilft es, wenn man mehre Aspekte berücksichtigt. Insofern ist mein Kommentar tatsächlich eine hilfreiche Ergänzung.

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Stepi 1. September 2011 um 11:48

Lieber TE,

ich hab‘ mich gefreut wie ein kleines Kind, als ich bei meinem täglichen Besuch auf Eurer Seite, das Potrait über Robin Dutt entdeckt habe. Schließlich habe ich seinen Werdegang schon zu seiner Trainerzeit in Ditzingen verfolgt. Leider habt ihr ein bisschen schlampig recherchiert. Zwar gibt es auch ein Hirschlanden in Baden, aber Dutt kommt aus dem Stuttgarter Vorort Hirschlanden. Weil sich euer Potrait doch sehr auf seine Zeit als Bundesliga Trainer beschränkt, will ich ein paar Aspekte ergänzen.

In Ditzingen war Dutt noch etwas wie der ‚Rocker‘ unter den Trainern, mit Jeans und längeren Haaren stand er am Spielfeldrand. Zu sagen Ditzingen hätte keine Ambitionen gehabt ist nicht richtig, immerhin war der Club in den Jahren zuvor bis in die Regionalliga aufgestiegen und hatte einer ganzen Reihe von Stürmertalenten erste Profierfahrungen ermöglicht, von Fredi Bobic über Sean Dundee bis Mario Mandzukic. Als Dutt die Mannschaft übernahm war der Verein pleite, weil das Geld fehlte verließ nahezu der komplette Kader den Verein und Dutt musste mit den Spielern aus der Zweiten Mannschaft zurechtkommen. Diese Spieler kannten ihren neuen Trainer bereits, schließlich trainierte Dutt zuvor selbst die Zweite Mannschaft. Völlig überraschend gelang Dutt der Klassenerhalt und abermals verließen viele Spieler den Verein. Im kommenden Jahr schaffte Dutt mit vielen A-Jugendlichen nicht mehr den Klassenerhalt und der Verein stieg ab. Trotzdem war es mutig einen Abstiegstrainer zu verpflichten, im Umfeld des Kickerspräsidiums saß damals aber ein ausgewiesener Trainerfachmann : Edgar Kurz, Vater von FCK Trainer Marco Kurz. Nachdem Dutt den Club verließ wurde er kurze Zeit später übrigens von einem gewissen Marcus Sorg trainiert. Die beiden kannten sich mit großer Sicherheit schon vor besagtem Lehrgang, schließlich war Sorg für den TSV Ditzingen in seinen goldenen Jahren aktiv und oft im Umfeld anzutreffen. (Interessant dazu ein Interview in der FR – letzte Frage : http://www.fr-online.de/sport/eintracht/-vielleicht-wollte-thomas-kessler-zu-viel-/-/1473446/9677912/-/item/1/-/index.html )

Zu sagen die Kickers hätten während Dutts Amtszeit aufsteigen wollen ist unrealistisch. Es gibt eigentlich seit 15 Jahren keine Saison mehr in denen die Kickers nicht aufsteigen wollten, was aber nicht bedeutet, dass sie der Favorit waren. Der Blaue Adel musste sich ersteinmal vom Kater nach dem Abstieg aus der zweiten Liga erholen, damals dachte man mit alten Stars den Durchmarsch in der Regionalliga zu schaffen, dass Gegenteil war der Fall und um ein Haar wäre man wieder abgestiegen.

Es ist markant wie wenig Potential die von Dutt trainierten Kader bei den Kickers hatten. Obgleich er stets junge Mannschaften trainiert hat, schafften es später wenige seiner Schützlinge sich im Profifussball zu etablieren. Oft wurde auch hier junge Spieler mit Talenten verwechselt. Rückblickend kann man sagen : die meisten hatten unter Dutt ihre Beste Zeit (wie auch schon in Ditzingen). Von der als ‚Austiegsaspiranten‘ gehandelten Mannschaft schaffte lediglich Oliver Barth den Sprung ins Profigeschäft. Und das war nicht abzusehen.

Bemerkenswert ist der ‚Instinkt‘ mit dem Dutt seine die Fähigkeiten von Spielern beurteilt, kaum ein Spieler den Dutt gehen ließ konnte sich bei anderen Clubs behaupten. Seiner eher Schwäbischen als Rheinländischen Mentalität verdankt er eine große Bescheidenheit, was ihm zu einer nüchternen Selbsteinschätzung verhilft. Ich würde daher nicht behaupten Dutts Aufstieg wäre glücklich gewesen. Schließlich hat er sowohl Ditzingen als auch die Kickers auf dem Höhepunkt des dort möglichen Erfolgs verlassen und vielleicht wird das auch in Freiburg sein.

Ich erkenne bei Dutt kein Talent in der Kaderzusammenstellung. Auch wenn er stets junge Mannschaften trainiert hat, echte Talente hat er dabei nicht entdeckt (das wiederum ist eine Stärke von Sorg). Aber seine Qualitäten in der Menschenführung sind es die Ihn ermöglichen eine gute Struktur in seinem Kader zu halten. So fällt auf, dass er stets mit alten Weggefährten in Kontakt bleibt und sie fördert. Zum SC hat er manchen alten Kickers Spieler geholt und auch bei Leverkusen drängte er auf eine Verpflichtung von Ömer Toprak und David Yelldell.

Eher würde ich seine herrausragenden Qualitäten als Übungsleiter hervorheben, der selbst den taktisch mäßig geschulten Spielern in Ditzingen ein komplexes System beigebracht hat. Im taktischen Bereich kenn seine Kreativität keine Grenzen, auch wenn er beim SC ein Kurzpassspiel bevorzugte. Bei den Kickers traute er sich zeitweilig auf auf Dreierkette umzustellen, spielte meistens direkt auch mit langen Bällen und setzte Spieler auf fremden Positionen ein. Recep Yildiz, der Held aus dem Pokalsieg der Kickers gegen den HSV wurde von Stürmer zum Innenverteidiger und gelernte Innenverteidiger ließ er spontan auf der Außenbahn auflaufen.
Auch wenn es jetzt noch wagemutig erscheinen mag, Robin Dutt könnte der Trainer werden, dem es gelingt Leverkusen in den Kreis der Meistermannschaften zu befördern.

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TE 1. September 2011 um 11:59

Vielen Dank für den ausführlichen und langen Kommentar, der als perfekte Ergänzung zu meinem Text dient. Gerade was du über seine Anfangszeit geschrieben hast, ging in meinem Artikel ein wenig unter. In einigen Punkten möchte ich mich aber kurz rechtfertigen:

Zum Einen habe ich den Bereich mit Baden bereits geändert, nachdem ich gestern darauf hingewiesen wurde. Da habe ich tatsächlich schlampig gearbeitet und es tut mir Leid. Zum Anderen meinte ich mit seiner Fähigkeit zur Kaderzusammenstellung nicht die Weiterentwicklung von Talenten. Ich meinte damit tatsächlich das, was du auch angsprochen hast: Einen Kader so zu formen und entwickeln, dass eine sportliche Einheit entsteht. Dazu zählen für mich auch Transfers, die er meiner Meinung nach gerade in Freiburg gut gemanaged hat. Das kann man auch wie du unter den Punkt „Menschenführung“ zusammenfassen, ich habe es jetzt zunächst einmal „Kaderzusammenstellung“ genannt.

Außerdem hast du Recht, dass das Porträt seine Zeit als Erstligatrainer genauer anschaut als die Zeiten bei den Kickers. Hier muss man auch immer ein wenig Kompromisse machen, wenn man solch ein Porträt (das ja keine Biographie ist) schreibt. Ich habe mich taktisch auf das konzentrieren wollen, was er in seiner Bundesligazeit angewendet hat, da das Porträt bereits so relativ lang ist. Deine Ausführungen ergänzen das prima.

Ansonsten sehe ich deinen Kommentar jetzt aber auch nicht groß als Korrektur meines Textes, sondern vielmehr als Erweiterung. Gerade über die Zeit in Ditzingen habe ich in meinen Recherchen wenig bis gar nichts rausfinden können, so dass dein Kommentar da sehr hilfreich ist. Ich habe ihn jetzt auch oben im Text verlinkt! Also vielen Dank dafür.

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Vio 31. August 2011 um 23:03

Schöner Text, aber auch früher gab es schon die ein ohne anderen Trainer ohne wirkliche Profierfahrung siehe Neururer oder Daum, selbst Rangnick kann man noch dazu zählen.

Und die Trainerstationen im unteren Bereich solltest du mal goggeln, die liegen alle um Stuttgart herum, das ist weder badisch noch Provinz.

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TE 31. August 2011 um 23:17

Danke für die Anmerkungen! Die Trainerstationen waren mit badischer Provinz auch nicht gemeint, das bezog sich auf seine Stationen als Jugend- und Amateurspieler. Die sind aber auch nicht in Baden, das stimmt. Man verzeihe mir die geographische Verallgemeinerung/Ungenauigkeit.

Der Punkt mit den Profitrainern stimmt natürlich, es gab da schon vorher Ausnahmen, beispielsweise der große Arrigo Sacchi. Aber gerade Daum würde ich persönlich da nicht hinzuzählen. Er hatte – soweit ich mich da recht erinnere – schon vor seiner Trainerzeit bei den Amateuren des 1. FC Köln gespielt und dort auch seine Trainerkarriere begonnen. Das ist natürlich keine Profikarriere, aber er war auch kein Quereinsteiger, wie es bei Dutt der Fall ist. Über Neururer weiß ich nichts, aber zumindest nach Wikipedia liegst du da goldrichtig.

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slartibartfas 31. August 2011 um 22:50

hallo,
wie immer ein gelungenes tainerportrait bei spielverlagerung,

was mir ein bisschen noch fehlt ist, dass robin dutt (auch in freiburg) ein ganz gutes händchen beim moderieren von mannschafts- oder vereinsinternen konflikten hat. in freiburg hat es jedenfalls mehrfach so ausgesehen als würde er im einen oder anderen fall etwas danebenliegen, erst viel später konnte man erkennen, wie weit er tatsächlich gedacht hatte ( z.B. beim umgang mit der insubordination von idrissou oder bei der aussortierung von banovic zugunsten der stärkung der rolle schusters). gleichzeitig kann er in schwierigen phasen die (einschlägigen) medien ganz gut hinhalten, biss sich dann der erfolg wieder einstellt.
guter griff für bayer, schade für freiburg (wie schon öfter) , würde ich sagen.
Viele Grüsse
Slarti

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