Honduras – Ecuador 1:2

Das erwartet simpel gestrickte 4-4-2-Duell zwischen Honduras und Ecuador gewinnt der Favorit. In der zweiten Halbzeit war aber eigentlich Honduras die spielstärkere und interessantere Mannschaft gewesen.

Im Duell der kolumbianischen Trainer Luis Suárez und Reinaldo Rueda, die auch schon die jeweils andere Nationalauswahl betreuten, formierten sich die beiden Kontrahenten wie erwartet in zwei der klarsten 4-4-2-Formationen des Turniers. Nach dem Platzverweis von Schlüsselspieler Wilson Palacios gegen Frankreich mussten die Honduraner umstellen und brachten stattdessen Claros ins defensive Mittelfeld. Eine zweite Änderung betraf den rechten Flügel, wo der junge Najar für Óscar Boniek García weichen musste. Auch die Ecuadorianer nahmen eine Veränderung im Vergleich zum Auftaktspiel gegen die Schweiz vor – der junge VfB-Sechser  Carlos Gruezo, der sich mit intelligenten Leistungen erst kürzlich ins Team gespielt hatte, aber für seinen ersten WM-Auftritt wohl kritisiert worden war, wurde durch Oswaldo Minda ersetzt.

Ähnlichkeiten und Unterschiede gegen den Ball

hon-ecuWie erwartet entstand zwischen diesen beiden Mannschaften eine eher simpel gestrickte Begegnung mit nur wenigen spielerischen Glanzpunkten durch das Zentrum. Der direkte, teilweise aggressive Charakter der Teams sorgte für eine offene, wilde und aufgeregte Partie. Wegen der klaren direkten Zuordnungen zwischen den 4-4-2s entstanden in den Spielweisen immer mal wieder mehr oder weniger stark ausgeprägte Mannorientierungen. So rückten die Sechser gelegentlich schon mal auf ein zur Seite herauskippendes Pendant des Gegners heraus und attackierten. Insbesondere bei Ecuador zeigten sich diese Mannorientierungen deutlich. Die Südamerikaner agierten etwas höher rückten weiter heraus, um gegen die Außenverteidiger oder Sechser von Honduras in direkte Duelle zu kommen.

Dagegen positionierten die Mittelamerikaner sich immer mal wieder auch tiefer und ließen dann nur sehr vereinzelte Manndeckungen in ihr raumorientiertes Verschieben einfließen. So standen sie besser abgesichert, konnten die eine oder andere Lokalkompaktheit herstellen und gegen die situativ unverbundenen Flügelpärchen des Gegners im richtigen Moment effektives Doppeln einsetzen. Sowohl der dribbelstarke Montero als auch Valencia, auf den einige Male Claros aufmerksam herausrückte und damit die etwas wirren Phasen von Espinoza ausglich, konnten sich deshalb eher wenig in Szene setzen.

Ausweichende Stürmer, Flügelspiel und hohe Bälle

Gefährlich war auf beiden Seiten vor allem das Ausweichen der zwei Stürmer hinter die vorgeschobenen Außenverteidiger des Gegners. Dies konnte sowohl im Umschaltmoment als auch im Aufbauspiel durch schnelle Direktpässe vorkommen. Meistens wurde dieses Mittel ohne größere Besonderheiten, Einbindungen oder Synergien eingesetzt, wirkte aber aufgrund seiner Klarheit und Effektivität dennoch prägend.

Zusätzlich bedienten die Teams noch die eine oder andere weitere Offensivroute. So wussten die Ecuadorianer mit ihrem schnellen Personal in den vorderen Bereichen über Konter oder Dribblings der Außenspieler zu attackieren, die immer wieder gesucht wurden. Dabei überzeugte Montero wie schon gegen die Schweiz mehr als Kapitän Valencia und war mit seiner vielseitigeren Anlage auch in die sehr seltenen Überladungen aus dem Ballbesitzspiel heraus eingebunden. Dabei wurden seine Aktionen gelegentlich von einem ausweichenden Angreifer sowie den Vorstößen Noboas ergänzt, was einzelne Kombinationsansätze ermöglichte. Zwischendurch hatte Ecuador eine Phase, in der sie mal sehr kontrolliert und bedachter aufrückten, den Gegner sauberer zurückschoben und die Aktionen ruhiger vorbereiteten. Die Flügelstürmer rückten dann vermehrt ein, bewegten sich dabei aber oft zu durchgehend an der letzten Linie. Immerhin entstand dadurch zusätzliche Präsenz, so dass über eine solche breite und hohe Aktion in flacher Struktur auch der Ausgleich eingeleitet wurde.

Auf Seiten von Honduras wurde eine noch stärkere Direktheit in den Angriffen gepflegt. Vor allem fokussierten sie sich – gegenüber Ecuadors Präferenz für Flügelangriffe – deutlicher auf unzählige lange, hohe Bälle, bei denen ihre Stürmer die eigene Athletik und Wucht einbringen konnten. Anders als gegen die defensivstarken Franzosen zahlte sich dies in dieser Partie beim Führungstor aus, als Guagua vor seinem Fehler auch aufgrund der mannorientierten Ausrichtung der Südamerikaner nicht unterstützt worden war. So führte das Hauptoffensivwerkzeug der Mannschaft in der ersten Halbzeit zu einem Treffer. Daneben hatten die Honduraner einige Szenen über das Engagement ihrer Außenverteidiger, die gelegentlich individuelle Diagonalläufe in die Lücken der gegnerischen Formation starteten – Izaguirre gelang dies noch etwas spielstärker als Beckeles.

Diese simplen Spielweisen der beiden Mannschaften sorgten lange Zeit für zwei eher semigefährliche Offensivabteilungen. Immer mal wieder gab es offene Aktionen, ordentliche Ansätze, aufregend erscheinende Szenen und vor allem viele Abschlüsse von mittelprächtiger Qualität. Wirklich Zwingendes wurde dabei wegen der Vorhersehbarkeit durch die klaren Routen und die fehlende Zehnerraumpräsenz nur bedingt produziert. Mit der Zeit wurde die Absicherung gegen die klaren Ansätze unsicherer; anfangs aber entschärfte die Endverteidigung der Teams die meisten brenzligen Szenen. Das Risiko im Aufrücken war zunächst eher gering bzw. zumindest recht passend kalkuliert, während die Sechser gerade bei Honduras oftmals noch rechtzeitig zur Unterstützung der Abwehr zurückfielen. Das 1:0 durch Costly stellte einer der ersten Ausnahmen dieses Schemas dar. Direkt danach folgte der etwas glückliche Ausgleich, als Paredes auf rechts einmal etwas diagonaler zum Strafraumeck andribbelte.

Zweite Halbzeit

In der zweiten Halbzeit erzielte Ecuador zwar den Führungs- und letztlich auch Siegtreffer, doch eher zeigten sich die Honduraner verbessert, wenn man von ihrer unorganisierten Schlussoffensive absieht. Zunächst versuchten sie es mit einer gewissen Aufbauasymmetrie, indem der neu eingewechselte Linksverteidiger Juan García weiter vorschob als sein Pendant rechts und Figueroa zunehmend in die entstehende Lücke aufrückte. Dies wurde nach einiger Zeit allerdings wieder aufgegeben, so dass stattdessen das Mittelfeldzentrum in den taktischen Blick geriet.

Hier fand Honduras zu mehr Präsenz, indem die äußeren Flügelakteure – vor allem der engagierte Espinoza, etwas ruhiger und weniger antreibend auch Boniek – nun einrückten und durchaus Spielstärke entwickelten. So konnte der Außenseiter im Ansatz ein ordentliches Ballbesitzspiel aufziehen, sich ein wenig durch die Räume kombinieren und die gegnerischen Mannorientierungen aufsprengen. Wenn Ayoví durch Boniek herausgezogen war, orientierte sich der halbrechte Stürmer etwas nach außen, woraus die Dynamiken zu einer guten Chance von Bengtson und dem Abseitstor entstanden. Durch die bessere Nutzung der Mitte standen sie zudem besser auf die langen Bälle. Verstärkt wurde dies alles durch die Einwechslung von Mario Martínez anstelle des tiefsten Sechser Garrido, dessen Position nun Boniek übernahm. Anfangs leitete Martínez weitere gute Kombinationsansätze ein und agierte recht sauber im Zwischenlinienraum, doch baute er in seiner Klarheit und Entscheidungsfindung relativ spät ab. Mit den Einwechslungen von Gruezo und von Mendéz als zusätzlichem Mittelfeldspieler konnte Ecuador diese Zone für die letzten Minuten dann besser kontrollieren. Weil Honduras außerdem bei ihren langen Bällen nicht mehr die nötige Konsequenz aufbrachte, blieb es beim knappen 1:2.

Fazit

Auch wenn sie diese Partie gewonnen haben, sieht die Fußballwelt für Ecuador aktuell nicht optimal aus. Letztlich ist ihre Anlage, die durch Gruezo, die ausweichenden Stürmer und andeutungsweise Asymmetrien in Phasen des WM-Vorlaufs zuzulegen schien, bei diesem Turnier offensiv zu simpel, flügellastig und unkreativ. Trotz einzelner starker Szenen, insbesondere um Enner Valencia und Montero, dürfte dies nicht genug sein und nach einer wahrscheinlichen Niederlage gegen Frankreich das Aus bedeuten. Hoffnung macht wohl die kompakte Defensive aus dem Spiel gegen die Schweiz, die in dieser Partie aufgrund der mannorientierten Herangehensweise weniger deutlich war, gegen die Franzosen aber helfen dürfte.

Dagegen sieht Honduras nach den bisherigen beiden Niederlagen chancenlos aus, könnte theoretisch aber noch in einer 9-3-3-3-Punkte-Konstellation weiterkommen – wenn sie hoch genug gegen die Schweiz gewinnen. Dies klingt fast unmöglich, doch sind die Mittelamerikaner von der Anlage ein durchaus unangenehmer Gegner für das Team von Ottmar Hitzfeld. Hinsichtlich der individuellen Klasse zeigten sie sich gegen Ecuador zudem gar nicht mal so unterlegen, während sowohl die Konsequenz und Robustheit ihrer Grundausrichtung als auch die überraschenden Kombinationsansätze aus der zweiten Halbzeit ebenfalls ordentliches Potential aufwiesen. Mit sehr viel Glück könnte Honduras tatsächlich die große Sensation gelingen.

FL aka LeFlo777 21. Juni 2014 um 11:46

Wirklich ein spannendes und unterhaltsames Spiel, auch wenn ich kaum glauben konnte, dass es – taktisch gesehen – so was im Jahre 2014 auf diesem Niveau noch geben würde.
Erstaunlich fand ich, wie wenig kompakt beide Teams über 90 Minuten agierten. Im Mittelfeld gab es riesige Lücken durch pressende Stürmer und passive Verteidiger. Das „Pressing“ wirkte für mich, speziell von Ecuador, reichlich unkoordiniert.

Antworten

mh 21. Juni 2014 um 14:13

Umso erstaunlicher, dass gegen so tiefstehende Teams dann trotzdem ein weiter Ball den finalen Durchbruch bedeuten kann…

Antworten

FL aka LeFlo777 21. Juni 2014 um 14:37

das 1:0 für Honduras war wohl mehr Zufall als Absicht. Der Verteidiger klärt eigentlich den Ball und schießt den Stürmer an, ähnlich wie beim 3:0 bei Deutschland-Portugal.

Antworten

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*