Hannover 96 – Eintracht Frankfurt 2:0
In einem intensiven Spiel gewinnt Hannover 96 die Partie knapp und sorgt für ein Ende der aktuellen Negativserie. Dabei überzeugten sie auch dank einer offensiveren und aggressiveren Marschroute.
Hannover mit sehr hohem Pressing – und spielt es später nur noch situativ
Wie üblich formierten sich die Hannoveraner in ihrem 4-4-2, welches prinzipiell positionsorientiert gespielt wurde, aber einige situative Mannorientierungen sorgen für den nötigen Zugriff. So schoben beispielsweise beim gegnerischen Spielaufbau die Mittelstürmer Mame Biram Diouf und Artur Sobiech auf die gegnerischen Innenverteidiger und verhinderten ein gepflegtes Aufbauspiel von hinten heraus.
Vereinzelt konnten die Frankfurter erfolgreich Schwegler abkippen lassen, aber auch dieser wurde dann vermehrt von den Hannoveranern verfolgt und sie hatten kaum Möglichkeiten ordentlich aufzubauen. Spielten sie dann lange Bälle in die Spitze, fehlten ihnen die passenden Anspielstationen dafür. Alex Meier als möglicher Zielspieler war nicht dabei.
Das Offensivquartett bestand aus Vaclav Kadlec (1,80m), Tranquillo Barnetta (1,78m), Stephan Schröck (1,70m) und Takashi Inui (1,68m), die allesamt keine ordentlichen Anspielstationen für solche langen Bälle sind. Auch deswegen wechselte wohl Armin Veh Joselu für Schröck zur Halbzeit ein, um etwas präsenter vorne zu sein. Denn durch die mangelnden Ballbesitzzeiten im zweiten und dritten Band war nicht einmal ein ordentliches Gegenpressing möglich, da die Staffelungen und Verbindungen dafür nicht vorhanden waren.
Dies war ein maßgeblicher Grund, weswegen das hohe Pressing der Hannoveraner so effektiv in der ersten Hälfte war. Frankfurt konnte die große Stärke, die schnellen Ballwechsel nach vorne aus einer tiefen Zirkulation mit sehr aufgefächerter Formation nie ausspielen, stattdessen wirkte sich dies kontraproduktiv aus. Die aufgefächerte Formation sorgte eher für Probleme und Hannover dominierte das Geschehen klar.
Passenderweise schien Frankfurt in der zweiten Hälfte beziehungsweise nach dem nicht gegebenen 2:0 für Hannover durch Sobiech stärker zu werden. Theoretisch könnte man hier die psychologische Auswirkung des nicht gegebenen Tores anführen oder Ermüdung, aber es wirkte eher als würde Hannover lieber wieder auf Konter spielen und man zog sich wieder weiter zurück.
Standen sie tiefer, dann kam Frankfurt besser ins Spiel und konnte die Stärken im Offensivdrittel in puncto Dynamik und Dribbling besser ausspielen. Aber da die Hannoveraner mit ihren Manndeckungen trotz nun etwas größerer Passivität und minimal tieferer Ausrichtung zumindest den Aufbau
behinderten, hatten sie nach wie vor Probleme. Fast bezeichnend ist, dass nach der roten Karte Frankfurt eigentlich die stärkste Phase hatte, wo Hannover dann auch die Manndeckungen etwas loser spielte und kaum noch ins Angriffspressing überging.
Im Gegensatz zu den Hannoveranern und ihrem zu Beginn konstant sehr aggressiven und später immer wieder situativ starkem Pressing wirkte die Eintracht klar unterlegen in ihrer defensiven Ausrichtung.
Frankfurts passives Pressing und Hannovers ungeahnte Aufbaustärken
Die Frankfurter begannen im 4-2-3-1, welches sich defensiv aber ebenfalls sehr oft zu einem 4-4-2/4-4-1-1 veränderte. Allerdings interpretierten sie diese Formation im Pressing ganz anders als die Hannoveraner, die das mit Manndeckungen und viel Dynamik taten. Die Eintracht hingegen wirkte passiv, die beiden Mittelstürmer sollten sich wohl eher am Sechserraum der Hannoveraner orientieren und standen darum passiv an der Mittellinie herum.
Auf den Flügeln wurde ebenfalls zugunsten von mehr Kompaktheit und Positionsorientierung etwas Abstand zu den Gegenspielern gelassen, jedoch sollte man nicht glauben, es stand kein Plan dahinter.
Vielmehr wollte Armin Veh die Hannoveraner wohl über die Flügel aufbauen lassen und dort dann das Spiel der Gastgeber isolieren. Doch die Hausherren zeigten hierbei sehr starke Leistungen im Kombinationsspiel und dem Überwinden dieses Pressings der Frankfurter. Mit Hiroki Sakai und Edgar Prib auf den Außenverteidigerpositionen haben sie zwei spielstarke Akteure, die den Ball gut behaupten können, stark im Kombinationsspiel sind und immer wieder intelligent die Bälle in die Mitte und die Halbräume ablegten. Sakai besticht auch durch hervorragendes Raumgefühl und zeigte eine sehr gute Leistung.
In der Mitte und weiter vorne waren sie ebenfalls relativ spielstark aufgestellt. Mit Leon Andreasen, Andre Hoffmann, Szabolcs Huszti und Manuel Schmiedebach waren sie ziemlich gut in puncto Technik und Kombinationsspiel aufgestellt, zumindest in Relation zum Frankfurter System.
Hannover schob schnell nach vorne, rückt dann geschlossen auf und war somit auch in Gegenpressingsituationen oder beim Angriffsabschluss präsent, wodurch sie sich in der gegnerischen Hälfte festsetzten. Mit den ausweichenden Läufen von Diouf und den vielen Flanken hatten sie auch immer Mittel, um Frankfurts Pressing in deren Hälfte zu bespielen. Entweder sie konnten über die Flügel auf Diouf spielen, wenn auf den Außen viel Druck gemacht wurde, oder die Flügelspieler rückten selbst auf und flankten oder suchten Fouls, wenn das Pressing der gegnerischen Außenspieler nicht so intensiv und herausrückend war.
Hannover operierte teilweise auch selbst mit langen Bällen, wo sich einer der beiden Stürmer zurückfallen ließ und sie verarbeitete, bis die Mannschaft aufrückte, oder sie direkt auf den zweiten Stürmer weiterleiteten. Dies geschah, wenn der in den Zwischenlinienraum zurückfallende Akteur verfolgt wurde, woraufhin sein Sturmpartner in das entstehende Loch spielte.
Änderungen?
Große Veränderungen an dieser Grunddynamik gab es nicht. Wie erwähnt ließ Hannovers Pressing immer mehr nach, insbesondere nach der Führung aus taktischen und taktikpsychologischen Gründen, wo sie sich mehr auf Konter und auf sichere Ballzirkulation im ersten Drittel konzentrieren.
Die einzig größere Veränderung gab es bei Eintracht Frankfurt zu sehen. Diese brachten wie schon erwähnt Joselu, der nicht nur die offensive Rollenverteilung und die Präsenz bei hohen langen Bälle veränderte, sondern auch die Defensivformation zu einem klareren und intensiveren 4-4-2 machte. Nach dem Platzverweis erzeugten sie wieder weniger Zugriff vorne, aber konnten wegen Hannovers tieferer Ausrichtung mehr Spielanteile verbuchen. Sie holten sogar beim Ballbesitz deutlich auf, obwohl Hannover mit dem 2:0 im Rücken mehr zirkulieren hätte lassen können.
Ansonsten machte Hannover vieles richtig. Scheiterte ihr mannorientiertes Angriffspressing, agierten sie positionsorientiert und verengten die Mitte mit hoher horizontaler Kompaktheit, wodurch sie Frankfurt verstärkt auf die Seiten leiteten. Frankfurt kam noch zu einigen Angriffen, aber hatte letztlich trotz noch guter Torchancen – insbesondere eben in Halbzeit Zwei – keine Chance mehr auf einen Punkt.
Fazit
Trotz der sehr guten Anfangsphase und dem letztlich souveränen Sieg war Hannover keineswegs die klar bessere Mannschaft über 90 Minuten. Nach der Führung wichen sie von ihrem eigentlich hervorragenden Matchplan zugunsten von vermeintlich mehr Stabilität und Kontern ab, was zu einigen Torchancen der nach der Halbzeit verbesserten Frankfurter führte. Schlüsselszene: Frankfurt erhielt keinen Elfmeter, während im Gegenzug nach einem Konter die Eintracht Foul spielte und Huszti den Freistoß zum 2:0 verwandelte. Das Spiel war damit gelaufen, obwohl die Gäste noch löblich und gut weiterspielten.
Zum Heimvorteil habe ich übrigens eine kleine Statistik gebastelt (inkl. heutigem Spiel). Auch wenn es wegen der geringen Anzahl an Stichproben ein hinkender Vergleich ist, sollten die Hanoveraner ihre Strategie eventuell überdenken.
9 Kommentare Alle anzeigen
kavau 2. Dezember 2013 um 09:42
Eine Erklärung, was da überhaupt miteinander korreliert wird, wäre ganz hilfreich.
RM 2. Dezember 2013 um 14:27
Ballbesitz und Tordifferenz? Höhere Tordifferenz korreliert mit höherem Ballbesitz.
Stefan 1. Dezember 2013 um 21:32
Wahnsinn René, kaum ne halbe Stunde nach dem Spiel, haste den Bericht online.
Bin gerade erst aus Hannover zurück und muss mich erst mal aufwärmen.
Jedenfalls ein verdienter Sieg, wobei 96 nach der roten Karte die Spielkontrolle aus der Hand gab, was nicht das erste Mal der Fall war. Frankfurt war der Aufbaugegner zur rechten Zeit, reiste nach dem Spiel in Bordeaux mit dem letzten Aufgebot an. Wobei von den drei Ex-96er (Rosenthal, Djakapa) im Kader leider nur Barnetta zum Einsatz kam.
Derjenige bei 96, der, glaube ich, die meisten Spielzüge einleitete ,war Zieler mit seinen langen Bällen.
fluxkompensator 1. Dezember 2013 um 19:28
sehr schön, dass ihr die formationen jeweils in offensiven und defensiven phasen abbildet. ausgezeichnete neuerung!
mk 1. Dezember 2013 um 19:23
Wahnsinn, ihr werdet auch nicht gerade langsamer mit euren Analysen.
Aber zwei Anmerkungen:
1.: Igitt, Stata… (sieht zumindest stark danach aus)
2.: Kannst du die Operationalisierung deiner Variablen nochmal genauer erklären? Vielleicht liegts am Siegestaumel, aber ich bin gerade nicht in der Lage, das hunderprozentig nachzuvollziehen (vermutlich peinlich, wenn ich später nochmal drüber nachdenke).
mk 1. Dezember 2013 um 19:30
Oh Gott…
Ich meine natürlich „Igitt, SPSS“. Stata ist cool, da würde ich das vielleicht auch ohne Erklärung verstehen.
RM 1. Dezember 2013 um 21:08
Ja, das ist SPSS, ich kann leider nur SPSS und habe nur das. Wieso ist das denn so schlimm?
Variablen zur Korrelationsberechnung ganz einfach: Tordifferenz pro Spiel (0:2 ergo -2) und dazu dann der Ballbesitz in dem jeweiligen Spiel.
mk 1. Dezember 2013 um 22:43
An sich ist SPSS natürlich ein solides Programm, aber ich finds nicht besonders intuitiv in der Analyse. Spätestens bei etwas komplexeren Sachen. Egal, ist ein subjektives Empfinden, ich bin auch in der Uni so ziemlich der einzige gewesen, der Stata (kennst du das?) lieber mochte.
Zum Methodischen: Die Aussagekraft ist doch eher gering, wenn beispielsweise das entscheidende Tor ganz früh im Spiel fällt, oder versteh ich das immernoch nicht? Wenns dann 1-0 für 96 ausgeht spielt der Ballbesitz im Großteil des Spiels danach ja im Prinzip keine Rolle mehr. Das ist ja das blöde an Korrelationen.
Ich will eigentlich gar nicht meckern, war vermutlich viel Arbeit und es ist bestimmt was Wahres dran. Aber wäre es nicht sinnvoller (wenn man es wirklich beweisen wollte und viel Zeit hätte), das ordinal zu machen? Dann guckst du zum Beispiel, ob eine Kausalität besteht zwischen Ballbesitz nach einem Tor bzw. nach einer Führung und dem Spielausgang. Dann kontrolliert man das mit dem Ballbesitz vor dem Tor oder nach einem Gegentor und so weiter.
Aber wie gesagt, vielleicht rede ich dummes Zeug, will auch deine Bemühungen gar nicht schmälern.
Und mir fällt gerade ein, dass es leicht schwierig sein dürfte, an so detaillierte Ballbesitzdaten zu kommen. Aber war nur ne Idee.
HansAlaba 1. Dezember 2013 um 18:58
Die Korrelationstabellen sind ja ein netter Service, aber leider ohne die Angabe was sie aussagen helfen sie relativ wenig. Auch der Satz „Mehr Ballbesitz für Hannover also?“ bringt mich nicht weiter. Ich denke die meisten Leser hier wissen nicht (mehr) wie man Korrelationen berechnet und die Angabe der Berechnungsformel würde helfen. D Ehre