Neues aus Lazios Offensive
Die beiden jungen Neuzugänge Felipe Anderson und Brayan Perea treiben als interessant arbeitendes Duo einige Verbesserungen im Offensivspiel an. Nach dem Ende seiner Verletzungspause könnte davon auch Miroslav Klose profitieren.
In den letzten Jahren gab es bei Lazio immer wieder das Problem mit dem konstruktiven Offensivspiel und einige wiederkehrende Fehler sowie Merkmale zu sehen, die dies bedingten. Wie schon unter seinem Vorgänger Edy Reja tat sich die Mannschaft von Vladimir Petkovic in den vergangenen 15 Monaten daher häufig schwer, gezielt Chancen herauszuarbeiten, und musste sich auf Flügelszenen, Einzelaktionen oder fulminante Distanzschüsse verlassen.
Das hohe Level im Spiel gegen den Ball, bei dem Lazio seit dem Amtsantritt Petkovics mit kompaktem Mittelfeldpressing, hoher Anpassungsfähigkeit, einigen ausgefeilten Elementen und vor allem einer hervorragenden Nutzung des Deckungsschatten in sehr vielen Fällen zu glänzen weiß, konnte in der Offensive kaum einmal auch nur ansatzweise erreicht werden. So reichte es in der vergangenen Spielzeit nach einem starken Saisonstart am Ende nur zum enttäuschenden siebten Rang, weil die Probleme im Angriff nach der Winterpause durch verletzte Spieler, eingebrochene Formkurven und unglücklich verlaufende Partien nicht mehr kaschiert werden konnten – erst der Pokalsieg brachte das internationale Geschäft.
Die neue Spielzeit sah ein ähnliches Bild – defensiv waren einige interessante Ideen und Aktionen dabei, doch die großen Defizite in der Offensive sorgten dafür, dass sowohl die Partie mit Meister Juventus als auch das Hauptstadt-Derby verdient verloren gingen, da Lazio nicht genügend Gefahr zu entwickeln vermochte. Es gab im Verlauf der Zeit allerdings immer wieder Ausnahmen von dieser Gesamtsituation, die sich dann in vereinzelten und sehr seltenen Spielen zeigten, in denen Lazio auf einmal eine direkt deutlich verbesserte Offensive auf die Beine stellte – in der vergangenen Spielzeit gegen Napoli gab es beispielsweise eine solche Begegnung wie einen Quantensprung.
Durch die Mitte und mit Kurzpässen
Aktuell ist dies nach der ernüchternden Derby-Niederlage nun erneut der Fall – doch stehen die Chancen auf eine dauerhafte Verbesserung durchaus nicht ungünstig, da diese Entwicklung auch mit sichtbaren Veränderungen in der Aufstellung einherging. Seit der Verletzung von Miroslav Klose bzw. eigentlich angefangen mit der Europa-League-Begegnung bei Trabzonspor sind die beiden jungen Sommerneuzugänge Brayan Perea aus Kolumbien und Felipe Anderson – von Santos für acht Millionen gekommen – ins Team gerückt und besetzen nominell die Posten im Sturmzentrum bzw. auf der linken Seite der Offensive.
Sowohl in der erwähnten Begegnung auf internationalem Parkett, als es ein 3:3 gab, als auch beim unglücklichen 0:0 kürzlich gegen die starke Fiorentina verbuchte Lazio mit dieser Ausrichtung 30 bzw. 20 Abschlüsse, spielte jeweils 40 % seiner Angriffe durch die Mitte und zeigte einen fast schon radikalen Fokus auf Kurzpässe. Während die früher teilweise massiv genutzten Flanken sinnvoller eingesetzt werden und nur noch 5 % an den gesamten Zuspielen ausmachen, waren die absolut 28 langen Bällen aus der Europa League eine äußerst seltene und fast rekordverdächtige Angelegenheit.
Interessanterweise ist dieses zentrale und gefährliche Kurzpasspiel gar nicht so auf Überladungen in kleineren Räumen oder fein austarierte Kombinationen angelegt, sondern wird von den Laziali recht aktionsorientiert ausgeführt. So versuchen sie mit einzelnen Pässen, Dribblings oder Aktionen Gegner zu binden, Räume zu öffnen, Freiheiten für die Kollegen zu schaffen oder den entscheidenden Impuls zu setzen. Verglichen mit dem bisherigen Offensivspiel sind die Unterschiede dabei geringer, als man annehmen könnte, doch eine der wichtigsten Veränderungen sieht so aus, dass durch die deutlich erhöhte Präsenz in der Zentrale mit mehr Optionen dieses erwähnte Vorgehen im Angriff natürlich deutlich vereinfacht wird. Schließlich muss der Gegner auf mehrere potentielle Gefahrenquellen achten und kann die jeweilige Aktion nicht ganz so konzentriert bedrängen.
Nachdem die Hauptstädter durch das gute Aufbauspiel der teilweise vorrückenden zentralen Abwehrspieler, die hochschiebenden Außenverteidiger und einzelne Läufe wie beispielsweise von Candreva ihre Gegner ein wenig zurückgedrängt haben, um Platz für den Ausgangspunkt der Angriffe zu schaffen, spielen sie die Aktionen meistens ziemlich direkt nach vorne durch. Dabei finden sie durch die verbesserte Besetzung der Zentrale nun effektiver und geschickter kleinere Freiräume. Auffällig ist die wirkungsvolle und immer wieder gesuchte Kombination aus vertikalen Passwegen mit kurzen, explosiv und absetzend ausgeführten Diagonalbewegungen in die erwähnten freien Bereiche – nach diesem Muster geht es schnell von einer Ebene in die nächste bis zum letztlichen Durchbruch. Gegen die Fiorentina gab es bereits den einen oder anderen mustergültigen Spielzug, den Lazio auf diese Weise präsentierte und der in einem Schnittstellenpass mündete, wie sie aus diesen Aktionen häufig resultieren.
Die Ergänzung der Spielweisen
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Tatsache, dass sich die verschiedenen Spielweisen der einzelnen Akteure nun viel besser ergänzen. Neben einem strukturierenden Sechser wie Biglia und dem ambivalenten Auftreten Hernanes´ (strategisch, etwas statisch, positionsorientiert rochierend, kreativ und in seiner Schlampigkeit geordnet) machte sich der junge Nigerianer Ogenyi Onazi als zweiter Achter bereits vergangene Saison hervorragend. Seine enorm aktive und dynamische Spielweise, die von vielen herausrückenden Bewegungen und jagendem Charakter geprägt ist, rundet das zentrale Mittelfeld der Laziali ab.
Auf seiner halbrechten Seite hat er zwischen dem etwas wirren Außenverteidiger Cavanda und dem sehr bestimmenden Candreva, der viele vorlaufende Aktionen einbringt und dabei sowohl prägend als auch etwas ungeschickt auftritt, hat Onazi viele Freiheiten und Räume zum Ausleben seines Stils. Dagegen bewegen sich Felipe Anderson und Perea in gleitenden Rochaden um den etwas kantigen Hernanes herum, der aus dem Achterraum weit hochschiebt oder etwas zur Seite ausweicht. Diese beiden Akteure teilen jene Räume sehr variabel unter sich auf, da sie mit unterschiedlichen Profilen gut zueinander passen und auf die Stärken und Schwächen des jeweils anderen eingehen können.
So ist Perea etwas „chillend“, dabei aber engagiert, wechselhaft in seiner Dominanz, recht präsent, in seiner Beweglichkeit etwas ungeschärft und anpassungsfähig. Dagegen fehlt Felipe Anderson die präsente Seite in seinem Spiel, weshalb er etwas unauffällig agiert und nicht konstant freilaufend für Auswirkungen auf eine Partie sorgt. Dennoch ist er im Vergleich mit Perea ein stets dominanter Akteur, der bei seinen etwas selteneren Aktionen große Entscheidungsgewalt von sich ausgehen lässt, sich – falls er in solche kommen sollte – in engen Räumen zurechtfindet und vereinzelte druckvolle Phasen zeigt. Da Perea sich auch in seinen ausruhenden Phasen mit Präsenz für Aufmerksamkeit sorgt, darf Anderson uneingeschränkter seiner etwas speziellen Spielweise nachgehen und bekommt von seinem Partner eine passende Umgebung dafür geliefert. Umgekehrt können die daraus resultierenden Aktionen des Brasilianers wiederum für Perea individuelle Freiheiten, Vorlagen oder Räume eröffnen.
Zwei Neuzugänge machen einen besseren Klose?
Dass dieses System mit dem Ausfall von Miroslav Klose eingeführt wurde und nun ohne echten Mittelstürmer auszukommen scheint, bedeutet allerdings keineswegs, dass der Nationalspieler nicht mehr benötigt wird. Vielmehr würde Klose das System – sollte es ansonsten nun auch einmal konstant über mehrere Partien von Lazio gehalten werden können – entgegenkommen und ihn spielerisch besser einbinden, als dies bisher meistens der Fall war. Auch wenn Klose schon eine Reihe an Toren für Lazio erzielte und meistens auch von den Zeitungen gefeiert wird, hatte man doch gelegentlich das Gefühl, er würde sich nicht so richtig in das Zusammenspiel hineinfinden und verhältnismäßig stark allein als Torjäger auftreten.
Dies lag auch daran, dass Kloses Spielstärke vor allem auf kurze Kombinationen ausgerichtet ist und er weniger als dominanter Spielmacher für einzelne Aktionen in offenen Bereichen auftritt. Für seinen Stil der Kombinationen gab es aber kaum passende Partner in der Mannschaft, während die vielen dominanten Spielertypen aus dem Mittelfeld einen zusätzlich zurückfallenden und etwas aktionsorientierter eingestellten Klose wohl eingeengt hätten. Aus diesen beiden Gründen ging der DFB-Rekordtorjäger nur selten in die Tiefe – es hätte in jenem spezifischen Umfeld kaum etwas an Effekt gebracht, weshalb er sich eher auf den Strafraum oder raumschaffende Aktionen in kurzen Radien oder seitlicheren Bereichen konzentrierte.
Das entscheidende Puzzleteil für eine noch effektivere Einbindung Kloses auch in tieferen Zonen könnte Felipe Anderson werden, der bisher aufgrund von Verletzungen überhaupt nicht eingreifen konnte. Mit seiner unauffälligen und potentiell kombinativen Art sowie seinen Fähigkeiten in schwierigen Engen fügt er dem Kader nicht nur eine neue Dimension hinzu, sondern könnte der erhoffte Partner für das Zusammenspiel mit Klose sein. Dass er etwas inkonstant in diesen Aktionen auftritt und statt der letzten wirklichen Sauberkeit in den Zwischenräumen etwas markanter ist, passt dabei sogar zu der stürmerartigen und bissigen Atmosphäre, in der sich der Nationalspieler bewegt.
Auch Perea wäre als von links einrückender Partner für Klose eine Option, die etwas mehr Sauberkeit und engagierte Spielfreude, dafür aber weniger Genialität mitbringt. Interessant ist seine Anpassungsfähigkeit an die Offensivpartner, durch die er bereits mit dem seltsam spielstarken Floccari, der etwas unkoordiniert antreibend agiert und stärker die Aktionen mit Blick zum Tor aus Freiräumen forciert als Klose, gutes Verständnis bei Kombinationen durch das Zentrum zeigte.
Anmerkung: Für alle Fans aus der Hauptstadt, die den anderen Römer Klub unterstützen, wird es bald hoffentlich eine detaillierte Mannschaftsanalyse zum Team von Rudi Garcia geben.
6 Kommentare Alle anzeigen
scharf 11. Oktober 2013 um 15:43
Beim Lesen des Artikels musste ich irgendwie etwas an das Hoffenheimer Offensivdreieck Firmino,Volland-Modeste denken..
IcemanZero 10. Oktober 2013 um 02:56
Die neue „offensivere spielweise“ passt besser zu gewissen typen in der mannschaft.
Lazios Stärke ist und bleibt die defensive, dort agiert man italienisch taktisch gut und sehr kompakt. Dazu die von dir beschriebenen attribute im defensivverhalten.
Ich hab mich aber im offensivspiel oft gefragt warum man so dermaßen geradlinig über außen spielt bzw so statisch agiert, obwohl man doch sehr flexible,spielstarke und rochierende leute hat?!
Die oben gepostete grafik zur aufstellung passt viel besser zur offensive lazios. Spielt Lulic als LAV, gibt er mehr breite, ist offensivstark und kann spieler xy (zb anderson oder ederson) hinterlaufen. Anderson selber oder halt ederson sind eher nach innen ziehend, spielmachend und halbraum (im letzten drittel) orientiert. Ergebnis: man hat zusätzlich einen kombinationspartner im halbfeld und hat die linke linie trotzdem offensiv breit besetzt mit Lulic.
Das gleiche auf der rechten seite. Candreva hat da oft zu sehr die seite gehalten obwohl er freigeist, dribbler und kreativer in einem ist. Und nicht nur sprinter, wie manche das gerne behaupten. Er würde, wie in der grafik abgebildet, viel öfter als eine art halbrechter flügelspieler/halbrechter 10er agieren, was seinen stärken mehr entspricht und cavanda raum für vorstöße ermöglicht.
Im 3er-Zentral-Mittelfeld spielen dann auf der 6 ledesma oder biglia, die beide kampfstark und passstark sind (also gut fuer spielaufbau). Auf den halbpositionen wirds interessant. Mit candreva und anderson plus aufrückende AV’s bilden sich schon viele anspielstationen. Hernanes als passsicherer und dynamischer spieler verstärkt das ganze noch. Halbrechts würde gonzales eine noch mal zusätzliche spielstärke hinzufügen, da ich ihn in dem bereich stärker sehe als onazi. Der wiederum könnte den dynamischen pressingpart übernehmen.
Ergo: spielt man weiter so wie oben in der grafik, kann man offensiv sehr stark kombinieren und zentrallastiger agieren. Der einzig wirkliche reine offensive flügelspieler Lulic würde trotzdem als LAV spielen und breite geben. Defensiv sollte alles beim alten bleiben und sollte mit dieser aufstellung auch klappen.
GH 9. Oktober 2013 um 22:49
Ist die Mannschaftsanalyse im Ballnah-Heft enthalten oder stellt ihr sie auf die Website?
Und wie schaut ihr euch die Spiele von der Serie A an?
TR 10. Oktober 2013 um 00:34
1. Nein, im Magazin wird es um andere Teams gehen. Die Analyse zur Roma wird irgendwann in (ferner?) Zukunft hier auf der Seite erscheinen – wir hoffen, dass wir es so bald wie möglich realisieren können.
2. Ganz einfach und bequem im TV – Sport1+ sei Dank. 😉
blub 9. Oktober 2013 um 14:01
Guter Artikel und sehr interessantes Thema. Mit vielen kurzpassäen sehr vertikal agieren, das braucht ne gute Abstimmung kann aber sehr durchschlagend sein. Ich muss mir wohl dringend wieder ein Lazio-spiel ansehen.
Einen Kritikpunkt habe ich noch: Ich bin ja auch ein Freund von gedrechselten Sätzkonstruktionen und ich kann mir alles mögliche vorstellen, aber bei folgendem Exemplar war mir völlig unklar wie das jetzt auf dem Spielfeld aussieht:
„So ist Perea etwas „chillend“, dabei aber engagiert, wechselhaft in seiner Dominanz, recht präsent, in seiner Beweglichkeit etwas ungeschärft und anpassungsfähig.“
TR 10. Oktober 2013 um 00:33
Ja, zugegeben ist das keine wirklich gute Formulierung, da ich mich auch etwas schwer getan habe, die nicht ganz so gewöhnliche Spielweise präzise in Worte zu fassen. Muss mir also noch einmal überlegen, ob ich Pereas Stil noch einmal etwas besser beschreiben kann und werde dann hier noch einmal darauf zurückkommen.