Deportivo La Coruna – Celta de Vigo 3:1
Spielerischer Abstiegskampf in La Liga. Deportivo mit besserer Spielanlage und der Überlegenheit in wichtigen Teilaspekten.
Am späten Freitagabend unter Flutlicht stand diese sehr interessante Begegnung an: Die Begegnung zweier Aufsteiger und das Kellerduell zwischen dem Tabellenletzten und dem Vorletzten war zugleich auch das große Derby des galizischen Fußballs. Schließlich waren beide Mannschaften vor etwa zehn Jahren noch regelmäßige Gäste auf internationalem Parkett.
Während die Hausherren aus ihrer 4-2-1-3-ähnlichen Formation mit den hochgeschobenen Außenspielern durch das Vorrücken von Zehner Valerón in den Angriff auf ein defensives 4-4-2 umstellten, ging Celta Vigo interessanterweise praktisch dem umgekehrten Weg. Gegen den Ball nutzten sie ihre nominelle Doppelspitze aus Aspas und Bermejo nicht wirklich, um den gegnerischen Spielaufbau entscheidender zu stören.
Dagegen hatten sie im eigenen Spielaufbau durch das gegnerische 4-4-2 und die guten Bewegungen des etwas versetzt spielenden Valeróns viele Schwierigkeiten, kontrolliert nach vorne zu spielen. Der mittlerweile 37-jährige Regisseur rückte bei einer Verlagerung innerhalb der Innenverteidiger aus der etwas tieferen Position vor, behielt gleichzeitig die gegnerischen Sechser im Deckungsschatten und provozierte den Pass nach außen, wo Gama und Pizzi sehr hoch standen und Druck ausübten.
Die Folge waren viele frühe und überhastete Ballverluste oder lange Bälle unter Druck, welche aber meistens ungenau gespielt waren. Trotz der sehr hohen und eingerückten Offensive sowie der guten Ballverarbeitung des nach einer halben Stunde vom Platz verwiesenen Aspas konnten die Gäste zudem nur wenige zweite Bälle gewinnen. Wenn dies doch einmal gelang, wussten sie häufig nicht, was sie damit anfangen sollten, da durch die vorsichtigen Außenverteidiger komplett die Breite fehlte.
Pranjic allein gelassen
Einzig der umtriebige Pranjic versuchte dies aufzufangen, indem er situativ die Linksverteidiger-Position übernahm und auch sonst durch viele driftende Bewegungen im linken Halbraum kombinative Verbindungen zwischen den Offensivspielern herzustellen versuchte. Wirklich effektiv ist der ehemalige Bayern-Spieler im Zentrum aber nur dann, wenn sein Partner es vermag, das Spiel für ihn zu organisieren und zu strukturieren, damit er selbst den anpassenden und beweglichen Part übernehmen kann.
Da Kapitän Oumina dies allerdings nicht gelang, musste Pranjic zwischendurch auch diese Rolle immer wieder versuchen einzunehmen – was er erwartungsgemäß allerdings zu ungenau und nicht dominant genug ausführte. Für seinen stärkeren Aufgabenbereich blieben dann nicht genügend Zeit und Konzentration übrig, so dass er auch hier trotz großen Engagements nicht optimal spielte.
Deportivos zwei Routen im Offensivspiel
Im Gegensatz zu diesem problematischen Auftritt Vigos war der Tabellenletzte aus A Coruna zwar nicht herausragend, zeigte in vielen Punkten aber doch eine stärkere Leistung und gewann deshalb auch verdient. Zunächst einmal fanden sie durch die nach rechts abkippenden Bewegungen von Kolumbiens Nationalspieler Abel Aguilar viel mehr Ruhe im Aufbau und konnten von dort aus das Angriffsspiel nach vorne tragen.
Ausgehend davon gab es anschließend zwei Routen, mit denen Deportivo die weitere Spielführung anlegte. Eine sah vor, sich die rechte Seite hinunter zu kombinieren, wo Manuel Pablo mit aufrückte, Bruno Gama auf dem Flügel sich geschickt und passend für das Zusammenspiel positionierte und auch die beiden weiteren Akteure aus dem Mittelfeldzentrum immer wieder unterstützten, so dass Überzahlen für Überladebewegungen hergestellt werden konnte. Weil Celta Vigo etwas unbedacht versuchte, Aguilar durch dynamische Herausrückbewegungen von Pranjic zu verteidigen, öffneten sich dafür gelegentlich auch Löcher hinter der Mittelfeldreihe. Dieser Weg wurde aber insgesamt nicht immer optimal ausgespielt, was oftmals auch mit dem Freilaufverhalten der Spieler zusammenhing:
Offensive Außenverteidiger, lange Bälle und Seitenverlagerungen
Weil die Gäste gegen das rechtsseitige Abkippen als Mannschaftskollektiv sehr weit zu dieser Flanke hinüberschoben, ohne aber wirklich konstanten Druck und Zugriff aufbauen zu können, waren lange Flügelwechsel, die neben Aguilar auch der gelegentlich zurückfallende Valerón gerne spielte, ein weiteres probates Mittel, um Celta auszuhebeln.
In seiner hohen Position war der fast als zweite Spitze spielende und dribbelstarke Pizzi dafür ein passender Abnehmer, dem auch das Aufrücken von Linksverteidiger Silvio half. Dieser besetzte geschickt eher die diagonalen, denn die äußeren Räume und sorgte damit für ein ausgewogenes Mannschaftsbild in der Raumaufteilung. Dafür wurde er mit einem Traumtor zum 2:0 belohnt, als ein Abpraller ihm im Halbraum die Chance zum Distanzschuss bot. So waren ebenso die offensiveren Außenverteidiger ein weiterer Vorteil für die Hausherren.
Auch die zweiten Bälle nach den langen Zuspielen konnten durch hohe Präsenz in der vordersten Reihe und das Aufrücken Valeróns gegen die nicht ideale Sicherung der Zehnerräume durch Vigo einige Male gewonnen werden. So entstand auch die wichtige Führung in der Anfangsphase, als Valerón nach einem Abpraller in sehr guter Position an den Ball kam und die Situation ihm ermöglichte, seine individuelle Klasse beim entscheidenden Pass auf Riki einzusetzen.
Fazit
Ein interessantes Abstiegsduell, das über manche Phasen auch durchaus gut anzusehen war und letztlich verdient von Deportivo gewonnen wurde, die sich damit wieder ernsthafte Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen dürfen. In dieser Hinsicht kann sich Celta trotz der Niederlage auch ein wenig Mut machen, da die spielerischen Fähigkeiten durchaus vorhanden sind, um sich noch nach oben zu arbeiten – während bei vielen Krisenteams die Strukturen nicht gut ausgespielt werden, war hier eher das Problem, dass diese fehlten. Vor diesem Hintergrund kann noch einmal bemerkt werden: Obwohl dieses absolute Kellerduell in Spanien durchaus von hochstehenden Offensivabteilungen, langen Bällen und Gegenpressing bestimmt wurde, zeigen die Daten dennoch 382 bzw. 342 gespielte Kurzpässe an. Im internationalen Vergleich sicherlich keine Einzigartigkeit (Augsburg), aber auch bei weitem keine Selbstverständlichkeit…
Einen großen Dank an laola1.tv für das Bildmaterial!
6 Kommentare Alle anzeigen
Rasengrün 17. März 2013 um 23:04
Michael Cox über Valeron: http://espnfc.com/blog/_/name/tacticsandanalysis/id/1038/the-understated-greatness-of-juan-carlos-valeron?cc=5739
Blick zurück? 17. März 2013 um 15:03
Vielleicht habt ihr ja mal Lust einen Beitrag über die Mannschaft von Depor zwischen 1999 und 2004 zu bringen (Meister 2000, Pokal 2002, CL-Halbfinale 2004), die international Mannschaften wie Milan, Juve, Bayern oder Manchester und national Mannschaften wie Madrid oder Barca wiederholt alt hat aussehen lassen?!
Generell würden mich Beiträge über in der Versenkung verschwundene Mannschaften freuen. Wie z. B. auch über den AC Parma der 90er.
Ansonsten weiter so, tolle Seite.
TristanDiego 17. März 2013 um 21:58
Hatte ich auch schon vorgeschlagen. Die Idee befindet sich bereits auf ihrer „Liste“.
RM 17. März 2013 um 22:54
Die Liste liegt aktuell bei 132 Artikeln; sechs konnten wir in den letzten drei Monaten „abarbeiten“. Mal sehen, ob wir im Sommerloch paar Sachen noch raushauen und wann wir auf so interessante „Randteams“ kommen. Zeit ist Artikel. Oder so. =)
seils 17. März 2013 um 23:22
Zu La Coruna – im weitesten Sinne – hat Michael Cox kürzlich etwas geschrieben:
http://espnfc.com/blog/_/name/tacticsandanalysis/id/1038/the-understated-greatness-of-juan-carlos-valeron?cc=5739#
Was Parma angeht:
http://ghostgoal.co.uk/2010/05/19/parma-90s-phenomenon/
Unglaublich, welche Spieler dort alles waren. Und Ancelotti hat seine Karriere ja auch in Parma gekickstarted. Zu dem Verein würde mich was Umfassendes auch brennend interessieren.
Paul 17. März 2013 um 11:32
Super Artikel und ich bin froh, dass man auch auf Teams achtet, die nicht Barça oder Real heißen. Schade, dass diesen Teams so wenig Beachtung geschenkt wird, obwohl sie guten Fußball spielen können. Das erste Tor war jedenfalls sehenswert