Everton FC – Manchester United 1:0
United bekommt Fellaini einfach nicht in den Griff. Everton holt das Maximale aus seinen Möglichkeiten heraus und hätte durchaus höher gewinnen können. Fergusons Wechsel machen jedoch Hoffnung auf attraktiven Fußball.
Grundformationen
United lief im 4-2-3-1 auf. Da kein weiterer etatmäßiger Innenverteidiger fit war, lief Michael Carrick in der Innenverteidigung neben Vidic auf. Da Rafael bisher selten die Erwartungen erfüllen konnte, spielte Valencia wie schon teilweise in der letzten Saison als Rechtsverteidiger. Gegenüber agierte wie gewohnt Patrice Evra.
Im Mittelfeldzentrum sollte Scholes als tiefliegender Spielmacher vom dynamischen Youngster Tom Cleverly unterstützt werden. Davor rochierten Kagawa, Nani, Welbeck und Rooney recht viel. In der Regel kam Nani über rechts, Welbeck über links und Kagawa gesellte sich in die Räume hinter Rooney . Teilweise rückte Kagawa auch in die Spitze, in dieser 4-4-2-Anordnung stand Manchester auch in der Defensive.
Everton spielte in der gleichen Grundordnung, jedoch mit viel höherer Positionsdisziplin. In der Innenverteidigung vertraute Moyes Jagielka und Distin, flankiert wurden sie von Hibbert rechts und Baines links. Letzterer war dabei deutlich offensiver.
Mit Phil Neville und Darren Gibson spielten zwei hart arbeitende, sich nur sporadisch in die Offensive einschaltende Sechser. Während Neville beinahe ausschließlich absicherte und Bälle verteilte, rückte der ehemalige Manchester-Spieler Gibson zumindest ab und zu mit auf, um dort seine Stärke bei Distanzschüssen einzubringen.
Auf dem linken Flügel hatte Pienaar eine ziemlich freie Rolle inne. Er zog häufig ins Zentrum, was sein Hintermann Baines zu Vorstößen animierte. Auf der anderen Seite spielte mit Osman ein eher defensiver Spieler.
Hinter der einzigen Spitze Jelavic agierte der Belgier Marouane Fellaini. Er war der Schlüsselspieler Evertons, was nicht zuletzt an den extrem weiten Wegen lag, die er ging. Bei Ballbesitz war er in der Sturmspitze zu finden, um als Zielspieler für lange Bälle zu dienen. Nach Ballverlusten ließ er sich ins Mittelfeld fallen, damit die Doppelsechs gegen Scholes, Cleverley und Kagawa nicht in Unterzahlsituationen geraten konnten.
Manchester United: Viel Ballbesitz, wenig Kreativität
Manchester hatte fast 70% Ballbesitz, konnte jedoch nur wenige gute Chancen kreieren. Das Passspiel war oftmals nicht schnell genug, was sowohl an der Geschwindigkeit des Passes selbst, als auch an der Handlungsschnelligkeit (Ballannahme, Drehung, Passbewegung) lag.
Kagawa suchte immer wieder den Raum zwischen den Linien, erhielt den Ball aber durchaus seltener als möglich. Wenn er jedoch angespielt wurde, entstand gleich Gefahr. Welbeck zeigte als gelernter Stürmer auf dem linken Flügel einige gute Läufe hinter die Abwehr, wo Kagawa ihn in Szene setzen wollte.
Anders sah es bei Wayne Rooney aus. Er harmonierte so gut wie gar nicht mit Kagawa, die beiden schienen oft genau entgegengesetzte Ideen zu haben, was folgerichtig zu einigen Missverständnissen führte.
Everton stand recht tief und auch sehr eng – logisch: Vor Flanken hatte man angesichts der Lufthoheit keine Angst, vor der Schnelligkeit der vier Offensivkräfte der Red Devils schon. United fand keine Mittel, um Everton ernsthaft in Gefahr zu bringen, sodass es kaum verwunderlich ist, dass sie vermehrt auf Fernschüsse zurückgriffen. Fast die Hälfte aller Abschlüsse kamen aus der Distanz (43%).
Fellaini: Am Boden kaum, in der Luft gar nicht zu kontrollieren
Nach Ballgewinn hieß es bei Everton stets: Wo ist der Mann mit der auffälligen Haarpracht? Nahezu jeder Angriff lief über den Belgier, auf den das ganze Spiel der Gastgeber ausgerichtet war.
Stürmer Jelavic orientierte sich zumeist auf die halbrechte Seite zu Vidic und band diesen. Fellaini stieß dann aus dem Zehnerraum nach halblinks, wo er dann auf Carrick oder einen der Sechser traf. Am Boden schaffte es kaum einmal jemand, ihn vom Ball zu trennen, da der lange Belgier neben einem mächtigen Körper auch mit einer hervorragenden Technik gesegnet ist. So legte er immer wieder Bälle auf den um ihn herum spielenden Pienaar ab oder wechselte mit einem Diagonalball auf Hibbert oder Osman die Seite.
Bei langen Pässen aus der Abwehr heraus konnte ihm sowieso niemand gefährlich werden, was angesichts der Körpergröße von Carrick, Scholes und Cleverley kein Wunder ist. Einzig Vidic hätte Fellaini im Luftkampf Probleme machen können, wenn er denn nicht von Jelavic „blockiert“ worden wäre.
Uniteds fragwürdige Zuteilung bei Standards
Im laufenden Spiel hatte Vidic also nur äußerst selten Zugriff auf Fellaini. Kurioserweise war dies aber auch bei Standards nicht anders. Vidic hatte offenbar den Auftrag, Jagielka zu decken, während sich Carrick (!) um Fellaini kümmern sollte. Dass Carrick das Kopfballspiel nicht zu seinen großen Stärken zählen kann, ist bekannt. Ihn dann gegen einen der dominantesten Kopfballspieler der Liga einzuteilen, ist höchst fragwürdig.
Es kam, wie es kommen musste: Ecke, Kopfballduell Fellaini vs. Carrick, Tor.
Fergusons Wechsel: Ein Blick in die Zukunft?
Als Ferguson den Neuzugang Robin van Persie für Welbeck brachte, war wohlmöglich ein Hauch von Zukunft im Spiel von United zu sehen.
Die vier Offensivkräfte Kagawa, van Persie, Rooney und Nani wechselten die Positionen fast ununterbrochen, es erinnerte sofort an das „alte“ Manchester mit Rooney, Tevez, Ronaldo und Giggs/Park.
Da aber zwei der vier Spieler neu sind und es noch nicht viele Gelegenheit zum Einspielen gab, funktionierte noch nicht viel.
Es ist jedoch gut vorstellbar, dass Ferguson diese Kombination fortan häufiger in genau diesen freien Rollen auflaufen lässt, um die letztjährigen Probleme im Bereich Kreativität zu beheben.
Findet Cleverley nach seiner langen Verletzung zu alter Form zurück, ist er für die laufintensive vertikale Rolle im Mittelfeldzentrum prädestiniert. Scholes oder Carrick – je nachdem, wie lange Letzterer in der Innenverteidigung aushelfen muss – könnten den zurückfallenden, spielmachenden Part übernehmen.
Zusammenfassung
- Manchester im 4-2-3-1 statt 4-4-1-1/4-4-2
- Everton mit tiefer und enger Defensive
- Schlüsselspieler Fellaini: Weder am Boden, noch in der Luft zu kontrollieren. Enormes Laufpensum aufgrund seiner Doppelrolle als zweite Spitze und dritter zentraler Mittelfeldspieler
- Personalsorgen in der Abwehr: Carrick hat Probleme in den klassischen Abwehraufgaben wie Zweikampf, Kopfball und Schnelligkeit, alle anderen Alternativen sind verletzt
- Everton sehr direkt und risikofreudig. Zwei Aluminiumtreffer verhindern einen höheren Sieg.
- Die Transfers von Kagawa und van Persie erlauben ManU eine fluide 4-2-4-0-Formation, die für viele Überraschungsmomente sorgen kann
Fazit
Everton siegte verdient, da sie perfekt auf den Gegner eingestellt waren. Manchesters Stärken (z.B. Schnelligkeit der vier Offensivspieler) wurden durch die tiefe und enge Spielweise neutralisiert. Außerdem gelang es Moyes, Fellaini von Vidic zu befreien, indem er Jelavic geschickt positionierte und Manchesters stärksten Verteidiger so blockierte.
Fellaini zeigte abermals seine vielseitigen Qualitäten wie das Kopfballspiel, eine sehenswerte Technik, das geschickte Einsetzen seines Körpers und die Übersicht bei Ablagen für die Mitspieler.
Manchester braucht noch Zeit, die neuen Spieler zu integrieren und muss deutlich schneller spielen. Zudem muss man in puncto Balleroberung zulegen. Evertons geringer Ballbesitzanteil lag nämlich mehr an ihrer direkten und zielstrebigen Spielweise und weniger an Uniteds Pressing und Gegenpressing.
8 Kommentare Alle anzeigen
Leonidas 27. August 2012 um 10:38
Guter Artikel. Mich würde interessieren, ob ihr euch die Spiele öfter anseht und wenn ja wo? Bei Sky oder wird das Spiel irgendwo runtergeladen?
PP 27. August 2012 um 10:50
Ich persönlich habe neben Sky auch SkyGo, wo die Spiele meist schon einen halben Tag später on demand bereit stehen. Dort kann man dann nochmal in Ruhe nachschauen.
Die andere Möglichkeit ist natürlich, das Spiel beim Gucken aufzunehmen.
Flowbama 22. August 2012 um 19:11
Schön, dass Fellaini die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. Ein großartiger Spieler, der zukünftig sicherlich noch einige Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen wecken wird.
Fabian 22. August 2012 um 18:56
Ich kann mir ein 4-2-4-0 mit Rooney, Kagawa und van Persie schlecht vorstellen. Meiner Meinung nach wäre jeder dieser drei Spieler mit den defensiv Aufgaben auf dem Flügel gegen einen guten AV überfordert.
Miles 22. August 2012 um 11:34
Die mangelnden Anspiele von Kagawa sind mMn der englischen Fußballkultur und ihrer Skepsis der technischen Fähigkeiten gegenüber geschuldet. Es gibt in der Premier League meines Wissens nach kaum Spieler die das Spiel zwischen den Viererketten wie Kagawa, Götze und Özil spielen, weil dafür große technische Fähigkeiten von Nöten sind und diese Techniker in der Ausbildung zu häufig auf die Außenpositionen gestellt werden. Und weil die Mitspieler das so nicht kennen spielen Sie Kagawa in diesen engen Räumen nicht an.
Ich weiß ja nicht ob ich ein Snob bin, aber die Rochaden und Pässe wirkten auf mich nur wenig bis gar nicht abgestimmt und viel aus dem Spiel heraus improvisiert. Für mich war das Spiel deswegen mangels abgestimmter Laufwege seltsam anzuschauen, da ja zwei gute Mannschaften aufeinandertrafen.
Für mich ist die 4-2-4-0 Aufstellung nicht so gut zu erkennen, da mMn Rooney und Wellbeck recht kontinuierlich höher standen, weswegen United gegen die 3 zentralen Mittelfeldspieler Evertons keine Kontrolle mit und ohne Ball zu stande bekamen.
mischl 21. August 2012 um 15:37
Gab es Ansätze des letztjährigen 344(0) was am anfand der damaligen Saison kurz zu sehen war? Also das auffächern der Innenverteidiger, dem hocshtehenden de Gea? Dein 4240-Bild zeigt zum Teil ja Ansätze davon.
Ansonsten schöner Artikel, für eure Seite verhältnissmäßig kurz und das ist in diesem Fall gut so.
PP 21. August 2012 um 15:43
Ich kann mich grad nur an zwei Situationen erinnern, in denen er recht hoch stand. Da sich Fellaini ja bei Ballbesitz ManU so weit zurückgezogen hat, konnten Vidic und Carrick das 2vs1 gegen Jelavic in der Regel einfach lösen.
M 21. August 2012 um 16:19
Dabei war ja das charakteristische, dass die beiden aussenverteidiger sehr weit aufgerueckt waren.
Das war bei valencia auf der rechten seite teilweise zu sehen, was natuerlich in seiner natur liegt,
bei Evra allerdings nicht derart auffaellig, dass man das herausheben muesste.
Breite war aber vorne durch Welbeck/Nani eigentlich immer gegeben.
Clerverly hat n paar Situationen wunderbar elegant geloest und damit Gegenstoesse einleiten koennen,
aber insgesamt war er zusammen mit Scholes dann doch eher defensiv taetig.
GENERELL ZUM ARTIKEL:
Das Fehlen Rafaels wuerde uebrigens ich eher durch seine Teilnahme an den Olympischen Spielen, als durch nicht-ueberzeugende Leistung, erklaeren.
Ansonsten klare, treffende Analyse
Cleverly und Kagawa haben mir besonders gefallen
am anfang gabs uebrigens eine Szene wo Valencia mit aufgerueckt ist und Rooney und Kagawa mit nach rechts gegangen sind,
schon beeindruckend, wenn man dann mit Nani zusammen mit derart viel Qualitaet eine Seite ueberlagern kann