Olympia 2012: Südkorea – Japan 2:0

Im Spiel um Platz drei traf Südkorea auf Japan. Kaum einer hätte vor Beginn der olympischen Spiele eine solche Paarung prophezeit, doch beide Mannschaften konnten sich gegen vermeintliche Schwergewichte wie Großbritannien und Spanien durchsetzen. Die beiden Vertreter aus Fernost kämpften nun gegen Bronze, nachdem sie beide gegen Vertreter aus dem Westen, Mexiko und Brasilien, ausgeschieden waren. Auch in diesem Spiel zeigten sie eine beachtliche Leistung in sämtlichen Aspekten: ob Taktik, Kollektivspiel oder Ballkontrolle.

Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen

Grundformationen zu Spielbeginn

Japan trat mit seinem hybriden 4-2-3-1/4-4-1-1 an, in welchem Higashi hinter Nagai auftrat. Von den Seiten sollten Kiyotake und Otsu für Torgefahr sorgen. Von Otsu wurde die Rolle im Laufe des Spiels sehr frei interpretiert, er wechselte die Seiten und versuchte Pärchen mit Higashi und gar mit Kiyotake zu bilden. Dahinter war es eine eher konservative Doppelsechs, die für die offensiven Außenverteidiger absicherte. Diese Spielweise sollte dafür sorgen, dass zentral Dreiecke gebildet werden konnten, die Passwege kurz gehalten wurden und die Gegner auf den Halbpositionen oder auf den Flügeln vor Überladungsgefahr aufpassen mussten. Mit den offensiven Außenverteidigern sollte der Raum breit gehalten werden.

Südkorea spielte in einem – auf den ersten Blick – klassisch wirkenden 4-4-2. Joon und Jae-Oh beteiligten sich sporadisch an der Offensive und gingen nach vorne, ansonsten bildeten sie eine enge Viererkette. Wie auch bei den Japanern gab es hier keine konstante direkte Mannorientierung an den gegnerischen Flügelstürmern, diese wurde nur situationsbedingt gespielt; beispielsweise, wenn akute Gefahr durch eine einfache Ballannahme ausging oder ein gegnerischer Konter lief. Koo und Kim auf den Flügeln waren ähnlich offensiv und defensiv in einer Balance, wie es die Außenverteidiger waren.

Ein Beispiel, wieso es um mehr als Formationen geht

Es wäre also zu erwarten gewesen, dass die Südkoreaner nach hinten gedrängt werden und Japan im Mittelfeld aufgrund der vermeintlichen Überzahl das Spiel dominiert. Das Gegenteil war der Fall. Zwar hatte Japan fast 57% Ballbesitz, aber die dominantere Mannschaft waren sie selten über einen längeren Zeitraum. Es schien im Gegenteil eher so, als ob die Südkoreaner Japan gewähren ließen und sich in jenen Situationen den Ball holten, wann es ihnen am besten entsprach.

Südkoreas Notfallaggregat: die extreme Kompaktheit

Das Problem war bei den Japanern, dass sie mit zwei defensiven Mittelfeldspielern gegen eine extrem kompakte, intelligente und raumdisziplinierte Mannschaft aufliefen. Diese bildeten nämlich bei Bedarf ein 4-1-4-1, wo sich im Normalfall Ji zurückfallen ließ, um im Mittelfeld auszuhelfen. Park zockte alleine an vorderster Front, half aber beim Einkesseln des Gegners auf den Außen. Mit dem 4-1-4-1 entstanden drei statt vier Bändern, die Räume wurden kompakt und es wurde extrem schnell zum Ball verschoben.

Dadurch hatte Japan selten Vorstöße und verzeichnete das Gros des Ballbesitzes in der ersten Zone. Normalerweise stellte Südkorea im 4-4-2 die Passwege der Innenverteidiger ins defensive Mittelfeld zu oder – falls Hogashi sich fallen ließ oder Japan stark aufrückte – agierte noch kompakter: dann war das nominelle 4-2-2-2 nicht mehr eine Variation des 4-4-2, sondern des 4-6-0. Sie stellten die Passwege der Sechser nach vorne zu und neutralisierten sämtliche Befreiungsbewegungen der Offensivspieler des Gegners. Das Mittelfeldübergewicht und die offenen Räume, die es auf dem Papier für Japan gab, existierten in der Praxis selten.

Aufgaben der südkoreanischen Flügel

Wichtig dafür war die interessante Spielweise der offensiven Flügelspieler der Südkoreaner. Diese zeigten sich spielintelligent und ungemein beweglich. Mit ihrer Laufarbeit attackierten sie den Außenverteidiger bereits aggressiv und pressten ihn frontal. Dieser spielte dann den Ball meist nach hinten in die Innenverteidigung oder ins defensive Mittelfeld. Normalerweise würde der Außenspieler mit dem Außenverteidiger des Gegners mitgehen. Die Südkoreaner orientierten sich nach vorne, gingen dem Ball nach. Dadurch blieb der gegnerische Außenverteidiger aus dem Spiel genommen und der Passweg zu ihm versperrt. Die Seite wurde dadurch geschlossen und der Ball auf die andere Seite zirkuliert.

hier sieht man, wie der Innenverteidiger nach Erhalt des Balles vom vorher gepressten Außenverteidiger attackiert wurde

Dorthin verschoben die Südkoreaner stark und pressten. Es entstand eine asymmetrische 4-3-3-Formation und wenn Japan nicht aufpasste, tappten sie in eine Falle: Pass auf den anderen Außenverteidiger, der bedrängt wird. Wenn der den Ball verliert, ist eine diagonale Passstafette des Gegners auf die offene Seite gegenüber frei.

Die Tore fielen dennoch anders: ein weiter Befreiungsschlag auf Park (nach schneller Mittelfeldüberbrückung der Japaner, ebenfalls durch einen hohen Ball), der bei einem 4-4-1-1 für die nötige Tiefe vorne geblieben war, wurde von diesem in wundervoller Manier verwertet, als er die aufgerückte gegnerische Abwehr schwindelig spielte. Der zweite Treffer war eine Rochade Koos – nun ein weiter Ball des Torhüters – nach innen, wo ein verlängerter Kopfball in Weltklassemanier verwertet wurde.

Fazit (und generelles Lob an die beiden Mannschaften)

Es war ein unterhaltsames, schnelles und taktisch sehr sauberes Spiel der beiden asiatischen Mannschaften. Entsprechend des Klischees, welches man gegenüber Mannschaften aus Fernost besitzt, zeigten sie sich penibel eingestellt und taktisch diszipliniert. Die Südkoreaner schafften es auch, sich schnell auf die gegnerische Dreierkette im Spielaufbau in Halbzeit zwei einzustellen und mit ihrem Pressing dagegen vorzugehen.

Vielleicht fielen auch deswegen beide Tore nach weiten Bällen, denn im Defensivspiel zeigten sich beide Mannschaften gut im Timing und hervorragend in der kollektiven Abstimmung. Bei den Südkoreanern war es das taktische Geschick, ob beim Linienspiel, in der Kompaktheit oder der Tiefenstaffelung, welches beeindruckte. Japan war wie üblich extrem beweglich im Spiel gegen den Mann und läuferisch omnipräsent, was die Räume verengte und spätestens im letzten Spielfeld für Bedrängnis beim Ballführenden sorgte.

In der Offensive kamen beide Mannschaften, in Anbetracht der jeweiligen taktischen und athletischen Stärken des Gegners im Defensivspiel, akzeptabel zurecht. Insbesondere bei der Übersicht und der Handlungsschnelligkeit sind die asiatischen Akteure bestens ausgebildet. Die Umsetzungszeiten zwischen Ballannahme, Ballbehauptung und Aktion sind gering, die Präzision ist relativ hoch und es wird versucht, in einen offenen Schlagabtausch mit vertikalem Fußballspiel zu gehen. Die Entwicklung der jeweiligen Spieler und Mannschaften in den nächsten Jahren wird sicherlich interessant – wer weiß, ob die beiden Nationalmannschaften nicht eines Tages bei einem Großturnier wie bei der Weltmeisterschaft für Furore sorgen.

Generell dürften sie aber gute Chancen haben: Sowohl die japanische als auch die südkoreanische Mannschaft hat das Potenzial, um im modernen Fußball erfolgreich zu sein. Sie sind klein, wendig und dynamisch, können sich im Kombinationsspiel auf engstem Raum schnell bewegen und dadurch hervorragend miteinander kombinieren. Zusätzlich bieten sie auch ökonomisch die nötigen Voraussetzungen, um die Talente in ihrem Land zu fördern. Die ersten Hinweise gibt es schon: Japan exportiert immer mehr Spieler nach Europa, die körperlich wie taktisch dem modernen Fußball entsprechen.

Darve 16. August 2012 um 11:32

Schoene Zusammenfassung. Ich konnte leider das Spiel am Freitag nicht anschauen und bedanke mich deshalb bei euch.

„Südkorea spielte in einem – auf den ersten Blick – klassisch wirkenden 4-4-2. Joon und Jae-Oh beteiligten sich sporadisch……“

Hier muesste es Yoon heissen. Die asiatischen Namen sind schwer voneinander zu unterscheiden! Trotzdem ganz grosses Lob an euch !

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