Türchen 11: Bayern – Leeds 1975

Der Europapokal der Landesmeister feiert im Jahr 1975 mit dem dato 20. Endspiel eine kleine Premiere. In diesem Premieren-Endspiel trifft der Titelverteidiger Bayern München auf den englische Meister von 1974: Leeds United. Wie die Bayern es schaffen ihren Titel zu verteidigen lest ihr im 11. Türchen unseres Adventskalenders.

Strauchelnde Bayern treffen auf starke Engländer

Bayern geht in diesem Finale zwar als Titelverteidiger ins Spiel, aber sie haben eine schwierige Saison hinter sich. In der Bundesliga landen sie am Ende der Saison lediglich auf dem 10. Platz mit einem Torverhältnis von Minus 6. Auch im DFB-Pokal scheiden sie bereits in der 3. Runde gegen den MSV Duisburg aus. Sie treten an diesem 28. Mai 1975 in Paris also an, um ihre Saison zu retten und sich auch in der folgenden Saison für den Europapokal zu qualifizieren. Aus diesem Grund gelten im Vorfeld auch nicht die Bayern, sondern ihre Gegner aus England als leichte Favoriten.

Leeds wird Favoritenrolle gerecht

Wie Favoriten tritt die Mannschaft von Trainer Jimmy Armfield in dieser Partie auch auf. Leeds ist das gesamte Spiel über spielbestimmend. Die Engländer haben sehr viel Ballbesitz und drücken die defensiv ausgerichteten Münchner fast das gesamte Spiel hinweg in die eigene Hälfte. In Ballbesitz besetzen die Stürmer Joe Jordan und Allan Clarke den Strafraum. Zehner Johnny Giles lässt sich vor die Innenverteidiger fallen und spielt aus dieser Position heraus progressive Pässe. Entweder bedient er Peter Lorimer oder Kapitän Billy Bremner, die beide in Ballbesitz fast schon wie moderne Achter agieren und sich viel zwischen den Linien bewegen. Oder aber Giles spielt direkt auf die linke Seite auf Terry Yorath oder den aufgerückten Verteidiger Frank Gray. Die rechte Seite von Leeds ist offensiv selten besetzt, was dazu führt, dass der bayerische Außenverteidiger Bernd Dürnberger oftmals mit in den Strafraum rückt, um bei der Verteidigung des Doppelsturms zu unterstützen.

Grundformation bei Ballbesitz Leeds

Defensive Münchner tun sich schwer

Bayern steht dagegen defensiv in einem sehr tiefen 4-4-2 Block, aus dem situativ ein 5-3-2 oder ein 5-4-1 wird, wenn Dürnberger einrückt und Conny Torstensson sich fallen lässt. Die grundsätzliche Taktik der Bayern war auch klar dahingehend ausgerichtet: Defensiv sicher und kompakt stehen, Leeds den Ball überlassen und über Umschaltmomente Torchancen kreieren. Allerdings lässt Leeds ihnen vor allem in der ersten Hälfte kaum Raum zum Atmen. Bayern kommt im ersten Durchgang zu keinem aussichtsreichen Konter, muss in den ersten 15 Minuten sehr viele Bälle lang schlagen und schafft es kaum in längere Ballbesitzphasen, da sie sich schwer tun das Mittelfeld zu überspielen. Leeds stört den Spielaufbau ihrer Gegner sehr früh. Die beiden Stürmer Jordan und Clarke stören ab ungefähr 15 bis 20 Metern vor der Mittellinie in der Hälfte der Münchner. Vor allem Franz Beckenbauer wird früh angelaufen, um lange, raumgreifende Pässe von ihm zu verhindern.

Viel Ballbesitz, wenig Torchancen

Im ersten Durchgang dominiert also ganz klar Leeds. Dazu kommt, dass die Bayern bereits alle Wechsel, die sie haben, in der ersten Halbzeit verletzungsbedingt nutzen müssen. Nach nur vier Minuten muss Björn Andersson den Platz verlassen. Kurz vor der Pause ist das Finale auch für Uli Hoeneß beendet, der in diesem Spiel eine Kapsel- und Außenbandverletzung erleidet. Allerdings schafft es Leeds nicht, sich aus ihrem Ballbesitz Torchancen herauszuspielen. Die Idee der Engländer ist klar zu erkennen: Sie wollen ihre Stürmer Joe Jordan und Allan Clarke mit Flanken bedienen. Entweder versuchen diese direkt per Kopf zum Torabschluss zu kommen oder aber sie legen den Ball zurück, um so ihrem Sturmpartner oder einem der hereinlaufenden Bremner oder Lorimer einen Schuss zu ermöglichen. Allerdings besetzt Bayern ihren Strafraum sehr gut mit meistens vier bis fünf Spielern und ist bei den zweiten Bällen sehr aufmerksam. Dazu kommt Sepp Maier, der viele Flanken abfangen oder wegfausten kann.

Mehr Spielanteile für Bayern

In der zweiten Halbzeit stellt Leeds leicht um. In den ersten 45 Minuten agierten sie gegen den Ball in einem 3-1-4-2. Damit waren sie auch sehr erfolgreich, weil sie durch die Stürmer und die Viererreihe direkt dahinter es Bayern extrem schwer machten, das Mittelfeld zu überspielen. Allerdings ist diese Herangehensweise auch sehr kräftezehrend. So stellen die Engländer auf ein 5-4-1 um und stören den Spielaufbau erst etwas später. Dadurch bekommt Bayern etwas mehr Luft zum Atmen und hat in der Folge in der Anfangsphase der zweiten Halbzeit mehr Spielanteile. Allerdings schafft es auch Bayern nicht sich aus ihrem Ballbesitz Torchancen herauszuspielen. Leeds steht zu eng und kompakt. Gerd Müller versucht zwar mit Tiefenläufen die Abwehrreihen auseinanderzuziehen, aber insgesamt ist im Offensivspiel der Bayern zu wenig Bewegung und es wirkt ideenlos.

Leeds drückt, Bayern trifft

Aber circa der 60. Spielminute wird Leeds drückender. Es fliegen wieder sehr regelmäßig Flanken in den Münchner Strafraum. Und die Engländer treffen tatsächlich nach 66. Minuten nach einer Halbfeldflanke von Giles in die Box, die Madeley per Kopf auf Lorimer zurücklegt, der zum vermeintlichen 1:0 trifft. Schiedsrichter Michel Kitabdjian nimmt den Treffer im Anschluss direkt aufgrund einer Abseitsstellung zurück.

Auch nach diesem zurückgenommenen Treffer ist Leeds die drückende Mannschaft. Bayern ist nur in der Defensive und läuft den Engländern hinterher. Eine der wenigen Ballbesitzphasen nutzt der Vorjahressieger dann allerdings eiskalt aus. Aufgrund der Tatsache, dass sich Bayern schon das gesamte Spiel über schwer tut mit dem Spielaufbau, lässt sich Mittelstürmer Gerd Müller seit der Halbzeit immer wieder bis auf die Höhe von Franz Beckenbauer fallen. So auch in der 71. Minute. Gerd Müller kommt 10 Meter vor der Mittellinie an den Ball. Er spielt einen kurzen Doppelpass mit Jupp Kapellmann und schlägt anschließend einen langen Ball in die Sturmspitze in den Lauf von Torstensson. Der legt zurück auf Franz „Bulle“ Roth, der in die Box dribbeln kann und aus rund 14 Metern zum 1:0 trifft.

Dieses 1:0 fällt nach dem Spielverlauf fast wie aus dem Nichts. Leeds war die bessere Mannschaft, spielte sich die besseren Torchancen heraus und Bayern konnte sich kaum aus der Defensive befreien. Der Treffer war eine der wenigen Spielsituationen, als Bayern den Ball schnell nach vorne trug. Ausgangspunkt dieses Treffers war ganz klar der zurückgefallene Gerd Müller, der das Tor einleitet. Nach dem Führungstreffer verteidigt Bayern kompakt und kontert Leeds zwölf Minuten später über die rechte Seite aus. Der Torschütze zum 2:0 Endstand? Der meiner Meinung nach klar beste Spieler dieses Endspiels: Gerd Müller.

Gnadenlose Effizienz bringt den Europapokal nach München

Schlussendlich kann man festhalten, dass Leeds United in diesem Spiel ganz klar die bessere Mannschaft war und den Sieg verdient gehabt hätte. Nicht zuletzt, da Franz Beckenbauer in Halbzeit 1 Allan Clarke im eigenen Sechzehner klar zu Fall bringt. Schiedsrichter Kitabdjian entschied aber nicht auf Elfmeter.  Darüber hinaus ist die Entscheidung, den Führungstreffer von Leeds zurückzunehmen, bis heute umstritten. Nichtsdestotrotz hält am Ende Bayern München den Europapokal der Landesmeister in den Händen. Und das, weil sie den Defensivkampf angenommen, diszipliniert und als Mannschaft über 90 Minuten verteidigt haben und am Ende aus drei Torchancen zwei Treffer erzielen.

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