Real Madrid verteidigt königlich gut – LB

2:1

Den ersten El Clásico der Saison kann Real Madrid am 10. Spieltag der La Liga für sich entscheiden. Die Madrilenen gewinnen die hitzige Partie am Ende mit 2:1 und konnten so ihre Tabellenführung auf fünf Punkte ausbauen. Wie Xabi Alonso und Hansi Flick ihre Teams taktisch eingestellt haben lest ihr in dieser Analyse.

Grundformation bei Ballbesitz Barcelona

Abb. 1: Grundformation von Barcelona im Ballbesitz

Die Gäste aus Barcelona bauen ihr Spiel in einem asymmetrischen 3-3-4 auf, bei dem der Linksverteidiger Balde im Ballbesitz auf seiner Seite aufrückt, während Marcus Rashford etwas nach innen in den Halbraum schiebt. Lamine Yamal hält auf der rechten Seite die Breite und Fermin Lopez bewegt sich zwischen offensivem Zentrum und Halbraum, wodurch situativ ein 3-2-5 entsteht. Real steht dagegen im tiefen 4-4-2 Block.

Offensiver Ansatz Barcelonas

Die grundsätzliche Idee im Spielaufbau ist es die linke Seite mit Balde, Rashford und De Jong oder Pedri zu überladen. Allerdings gelingt Barcelona das nur sehr selten, da Madrid zum einen das gesamte Spiel über diszipliniert verschiebt und zum anderen Jude Bellingham und Fede Valverde stets von  Eduardo Camavinga auf der angesprochenen Seite unterstützt werden.

Darüber hinaus versucht Barcelona in der letzten offensiven Linie eine Gleichzahl oder sogar Überzahl herzustellen. Im 3-3-4 handelt es sich um eine 4 gegen 4 Gleichzahl, wenn Balde durch schiebt ist Barcelona im 3-2-5 und somit in der 5 gegen 4 Überzahl. Deswegen lässt sich Camavinga, der sowieso auf der linken Seite wegen des Überladens aushilft, situativ bis auf die Rechtsverteidigerposition fallen, sodass Real im  5-3-2 verteidigt.

Dadurch entstehen zwar regelmäßig Räume im Zwischenlinienraum, aber Barcelona kann diesen nur vereinzelt nutzen. Entweder, weil der Pass zu spät kommt oder weil dieser schlichtweg nicht besetzt wird. Speziell in der ersten Hälfte, aber eigentlich das gesamte Spiel über fehlt dem katalanischen Offensivspiel Bewegung. Zu oft stehen sie statisch in der gegnerischen Hälfte. Ferran Torres lässt sich nicht häufig genug aus der Sturmspitze fallen, Fermin parkt zu häufig im Halbraum anstatt Laufwege anzubieten und allgemein fehlen überkreuzende Laufwege oder Positionsrochaden. Darüber hinaus fehlt offensive Unterstützung durch Pedri und De Jong , da immer mindestens einer von beiden die Restverteidigung unterstützt.

Allgemein lässt sich festhalten, dass Real Madrid mit allen Spielern sehr diszipliniert im tiefen Block verteidigt, gut verschiebt und Barcelona damit Probleme hat. Diese Probleme spiegeln sich auch in den erspielten xG wieder: Barcelona kommt im gesamten Spiel nur auf 1,03 xG. Ohne das Tor, welches nach einem hohen Ballgewinn während des Pressings fällt, sind es lediglich 0,67 xG.

Riskantes Pressing

Real hat in diesem Spiel kaum Ballbesitz. Über die gesamte Zeit nur 32 Prozent. Trotzdem schaffen sie es sich 3,6 xG (ohne den verschossenen Elfmeter: 2,9 xG) heraus zu spielen. Der Grundstein dafür liegt natürlich zum einen im bereits erwähnten sehr disziplinierten Verteidigen im tiefen Block, aber vor allem das Mittelfeldpressing der Gastgeber stellt Barcelona vor große Probleme.

Das Team von Xabi Alonso presst extrem hoch. Bellingham und Tchouameni pressen dabei Pedri und De Jong. Um die beiden Außenverteidiger kümmern sich Vini Jr. und Camavinga. Arda Güler schiebt durch und presst zusammen mit Kylian Mbappé die beiden Innenverteidiger. So hat oftmals der spielschwache Wojciech Szczesny keine andere Wahl als den Ball lang zu schlagen, weil ihm die Anspielstationen fehlen. Eine Herangehensweise Barcelonas, um ihren Spielaufbau zu entlasten bestand darin, dass sich Fermin oder Torres fallen lassen. Real Madrid reagiert darauf sehr aggressiv und einer der beiden Innenverteidiger Dean Huijsen verfolgt Fermin bzw. Torres bis auf die Höhe von Pedri und De Jong, um den linienbrechenden Pass wegzunehmen.

Abb. 2: Pressing von Real Madrid

Dies führt immer wieder zu sehr hohen Ballgewinnen für Real. Zum Beispiel holen sie so den Elfmeter Anfang der zweiten Hälfte heraus, da sie fast auf Höhe des gegnerischen Strafraums den Ball erobern und dann schnell in die Box spielen. Allerdings führt dieser sehr riskante Ansatz auch immer wieder dazu, dass Barcelona das Pressing schnell überspielt bekommt und sich in sehr aussichtsreichen Kontern wieder findet (siehe rot markierter Bereich Abb. 2, sehr viel Raum hinter zweiter Pressinglinie). Sie schaffen es aber nie diese Situationen gewinnbringend auszunutzen.

Die andere Idee Barcelonas ihren Spielaufbau zu entlasten, war es, dass sich Yamal in Ballnähe in Richtung Koundé fallen lässt. In dem Fall versuchen die Katalanen die erste Pressinglinie von Madrid über den dritten Man (meistens Pedri oder De Jong) aufzulösen. Diese Herangehensweise funktioniert allerdings auch nur mittelmäßig gut, da Linksverteidiger Alvaro Carreras den anschließenden Tiefenlauf von Yamal stets verfolgt und so Barcelona wieder kein Tempo in ihre Spiel bekommt.

Real in Ballbesitz

Abb. 3: Grundformation von Real im Ballbesitz

Wenn das Team von Xabi Alonso zu einem ruhigen und kontrollierten Spielaufbau kommt, dann bauen sie aus einem 3-4-3 auf. Carreras schiebt aus der defensiven Viererkette ins Mittelfeld, Tchouameni besetzt das zentrale Mittelfeld, Camavinga weicht nach außen aus, um die Außenbahn zu besetzen. Der ballferne Achter (Bellingham oder Güler, in Abb. 3 Bellingham) besetzen den offensiven Halbraum. Mbappé orientiert sich in der Sturmspitze oder im anderen offensiven Halbraum, während Vini Jr. auf Linksaußen die Breite hält. Der ballnahe Achter (in Abb. 3 Güler) bleibt auf der Höhe von Tchouameni und unterstützt beim Spielaufbau. Mit dieser Grundformation schaffen sie es regelmäßig das Mittelfeldpressing von Barceolna zu überspielen.

Valverde findet kontinuierlich aus seiner Position einen spieleröffnenden Pass und schafft es so die erste Pressinglinie der Gäste zu überspielen. Wenn sie dies geschafft haben arbeiten sie mit vielen Tiefenläufen von Mbappé (z.B beim 1:0), Vini, Bellingham, Güler oder Camavinga. Darüber hinaus bringen sie Vini durch zeitlich gut abgestimmte Spielverlagerungen immer wieder in 1 gegen 1 Situationen, da auf der gegenüberliegenden Seite regelmäßig Camavinga, Bellingham, Güler und Mbappé vier bis fünf Verteidiger binden können.

Barcelona stellt zu spät um

Im zweiten Durchgang versucht Barcelona mehr Tiefe in ihr Spiel zu bekommen. Baldé hinterläuft regelmäßig Rashford auf der linken Außenbahn. Zusätzlich lassen sich Yamal und Rashford noch häufiger im Spielaufbau fallen, um mit Doppelpässen mit Pedri oder De Jong und anschließenden Tiefenläufen das Pressing von Real auseinander zu ziehen. Madrid schafft es oftmals dies zu unterbinden, indem sie ab dem ersten Kontakt stören.

Dadurch geben sie aber De Jong, Pedri oder Yamal immer wieder die Möglichkeit aufzudrehen und anzudribbeln. In solchen Situationen schafft es Barcelona schnell ins letzte Drittel und finden eine unsortierte Hintermannschaft aus Madrid wieder. Allerdings treffen sie dann nur selten richtige Entscheidungen und finden den tödlichen Pass nicht. Außerdem versucht Barcelona den tiefen Block von Madrid mit Spielverlagerungen auseinanderzuziehen. Hier sind sie wie schon in Halbzeit 1 oft zu langsam und statisch, sodass Real verschieben kann.

In Minute 74. wechseln die Katalanen Marc Casado für Ferran Torres ein. Casado ist nun der alleinige Sechser, Frenkie De Jong und Pedri greifen jetzt mehr in die Offensive ein. Rashford rückt in die Sturmspitze und Fermin bewegt sich im linken offensiven Halbraum. Koundé rückt auf seiner Seite ebenfalls etwas auf, sodass wir im Spielaufbau ein 2-5-3 (respektive 2-3-2-3) haben. Diese Umstellung funktioniert in der letzten Viertelstunde des Spiels gut. Durch die zusätzliche Anspielstation im zentralen Mittelfeld und die defensive Entlastung für De Jong und Pedri durch Casado tut sich Barcelona beim Überspielen des Pressings deutlich leichter. Außerdem interpretiert Rashford die Rolle des Stürmers dynamischer und bewegt sich mehr zwischen den Ketten. Dadurch (und durch die offensiveren Rollen von Pedri und De Jong) schafft es Barcelona häufiger den Zwischenlinienraum anzuspielen und werden torgefährlicher.

Aufgrund der wenigen Spielzeit schafft es Barcelona allerdings nicht, sich mehr als Halbchancen herauszuspielen. Die Umstellung kam schlichtweg zu spät. Real konzentriert sich in der Schlussphase auf das Verteidigen im tiefen Block und bringt so die Führung über die Zeit.

Fazit

Dieser Sieg für Real Madrid ist aufgrund ihres riskanten und sehr gut ausgeführten Pressings und ihrer disziplinierten und effizienten Defensivarbeit im tiefen Block verdient. Zusätzlich nutzen sie ihre Torchancen, die sie sich über ihre hohen Ballgewinne und Umschaltmomente herausspielen, sehr effizient. Barcelona im Gegenzug hat das gesamte Spiel über Probleme mit dem Pressing von Madrid. Ihr Offensivspiel ist zu statisch. Dadurch schaffen sie es nicht sich regelmäßig Torchancen zu erspielen. Das Fehlen von Dani Olmo, Raphinha und Robert Lewandowski merken die Katalanen in diesem Spiel schmerzlich. Xabi Alonso ist nach diesem verdienten Sieg und der ausgebauten Tabellenführung nun also auf einem guten Weg, seinen ersten spanischen Meistertitel zu gewinnen.

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