Die Sache mit der Passivität – MX

1:5

Eine stabile Anfangsphase wurde von einem zu passiven 5-4-1 kaschiert und endete in einer 1:5‑Niederlage für Dino Toppmöller und Eintracht Frankfurt.

Nach drei sieglosen Spielen traf Eintracht Frankfurt am Mittwochabend auf den FC Liverpool. Dino Toppmöller stellte dabei eine 3-4-3-Grundordnung auf den Rasen. Zetterer stand – nach längeren Diskussionen in den Medien – zwischen den Pfosten. Amenda und Theate besetzten die Halbverteidigerpositionen, während Koch als zentraler Innenverteidiger agierte. Auf den Flügeln (bzw. Schienen) kamen Kristensen und Brown zum Einsatz. Dazwischen bildeten Götze und Larsson die Doppelacht. Doan und Bahoya besetzten die Flügel, Knauff begann als Mittelstürmer.

Die Gäste aus Liverpool kamen mit einer ähnlichen Ausgangslage nach Frankfurt: Vier Niederlagen in Folge, darunter gegen Underdogs wie Crystal Palace und Istanbul. Arne Slot setzte auf eine 4-4-2-Grundordnung. Mamardashvili stand im Tor, davor bildeten Konaté und van Dijk die Innenverteidigung. Auf den Außen verteidigten Frimpong und Robertson. Im Zentrum agierten Jones und Szoboszlai als Achter, während Gakpo und Wirtz die Flügel besetzten. Im Angriff bildeten Isak und Ekitike ein Sturmduo.

Die Grundformationen

Nach dem Spiel sagte Markus Krösche: „Am Ende geht es darum, dass wir einfach eine ganz andere Aggressivität in den Zweikämpfen an den Tag legen müssen.“ Ein Thema, das rund um Frankfurt seit Wochen omnipräsent ist – und auch gegen Liverpool erneut ins Rampenlicht rückte. Doch warum tat sich Frankfurt so schwer, überhaupt in die Zweikämpfe zu kommen?

Liverpool mit inkom­pakten Achtern

Derweil begann das Spiel aus Sicht der Heimelf jedoch anders als in Gesamtbetrachtung diskutiert: stabil. In den ersten zehn Minuten sah man die Elf von Dino Toppmöller überwiegend aus einer 3-4-3-Struktur im höheren Aufbau agieren, wobei der Fokus insbesondere auf den Halbverteidigern Theate und Amenda lag. Liverpools Doppelsturm im 4-4-2-Mittelfeldpressing tat sich aufgrund seiner engen Grundposition schwer, Zugriff auf die im Halbraum positionierten Halbverteidiger zu entwickeln.

Dadurch entstanden immer wieder horizontale Pressingwinkel – also Zugriffe von der Seite –, die eine hohe Gefahr des Überdribbelns implizierten. Gerade Theate konnte dies durch seinen sehr vertikal orientierten ersten Kontakt regelmäßig nutzen. In der Folge mussten Liverpools Achter, allen voran Szoboszlai auf Theates Seite, häufiger aus dem Zentrum in den Halbraum heraus schieben, um den andribbelnden Halbverteidiger anzulaufen. Dadurch öffneten sich zentrale Räume neben ihnen, in die Frankfurts Achter aufrückten und zunehmend anspielbar wurden.

Gerade Hugo Larsson konnte mehrfach von Theate bedient werden, da der rechte Achter Götze oder auch Doan bzw. Knauff bei tieferen Positionierungen Jones im rechten Halbraum banden. So ergab sich in den ersten Minuten zwischen den Achtern der Engländer im Zentrum immer wieder ein großer Raum, in dem Larsson tendenziell frei aufschieben konnte.

Frankfurt findet Larsson im Zentrum

Das führte in den ersten Minuten durchaus dazu, dass Liverpool nach dem Andribbeln der Halbverteidiger keinen direkten Zugriff auf Frankfurts Aufbau bekam. Häufig lösten die Gäste es dann dadurch, dass Jones intuitiv auf Larsson herausschob. Aufgrund des weiten Pressingwegs aus dem Halbraum gen Zentrum kam er jedoch meist nur von hinten in den Zweikampf, sodass Larsson mit seiner Ballsicherheit den Ball behaupten und oft über einen drucklösenden Rückpass auf Theate stabilisieren konnte. Das Herausschieben von Jones hatte zudem zur Folge, dass Gakpo als ballferner Flügelspieler anschließend in den Halbraum einrücken musste, was seinen Zugriff in die Breite bei möglichen Verlagerungen verringerte. Frankfurt nutzte diese ballfernen Freiräume in der Anfangsphase jedoch noch zu selten bzw. zu wenig direkt.

Larssons Ausbrechfokus

Tendenziell lag Larssons Fokus trotz seiner zunehmend tieferen Positionierung auch auf einem anderen problematischen Bereich in Liverpools Pressing: dem Raum zwischen erster und zweiter Linie. Die enge Staffelung des Doppelsturms soll grundsätzlich die Passwege aus der ersten Frankfurter Aufbaulinie in den Sechserraum isolieren. Allerdings ist deren Anpassung an Gegenspieler im Rücken – abseits der engen Ausgangsposition – nur bedingt vorhanden.

So konnte sich Larsson häufig im toten Winkel der beiden Stürmer zwischen sie fallen lassen und wurde dann über den zentralen Innenverteidiger Koch im Sechserraum anspielbar. Da Szoboszlai und Jones im Halbraum meist durch eingerückten Bahoya bzw. auch oft Kristensen gebunden waren und zudem die Abstände zwischen Liverpools erster und zweiter Pressinglinie durchaus groß ausfielen, konnten sie nicht intuitiv auf Larsson herausrücken.

Gegen das Rückwärtspressing der Stürmer konnte sich der Schwede vorwiegend gut aufdrehen und anschließend mit dem Dribbling ins Zentrum vorstoßen. Teilweise diente dieses Verhalten jedoch eher dazu, den Doppelsturm der Engländer zusammenzuziehen und dadurch den Halbverteidigern mehr Raum für diagonale Andribbelbewegungen zu verschaffen – in diesen Fällen ließ Larsson den Ball indessen nur klatschen. Mitunter suchte er aber auch aktiv die Progression und anschließend die Diagonalverlagerung auf durchschiebende Spieler in der Breite – zumeist auf Brown auf der linken Seite –, was in der Anfangsphase durchaus erfolgversprechend war.

Allerdings zeigte sich Wirtz im Rückwärtspressing sehr aktiv, sodass Linksverteidiger Frimpong nicht herausrücken musste und sich im tiefen linken Halbraum kaum Räume tief für Bahoya öffneten. Brown war dadurch auf dem Flügel häufig isoliert und sah sich vermehrt 1-gegen-1-Situationen ausgesetzt, mit denen er immer wieder Probleme hatte.

Liverpool offenbart Räume in der Breite und zentral

Apropos Bahoya: Er suchte häufig infolge von Larssons Ausbrechen diagonal im Rücken von Szoboszlai den Weg ins Zentrum, um für Larsson vertikal erreichbar zu sein. Allerdings tat sich Larsson in diesen Situationen spürbar schwer, Bahoya in den entsprechenden Räumen zu finden. Einerseits lag das daran, dass er beim diagonalen Andribbeln seinen Fokus stark auf das Flügelspiel legte und das Scanning in Richtung Zentrum teilweise vernachlässigte. Andererseits verschärfte diese Ausrichtung in der Folge auch Browns Isolationsproblem auf dem linken Flügel: Durch Bahoyas Positionierung im Zentrum fehlten häufig nahe Unterstützungsoptionen, während Theate in diesen Momenten zu selten konsequent nachschob. So blieb Brown häufig isoliert und ohne Anschlussoption im 1-gegen-1.

Zu fragmentiert oder / und gut fokussiert?

Dadurch, dass Brown zunehmend aktiver in das Spiel der SGE eingebunden wurde, stellte sich gleichzeitig eine neue Dynamik ein: Wirtz rückte enger und direkter auf Brown zu, wodurch sich für Theate der Vertikalpassweg im Halbraum zu Bahoya öffnete, der dort immer wieder auch Abkippbewegungen anbot.

Tendenziell ließe sich an dieser Stelle diskutieren, inwieweit Liverpools Pressing zu fragmentiert wirkte: Einerseits orientierten (siehe oben) sich die Achter zu stark mannorientiert, sodass sich im Zentrum Räume öffneten, die tendenziell bespielbar waren. Andererseits führte das breitere Agieren von Wirtz sowie das fehlende auffüllende Ausschieben von Szoboszlai dazu, dass diese Räume für Frankfurt aktiv bespielbar waren. Oder?

Bahoya im Druckspiel

Denn andererseits muss man feststellen: Fragmentiert kann auch gut / bewusst vorbereitet sein. Zwar war Bahoya anspielbar, doch Liverpool reagierte in diesen Situationen sehr gut. Einerseits verfolgte Rechtsverteidiger Frimpong die Abkippbewegungen direkt und konsequent, andererseits rückten Wirtz und Szoboszlai nach, sodass sich im Halbraum teils eine 1‑gegen‑2- oder 1‑gegen‑3-Unterzahl für Bahoya ergab und gleichzeitig mögliche Querpassoptionen geschlossen wurden. Angesichts dessen, dass Bahoya eher ein Spieler ist, der Tiefe geben will und weniger im direkten Druck widerstandsfähig agieren kann, war dieses Vorgehen durchaus sinnvoll: Brown wurde direkter zugestellt, Theate wurde dadurch in den Halbraum gedrängt und Bahoya anschließend unter Druck genommen. Folglich suchte er oft nur den Rückpass.

Tendenziell reagierte Wirtz mit seinem direkteren Ausschieben auch auf ein Problem aus den ersten Minuten. Die eingerückte Anfangsgrundposition hatte nämlich zur Folge, dass Brown in der Breite von Theate immer wieder anspielbar war. Denn durch die enge Grundposition entstand ein sehr horizontaler Pressingwinkel auf Brown, der es ihm ermöglichte, durchaus vertikal und tief auf Bahoya zu eröffnen oder auch ins Dribbling zu gehen – etwas, das eigentlich verhindert werden sollte.

Frankfurt im 5-4-1-Tiefen-Block

Liverpool fand nach der zunächst relativ stabilen Anfangsphase von Frankfurt – ausgelöst durch die höheren Ballbesitzanteile, die im Verlauf durch erzwungene Vertikalität wieder abnahmen – zunehmend besser ins Spiel. Dies lag vor allem daran, dass Frankfurt dies zuließ. Die Adler positionierten sich aus einem 5‑4‑1-Tiefen-Block heraus, wobei der Fokus klar auf Blocken und weniger auf aktives Auspressen lag. Dies zeigte sich insbesondere bei Stürmer Knauff: Halbräumiges Andribbeln von Liverpool verfolgte er nur leicht, suchte aber selten aktiv den Zweikampf. Dadurch kam es zu keiner Querpassisolation aus der ersten Pressinglinie, und Liverpool konnte immer wieder zwischen den Innenverteidigern verlagern und anschließend erneut andribbeln. Frankfurts Mittelfeld wurde dadurch zum ständigen Verschieben gezwungen, ehe sich wiederum Räume im 5‑4‑1-Block öffneten.

Liverpool schaffte dadurch sehr gute Rahmenbedingungen, um Zwischenräume innerhalb des 5‑4‑1-Blocks von Frankfurt zu öffnen. Beide Achter  mit Jones und Szoboszlai agierten teils ausbrechend vor Frankfurts zweiter Pressinglinie als Teil der ersten Aufbaulinie zwischen Innen- und Außenverteidigern (bzw. Schienenspieler), wodurch zeitweise eine Art 5‑0‑5/3-2-5-Staffelung entstand. Die Intention dahinter war zweigeteilt: Einerseits sollten technisch starke Spieler wie Szoboszlai und Jones andribbeln, die auch möglichst kleine (Zwischen-)Räume diagonal bespielen können, andererseits sollten durch die temporäre raumgreifernden Aufbau auch direkte Rückpassoptionen über den zentralen Innenverteidiger van Dijk geschaffen werden, um die flachen Verlagerung direkter umsetzen zu können und das Verschieben der Frankfurter zusätzlich weiter zu strapazieren.

Die Hauptintention bestand jedoch ebenso darin, möglichst viele Spieler um den Block herum – davor wie dahinter – zu positionieren, um einerseits ein Ausschieben auf die andribbelnden Liverpooler im Halbraum durch die Frankfurter Achter zu erzwingen (reaktionsbezogenes Auslösen im Aufbauspiel) und andererseits dadurch im „toten Winkel“ derer Achter Räume im Raum vor der Verteidigungslinie zu öffnen. Strukturell wurde dies rechts bspw. durch Konaté vorbereitet, der in der halbrechten Position Szoboszlais breiter aufrücken konnte. Dies zog Frankfurts Linksaußen Bahoya ebenfalls etwas breiter aus der Kompaktheit (vermutlich, um zu verhindern, dass Konaté hinter ihm ein 2‑gegen‑1 in der Breite erzeugt), während Larsson teils zu aktiverem Blocken gezwungen wurde – leichtes Aufrücken, aber ohne aktives Suchen des Zweikampfs, was auch einen nur geringen Deckungsschatten impliziert. Durch diese Positionsanpassung entstand in der Folge häufig ein Zwischenraum zwischen Bahoya und Larsson, den Florian Wirtz diagonal suchte.

Liverpool sucht Wege um den Block herum

Daraus ergaben sich durchaus interessante Muster im Ablagenspiel. Ekitiké bewegte sich teils in den Zehnerraum, wodurch er sich infolge von Wirtzs Diagonalbewegungen horizontal zur rechten Seite orientierte und Wirtz auf ihn ablegen konnte. Da Wirtz anschließend direkt im „Spiel & Gehen“ wieder nachrückte, konnten aus dem Druckspiel teilweise Ansätze für direkte Vorstöße im Tiefenspiel entstehen – auch wenn diese gerade in der Anfangsphase noch nicht konsequent genutzt wurden.

Tendenziell zeigte sich bei der Verteidigungslinie zudem, dass ein Fokus auf Blocken immer eine gewisse Reaktivität impliziert. Abkippbewegungen aus der letzten Linie wurden nicht aktiv verfolgt, sondern nur reaktiv. Der Schwerpunkt lag dabei primär darauf, die Tiefe abzusichern, und erst bei Anspielen heraus zu verteidigen. Dadurch gewährte man gerade Wirtz und Ekitiké im Zwischenlinienraum zusätzliche Freiheit – Spieler dieser Qualität wissen solche Räume effektiv zu nutzen. Dies wurde insbesondere in den Ablagemustern mit dem ersten Kontakt deutlich spürbar.

Frankfurts Verlagerungsproblem

Dadurch, dass Liverpool problemlos verlagern konnte, wurde der Ball zunehmend von einem Schienenspieler zum anderen weitergespielt. Die personelle Besetzung war dabei sehr dynamisch: Teils agierten Jones, Wirtz oder Szoboszlai in der Breite wie Schienenspieler, während Konaté und Robertson halbräumig aufrückten. Über den halbräumig mitschiebenden van Dijk konnten die Verlagerungen direkt umgesetzt werden. Das Kernproblem lag darin, dass Frankfurt aus dem 5‑4‑1-Block mit ballfernen Außenspielern und Flügelverteidigern teilweise zu stark in den Halbraum einrückte. Nach den Verlagerungen schoben diese Spieler relativ unkontrolliert wieder in die Breite auf ihre direkten Gegenspieler. Tendenziell stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum Frankfurt sich so stark auf das Blocken fokussierte und nach den bewusst zugelassenen Verlagerungen fragmentiert in die Breite ausschob.

Jones schiebt aus

Dadurch entstanden immer wieder Zwischenräume zwischen Flügelverteidiger und Halbverteidiger, die man über den 5‑4‑1-Block eigentlich unterbinden wollte, die Ekitiké zwischen Theate und Brown jedoch immer wieder suchte und bespielte. Das Problem lag dabei auch darin, dass Frankfurt zwar tendenziell ausschob, über den langen Pressingweg in die Breite jedoch nicht verhindern konnte, dass Liverpool das 1‑gegen‑1 in der Breite suchte. Brown stand infolgedessen immer wieder unter extremem Druck in direkten Duellen, da das diagonale Herausverteidigen im tiefen Block eine der komplexesten Aufgaben ist: Einerseits muss die Tiefe geschlossen werden, um Dribblings und Tiefenläufe aus dem Halbraum zu unterbinden, andererseits gilt es, die Flanke zu blocken. Das löste aber Brown in der Anfangsphase noch durchaus gut, infolge eines Ballgewinnes von Brown folgte die Führung.

Zwar ließen sich die Flügelspieler von Frankfurt zunehmend beim Ballbesitz der Liverpooler fallen, um die Flügelverteidiger in der Breite in einem losen Überzahlpressing zu unterstützen. Allerdings verpasste es gerade Doan auf der rechten Seite, den Rückpassweg zu isolieren. Dadurch verlor er beim Fallenlassen häufig Jones und Robertson aus den Augen, sodass sich Gakpo oft lösen konnte und Liverpool erneut verlagern konnte. Auf der linken Seite war die Rotationsbesetzung zwar nicht so dynamisch wie auf der rechten, dennoch suchte Gakpo noch etwas aktiver als Frimpong (später: Bradley) das direkte Dribbling gegen Kristensen. Tendenziell fehlte dort jedoch anfangs noch die Tiefenbindung, sodass Gakpo im 1‑gegen‑1 zu isoliert war. Da Kristensen die Flankenoptionen gut blockte, tat sich der Niederländer in diesen Situationen noch relativ schwer.

Höhere Schienenspieler als Knackpunkt

Nach dem Gegentreffer agierte Liverpool noch ein Stück offensiver, was sich vor allem darin ausdrückte, dass Schienenspieler / Außenverteidiger (je nach Positionierung von Szoboszlai in der temporären Dreierkette) und auch Achter höher agierten. Gerade Robertson und Jones bildeten zunehmend ein Pärchen auf der linken Seite, während Gakpo stärker eingerückt agierte – eine Reaktion auf seine zuvor isolierte Position. Robertson rückte als linker Schienenspieler auf, um sich von Doan zu lösen und dessen Zugriff zu minimieren bzw. zusammen mit Jones ein 2‑gegen‑1 auf Kristensen zu bilden. Dies verschaffte Gakpo die Möglichkeit, wiederholt die Tiefe im Halbraum anzudeuten oder aktiv in der Box präsent zu sein, was besonders wichtig war, da bisher Flanken nur bedingt verwertet werden konnten.

Durch das Breitenpärchen konnte sich auch Doan häufiger fallen lassen und aus dem Halbraum in die Breite schieben, wodurch erneut Räume im ballnahen Halbraum entstanden. Diese wurden vor allem durch Wirtz beim diagonalen Abkippen bespielt, sodass gemeinsam mit Gakpo und Robertson eine Art dynamisches Trio mit rotierender Breiten- und Halbraumbesetzung entstand: Meist kippte Wirtz (als Trigger der Dynamik in Phase 1) diagonal in den Halbraum ab und legte auf den nachstoßenden Schienenspieler Robertson, während Jones im Rücken von Wirtz diagonal weiter ins Halbraum-Zentrum durchschob und anschließend als Zielspieler von Robertson gesucht wurde.

Dynamikspiel mit Wirtz

Weil Gakpo nun immer wieder stärker eingerückt agierte, ließ sich Halbverteidiger Amenda ebenfalls weiter ins Zentrum ziehen. Die dadurch entstehende Zweiteilung der Fünferkette öffnete Liverpool gezielt Tiefenräume im Halbraum hinter die Verteidigungsline. Parallel dazu versuchten die Reds auf der ballfernen Seite oft, Flügelverteidiger und Halbverteidiger zu binden, um zentral Räume freizuziehen. Diese nutzte insbesondere Isak durch diagonale Läufe aus, bei denen er seinen Tempovorteil gegenüber Theate gezielt einbrachte.

Konnte man diese Räume nicht direkt bespielen, blieb Liverpool eigentlich immer in der Dynamik. Allgemein ist es eine extreme Stärke von Liverpool, dass man permanent die Breitenbesetzung rotiert und dadurch das Dynamikspiel aufrechterhält. Wirtz bewegte sich beispielsweise, wenn der Tiefenball nicht kam, in die Breite und suchte das 1‑gegen‑1 gegen Kristensen. Der Frankfurter tat sich gegen den Deutschen, der stark nach innen zog, sichtlich schwer. Wirtz konnte dadurch über inversive Dribblings wiederholt den Zwischenlinienraum bespielen – zum Beispiel über Jones oder Gakpo –, die weiterhin den Raum vor der Verteidigungslinie suchten. Die Frankfurter Verteidiger hatten dabei weiterhin Probleme in der Entscheidungsfindung zwischen Herausverteidigen und Tiefe sichern.

Allgemein zeigte sich nun verstärkt, dass die Schienenspieler bei Ballbesitz der Flügelspieler in der Breite öfter hinterliefen. Für Flügelverteidiger Kristensen hatte dies den Effekt, dass er nicht mehr dauerhaft den direkten Zweikampf mit dem jeweiligen Flügelspieler suchte, sondern diesen häufiger an Doan übergab, um stattdessen den hinterlaufenden Schienenspieler aufzunehmen – dementsprechend war die Zweikampfführung der Frankfurter in der Breite abwartender. Dadurch erhielt der Flügelspieler mehr Raum und Zeit am Ball. Gleichzeitig öffneten sich immer wieder Wege ins Zentrum vor die Verteidigungslinie, da Kristensen mit dem hinterlaufenden AV gebunden war und Doan aufgrund seines weiten diagonalen Zurückfallens auf den Flügelspieler den Passweg gen Zentrum nicht vollständig isolierte. Somit entstand für Liverpool eine zunehmend komfortable Ballführung auf den Flügeln mit Anschlussoptionen ins Zentrum – die Optionen vor der Box öffneten auch immer wieder Abschlussoptionen, gerade für die Achter, die zentral immer wieder nachrückten konnten daraus mehrmals aus dem Rückraum abziehen.

Inaktiviät führt zu Passivität

Diese nun stärker hervorkommende Dynamik auf Seiten von Liverpool, verbunden mit der weiterhin fehlenden Rückpassisolation seitens Frankfurt, führte nun Mitte der ersten Halbzeit dazu, dass Frankfurt zunehmend tiefer im 5-4-1 mit Abwehr und Mittelfeld agieren musste und sich permanent im tiefen Verteidigen wiederfand. Der grundsätzliche Plan, Liverpool herauszulocken, Fehlpässe in die Kompaktheit hinein zu provozieren und dann über das Umschalten die Restverteidigung von Liverpool anzugreifen, wurde dadurch aber zunehmend schwieriger.

Liverpools Restverteidigung

Das lag vor allem daran, dass dadurch auch die Flügelspieler Bahoya und Doan zunehmend defensiv mehr eingebunden waren und sich immer wieder weit fallen lassen mussten, wodurch sie nach Ballgewinnen nicht die Tiefe binden konnten in der Breite als Tiefenläufer, die sie tendenziell geben sollten. Gleichzeitig schaffte es Liverpool nach Ballverlusten sehr gut, etwaige Vertikalbewegungen der Frankfurter Flügelspieler über die Schienenspieler zu verfolgen; gerade auf der ballfernen Seite (hier Bradley) versuchte man, das Aufrücken des ballfernen Frankfurter Flügelspielers frühzeitig zu antizipieren und mit dem ballfernen Schienenspieler zu markieren. Dadurch konnten sich diese kaum lösen.

Zusätzlich versuchte man zudem mit dem tieferen Achter, meist Szoboszlai, sowie van Dijk Restangreifer Knauff im ballnahen Halbraum zu doppeln, sodass dieser nicht lang angespielt werden konnte, was auch durchaus gut klappte – Knauff konnte kaum Bälle im Wandspiel nach Ballgewinnen festmachen. Gleichzeitig sicherte Konaté etwaige Räume hinter der Doppelung ab, was gerade zweite Bälle anging. Grundsätzlich blieb aber das Problem bestehen, dass man über das Blocken impliziert, dass man Ballgewinne in der Verteidigungslinie einfährt im tiefen Verteidigen. Das Kernproblem war, dass man nach Ballgewinnen kaum noch aus der Verteidigungslinie herauskam gegen die Überladung der letzten Linie von Liverpool, welche sofort ins Überzahl-Gegenpressing ging und etwaige Vertikalpassoptionen auf die Achter, welche die Schwachstelle im Restsicherungssystem von Liverpool darstellen, schloss. So blieben für die Verteidiger der Eintracht oft nur lange Bälle unter Druck.

Tendenziell muss man also sagen, dass es nach dem 1:0 durchaus weiterhin zu Ballverlusten auf Seiten von Liverpool kam. Dadurch, dass Frankfurt jedoch immer tiefer agierte, hatte dies einerseits zur Folge, dass die Ballgewinne in deutlich tieferen Regionen eingefahren wurden und somit ein direkterer Druck aus der Überladung seitens Liverpool aufkam. Daraus konnte zudem nur wenig strukturiert aufgebaut werden, da auch schlichtweg der Raum, den man im Konter überbrücken musste, größer war als noch im Mittelfeldpressing zu Beginn der Partie.

Es ließe sich hier auch eine Diskussion führen, inwiefern ein Ansatz, welcher auf Umschaltspiel ausgelegt ist, damit korreliert, dass man presst bzw. aktiv das Pressing sucht, verbunden mit einer mannschaftlichen Geschlossenheit. Frankfurt sucht zwar teils individuell und fragmentiert mit einzelnen Akteuren, welche intuitiv aufgrund einer notwendigen Reaktion (bspw. auf zweites Andribbeln im Halbraum oder zu weiten Abstand in die Breite) ausgeschoben sind, aber was bei Frankfurt fehlt, ist der klare und kollektive Übergang vom Block in das Pressing. Dadurch wurde Liverpool kaum in Aufbaulinie 1 unter Druck gesetzt, und das ermöglichte Liverpool überhaupt erst, diese Dynamik zu entwickeln und verfiel in eine blockende Inaktiviät.

Exkurs: In der Studie „Analysis of team success based on match technical and running performance in a professional soccer league“  Andrzejewski et al. (2022) wurden Daten aus über 600 Spielen der Bundesliga über zwei Saisons hinweg analysiert. Dabei wurden verschiedene Leistungsindikatoren mit dem Saisonerfolg der Teams korreliert. Ein Kernpunkt: Mehr gewonnene Zweikämpfe korrelieren mit einer höheren Anzahl an Konterangriffen. Eine Studie von Lepschy et al. (2021) analysierte die Weltmeisterschaften 2014 und 2018 und fand heraus, dass Teams mit höherer Zweikampfbilanz und effektiveren Kontern erfolgreicher waren. Grundsätzlich deutet dies (und meherer Studienergebnisse) zumindest darauf hin, dass qualitative und quantitative Zweikampfmengen mit einem erfolgreichen Umschaltspiel linear verlaufen und auch eine Verbindung zeigen.

Gleichzeitig kann man natürlich sagen: Liverpool erarbeitete sich nur wenig Chancen aus dem Spiel heraus. Auch das stimmt durchaus – zwar generierte man fünf Großchancen, aber zwei Tore fielen aus Standards, und ein Konter führte zur 3:1-Halbzeitführung. Probleme hatte Liverpool vor allem in der Box nach Flanken und teils auch in der Chancenkreation rund um die Box, da ein Nebeneffekt des Spiels um den Block herum war, dass viel personelles Kreativpotenzial in der Breite agierte, welche in kleinräumigen Situationen ihre Stärken entfalten könnten. Jene Spieler, wie bspw. Wirtz oder auch Jones, postierten sich zunehmend um den Block herum für Pärchenbildungen mit den Flügelspielern, und innerhalb der Frankfurter Kompaktheit traten dadurch teilweise Probleme in jenen kleinräumigen Szenen auf. Diese Optionen fehlten dann teils genau dort.

Tendenziell sollte man ein Aufbauspiel jedoch nicht nur daran messen, wie sich ein Torerfolg daraus ergibt, sondern auch daran, wie es das Momentum und die Dynamik des Spiels verändert. Und diese verschob sich zunehmend kontrolliert auf die Seite von Liverpool, was nicht unwesentlich am angepassten Progressionsspiel lag.

Zweite Halbzeit

Nach zwei Eckentoren kurz vor dem Pausenpfiff, die jeweils daraus resultierten, dass man mit Zielspielern (Van Dijk und Konaté) den Weg in den „toten Winkel“ (dieser Winkel wurde durch horizontale Bewegungen von Blockern wie Ekitiké und Robertson aufgezogen) der am kurzen Pfosten absichernden Spieler fand und dadurch kein Zugriff für die Manndecker bestand, tat sich in der ersten Halbzeit kaum noch etwas: Liverpool kontrollierte weiter das Spiel gegen den tiefen Block der Frankfurter und suchte nun zunehmend direkte Diagonalverlagerungen auf die ballferne Seite, um den Flügelspielern mehr Zeit im 1‑gegen‑1 gegen die eingesetzten ballfernen Flügelverteidiger der Eintracht zu verschaffen beziehungsweise direkt Tiefe in die Box zu erzeugen.

Tendenziell waren diese Zuspiele jedoch etwas unsauber, wodurch vor der Halbzeit einige Ping-Pong-Situationen rund um das Zentrum vor der Frankfurter Box bei den tiefen Frankfurter Achtern entstanden. Liverpool hatte hier durchaus leichte Gegenpressingprobleme, konnte diese jedoch durch gutes, kollektives Rückwärtspressen und notfalls taktische Fouls meist entschärfen.

Zur Halbzeit brachte Arne Slot Chiesa für Isak, gleichzeitig sah man nun zunehmend einen klareren Dreieraufbau aus einem klareren 3‑5‑2 mit leichten Anpassungen. Die Schienenspieler Robertson und Bradley agierten in der Breite nun tiefer in ihrer Grundposition. Die klare Intention dahinter war offenbar, die Flügelverteidiger direkter in die Breite zu ziehen und anschließend Räume im Halbraum für die eingerückten Flügelspieler Wirtz und Gakpo zu öffnen. Weiterhin waren die diagonalen Ausbrechbewegungen – als Connector zwischen Halb- und Schienenspieler – von Wirtz und Jones sichtbar, gerade Wirtz auf der rechten Seite fiel hierbei auf. So kippte er beim Ballspiel Konaté aus und suchte relativ schnell das Abspiel auf Bradley, um anschließend im Spiel & Gehen den Raum zwischen Brown und Theate zu bespielen.

Liverpool in HZ2

Allgemein tat sich die Eintracht auch in der zweiten Halbzeit sehr schwer, die Abkippbewegungen aus der letzten Linie heraus vor den zweiten Block konsequent zu übergeben beziehungsweise eng zu verfolgen. Dadurch ergaben sich immer wieder 2‑gegen‑1‑Überzahlsituationen für Liverpool in der Breite. Tendenziell schob zwar Theate etwas heraus, konnte dadurch jedoch keinen Druck auf Wirtz ausüben. Vielmehr öffnete er dadurch häufig Räume im Rücken, die gerade Chiesa immer wieder suchte, um direkt tief von beispielsweise Konaté angespielt zu werden.

Zunehmend sah man auch direkte Diagonalbälle auf durchschiebende Schienenspieler, die durch die leicht tiefere Grundposition im Tiefenlauf einen gewissen Dynamikvorteil gegenüber den Frankfurter Flügelverteidigern hatten (gerade Brown hatte gegen Bradley hier Probleme), sodass diese Bälle durchaus tief ankommen konnten. Tendenziell bestand jedoch weiterhin das Problem, dass man kaum in die Box fand.

Von Frankfurt selbst kam nur noch wenig. Bis auf einzelne Aktionen nach Ballgewinnen, die nicht direkt mit einem Konter ausgespielt werden konnten, entwickelte sich wenig. Vielmehr zeigte sich die Eintracht auch nach diesen kurzen Phasen höheren Ballbesitzes anfällig für Gegenkonter seitens Liverpool. Dies lag vor allem daran, dass die Achter weiterhin sehr hoch agierten und der Raum vor der 1‑2‑Restsicherung kaum abgesichert war. Die schnellen Stürmer, insbesondere Ekitiké, sowie der dribbelstarke Chiesa suchten diesen Zwischenlinienraum im Restangriff konsequent.

Fazit

Das 4:1 entstand aus einem Ballgewinn von Liverpool, nachdem sich Szoboszlai im Achterraum mit einem Dribbling lösen konnte und Wirtz tief im Zwischenraum zwischen Brown und Theate den Ball erhielt. Gakpo schob aus dem Raum vor den Frankfurter Achtern durch auf den zweiten Pfosten, im toten Winkel von Koch und Keeper Zetter, und schloss ein. (Der „tote Winkel“ des Torwarts ist ein häufig unterschätzter Bezugspunkt für Stürmer.) Das 5:1 war schließlich ein Fernschuss von Szoboszlai nach einer horizontalen Ablage aus der Breite in den Rückraum. Solche Ablagen kamen im Spiel sehr oft vor, wurden aber bisher nie konsequent abgeschlossen.

Insgesamt war es ein durchaus interessantes Spiel, das erwartbar, aber auch zäh verlief. Frankfurt muss sich gerade gegen den Ball deutlich verbessern und an der Aktivität arbeiten, um in den kommenden Wochen, insbesondere gegen Topteams, wieder in die Spur zu finden. Liverpool hingegen konnte wichtige Punkte für die Moral mitnehmen. Man zeigte durchaus Verbesserungspotenzial, aber auch weiterhin Fehleranfälligkeit. Tendenziell war es ein dankbares Spiel für Slot und Liverpool.

MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübersachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst. 

 

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