Ajax fehlt die Spielkontrolle – MX
Ajax Amsterdam hatte gegen AZ Alkmaar Probleme im Aufbauspiel und verlor darüber im Laufe der Partie die Kontrolle über das Spiel – am Ende setzte es eine 0:2-Niederlage gegen die Shootingstars aus Nordholland.
Ajax tat sich bereits vor der Länderspielpause mit einem 3:3 gegen Sparta Rotterdam durchaus schwer. Der unter Druck stehende Johnny Heitinga setzte jedoch wie gewohnt auf eine 4-2-3-1-Grundordnung gegen AZ: Jaros stand im Tor, davor bildeten Sutalo und Baas das Innenverteidigerduo, während Rosa und Gaaei die Außenverteidigerpositionen besetzten. Auf der Doppelsechs agierten Mokio und Taylor, Gloukh übernahm die Rolle des Zehners. Edvardsen und Godts bespielten die Flügel, im Sturmzentrum begann Weghorst. Die Gäste aus Alkmaar traten unter Trainer Maarten Martens in einer 4-3-3-Grundordnung an. Owusu hütete das Tor, davor verteidigten Penetra und Goes zentral, flankiert von de Wit und Kasius auf den Außenbahnen. Im Mittelfeld agierte Smit als Sechser, während Mijnans und Koopmeiners halbräumig davor positioniert waren. Auf den Flügeln starteten Jensen und Patati, im Zentrum stürmte Parrott.
Das Spiel hätte im Rückblick auch einen völlig anderen Verlauf nehmen können: Nach einer langen Anstoßausführung über Keeper Jaros landet der Ball nach einem Lupfer von Gloukh über mehrere Stationen hinweg beim durchstoßenden Taylor, der schließlich ins Netz trifft – doch die vermeintliche Führung zählt aufgrund einer Abseitsstellung nicht. Im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit verliert Ajax trotz rund 62 % Ballbesitz zunehmend die Spielkontrolle und liegt zur Pause mit 0:2 zurück – Zeit also, einen genaueren Blick auf das Spielgeschehen zu werfen.
Ajax im 3-1-Aufbau
Die Heimelf von Heitinga formierte sich im höheren Aufbau zunächst aus einer 3-1-Struktur heraus. Der nominelle Außenverteidiger Rosa ließ sich dabei zumeist als linker Halbverteidiger neben Baas in die erste Aufbaulinie fallen, während der rechte Außenverteidiger Gaaei häufiger höher und breiter agierte. Dadurch entstand eine gewisse positionelle Asymmetrie im Spiel von Ajax: Auf der rechten Seite war die Breite durch Gaaei und Flügelspieler Edvardsen doppelt besetzt, während links meist Godts alleine für die Breite sorgte, da Rosa situativ in die Halbräume einrückte.
Im linken Halbraum agierte zudem Taylor, der im Laufe der Partie immer wieder mit Rosa rotierte. Dabei übernahm Taylor phasenweise die Rolle eines linken Halbverteidigers, während Rosa situativ als linker Halbraumzehner agierte. Durch diese Rochaden entstand eine flexible Staffelung, die Ajax auf dieser Seite zusätzliche Dynamik verlieh. Die Zehner rückten aufgrund der zunächst nur einfach besetzten Breite immer wieder diagonal nach außen, wodurch die Flügel eher dynamisch doppelt besetzt wurden. Auf der rechten Seite agierte Halbraumzehner Gloukh hingegen etwas eingerückter: Da die Breite hier ohnehin systematisch doppelt besetzt war, schob er seltener diagonal nach außen und hielt seine Grundposition insgesamt dementsprechend zentraler. Somit zeigte sich auch zwischen den beiden Zehnern eine deutliche Asymmetrie in den Positionsprofilen.
Relativ früh zeigte sich aus Ajax’ Sicht ein strukturelles Problem mit der doppelt besetzten rechten Seite. Durch die hohe Positionierung von Gaaei war der Pressingweg des links außen agierenden Jensen auf den Außenverteidiger vergleichsweise kurz, wodurch dieser ihn im Anlaufen schnell diagonal anlaufen und zugleich die Passoptionen ins Zentrum isolieren konnte. Gleichzeitig hielt Jensen seine Mannorientierung auf den rechten Halbverteidiger Sutalo eng, sodass dieser Gaaei nur selten sauber anspielen konnte. In der Folge konnte sich Gaaei häufig nicht aufdrehen und somit auch Flügelspieler Edvardsen kaum in Eins-gegen-eins-Situationen bringen. Stattdessen suchte er durchaus oft aus halboffener Stellung den langen Ball auf Weghorst, der sich an diesem Tag jedoch sowohl im Wandspiel als auch in der Luft schwer tat und lediglich zwei seiner fünf Duelle gewann – dadurch verlor Ajax durchaus an Kontrolle über das Spiel.

Ajax im 3-1-Aufbau gegen das Mittelfeldpressing von AZ
Zudem wurde Halbverteidiger Sutalo diagonal von Stürmer Mijnans angelaufen, wodurch der Passweg ins Zentrum gen Sechser Mokio und Zehner Gloukh weitgehend isoliert blieb. Der zweite Stürmer, Parrott, orientierte sich mannorientiert an mittleren Innenverteidiger Baas, während der ballferne Flügelspieler Patati parallel dazu Rosa enger zustellte. In der Folge tat sich Ajax schwer, innerhalb der Dreierkette drucklösend quer zu spielen. Baas ließ sich deshalb mehrfach weit zurückfallen, um sich aus Parrotts Markierung zu lösen. Dadurch musste Ajax nach jenen Querpässen insgesamt mit der Dreierkette tiefer aufbauen, was die gesamte 3-1-3-3-Staffelung in den Vertikalabständen auseinanderzog. Die Passwege verlängerten sich, die Abstände zwischen den Linien wuchsen – und damit verlor Ajax an Kontrolle in der Zirkulation.
Ajax gewichtet schnell (um)
Das hatte zur Folge, dass Ajax den Spielaufbau zunehmend über die linke Seite lenkte – angetrieben vom zentralen Innenverteidiger Baas, der weitgehend als Lenker des Aufbauspiels fungierte. Auf dieser Seite ergaben sich gegen das 4-2-4- beziehungsweise 4-4-2-Pressing von AZ strukturelle Vorteile: Flügelspieler Patati lief meist vertikal den linken Halbverteidiger an, startete dabei jedoch aus einer etwas tieferen Grundposition. Dadurch war sein Pressingweg deutlich länger als der seines Pendants (Stürmer) Mijnans auf der rechten Seite. Mit diesem vertikalen Pressingwinkel konnte Ajax den Ball immer wieder auf den Flügel verlagern. Häufig suchte Baas auch den direkten Ball auf Godts – ermöglicht wurde jener direkter Pass durch die tiefere Ausgangsposition Patatis.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sich die Asymmetrie auch in den Spielertypen auf den Flügeln widerspiegelte: Godts ist als inverser Flügelspieler mit starkem rechten Fuß auf der linken Seite positioniert, während Edvardsen als klassischer, geradliniger dribbelstarker Flügel mit ebenfalls starkem rechten Fuß die rechte Seite bespielte. Entsprechend wurde Godts im Aufbau häufig in den offenen Fuß angespielt. Gerade das direkte Zuspiel auf einen inversen Flügelspieler kann gegen eine Viererkette interessante Dynamiken erzeugen, da durch das Abkippen im Halbraum oft Räume durch das Herausverteidigen des gegnerischen Außenverteidigers – in diesem Fall Kasius – entstehen.

Godts mit Horizontalproblemen
Zudem kippte der linke Halbraumzehner regelmäßig beim Ballspiel auf Godts mit ab, um synchron den Innenverteidiger Goes herauszuziehen und den Passweg auf Stürmer Weghorst oder Zehner Gloukh in die Tiefe zu öffnen. AZ reagierte darauf jedoch sehr stabil: Achter Koopmeiners verfolgte die Abkippbewegungen im Halbraum mannorientiert, während Goes raumorientiert in der Viererkette verblieb und so sowohl die Tiefe als auch den Passweg auf Weghorst oder den durchstoßenden Gloukh absicherte.
Zwar wirkten die entgegengesetzten Bewegungen der durchschiebenden Halbverteidiger durchaus dynamisch, jedoch erfolgten diese Läufe häufig zu diagonal, sodass sie genau in den Raum zwischen Koopmeiners und Kasius gerieten – und dort praktisch nicht anspielbar waren. Dadurch fehlten Godts oft die drucklösenden Optionen: Das Zentrum war durch die hohen Bewegungen von Zehner Gloukh und die zu tiefen Freilaufbewegungen von Mokio blockiert, der zudem eng vom ballfernen Stürmer verfolgt wurde. So wurde Godts immer wieder ins Zentrum gedrängt und musste dort das Dribbling suchen – grundsätzlich ein Element seines Profils, in dieser Situation aber problematisch. Denn er lief sich regelmäßig im Dreieck aus Patati, Kasius und Koopmeiners fest und konnte sich in diesen kleinräumigen Szenen kaum progressiv befreien. Einzig die durchaus proaktiven Aufrückbewegungen vom ballfernen Halbverteiidger Sutalo ermöglichten es Godts, dass er sich aus der Ballung löst, tendenziell wäre es durchaus spannend gewesen, wenn sich Sutalo mal ins Zentrum einschiebt, was eben bis dato sehr unerbersetzt war.
An dieser Stelle lässt sich durchaus diskutieren, inwieweit Godts selbst zu seiner teils unglücklichen Lage beitrug. Um für Baas direkt anspielbar zu sein und sich aus dem Deckungsschatten von Patati zu lösen, ließ er sich häufig tiefer fallen. Diese tiefere Grundposition führte jedoch dazu, dass seine inversen Laufwege vermehrt im Mittelfeld anstatt in höheren Zonen stattfanden – also dort, wo die Abstände zu Weghorst und Gloukh größer waren und die Anbindung über Diagonalspiel vor die Verteidigungslinie (bspw. Weghorst im Wandspiel) über das Ausrücken der Alkmaarer Achter weitgehend isoliert blieb. Dementsprechend hatte diese Höhenanpassung zwar den positiven Effekt, dass Godts grundsätzlich anspielbarer wurde, die Spielwirkung seiner Positionierung war jedoch eher negativ. Zudem lässt sich grundsätzlich auch die Notwendigkeit der konstanten Inversität kritisch hinterfragen: Zwar verteidigte Außenverteidiger Kasius immer wieder heraus, suchte aber nicht konsequent den direkten Kontakt. Godts hätte sich in diesen Momenten also durchaus aufdrehen und das direkte Eins-gegen-eins suchen und dann über den im Halbraum durchschiebenden Halbverteidiger Tiefe generieren können.
Mokio ausbrechend

Mokio fehlt die zentrale Anbindung
Nach rund 15 Minuten fand Sechser Mokio im Freilaufverhalten eine typische Lösung gegen das 4-4-2/4-2-4-Pressing von AZ. Er löste sich beim Ballspiel der Halbverteidiger immer wieder diagonal aus dem Deckungsschatten der beiden Stürmer, positionierte sich leicht versetzt zwischen ihnen und wurde so über das zentrale Abkippen anspielbar. Dank seiner Agilität konnte er sich mehrfach aufdrehen und in Richtung Zentrum andribbeln, da die Stürmer von AZ ihn nur noch von hinten anlaufen konnten.
Das Problem lag anschließend jedoch in den fehlenden Anschlussoptionen: Die beiden Halbraumzehner Taylor und Gloukh wurden von den Achtern Alkmaars weitgehend isoliert, wenn sie sich zentral anboten, und standen Mokio zudem häufig im Raum, sobald dieser nach vorne andribbelte. Mokio tat sich in diesen Situationen schwer, den Ball frühzeitig unter Druck weiterzuleiten. Wenn sich Taylor und Gloukh stattdessen breiter positionierten, um Räume im Halbraum zu öffnen, wurden sie von den ballnah einrückenden Außenspielern konsequent zugestellt – wodurch die tiefen, diagonalen Verbindungen aus Mokios Andribbeln weitgehend unterbunden blieben.

Lösungsansatz
Gleichzeitig fehlten von Weghorst im Sturmzentrum weitgehend die nötigen Freilaufbewegungen, um sich aktiv für das Wandspiel anzubieten. Durch diese fehlende Aktivität tat sich Mokio schwer, solche Verbindungen überhaupt zu suchen. Das ist insofern bedauerlich, als über die beiden Halbraumzehner eigentlich eine gute strukturelle Grundlage bestanden hätte, um über Weghorst als Wandspieler Ablagen auf Taylor oder Gloukh zu finden und so Progression sowie Tiefenverbindungen hinter die gegnerischen Achter zu erzeugen – Räume, die Ajax bis dahin kaum bespielen konnte.
Generell stellten die Achter Koopmeiners und Smit von AZ für Ajax eine wiederkehrende Problemzone dar, insbesondere im Zusammenhang mit Mokios Andribbeln. Beide rückten diagonal (dadurch isolierten sie zudem auch Diagonalpassoptionen in die Breite auf bspw. durchschiebende Flügelspieler) ein und bildeten situativ eine Überzahl gegen den Ballführenden, wodurch Mokio unter starkem Druck geriet und vertikale Progression kaum möglich war. Allerdings lösten die beiden Achter dabei ihre Mannorientierungen auf die Halbraumzehner situativ auf – ein potenzielles Schwächemoment im Pressingsystem von AZ. Ajax konnte diesen Umstand jedoch nicht nutzen, da Mokio häufig den Moment des Abspiels verpasste und es so versäumte, Gloukh oder Taylor in vorteilhaften Dribbelpositionen einzusetzen. Infolge verlor Ajax mehrmals nach Dribblings von Mokio den Ball zentral.
Gaaei agiert zu hoch
Interessant ist dabei auch, dass Mokio nach mehreren Ballverlusten zunehmend an Vertikalität verlor: Er drehte kaum noch auf, sondern ließ den Ball infolge der gegnerischen Ausbrechmuster meist nur prallen. Dadurch musste Ajax erneut versuchen, den Aufbau stärker über die Halbverteidiger zu strukturieren – was sich jedoch als durchaus problematisch erwies, insbesondere für den rechten Halbverteidiger Sutalo.

Gaaei passt sich an und agiert (zu) hoch; Taylor sucht diagonale Abkippbewegungen (mehr unten)
Das lag vor allem daran, dass Gaaei nach seinen anfänglichen Schwierigkeiten gegen Jensens diagonale Pressingwinkel im Verlauf der Partie immer höher agierte. Dadurch wurde jedoch der Passwinkel von Sutalo auf Gaaei so spitz, dass dieser praktisch nicht mehr anspielbar war. Die ursprüngliche Intention, Jensen durch flaches Überspielen zu umspielen, kehrte sich somit ins Gegenteil: Sutalo wurde vielmehr isoliert.Der Kroate war folglich auf unterstützende Bewegungen aus dem Halbraum angewiesen, die nach rund einer halben Stunde auch vermehrt kamen. Allerdings arbeiteten die Achter von AZ weiterhin sehr aktiv mit und verfolgten die Freilaufbewegungen der Halbraumzehner eng, sodass sich diese kaum aufdrehen konnten. Da Gaaei zudem sehr hoch stand (dadurch Horizontaloptionen fehlten), Mijnans den Rückpassweg auf Sutalo konsequent isolierte und Mokio von Parrott mannorientiert gedeckt wurde, führten diese Ballbesitzmuster im Halbraum kaum zu echter Entlastung oder Progression.
Grundsätzlich lag das zentrale Problem bei Gaaei darin, dass zwar Edvardsen im rechten Halbraum immer wieder einrückte und dadurch Linksverteidiger De Wit mit sich zog – was wohl dazu dienen sollte, über Gaaei in der Breite ein 2-gegen-1 herzustellen –, diese Struktur aber kaum zur Wirkung kam. Denn Jensen ließ sich im Pressing wiederholt tiefer fallen und isolierte dadurch den diagonalen Passweg von Sutalo in die Breite, sodass die angedachte Überzahl praktisch nicht bespielbar war.
In der Folge sah man zunehmend wieder Rückzirkulationen der Halbverteidiger auf Baas. Dadurch schob der ballferne Außenspieler Patati konsequent auf den Halbverteidiger Rosa heraus, während Parrott Druck auf Baas machte. Ajax musste sich so wieder mit der ersten Aufbaulinie mehrmals tiefer fallen lassen, die Aufbauhöhe sank merklich – und der Druck von AZ nahm wieder phasenweise deutlich zu.
Rotierende Halbraumzehner als Schlüssel?
Interessant ist zudem, dass ab Mitte der ersten Halbzeit Gloukh und Taylor wiederholt die Seiten tauschten. Grundsätzlich wirkte diese Anpassung durchaus sinnvoll: Auf der linken Seite fehlte zuvor ein unterstützender Spielertyp, der aus horizontalen Anschlussbewegungen trotz unmittelbaren Gegendrucks im 1-gegen-1 auflösen kann – eine Qualität, die Gloukh zweifellos mitbringt. Umgekehrt ist Taylor ein Spieler, dem das Abkippen und Ballabschirmen liegt, auch wenn sein progressives Passspiel gewisse Limitierungen aufweist. Damit entsprachen die jeweiligen Profile im Prinzip genau den Anforderungen der beiden Seiten. In der Umsetzung stellte sich die Rochade jedoch nicht als nachhaltige Lösung heraus:
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Halbraumzehner rotieren: Gloukh als Lösung für Godts Horizontalproblem?
Gloukh: Wie bereits beschrieben, definiert er seine Rolle als rechter Halbraumzehner eher aus einer zentralen Grundposition heraus – und auch nach Rotationen blieb diese Ausrichtung weitgehend bestehen. Das hatte jedoch zur Folge, dass er sich bei den inversen Dribblings von Godts häufig nur horizontal in den Halbraum freilaufen konnte, was für den ballführenden Godts eine zu große Distanz für ein sauberes Anspiel ins Zentrum bedeutete. Zudem positionierte sich Gloukh phasenweise etwas zu tief, sodass er für Godts meist nur diagonal rückwärts anspielbar war – eine suboptimale Option im Kontext eines Dribblings innerhalb einer engen Ballung.
Darüber hinaus bewegte er sich durch seine halbräumige Positionierung in einem Zwischenraum zwischen den beiden Achtern und den beiden Stürmern von AZ, wodurch eine kleinräumige Ballung um Gloukh herum entstand. Wäre er in diesen Zonen angespielt worden, hätte AZ sofort mit Rückwärtspressing der Stürmer und nachschiebenden Achtern reagiert, was Gloukh kaum Handlungsspielraum im Anschluss verschafft hätte.
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Taylor: Zwar öffnete sich durch die tiefere Position des Alkmaarer Flügelspielers Jensen im Halbraum – begünstigt durch das Aufschieben von Außenverteidiger Gaaei – situativ Raum für diagonale Abkippbewegungen von Taylor im rechten Halbraum. Das enge und konsequente Nachschieben von Achter Smit sorgte jedoch dafür, dass diese Bewegungen zu isoliert blieben, um den kurzzeitig entstehenden Raumvorteil tatsächlich nutzen zu können. Gerade gegen das enge Verfolgen hatte Taylor erhebliche Schwierigkeiten, sich aufzudrehen und den Vertikalpass in die Breite zu suchen. Hinzu kam, dass beim Ballspiel über den rechten Halbraum häufig die unterstützende Höhenanpassung von Gaaei in der Breite fehlte, wodurch Taylor aus dem Abkippen heraus eine drucklösende Anschlussoption nach außen weitgehend verlor.
Das führte jedoch in der Verteidigungslinie von AZ durchaus zu kleineren Problemen: Durch das Aufrücken von Penetra öffnete sich hinter ihm ein Laufweg für Weghorst, der diese Diagonalläufe in den Rücken des Innenverteidigers mehrfach suchte und teilweise auch über längere Zuspiele eingebunden wurde. Aufgrund von Penetras Vorstößen musste zudem Goes seine Mannorientierung auf Weghorst enger fassen, was wiederum den Zwischenraum zwischen ihm und Rechtsverteidiger Kasius vergrößerte. Gerade dieser Raum im Halbraumhinterfeld wurde von Godts immer wieder über Läufe in die Tiefe attackiert – grundsätzlich also eine sinnvolle Option, um die Zwischenräume in den Rücken der Alkmaarer Abwehrlinie zu nutzen.
Allerdings konnte Ajax aus diesen Ansätzen kaum Profit schlagen: Nach langen Zuspielen verkleinerte AZ die Abstände in der Verteidigungslinie sehr schnell und stellte die anvisierten Empfänger konsequent in Unterzahlsituationen. Außen- und Innenverteidiger rückten jeweils auf den Ballführenden: Besonders Godts hatte dadurch große Schwierigkeiten, die hohen Zuspiele auf der linken Seite zu verarbeiten – im 1-gegen-2 gegen Kasius und Goes blieb ihm kaum Raum zur Kontrolle oder Weiterleitung des Balls, sodass aus diesen Aktionen letztlich nur wenig Gefahr entstand. Zudem schoben die Achter von AZ sehr gut mit der Verteidigungslinie nach, wodurch sie mehrfach den zweiten Ball sichern konnten. Das war insbesondere deshalb effektiv, weil sich Weghorst bei langen Zuspielen auf Godts häufig in den Zwischenlinienraum vor der Verteidigungslinie fallen ließ, um als Wandspieler oder zur Sicherung des zweiten Balles zu agieren – dort aber meist von den nachrückenden Achtern eng aufgenommen wurde. Nur vereinzelt gelang es ihm, diese Zuspiele festzumachen oder den zweiten Ball kontrolliert weiterzuleiten.
Weghorst als Allheilmittel?
Apropos Weghorst und lange Bälle: Gerade im tiefen Aufbauspiel – insbesondere nach Abstößen – suchte Ajax aus einer 2-3-2-3-Struktur (4-3-3) heraus regelmäßig den langen Ball über Torhüter Jaros, der über eine bemerkenswert präzise Zuspielqualität im langen Bereich verfügt. Ziel war meist Weghorst als Wandspieler im Zwischenlinienraum. Systematisch vorbereitet wurde dieses Muster dadurch, dass die Innenverteidiger Goes und Penetra bei AZ sehr breit auffächerten. Dadurch sollten die Bogenläufe der beiden AZ-Stürmer maximal gestreckt werden, um Jaros am Ball mehr Zeit für die Ausführung zu verschaffen – was in der Praxis durchaus funktionierte.

Ajax im tiefen Aufbau mit klaren Fokus auf Wout Weghorst
Die im Aufbau tiefer agierenden Achter Taylor und Gloukh positionierten sich auffällig tief, um die gegnerischen Achter aus dem Raum vor der Verteidigungslinie herauszuziehen und so den Zwischenlinienraum für Weghorst zu öffnen – was zunächst auch gut aufging. Problematisch wurde dieses Muster jedoch, als sich die Achter von AZ im Laufe der Partie zunehmend wenig beeinflusst von den prophylaktischen Abkippbewegungen der Amsterdamer zeigten. Da Ajax die langen Zuspiele ohnehin fast immer forcierte, verzichteten die Gäste bald darauf, diese Bewegungen mitzugehen, und sicherten stattdessen in der „blauen Zone“ (= Zwischenlinienraum vor Verteidigungslinie) konsequent die zweiten Bälle. Dadurch verlor Weghorst zunehmend an Effektivität im Luft- und Wandspiel – auch, weil Penetra die meisten direkten Luftduelle für sich entschied.
Zudem ergab sich ein weiteres strukturelles Problem: AZs Tiefensicherung – meist durch Goes und De Wit – blieb initial raumorientiert im Halbraum und rückte nicht eng auf die tiefer agierenden Flügelspieler Godts und Edvardsen heraus. Dadurch konnten sie die Tiefe kontrollieren und etwaige Weiterleitungen von Weghorst frühzeitig abfangen. Da die Flügelspieler von Ajax stark auf das Nachschieben in die Tiefe fokussiert waren, fehlte es in den Anschlussräumen zunehmend an horizontalen Anbindungen für Ablagen aus dem Wandspiel. Selbst wenn Weghorst also den Ball unter Druck behaupten konnte, blieben ihm aufgrund der engen Rückwärtsbewegung der AZ-Achter kaum Weiterleitungsmöglichkeiten – weder horizontal noch diagonal auf bspw die nachschiebenden Achter. Die gesamte Mechanik des langen Aufbaus verlor dadurch an Durchschlagskraft und Ajax verlor sehr viele Bälle nach dem langen Auslösen.
Amsterdams Restsicherungsproblem
Tendenziell konnte Ajax durchaus von Glück sprechen, dass aus den zahlreichen Ballverlusten – sowohl nach langen Bällen im höheren Aufbauspiel als auch nach Abstößen – keine gefährlichen Konterchancen für AZ entstanden. In der 2-1/2-0-Restverteidigung zeigten sich nämlich deutliche Problemzonen: Zum einen schob Sechser Mokio im Verlauf der Angriffe häufig weit mit nach vorne, wodurch vor der Abwehrlinie ein großer Zwischenlinienraum entstand. Restangreifer Parrott besetzte diesen regelmäßig und diente nach Ballgewinnen als sofortige vertikale Anspielstation, über die sich AZ mehrfach drucklösend befreien konnte – aus Ajax’ Sicht ein klarer Risikoherd.
Zum anderen rückte der ballnahe Halbverteidiger im Aufbau häufig weit nach vorne oder schob selbst in den Zwischenlinienraum durch. Dadurch öffnete sich neben dem zentralen Innenverteidiger im Halbraum immer wieder ein diagonal bespielbarer Korridor, den der zweite Stürmer (Mijnans) oder situativ auch Patati konsequent anliefen. So hatte Parrott nach Ballgewinnen häufig eine direkte Ablageoption, um sofort Tiefe zu erzeugen.
Diese Umschaltmuster funktionierten phasenweise sehr gut, und AZ kam darüber mehrmals ins letzte Drittel. Allerdings fehlte den Alkmaarern nach der Balleroberung oft das Tempo, um die Chance konsequent auszuspielen – vor allem, weil Ajax’ Halbverteidiger im 1-gegen-1 sehr stabil agierten und die Tiefenläufe mehrfach entscheidend in die Breite abdrängen konnten. Sutalo nahm dabei insbesondere die Tiefenläufe – vorbereitend zum Ablagenspiel – von Mijnans (und teils Jensen) frühzeitig auf und verhinderte so, dass er in der Tiefe direkt auf den Torhüter zulaufen konnte.
Tendenziell lösten sich die Tiefenläufer von AZ zudem etwas zu spät oder agierten im Restangriff zu eng, sodass sie zu nah an den Ajax-Halbverteidigern blieben. Trotz des Dynamiknachteils konnte Ajax die Aktionen dadurch zumindest verzögern, bis das defensive Nachschieben die Räume wieder schloss. Allgemein zeigte sich ein strukturelles Problem bei AZ: Im Mittelfeldpressing waren die Abstände im Nachschieben aus der zweiten Linie nach Ballgewinnen etwas zu groß. Dadurch fehlte die unterstützende Präsenz im letzten Drittel und rund um den Strafraum, sodass die direkten Duelle häufig isoliert stattfanden – was angesichts der individuellen Nachteile in Sachen Qualität eher suboptimal war.
Fazit
Es fiel zwar kein Tor aus diesen Umschaltszenen, doch sie trugen entscheidend zum Verlust der Spielkontrolle bei Ajax bei. Immer wieder musste der Rekordmeister gegen die Spielrichtung reagieren, 1-gegen-1-Duelle nach Umschalten verteidigen und den Ball sichern. Grundsätzlich lässt sich diskutieren, inwieweit diese Szenen von AZ dazu beitrugen, dass Ajax sein Spiel konservativer gestaltete: Gerade nach den Kontern rund um die Mitte bis zum Ende der ersten Halbzeit und nach dem ersten Gegentor agierte Ajax zunehmend vorsichtiger und defensiver im Ballbesitz – obwohl man zurücklag. Davon profitierte AZ spürbar: Man führte nach 42 Minuten mit 2:0.
Auch nach der Halbzeit änderte sich an dieser Lage kaum etwas; Ajax agierte eher noch passiver, was sich auch in den zunehmend ausgeglicheneren Ballbesitzwerten widerspiegelte. Immer wieder musste man den Weg aus dem höheren Aufbau zurück zu Jaros suchen, der weiterhin häufig auf Weghorst lang auslöste. Dieser hatte in der Luft individuelle Probleme, wodurch Ajax gruppentaktisch beim Nachschieben gefordert war.
In den letzten 30 Minuten gestaltete sich das Spiel insgesamt tendenziell ausgeglichen: AZ presste zwar zunehmend in einem tieferen Mittelfeldpressing, doch Ajax fand bisweilen – unter ähnlichen Problemen wie zuvor – kaum Wege in die Tiefe oder in Dribblings im Halbraum. Abgesehen von einzelnen Mustern über durchschiebende Halbverteidiger fehlte den Hauptstädtern weitgehend die Dynamik.
Klaasen auf der Sechs brachte zwar ab der 58. Minute zunächst etwas mehr Spielkontrolle, da er ballsicherer als Mokio agierte. Dennoch konnte er aufgrund seines Bewegungskomplexes kaum im Sechserraum aufdrehen und das Dribbling suchen. Ajax zeigte damit weiterhin eher ein konservatives Kurzpassspiel, wodurch progressives Passspiel aus dem Zentrum fehlte. Die fehlende Dynamik führte wiederum zu mehr langen Bällen und damit zu weiteren Umschaltszenen für AZ, die über die Dribblings der Tiefenspieler weiterhin Nadelstiche setzen konnten – mehrmals endete dies in Frustfouls von Ajax.
Ajax Amsterdam befindet sich mit der 0:2-Niederlage in einer Krise. Gerade im Hinblick auf das in Amsterdam heilige Ballbesitzspiel muss man sich um die Mannschaft durchaus Sorgen machen, denn AZ schaffte es mit vergleichsweise kleinen Kniffen, die Säulen des Aufbaus und die Stabilität der Amsterdamer ins Wanken zu bringen. Alkmaar präsentiert sich zunehmend als Shootingstar der Liga – ein detaillierter Blick auf dieses Team wird sich lohnen. More to come.
MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübersachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst.
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