Leipzig provoziert Dortmunds Aufdrehprobleme – MX

Ein taktisch spannendes Duell zwischen den beiden Verfolgern aus Dortmund und Leipzig endet mit 1:1. Beide Teams zeigten gute Leistungen, doch am Ende fehlte beiden noch das letzte Quäntchen zur vollständigen Zufriedenheit.

Die Grundformationen

Die Schwarz-Gelben, die in ihrer 3-4-2-1-Grundordnung im Vergleich zum 4:1-Sieg in der Champions League gegen Athletic Bilbao auf vier Positionen rotierten – Schlotterbeck, Yan Couto, Beier und Nmecha ersetzten Süle, Ryerson, Bellingham und Chukwuemeka (alle auf der Bank) – trafen auf RB Leipzig. Die Sachsen reisten nach ihrem 1:0-Erfolg über den VfL Wolfsburg an, allerdings ohne Beteiligung am europäischen Wettbewerb, und stellten sich im Westfalenstadion aus einer 4-3-3-Grundordnung heraus.

Dortmund sucht die Schienenspieler

Mit leichten Vorteilen im Ballbesitz auf Seiten von Borussia Dortmund in der ersten Halbzeit sah man die Gäste wie gewohnt aus einem 4-1-2-3-Mittelfeldpressing heraus agierten. Die aktive Pressingauslösung erfolgte dabei meist über Mittelstürmer Romulo, der mannorientiert auf Schlotterbeck anlief und dabei einen vertikalen Pressingwinkel wählte. Bereits in den ersten Mustern des Mittelfeldpressings traten jedoch Probleme zutage. Zum einen implizierte die bewusste Wahl des Mittelfeldpressings mit der ersten Pressinglinie auf Höhe des Mittelkreises, dass die Pressinghöhe von der Aufbauhöhe der Dortmunder etwas losgelöst war. Dadurch wurde Romulos Anlaufweg auf Schlotterbeck häufig zu lang, sodass kaum effektiver Druck entstand. Gerade vertikale Pressingwinkel über größere Distanzen verlieren an Durchschlagskraft, da das „Durchpressen“ nicht mehr konsequent greifen kann.

Zum anderen isolierte dieser vertikale Winkel nicht den direkten Diagonalpassweg auf die Schienenspieler, den Dortmund bewusst immer wieder nutzte. Eigentlich möchte RB mit dem Anlaufwinkel des Mittelstürmers erzwingen, dass der Ball quer auf den Halbverteidiger gespielt wird, um anschließend aggressiv über die Außenstürmer durchpressen zu können. Über das Prinzip „don’t play horizontally“ umging der BVB jedoch diesen Mechanismus und entzog so Leipzigs Intensitätselement seine Wirkung. Gleichzeitig agierten die Halbverteidiger des BVB in dieser Partie außergewöhnlich eng, wodurch die Leipziger Außenstürmer stärker gebunden wurden. Auf diese Weise öffnete sich zudem der direkte Diagonalpassweg von Schlotterbeck in die Breite, den Dortmund immer wieder konsequent bespielte.

Leipzig im 4-1-2-3-Mittelfeldpressing

Gerade auf der rechten Seite wurde dies zunehmend zu einem großen Problem für die Gäste: Durch das breite Agieren von Adeyemi konnte Raum – anders als in der Systematik normalerweise vorgesehen – nicht direkt auf Schienenspieler Yan Couto vorrücken, sodass dieser zeitweise ohne Gegenspieler agierte. Meist musste Nusa diagonal zurückpressen, um Couto zu decken, doch der Druck von hinten auf den Spanier blieb gering, sodass dieser häufig das Dribbling suchen konnte. Das Tempo in diesen Mustern war dabei entscheidend, um die Überzahl in der Breite zu nutzen. Zu Beginn der Partie tat sich Couto noch etwas schwer, wodurch auch kaum Verbindungen zu Adeyemi in die Tiefe entstanden. Auch der Deutsche zeigte in seinen Laufwegen kleinere Probleme: Er schob vornehmlich diagonal in den Halbraum, konnte aber von Lukeba übernommen werden, sodass sich die Überzahl automatisch auflöste. Positiv aus Sicht der Borussen ist jedoch hervorzuheben, dass Sabitzer sich immer wieder gut ballnah von Baumgartner lösen konnte – der sich teils etwas zu sehr ballorientiert fallen ließ – und dadurch drucklösend für Couto anspielbar war.

Grundsätzlich ließe sich an dieser Stelle auch die Rolle von Sechser Seiwald diskutieren. Vor allem durch seine Mannorientierung halbrechts auf Beier – der als Zehner in der Grundposition meist eingerückt agierte – entstand indirekt eine Unterzahl auf der linken Außenbahn. Gleichzeitig zeigte sich die Stärke dieser Orientierung: Spielte Schlotterbeck auf Svensson, schob Beier diagonal aus dem Zentrum direkt in den Halbraum in die Tiefe bzw. in den Zwischenraum zwischen Baku und Orban. Durch Seiwalds enge Mannorientierung wurde in der Anfangsphase mehrfach verhindert, dass der Deutsche tief von Svensson angespielt werden konnte. Die direkte Mannorientierung Beiers entlastete zugleich Baku, der dadurch unmittelbarer auf Svensson ausschieben konnte. Dies bereitete dem Schweden gegen RB überraschende Probleme beim Aufdrehen. Interessant ist zudem, dass Svensson höher agierte als Couto, was vor allem daran lag, dass man Couto aufgrund seiner Schwierigkeiten beim Aufdrehen tiefer in der Grundposition positionierte, um ihm direkt den offenen Fuß für das Dribbling anzubieten.

Dementsprechend funktionierte die grundsätzliche Progression auf Seiten der Heimelf in den ersten Minuten des Spiels durchaus gut. Ein gewisser Momentumvorteil entstand über die erfolgreiche Überspielung der ersten Pressinglinie von RB. Gleichzeitig blieb jedoch das Problem mit der Tiefe bestehen, da Adeyemi oft etwas isoliert und teils zu breit beim Ball in der Höhe agierte. Vereinzelt fand man zwar auch Guirassy im Wandspiel, insbesondere diagonal über Couto, doch die anschließenden Folgemuster blieben häufig aus. Meistens mussten die Achter drucklösend via Rückpass angespielt werden, um das Spiel weiterzuführen.

Direkter Zugriff schafft Momentumbruch

Auch über Dortmunds leichten Stärkevorteil in der Anfangsphase kam Leipzig mehrmals zu Abstößen, die sich als kleinere Momentumbrüche für die Heimelf herausstellten. Die Gäste agierten dabei aus einem flachen 4-3-3-Torspielerkette, während Dortmund manndeckend aus einem 3-2-3-2-Angriffspressing reagierte. Die Ausführung des Abstoßes erfolgte meist von Lukeba auf Torhüter Gulacsi, während Dortmund aktiv über einen Bogenlauf von Karim Adeyemi das Pressing auslöste. Besonders hervorzuheben ist hier die Ruhe am Ball von Gulacsi, trotz des technisch sauberen und temporeichen Bogenlaufs seitens Adeyemi. Zudem unterband man durch das Aufrücken von Guirassy in der Vororientierung sowie ein Verschieben der Außenspieler auf die Außenverteidiger grundsätzlich Horizontalität im Leipziger Aufbau.

BVB im Angriffspressing

Der Fokus der Gäste lag ohnehin auf der langen Auslösung gen Halbraum – auch nach Zirkulation innerhalb der Viererkette blieb diese als Schwerpunkt bestehen. Dabei richtete sich das Augenmerk vor allem auf Nusa im linken Halbraum, wobei Anton große Probleme hatte, Nusas Abkippbewegungen zu verfolgen. Romulo und Bakayoko schoben diagonal nach und boten so Unterstützung (Romulo) und Tiefe (Bakayoko). Baumgartner rückte im Halbraum konsequent nach, was den direkten Zugriff auf zweiten Bälle deutlich verbesserte, da Sabitzer aus der engen Grundstellung der Dortmunder Achter den Bewegungen nur schwer folgen konnte. Besonders erwähnenswert ist Bakayokos Grundposition: Er agierte größtenteils bewusst im Rücken von Bensebaini – da es beim Abstoß kein Abseits gibt – um einen Tempovorteil im Tiefenspiel zu schaffen. In der Anfangsphase fiel es jedoch noch schwer, ihn konsequent einzubinden; später tauchte er daraus gefährlich in der Box auf. Entscheidender Faktor war vor allem Romulo, der sich um Nusa bewegte und direkte Unterstützung bot, sodass Nusa häufig einfach auf ihn ablegen konnte. Ebenso wichtig war Baumgartner, der bei zweiten Bällen im Zwischenraum mehrfach entscheidend den Ball gewann und so das Umschaltspiel einleitete.

Gleichzeitig schob Ouedraogo immer wieder zentral ein, sodass er nach Ballgewinnen im Halbraum oder nach zweiten Bällen mehrfach ins Dribbling im Zentrum gelangen konnte. Svensson tat sich gegen die Dynamik des Talents merklich schwer, da Ouedraogo sich oft direkt mit dem ersten Kontakt in den ballfernen Halbraum drehte, während Svensson zu ballnah reagierte. Allgemein hatten Svensson, Sabitzer und auch Nmecha im Zentrum große Schwierigkeiten, die ballnahen Bewegungen der Leipziger Mittelfeldspieler zu verfolgen. Besonders die dynamischen Bewegungen von Baumgartner und Ouedraogo waren aus der engen Dortmunder Grundordnung schwer zu kontrollieren.

Vereinzelt gelang zwar die Klärung in direkten Duellen, doch Seiwald rückte immer wieder aus dem Sechserraum nach und sicherte so auch im indirekten Zugriff die Bälle für Leipzig. Über das direkte Nachrücken der Außenverteidiger fanden die Gäste zudem immer wieder Tiefe und erzeugten Druck über die Breite. Besonders der Raum über Wandspieler Romulo wurde mehrfach effektiv genutzt. Dortmund musste folglich immer wieder weit mit der Verteidigungslinie herausrücken und gleichzeitig nach Richtungswechsel die schnellen Bewegungen von Baumgartner und Ouedraogo verfolgen – was deutlich Probleme bereitete und die Stabilität der Dortmunder in der Anfangsphase spürbar schwächte. Mit dem Treffer von Baumgartner in der 8. Spielminute wurde dieser Effekt zusätzlich verstärkt.

Altbekannte Probleme

Nach dem Führungstreffer für die Gäste tat sich Dortmund auch in der eigenen Progression merklich schwerer. Hauptgrund war, dass Leipzig nun erreichte, Adeyemi innerhalb der Verteidigung direkt an Innenverteidiger Lukeba zu übergeben. Dadurch entstand Raum, der es den Leipzigern ermöglichte, Couto in der linken Breite enger via Raum zu verfolgen, sodass dieser wiederholt Probleme hatte, sich aufzudrehen. Durch das enge Verfolgen nach Abspiel Antons in die Breite (bzw. allgemein die engen Mannorientierungen der ersten Pressinglinie im Breitenspiel) fehlten Couto drucklösende Optionen, da auch die Achter zunehmend enger von Leipzig verfolgt wurden. Immer wieder wurde Couto ins Dribbling Richtung Halbraum gezwungen, wo er von Außenstürmer Nusa sowie teilweise von Achter Baumgartner im Überzahlpressing attackiert wurde. In dieser Pressingfalle geriet er unter extremen Druck und verlor mehrfach den Ball oder war gezwungen, den Ball zu klären.

Interessant war gleichzeitig, dass durch das Herausrücken auf Couto nun der ballferne Außenverteidiger Baku in die Viererkette einschob. Auch Seiwald lockerte seine enge Mannorientierung auf Beier leicht, um als zweiter Innenverteidiger zu agieren und Orban zu ermöglichen, Guirassys Bewegungen im Zwischenlinienraum enger zu verfolgen. Gleichzeitig konnte Lukeba Adeyemis Bewegungen beobachten, die jedoch meist durch Coutos fehlendes Aufdrehen wirkungslos blieben. Einzig Guirassy konnte teilweise gesucht werden, doch gegen den sehr aggressiven Orban hatte der Stürmer insbesondere im Wandspiel Probleme. Auch die Achter steckten beim Freilaufen nach Wandspiel teilweise im Rücken von Ouedraogo und Baumgartner im Zentrum fest, sodass drucklösende Optionen fehlten. Allgemein agierte Beier etwas höher als gewohnt und weniger um Guirassy herum als verkappte falsche Neun, wodurch insbesondere in Bezug auf zweite Bälle und nach Wandspielen die direkte Unterstützung für Guirassy fehlte.

Couto im Aufdrehproblem

Ein leichtes Problem für Leipzig entstand jedoch durch Bakus Fallenlassen des Balles. Teils fand Dortmund den in der Breite verbliebenen Svensson, wodurch Baku unkontrolliert herausschieben musste. Der Zwischenraum zwischen ihm und Seiwald beziehungsweise dem Innenverteidiger vergrößerte sich, wodurch sich tendenziell Optionen für Beier im Tiefenspiel im Halbraum eröffneten. In der Anfangsphase tat sich Beier jedoch überraschend schwer im direkten Duell gegen Seiwald, sodass er häufig in die Breite gedrängt wurde und dort isoliert im 1-gegen-1 Probleme hatte.

Dadurch, dass nun beide Schienenspieler aktiv von den Außenverteidigern der Leipziger angelaufen wurden, konnte das Grundprinzip, die Zirkulation innerhalb der ersten Aufbaulinie weitgehend herauszuhalten, um das Auslösen des Pressings über die Außenstürmer nicht zu provozieren, nicht mehr strikt eingehalten werden. Die Halbverteidiger agierten zunehmend tiefer und breiter, um den Pressingweg zu verlängern und den Winkel diagonaler zu gestalten, sodass der Druck etwas reduziert wurde. Gleichzeitig ließen sich die Schienenspieler zunehmend fallen (teilweise daher eine flache Viererkette), um sich von den Leipziger Außenverteidigern zu lösen, doch durch das enge Verfolgen blieb der Effekt gering – teils konnte sich gerade Couto zwar leicht aufdrehen, aber Raum suchte direkt den Zweikampf. Zwar erhielten die Halbverteidiger etwas mehr Zeit am Ball, doch durch das direkte und enge Verfolgen der Schienenspieler sowie die Isolation der Achter fehlten diesen häufig Folgeoptionen. Häufig blieb daher nur der Querpass auf Schlotterbeck, der eigentlich vermieden werden sollte, da Leipzig phasenweise weiterhin extrem aggressiv auf diese Querpässe reagierte. Romulo presste dabei stets direkt auf Schlotterbeck infolge, sodass diesem oft nur der lange Ball als Ausweg blieb.

Ungenutztes Verlagerungspotenzial

Svensson in der linken Breite hatte ähnlich wie Couto Probleme beim Aufdrehen unter direktem Gegendruck im Rücken. Vorteilhaft wirkte jedoch seine Beidfüßigkeit, die es ihm erlaubte, den Ball auch ohne vollständiges Aufdrehen gezielt in den Zwischenlinienraum zu spielen. Davon profitierte besonders Guirassy, der diagonal in den Halbraum abkippte – aber oft von Svensson auch technisch zu unsauber (oft viel zu stark) angespielt wurde. Teils konnte Guirassy sich zwar von Orban lösen, das Grundproblem blieb jedoch bestehen, insbesondere auf der linken Seite: Die Zehner Beier und Adeyemi agierten rund um Guirassy etwas zu flach, sodass kein Ablagespiel möglich war. Sie bewegten sich praktisch in den toten Winkel des abkippenden Stürmers, während Nmecha und Sabitzer zu langsam aus der (zu) tiefen Grundposition nachrückten. Erwähnenswert ist zudem das sehr gute Drehen nach Richtungswechsel von Ouedraogo und Baumgartner, das den Zugriff auf zweite Bälle infolge von Guirassys Wandspiel erleichterte.

Nmecha will zu viel unterstützen

Grundsätzlich hätte Svenssons Beidfüßigkeit Dortmund erlaubt, über die tiefen Achter horizontal zu verlagern. Das zentrale Problem bestand jedoch darin, dass sich Nmecha zu ballnah bewegte und damit unmittelbar in den Zugriffsbereich von Außenstürmer Bakayoko geriet. Dadurch fehlte ihm der Raum, um sich aus dem Druck heraus aufzudrehen – er trieb sich so praktisch selbst in eine Unterzahlsituation. Sinnvoller wäre es gewesen, weniger ballnah zu agieren, um dann mit dem ersten Kontakt aus dem Druck heraus aufzudrehen und anschließend die Verlagerung einzuleiten. Dieses Problem erkannte auch Svensson und spielte Nmecha folglich kaum an. Grundsätzlich ließe sich diskutieren, ob Svensson selbst die Verlagerung auf die ballferne Seite hätte suchen können. Möglich wäre dies durchaus gegen den diagonal aufschiebenden Baku, allerdings war der Passwinkel meist komplex: Da der Schwede ungern komplett aufdrehte und das Tempo seiner Halbdrehungen zu gering war, kam von Baku in diesen Situationen oft noch zu viel Druck.

Im sehr hohen Dortmunder Aufbau tat man sich etwas leichter, da die Leipziger Außenstürmer reaktiver und stärker strukturorientiert agierten. Ihr Fokus lag darauf, die Vertikalwege der Halbverteidiger zu blocken, ohne dabei konsequent durchzupressen. Dadurch erhielten Dortmunds Halbverteidiger mehr Zeit am Ball und konnten wiederholt Chipbälle in die Tiefe des Halbraums einstreuen – eine Zone, in der Leipzig immer wieder anfällig wirkte. Besonders halblinks entstand Gefahr, wenn Baku auf Svensson herausrückte und Beier sich in dessen Rücken nach vorne schob. In dieser Konstellation ergaben sich Dynamik- und Raumvorteile, die im zweiten Aufbaulinien-Muster kaum vorhanden waren. Aus einem solchen Ablauf resultierte schließlich auch das 1:1 in der 23. Minute durch Couto.

Dortmund im 5-4-1/5-2-3-Mittelfeldpressing

Nach dem Ausgleich entwickelte sich eine insgesamt ausgeglichene Partie, die von wechselnden Momentumanteilen geprägt war. Auffällig war nun, dass Dortmund vermehrt auf ein Mittelfeldpressing gegen Leipzigs 3-3-4-Aufbau setzte. Dabei agierten die Außenstürmer Adeyemi und Beier in ihrer Grundstellung auf einer Linie mit den Achtern und rückten erst beim Anspiel auf die Leipziger Halbverteidiger nach vorne. Dieser lange Weg im vertikalen Pressingwinkel erwies sich allerdings als problematisch für den BVB: Vor allem Lukeba konnte Adeyemi mehrfach nach innen überdribbeln und anschließend diagonal in den – initial über den vertikalen Pressingwinkel von Adeyemi isolierten – Halbraum auf den abkippenden Nusa oder auf den immer wieder einschiebenden Zehner Ouedraogo weiterspielen, der sich regelmäßig zwischen den Linien fallen ließ. Infolge dieser Durchbrüche blieb Dortmund häufig nur das taktische Foul, um den Leipziger Angriff zu unterbinden.

Lukeba schafft Diagonalität

Interessant war allgemein die dynamische Asymmetrie im Leipziger Aufbauspiel, mit der der BVB spürbar zu kämpfen hatte. Auf der linken Seite tauschten Raum und Nusa wiederholt die Breitenbesetzung: Häufig rückte Raum in den Halbraum hinter Adeyemi ein, woraufhin Halbverteidiger Anton herausverteidigen musste. Gleichzeitig musste Couto infolge der Rochade den nun breiten Nusa aufnehmen. Grundsätzlich funktionierte die Übergabe dieser Zuordnungen zunächst strukturell sauber. Problematisch wurde es jedoch, weil die Mannorientierungen aufgrund der dynamischen Rotationen etwas loser gefasst werden mussten. So konnte sich insbesondere Raum im Halbraum mehrfach durch Abkippbewegungen aus Antons Zugriff lösen und Lukebas Diagonalpässe empfangen – was ihm regelmäßig einen Dynamikvorteil im 1-gegen-1 verschaffte. Auch Nusa brachte in der Breite durch sein Tempo Vorteile gegen Couto mit, der dessen schnellen Abkippbewegungen teils überaggressiv und etwas unkontrolliert folgte. Dadurch öffnete sich hinter ihm Raum, den Leipzig gezielt über diagonale Zuspiele auf Raum attackierte. Für Anton wurde die Verteidigung im erweiterten Breitenraum dadurch zusätzlich erschwert, da dieser nun nicht nur größer, sondern auch über Nusa dynamisch geöffnet war.

Auf der rechten Seite zeigte sich hingegen ein anderes Problemfeld: Durch die strukturell tiefere Position von Baku musste Beier häufig eine Doppelrolle übernehmen. Ballfern orientierte er sich in der Struktur meist näher an Baku, um potenzielle Breitenverlagerungen zu unterbinden, während er ballnah im Pressing auf den Halbverteidiger – meist Seiwald – herausrückte und anschließend Baku an Nmecha übergab. Dieser Übergabemechanismus war jedoch anfällig: Bei Bakus breiteren Positionierungen geriet der Weg für Beier oft zu lang und zu horizontal, wodurch Baku phasenweise längere Zeit anspielbar blieb. Leipzig nutzte dieses Fenster jedoch zu selten, da Baku in diesen Situationen meist zu hoch agierte und somit für Seiwald nur schwer gegen den vertikalen Pressingwinkel Beiers erreichbar war. Hinzu kam, dass die Übergaben Beiers teils etwas zögerlich und weitläufig erfolgten, was Seiwald das Andribbeln erleichterte. Aus Leipziger Sicht blieb das Folgeproblem allerdings bestehen: Die vertikale Anschlussbewegung fehlte häufig, weil Beier den direkten Passweg gut zustellte und Baku in seiner tieferen Breitenposition kein idealer 1-gegen-1-Spieler ist, um sich aus solchen kleinräumigen Situationen zu lösen. In der Konsequenz griff Leipzig in diesen Momenten häufiger auf lange, vertikale Zuspiele in Richtung Bakayoko zurück.

Guirassy wird herausgezogen

Lange blieb das Problem zunächst auf die linke Dortmunder Seite beschränkt, doch nach mehreren Verlagerungen agierte auch der linke Schienenspieler Raum zunehmend etwas tiefer und band Adeyemi häufiger halbräumig. Da Dortmund immer größere Schwierigkeiten hatte, flache Verlagerungen zu isolieren – auch weil Guirassy durch tiefere Bewegungen des Sechsers nach vorne gezogen wurde – gewann dieses Muster zunehmend an Bedeutung. Auffällig war zudem, dass Leipzig vermehrt auf eine 3-1-Struktur umstellte: Baku rückte als rechter Halbverteidiger in die letzte Linie, während Seiwald als alleiniger Sechser agierte und dadurch eben bei Ballspiel der Halbverteidiger immer wieder Guirassy band. Durch die Implementierung einer Sechs konnten die Zehner höher und halbräumiger positioniert werden, was Leipzig regelmäßig gezielte Seitenwechsel ermöglichte und das Ballbesitzspiel stabilisierte. Ähnlich wie Beier auf der rechten Seite tat sich Adeyemi in der daraus entstehenden situativen Unterzahlsituation schwer, aggressiv auf Halbverteidiger Lukeba herauszuschieben. Dieser konnte dadurch mehrfach unbedrängt andribbeln, wodurch sich eine zunehmende Passivität im Dortmunder Defensivverhalten einstellte.

„Corta Luz“

Auffällig war zudem, dass Leipzig bei weiten, diagonal-nach-außen gerichteten Andribbeln der Halbverteidiger gegen passive Außenstürmer immer wieder das sogenannte „Corta-Luz“-Muster zeigte: Dabei schoben die Zehner – meist Baumgartner oder Ouedraogo – zentral ein und bildeten gemeinsam mit Halbverteidiger und Stürmer eine Diagonallinie. Romulo fungierte dabei als Wandspieler und Zielpunkt des Zuspiels, ließ den Ball häufig klatschen oder bewusst passieren, während der Zehner anschließend in die Tiefe startete. Die Vorbereitung dieser Abläufe war durchaus ansehnlich, doch Romulo tat sich gegen den aggressiv herausrückenden Schlotterbeck im Wandspiel schwer. Dadurch konnte auch Baumgartner trotz guter Positionierungen im Rücken von Anton selten tief gefunden werden.

Grundsätzlich zeigte sich – wie bereits in den Spielen zuvor – erneut, dass das asymmetrische Flügelprofil mit Nusa (abkippender Dynamikspieler mit Stärken im Aufdrehen und Tiefenspiel über Tempo) und Bakayoko (klassischer, beidfüßiger 1-gegen-1-Spieler mit Stärken im (inversen) Dribbling bei frontaler Spielsituation) durchaus Vorteile besitzt. Gerade nach Verlagerungen konnte Leipzig damit phasenweise gute Dynamik entwickeln. Tendenziell war jedoch gerade für Bakayoko das Problem, dass er gegen Svensson im kleinräumigen 1-gegen-1 durchaus Schwierigkeiten hatte. Das lag auch daran, dass Leipzig auf der rechten Seite zu wenig Tiefe aus dem Halbraum anbot – insbesondere, weil Ouedraogo sich zu oft unterstützend horizontal anbot, statt in die Tiefe zu starten. Durch Bakus vermehrtes Agieren als Halbverteidiger fehlte zudem häufig ein durchschiebendes Bewegungselement oder dieses kam aus der tiefen Grundposition des Deutschen schlicht zu spät. Die Folge war, dass der rechte Halbraum kaum freigezogen wurde und Bakayoko damit jene typischen Räume für inverse Dribblings fehlten, die er normalerweise nutzt, um seine Stärke im Eins-gegen-Eins optimal einzubringen. Auch weil Beier oft gute Aktionen im Rückwärtspressing zeigte, bildete Dortmund auf Bakayoko teils statische 2-gegen-1-Überzahlpressing-Muster, sodass zusätzlich Druck auf den Flügelspieler erzeugt wurde.

Zweite Halbzeit

Vor der Halbzeitpause änderte sich an der Spieldynamik nur wenig: Es blieb ein umkämpftes Duell mit leichten Vorteilen für den BVB im letzten Drittel, während Leipzig immer wieder über Umschaltmomente Nadelstiche setzen konnte – zunehmend aber auch über ihr Progressionsspiel zu Chancen fand. Entsprechend ging es mit einem verdienten 1:1 in die Pause. Nach dem Seitenwechsel änderte sich daran zunächst nur bedingt etwas. Auffällig war jedoch, dass Leipzig etwas dynamischer aus der Kabine kam. Das hing vor allem damit zusammen, dass Romulo im Wandspiel nun mehr Sicherheit zeigte und es ihm dadurch häufiger gelang, die Flügelspieler in direkte 1-gegen-1-Situationen zu bringen – wovon insbesondere Nusa profitierte, wie etwa bei seiner Chance in der 47. Minute.

Grundsätzlich zeigten sich weiterhin die Dortmunder Probleme im Aufbauspiel, die sich auch im tiefen Bereich – insbesondere nach Abstößen – fortsetzten. Gegen das mannorientierte 4-4-2 von Leipzig hatte das 4-2-4-Aufbausystem des BVB erhebliche Schwierigkeiten. Auffällig war vor allem das sehr gute Anlaufen der ersten Pressinglinie der Leipziger: Baumgartner und Romulo liefen technisch sauber in einem bogenförmigen Muster auf Keeper Kobel an und unterbanden dabei effektiv die Zirkulation zwischen den Innenverteidigern. Noch entscheidender war jedoch die zweite Pressinglinie, die aus einer leicht raumorientierten Grundstellung immer wieder aggressiv in den Zwischenlinienraum schob. Dadurch konnten insbesondere Seiwald und Ouedraogo im Zentrum zahlreiche zweite Bälle sichern, die zuvor meist von der Leipziger Innenverteidigung sauber herausverteidigt wurden – zumal diese stets konsequent durchpresste, sodass die Dortmunder Stürmer kaum in offene Positionen zum Aufdrehen kamen.

BVB im tiefen Aufbau

Zudem versuchten sich die Dortmunder Flügelspieler beim langen Ball zwar etwas von ihren Gegenspielern zu lösen, um für Ablagen anspielbar zu sein, doch die Leipziger Außenverteidiger verfolgten diese Bewegungen aufmerksam, wodurch das Ablagenspiel kaum möglich war. Auch die Flügelspieler Bakayoko und Nusa unterstützten das Leipziger Kollektiv durch ihr starkes diagonales Rückschieben in den Halbraum, was den Zugriff auf zweite Bälle nahezu permanent sicherte. Im Gegensatz dazu fehlte es dem BVB aufgrund der sehr tiefen Achter und der breitstehenden Außenverteidiger deutlich an Präsenz und Kompaktheit in der Sicherung der zweiten Ballphasen.

Hier sei auch erwähnt, dass Leipzig aus diesen Situationen immer wieder sehr gute Umschaltmomente kreierte. Dabei zahlte sich die Anordnung im Mittelfeld besonders aus: Seiwald agierte als passstarker, gleichzeitig physisch robuster Achter, während Ouedraogo im Zentrum mit seiner hohen technischen Qualität und seinen Fähigkeiten im Aufdrehen immer wieder die entscheidenden Anschlussaktionen einleitete. Über Ouedraogo fand Leipzig regelmäßig den Weg in den Halbraum zu den Flügelspielern, von wo aus man – unterstützt durch das direkte Aufrücken der Außenverteidiger – immer wieder Tiefe und Breite herstellen konnte. Auffällig war zudem, dass die Dortmunder Flügelspieler bei Spielrichtungswechseln häufig zu stark ballorientiert agierten. Sie schoben unkontrolliert ins Zentrum ein, oftmals ohne die nötigen Schulterblicke. Dadurch konnten die Leipziger Außenverteidiger ungestört breit nachschieben und so in den freien Raum vorstoßen und so die Flügelspieler im Halbraum unterstützen (auch oft indirekt, indem die Dortmunder Außenverteidiger dadurch gebunden wurden und so für die Flügelspieler im Dribbling mehr Raum blieb).

Fazit

Eingeläutet wurden die letzten 30 Minuten von vielen Mittelfeldduellen – insbesondere nach zweiten Bällen – sowie zahlreichen Umschaltszenen. Dortmund suchte nach Ballgewinnen verstärkt den direkt durchstartenden Adeyemi auf der rechten Seite, da sich Guirassy zunehmend halbrechts positionierte und damit teilweise Außenverteidiger Baku band. Dadurch ergab sich für Adeyemi ein entscheidender Dynamikvorteil im Tiefenspiel. Das Problem dabei: Durch Guirassys bindende Vororientierung fehlte er anschließend häufig in der Box, während Beier auf der gegenüberliegenden Seite zu spät nachrückte und am zweiten Pfosten oft isoliert gegen die Leipziger Innenverteidiger stand.

Leipzig wiederum versuchte es zunehmend aus dem tiefen Aufbau heraus über klassische „Spielen-und-Gehen“-Muster – meist nach Zuspielen der Außenverteidiger auf die Flügelspieler, insbesondere über die rechte Seite mit Baku und Bakayoko. Dortmund tat sich weiterhin schwer, diese Bewegungen zu verteidigen, und musste sich mehrfach mit taktischen Fouls behelfen. So kam RB immer wieder ins letzte Drittel, doch auch hier fehlten häufig die entscheidenden Bewegungen in der Box gegen die stabilen Dortmunder Innenverteidiger. Romulo agierte dabei oft zu isoliert auf Höhe des Fünfmeterraums und attackierte den kurzen Pfosten zu selten, der für Hereingaben meist das primäre Ziel war. Es mangelte zudem an einem zusätzlichen dynamischen Element aus dem Halbraum, insbesondere im Aufdrehen unter Druck – etwas, das nach der Auswechslung von Ouedraogo spürbar verloren ging.

Insgesamt lässt sich beiden Mannschaften eine ordentliche Leistung attestieren. Auf beiden Seiten war ein im Vergleich zu den Vorwochen gesteigertes Grundniveau erkennbar, auch wenn phasenweise etwas zerfahrene Sequenzen in gewissen Phasen des Spiels sichtbar blieben. Angesichts der Tatsache, dass Dortmund bereits am Mittwoch zuvor im Einsatz war, dürften die Schwarz-Gelben mit dem Punkt am Ende etwas besser leben können.

MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübersachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst. 

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*