Pragmatisches United ärgert den Tabellenführer – FN

2:2

Die Vorzeichen vor der Partie hätten nicht klarer sein können. Mit dem zuletzt formschwachen Man United reiste der 14. Platz der Premier League zur formstärksten Mannschaft Europas und klarem Tabellenführer nach Liverpool. Trotz dessen lieferten sich beide Mannschaften ein umkämpftes Duell auf Augenhöhe. Amorim hatte einen klaren Plan das Pressing Liverpools, das an diesem Tag einige Schwächen aufwies, zu bespielen und konnte Liverpool durch einen klaren Plan sowohl mit als auch gegen den Ball die Stirn bieten.

Die Gäste aus Machester veränderten die Startelf in gewohnter 3-4-3 Grundordnung auf drei Positionen. Im Tor startete wie gewohnt Onana, während de Ligt, Maguire und Martinez die Dreierkette bildeten. Auf den Flügelverteidigerpositionen blieb man im Vergleich zur enttäuschenden Niederlage gegen Newcastle ebenfalls unverändert und setzte auf Dalot auf der linken und Mazraoui auf der rechten Seite. Das Mittelfeldzentrum wurde vollständig neu besetzt. Für Casemiro und Eriksen rückten Ugarte und Mainoo in die Startelf. Bruno Fernandes kehrte auf der linken Halbraumzehn nach abgesessener Rotsperre für Zirkzee in die Startformation zurück. Die andere Halbraumzehn wurde von Diallo besetzt, während Højlund als einzige Spitze agierte. United stand nach einer Niderlagenserie von vier Spielen und einem schwachen Auftritt gegen Newcastle deutlich unter Druck und ging als Außenseiter in diese Partie.

Für Liverpool hingegen hätte es in den letzten Wochen mit vier Siegen aus vier Spielen und Platz eins in der Liga kaum besser laufen können. Man agierte aus einer 4-2-3-1 Grundformation mit Alisson im Tor, Davor bildeten van Dijk und Konate, der nach überstandener Verletzung in die Startelf zurückkehrte, das Innenverteidigerduo. Umrahmt wurden das Duo von Robertson links und Alexander-Arnold rechts. Das Zentrum setzte sich wie gewohnt aus der Doppelsechs aus McAllister und Gravenberch mit Zehner Jones davor zusammen. Als Außenstürmer agierten Salah und Gakpo mit Diaz in zentraler Rolle, der erneut den Vorzug vor Nunez erhielt.

Liverpooler Probleme im Angriffspressing

Liverpool lief United, die aus einem 3-2-4-1 heraus aufbauten in einem -1/+1 Angriffspressing an, was jedoch einige Schwächen aufwies. Slot wählte trotz physischer Überlgenheit in der letzten Linie einen etwas konservativeren Ansatz, in dem konstant auf eine +1 Überzahl der Innenverteidiger gegen Stürmer Højlund gesetzt wurde um bei langen Bällen Uniteds die Tiefe ausreichend zu sichern. Dies hatte je nach Positionierung Maguires, der im tiefen Aufbau gerne in die zweite Linie aufrückte, eine -1 Unterzahl in der ersten beziehungsweise zweiten Pressinglinie zur Folge.

8. Minute

In der ersten Pressinglinie liefen Diaz und Salah den Dreieraufbau Uniteds an und versuchten mit Läufen von außen nach innen das Pressing auf eine Seite zu lenken. Häufig war es Diaz der den zentralen Spieler im Dreieraufbau im Bogen anlief während Salah etwas mannorientierter auf Martinez agierte. Gakpo verschob folglich ballseitig und rückte ins Zentrum um eine Überzahl/Gleichzahl je nach Positionierung Maguires herzustellen. 

United wusste die Überzahl in der ersten Aufbaulinie auszunutzen. Die breite Positionierung von Salah und Diaz machte es Liverpool durch lange Pressingwege schwer effektiv Druck auf den ballführenden zentralen Innenverteidiger Maguire auszuüben. So konnte United wiederholt durch Spiel über den Dritten und einfache Pässe die Überzahl ausspielen und den Halbraumverteidiger im Deckungsschatten des Anläufers finden. Dies hatte ein Zurückweichen der ersten Pressinghöhe Liverpools zur Folge, wodurch Maguire wiederholt, ausreichend Zeit am Ball hatte und ins Andribbeln kam, wodurch dieser teils mehrere Linien durch diagonale Pässe in den Zwischenraum überspielen konnte.

Hinter der ersten Pressinglinie schloss Liverpool das Zentrum durch Mannorientierungen. Jones und MacAllister liefen die Sechser Mainoo und Ugarte an. Dahinter agierten Gravenberch und der halbräumig ins Mittelfeld einrückende Robertson mannorientiert zu Uniteds Halbraumzehnern Fernandes und Diallo.

Ein häufig genutztes Mittel Maguires in zentralen Räumen ohne Gegnerdruck waren vor allem diagonale, sowohl gechippte als auch flache Pässe auf die aus einer höheren Position in der Breite vertikal abkippenden Flügelverteidiger Mazraoui und Dalot. Dadurch wurde gezielt eine Schwäche des Liverpooler Pressings bespielt. Mazraoui sollte ursprünglich durch den situativ in die letzte Linie fallenden Gakpo angelaufen werden. Dieser wurde durch das Überspielen des Bogenlaufs von Diaz allerdings wiederholt vor die Entscheidung gestellt auf de Ligt herauszuschieben oder seine Mannorientierung auf Mazraoui zu verfolgen. Dies gab Mazraoui einen Zeitvorteil, wodurch dieser Situationen unter Druck häufig durch Dribblings in die Halbspur auflösen konnte und United in der Folge in der +1 Überzahl erneut aufbaute.

19. Minute

Häufiger wurde allerdings noch der Ball auf Dalot gesucht. Dieser sollte durch Herausspringen von Alexander-Arnold aus der letzten Linie angelaufen werden. Dieser hatte jedoch durch das Abkippen Dalots einen weiten Pressingweg, was Dalot einen Vorteil verschaffte. Außerdem wurde Alexander-Arnold wiederholt in der letzten Linie gebunden und gezwungen die Tiefe zu sichern, was Dalot zum freien Mann im United Aufbau machte. Das Binden Alexander-Arnolds geschah durch ein in die Breite kippen von Fernandes sowie die ständige Gefahr durch Tiefenläufe Højlunds, der gezielt den Raum hinter Alexander-Arnold attackierte. Durch das Freispielen von Dalot fiel Liverpool zwangsläufig in der Pressinghöhe, was einige längere Ballbesitzphasen Uniteds in der ersten Halbzeit zur Folge hatte. 

10. Minute

Sollte Alexander-Arnold jedoch auf Dalot springen wurde schnell versucht hinter die letzte Linie Liverpools zu kommen. Aufgrund des starken rechten Fuß auf der linken Seite konnte Dalot direkt diagonal in die Spitze spielen. Højlund, der nach Ablage sofort die Tiefe belief agierte als Wandspieler. Mainoo und Fernandes schoben ballnah als Ablagespieler. Und bespielten direkt die Tiefe in der linken Halbspur. Dadurch wurden sowohl Alexander-Arnold als auch Konate der Hojlunds Abkippbewegung im Ablagenspiel folgte aus der letzten Linie gezogen was die Tiefe für United öffnete.

Højlund betrieb im gesamten Spiel einen sehr hohen Aufwand und stellte trotz numerischer Unterlgenheit gegen Liverpools Innenverteidiger durch seine Tiefenläufe in der Halbspur eine konstante Anspielstation im letzten Drittel und einen Ausweg aus dem Druck dar.

Überspringen des tiefen Aufbaus

Nach Problemen im tiefen Aufbau in den letzten Wochen wählte United fast ausschließlich den langen Ball nach Abstößen und konnte so das Liverpooler Angriffspressing überspielen. Es wurden gezielte lange Bälle in Richtung Højlund und Mainoo auf der linken Seite geschlagen. Fernandes und der ballnah verschiebende Ugarte setzten sich meist etwas ab, um zweite Bälle aufzunehmen. Währenddessen spekulierte Dalot in der Breite die Tiefe zu attackieren. Der Fokus lag jedoch auf dem Gewinnen der zweiten Bälle, um so in die bereits angesprochenen Muster im Bespielen des Liverpooler Pressings zu kommen.

Durch das Überspringen der ersten Aufbauphase konnte man in den meisten Fällen das Aufrücken Maguires ins Mittelfeld verhindern. Dieser hatte in den vergangenen Spielen in dieser Rolle aufgrund schlechter Orientierung in ungewohnter Umgebung deutliche Probleme im Spiel mit dem Rücken zum Tor. Neben dem, dass Maguire schlecht eingebunden werden konnte, wurden so auch wiederholt Passwege ins Zentrum blockiert.

Liverpool war in den Situationen in denen United tief aufbaute durchaus gut darauf vorbereitet, in dem Jones bei Blick Richtung ballführendem Halbraumverteidiger und gleichzeitiger Mannorientierung auf Mainoo den Deckungsschatten auf Maguire lenkte und diesen so aus dem Spiel nahm. Dadurch verursachte man lange Bälle in Richtung Højlund in die +1 Überzahl Liverpools.

Asymmetrie der Außenverteidiger

Liverpool baute im Ballbesitz gewohnt aus einem 4-3-3 heraus auf. Gravenberch gab den alleinigen Sechser, während sich die Achter McAllister und Jones im Halbraum aufhielten. United verteidigte dies in einem 5-4-1 Mittelfeldpressing mit breit in die zweite Linie fallenden Halbraumzehnern. Bei Herausschiebebewegungen wurde dies auch gerne zu einem 5-3-2.

In diesen Situationen lief Højlund die beiden Innenverteidiger an und versuchte durch einen Bogenlauf, das Spiel auf eine Seite zu lenken, während Mainoo Gravenberch in der zweiten Aufbaulinie mannorientiert presste. Dies hatte den Nachteil, dass durch das Teilen der Innenverteidiger und dem damit verbunden Druck von hinten zu wenig effektiver Druck auf den Ballführenden ausgeübt wurde, dieser in ohne frontalen Gegnerdruck andribbeln konnte. Deshalb schoben die Halbraumzehner etwas auf die Innenverteidiger, um den Raum im Zentrum eng zu halten und nahmen dabei die flachen Außenverteidiger Liverpools in Deckungsschatten.

26. Minute

Liverpool konnte sich allerdings durch eine Asymmetrie der Außenverteidiger wiederholt aus diesen Situationen lösen. Während Robertson seine Rolle meist flach interpretierte, rückte Alexander-Arnold auf der rechten Seite etwas weiter ins Zentrum ein und schob etwas höher. Dies hatte auch eine höhere Positionierung von Jones zur Folge. So konnte sich Alexander-Arnold wiederholt aus dem Deckungsschatten von Fernandes herausbewegen und nach diagonalem Pass von Konate oder Gravenberch im Halbraum in einer Art Achterrolle aufdrehen.

Durch die eingerückte Positionierung Alexander-Arnolds wurde zudem ein diagonaler Passweg von Konate auf Salah geöffnet der so wiederholt in 1gg1 Situationen gegen Dalot isoliert werden konnte.

So schaffte man es United in ihr 5-4-1 Mittelfeld-/Abwehrpressing zurückzudrängen und nach gut 25 Minuten und einer starken Anfangsphase Uniteds mehr Kontrolle über das Spiel zu gewinnen.

Kompaktes 5-4-1

United verteidigte sehr diszipliniert aus ihrem 5-4-1 Mittelfeld-Abwehrpressing. Sie bestachen vor allem durch ihre hohe Intensität und den hohen Aufwand, den sie gegen den Ball betrieben. Die Halbraumzehner agierten als äußere Mittelfeldspieler in der Mittelfeldlinie recht eng und sorgten für eine hohe Kompaktheit im Zentrum, schafften es durch den hohen Aufwand aber auch wiederholt ins Doppeln auf Außen zu kommen. Højlund orientierte sich als Einzelspitze an Gravenberch und versuchte Zuspiele auf diesen zu unterbinden. Bei Auslösen des Angriffspressing wurde durchgeschoben, wodurch Mainoo diese Mannorientierung übernahm.

Besonders hervorzuheben ist allerdings die Rolle der Halbraumverteidiger. Liverpool versuchte wiederholt über diagonale Pässe von Alexander-Arnold und Salah Jones im Zwischenlinienraum zu finden. Martinez verteidigte jedoch wiederholt mit hoher Aggressivität aus der Kette heraus und konnte Zuspiele in den Zwischenraum wie vor dem 1:0 ein ums andere Mal unterbinden. Dies hatte zur Folge, dass Jones im weiteren Verlauf der Partie häufig nach außen kippte, um den Flügel zu überladen. United verteidigte dies jedoch sehr diszipliniert.

Nach Aufdrehen Alexander-Arnolds allerdings sorgte diese Orientierung im Durchschieben für Zuordnungsprobleme. Dalot presste Alexander-Arnold, während Martinez auf Salah nachschob. Dies war allerdings sehr reaktiv, wodurch es Salah im 1gg1 wiederholt schaffte Chipbälle hinter die letzte Linie Uniteds zu spielen. Durch das Durchschieben von Martinez, fehlte ein direkter Gegenspieler für Jones, der nun mit dem zuvor abkippenden Diaz und dem sich geschickt aus der Mannorientierung Ugartes befreienden McAllister die Tiefe belief. Die hohe Frequenz der späten Läufe in die Box hinter die letzte Linie Uniteds waren so sehr schwer für die Verteidiger aufzunehmen, wodurch Liverpool wiederholt gefährlich wurde.

Auf der linken Seite interpretierte Diaz seine Stürmerrolle sehr flexibel. Er kippte häufig tief in die linke Halbspur. Auch hier verteidigte mit de Ligt Uniteds Halbraumverteidiger sehr aggressiv aus der Kette heraus und stellte Diaz so vor Probleme. In der Folge versuchte Liverpool häufig durch Überladungen und diagonale Verlagerungen durch das Zentrum den ballfernen Halbraum zu bespielen. So sah man teilweise Diaz, MacAllister und Jones auf eine Seite kippend, um das Zentrum durch das Mitziehen von Mainoo und Ugarte zu öffnen. Dieser offene Raum wurde teilweise von Gravenberch durch geschicktes Absetzen in Højlunds Rücken belaufen. Dieser konnte dann in zentraler Position vor der letzten Linie Uniteds die Angreifer mit Steckpässen in Szene setzen.

Offenes Visier in der 2. Halbzeit

Im zweiten Durchgang wurde das Spiel nach dem 0:1 in der 52. Minute zunehmend wilder. Beide Teams wurden immer direkter in ihrem Spiel nach vorne und es entwickelte sich fast schon ein Kick & Rush Spiel. Dies lässt sich auch an den Passquoten darlegen. So sank Liverpools Passquote von 86% in der ersten Hälfte auf 78% in der zweiten. Bei United fiel das ganze sogar noch deutlicher aus. Konnte man in der ersten Halbzeit noch 79% der Pässe an den Mann bringen, so waren es in Hälfte zwei gerade einmal 69%.

Das Spiel war geprägt von einer enorm hohen Intensität, was durch den direkten Ansatz zu Torchancen auf beiden Seiten führte. Liverpool ließ sich mit ihrer individuellen Qualität auf dieses Spiel ein und legte mit Nunez und Jota sogar noch zwei umschaltstarke Offensivspieler nach. Trotz dessen konnte United Liverpool weiterhin vor Probleme stellen und fand über das Spiel über die Flügelverteidiger, sowie die Tiefenläufe Højlunds, wie in der ersten Hälfte gute Lösungen gegen das Liverpooler Angriffspressing.

Fazit

In einem denkbar knappen und aus Sicht des neutralen Fußballfans äußerst unterhaltsamen Spiel stand am Ende trotz der Favoritenrolle Liverpools eine Punkteteilung. Amorims United überzeugte durch einen pragmatischen, klaren Matchplan gegen den Ball. Zudem fand man durch klare Muster begünstigt von Problemen im Liverpooler Angriffspressing wiederholt Lösungen. Zudem hatte man mit den Mustern zum Bespielen der Tiefe ein klares Offensivkonzept. Man erkannte außerdem Schwächen der letzten Spiele und vermied bewusst Situationen wie das tiefe Aufbauen nach Abstößen.

Trotz der überzeugenden Vorstellung Uniteds gilt es diese richtig einzuordnen und die schwache Tagesform Liverpools sowie deren Fehler in der Herangehensweise gegen den Ball nicht außer Acht zu lassen. Dennoch war dies, auch aufgrund der verbesserten Intensität und mannschaftlichen Geschlossenheit, was Amorim sowie die Spieler nicht müde wurden zu betonen, ein großer Schritt in die richtige Richtung für die Red Devils.

Autor: FN beschäftigt sich intensiv mit Taktiktheorie als auch Analysen zu aktuellen Spielen und Entwicklungen im Fußball. Auf Twitter ist er als @felixnb aktiv.

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