Türchen 19: Kontrolle der Attacke! Liverpools Pressing unter Arne Slot
In den letzten Jahren erschuf der deutsche Trainer Jürgen Klopp in einem damals mittelmäßigen Klub eine Identität, die in der Folge dazu führte, dass der FC Liverpool zu einem der Topklubs der Premier League wurde. Nachdem Jürgen Klopp im Sommer den Klub verließ, standen die Verantwortlichen vor der Herausforderung, diesen erfolgreich eingeschlagenen Weg irgendwie weiterzuführen und entschieden sich für Arne Slot, der nun mit dem Klub nach 16 Spieltagen mit einem Spiel weniger (das verlegte Derby gegen Everton) und dennoch bereits 2 Punkten Vorsprung Tabellenführer ist.
Die Voraussetzungen für den Niederländer und seine Daten
Nachdem Liverpool im Sommer nicht wirklich aktiv war auf dem Transfermarkt (Chiesa als einzig echter Neuzugang mit 18 Minuten in der Liga), kann man die Voraussetzungen für Slot personell denen von Klopp gleichstellen. Die Interpretation dessen ist jedoch der eklatante Unterschied zwischen den Coaches. Während Slot zwar ähnlich wie Klopp in dessen letzter Spielzeit mit einem 4-2-4 gegen den Ball agiert, ist der Ansatz bei Slot kontrollierter als er es bei Klopp war.
So lässt Liverpool in der jetzigen Spielzeit dem Gegner 2 Pässe mehr Zeit, ehe es zu einer Defensivaktion kommt, abgeleitet aus dem ppda von 9,87 (zum Vergleich: 8,02 in 23/24; Quelle: WyScout). Diese Statistik in Kombination mit einer 2% höheren, durchschnittlichen Passquote des Gegners (Quelle: WyScout) und weniger Balleroberungen im Schnitt pro Spiel wirken zunächst so, als wären die „Reds“ inzwischen passiver als unter Klopp.
Jedoch lässt das Team unter der Leitung von Slot im Schnitt fast einen Schuss auf das Tor weniger pro Spiel zu (Quelle: WyScout) und kassiert auch mit 1,15 xG weniger als in der vergangenen Spielzeit, als es noch 1,26 xG im Schnitt waren.
Wie genau diese Daten entstehen
Während Liverpool unter Klopp oft auf Athletik und ständigen Druck im Pressing setzte, ist Slot vor allem darauf bedacht, die Athletik durch das Lenken des Gegners zu unterstützen und damit den Gegner zu einem Fehler zu leiten, ohne dass er es er merkt. So agierte man gegen einen 3-2 Aufbau häufig abkippend in erster Linie, um die ballnahe Sechserposition für den Gegner als scheinbaren Exit zu fingieren, obwohl man die Anschlussoptionen bereits schloss. Somit eroberte man gegen solche Gegner häufig den Ball nicht durch permanentes Anlaufen, sondern dadurch, dass Diaz und Salah aus der Breite ins Zentrum lenken, wo Mac Allister und Gravenberch auf den gegnerischen Spieler im Sechserraum immer „auf dem Sprung“ agieren.
Meist schafft man es, im Zentrum schnell die Räume zu verdichten und dem Gegner final oft dort weh zu tun, wo er sich in Sicherheit gewogen fühlt. Waren es zu Klopp-Zeiten noch 13,6% lange Bälle beim Gegner, so sind es jetzt nur noch 10,5% (Quelle: WyScout). Auch dieser Wert ist Indikator dafür, dass Slot darauf setzt, den Gegner nicht permanent unter Druck zu setzen, sondern ihn sogar teils bewusst in Sicherheit zu wiegen, um dann zuzuschlagen.
Besonders beim 3:0-Erfolg im Old Trafford bei Manchester United zeigte Liverpool das „Ballklauen“ im Zentrum in Perfektion, als Manchester United sich drei mal sicher fühlte mit einem Ball ins Zentrum, jedoch im Anschluss am Mittelkreis zum Anstoß bereit stand.
Das 3:0 aus Sicht von Arne Slot´s Team war dabei der Inbegriff dieses potenziell sicheren Anspiels im Zentrum, obwohl es einen Ballverlust mit sich bringt. Besonders Szoboszlai hat hierbei eine interessante Positionierung, da er ohne direkten Druck auf den ballführenden Innenverteidiger agiert, aber dennoch auf dem Sprung zum Sechser ist und obendrein eine perfekte Positionierung für den Fall des Ballgewinns hat.
Wie Slot´s Ansatz geknackt werden kann
Auch wenn Arne Slot mit den FC Liverpool aktuell Tabellenführer der Premier League und Champions League ist, hat auch die kontrollierte Art des Pressings bereits Schwächen offenbart, etwa gegen Artetas Arsenal oder Marescas Chelsea. In beiden Fällen wurde der fehlende Druck auf den Ball in der ersten Liverpooler Angriffslinie dazu genutzt, die letzte Linie der Reds durch eine gegenläufige Bewegung, meist über die linke Seite mit Robertson, in Bewegung zu bekommen. Somit konnte aus der Halbverteidigerposition der tiefe Ball in den Raum hinter den rausverteidigenden van Dijk gespielt und Robertson in das Laufduell gebracht werden. Gegen Arsenal führte genau dies zur zwischenzeitlichen Führung von Saka, als Robertson das verlor und anschließend den Zweikampf verlor.
Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die meisten Teams extreme Probleme gegen Liverpool hatten, wenn diese konsequent im Zentrum agierten und nicht zu spät in die selbstaufgestellten Pressingfallen kamen.
Es wird spannend zu sehen sein, was sich die Teams in den kommenden Wochen und Monaten gegen Liverpool einfallen lassen werden und wie Liverpool auch im nächsten Sommer für diesen Spielstil einkaufen wird.
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