Türchen 14: Die Rolle der Außenverteidiger bei Bayern München – LB

Seit fast nun einem halben Jahr ist Vincent Kompany Trainer beim deutschen Rekordmeister. Seine taktische Herangehensweise ist seitdem sehr spannend zu beobachten und bot auch bereits einige Höhen und Tiefen. Im heutigen Türchen Nummer 14 beleuchten wir den Trademark der bayerischen Taktik: Die Einbindung der Außenverteidiger. Warum sind sie im System von Kompany so wichtig? Wie setzt er sie ein? Und welche Aufgaben haben Davies, Laimer und Co.? Das lest ihr im heutigen Adventskalendertürchen. Viel Spaß!

Abb. 1: Das Grundsystem von Bayern im Ballbesitz unter Kompany (2-4-4)

Die Grundidee von Kompany bei den Bayern sieht vor allem zwei Dinge vor: Spielkontrolle und Flexibilität. Dafür spielen insbesondere die Außenverteidiger eine wichtige Rolle. Auf dem Papier startet München in dieser Saison normalerweise aus einem 4-2-3-1. Realtaktisch entsteht daraus im Ballbesitz ein 2-4-4. Die Innenverteidiger und Sechser bleiben auf ihren Positionen. Die Außenverteidiger rücken schon sehr früh auf und teilweise bis in die zentralen Halbräume. Währenddessen schiebt der Zehner der Bayern (meistens Musiala) in die offensive Viererreihe neben Kane.

Lösen aus dem gegnerischen Pressing

Um sich in diesem Aufbau aus dem gegnerischen Pressing zu lösen und später den Ballbesitz in Torchancen umzumünzen arbeitet München mit vielen Rotationen. Beispielsweise (siehe Abb. 2) lässt sich Kimmich häufiger zwischen die Innenverteidiger fallen, um beim Spielaufbau zu helfen. Wenn das passiert lassen sich Kane oder Musiala auf die Sechser-Position fallen, um aufzufüllen. Damit der Raum, den Kane beziehungsweise Musiala vorher besetzt hatte nicht leer bleibt schiebt normalerweise nun einer der Flügelspieler (Olise, Sané, Coman etc.) in die Zentrale. Damit die offensive Viererreihe bestehen bleibt muss nun auch diese Position aufgefüllt werden, was wiederum die Aufgabe von einem der nominellen Außenverteidiger ist (meist Laimer/ Guerreiro/ Davies). Wenn sich nun auch noch der Flügelspieler, der ins Zentrum gerückt war, wieder fallen lässt ist es die Aufgabe des nominellen Außenverteidigers die Sturmspitze aufzufüllen.

Besonders auffällig war dies im Pokalspiel gegen Leverkusen (0:1) zu beobachten. Phasenweise wirkte es dort als würde Laimer Mittelstürmer spielen, weil er immer wieder in dieser Position auftauchte und auch Torchancen bekam. Man sieht: Bereits beim Lösen aus dem gegnerischen Pressing und im Spielaufbau kommt den Außenverteidigern Bayerns eine sehr wichtige Rolle zu, weil sie all diese Positionsrochaden mitgehen müssen. Dafür bedarf es viel Flexibilität, Aufmerksamkeit und Spielintelligenz.

Abb. 2: Beispielhafte Rotation bei Bayern im Ballbesitz (Kimmich lässt sich zwischen IVs fallen, Musiala neben Pavlovic, eingerückter Olise lässt sich ebenfalls wieder fallen und AV Laimer besetzt plötzlich Sturmspitze neben Kane)

Ballbesitzphase

Wenn die Bayern einmal mit Ball in der gegnerischen Hälfte angekommen sind, versuchen sie den Gegner mit langen Ballbesitzphasen sowie Passstafetten zu erdrücken. Auch hier sind die Außenverteidiger einer der Schlüssel dafür, um sich Torchancen zu erspielen. Grundsätzlich ist ihre Positionierung in den zentralen Halbräumen sehr wichtig, weil es München ermöglicht eine Überzahl im Mittelfeld herzustellen und den Ball sehr leicht zu verlagern. Darüber hinaus setzt Kompany auch im hohen Ballbesitz auf Flexibilität und viele Rotationen: Bayern wechselt problemlos zwischen verschiedenen Strukturen hin und her. Beispielsweise wird aus dem 2-4-4 situativ ein 3-2-5 indem sich Kimmich fallen lässt, einer der beiden nominellen Außenverteidiger spielt nun Sechser und der andere Außenverteidiger rückt nach vorne in die letzte Angriffslinie.

Abb. 3: Beispielhaftes Aufrücken der Münchner (Sechs bis sieben Spieler auf letzter Linie inklusive der Außenverteidiger Davies und Laimer)

Weitere Aufgaben im hohen Ballbesitz sind zum Beispiel das situative fallen lassen aus dem zentralen Halbraum, um die gegnerischen Verteidiger herauszuziehen, sodass Kane und Musiala mehr Platz bekommen. Außerdem helfen sie mit ihrer Positionierung dabei Seiten zu überladen. Wenn Bayern der gegnerischen Box näher kommt, rückt Kimmich häufiger auf, dann wird aus dem 3-2-5 teilweise gar ein 2-1-7 mit beiden Außenverteidigern in der offensiven Siebenerreihe. Dann ist es ihre Aufgabe mit den Flügelspielern zu rochieren, Räume korrekt aufzufüllen und den Raum zu nutzen, den sie selbst durch die vielen Rochaden bekommen, um den Angriff erfolgreich abzuschließen. Ein Beispiel für Letzteres gab es im Bundesligaspiel der Bayern gegen Heidenheim (4:2) vergangene Woche häufiger zu sehen, als durch das Überladen einer Seite der ballferne Außenverteidiger immer wieder mit viel Platz den Ball in Zone 14 (zentral vor dem Sechzehner) den Ball bekam und diesen dann für einen Torschuss oder einen Pass in den Strafraum nutzen konnte.

Aggressives Gegenpressing

Zu guter Letzt haben die Außenverteidiger natürlich auch noch eine wichtige Rolle beim Gegenpressing. Dadurch, dass Bayern sehr hoch steht und die Restverteidigung nur aus den beiden Innenverteidigern besteht, müssen die Außenverteidiger nach einem Ballverlust richtig agieren, denn aus ihren Fehlern würden in einer solchen Situation sehr schnell Torchancen entstehen. Grundlegend kann man sagen, dass Kompany mannorientiert und aggressiv nach vorne verteidigen möchte und nach einem Ballverlust den Ball schnell wieder zurückgewinnen möchte. Die hohe Positionierung von Laimer und Co. hilft hierbei. Zum einen stehen die Bayern dadurch im Mittelfeld sehr kompakt und zum anderen sind oftmals die Außenverteidiger diejenigen, die nach einem Ballverlust am nächsten dran sind am gegnerischen Ballführer. Jetzt ist es ihre Aufgabe sofort zu pressen und den Ball zurückzuerobern. Dafür müssen sie die Situation schnell richtig erkennen und dann mit gutem Timing richtig handeln.

Zusammenfassung

Im aktuellen System von Bayern sind die Außenverteidiger einer der wichtigsten und zentralsten Elemente, weil sie so viele verschiedene und vielfältige Aufgaben übernehmen müssen. Egal ob im Spielaufbau, Gegenpressing oder im Herauspielen von Torchancen im letzten Drittel: Laimer, Davies, Guerreiro und Boey besetzen eine wichtige Rolle über den gesamten Platz. Die Art und Weise wie Kompany seine Außenverteidiger einsetzt und welche Aufgaben er ihnen zukommen lässt ist aktuell im europäischen Topfußball einzigartig.

Autor: LB – Bei Twitter unter @GermanGOAT zu finden

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