Bayern zersetzt das 5-3-2 – MX

Bayern dominierte die Partie wie erwartet und setzte – ähnlich wie beim letzten Aufeinandertreffen – auf Ballbesitz und Kontrolle aus einer überwiegend hohen Positionen. Heidenheim begegnete erst dem Favoriten mit einem kompakten 5-3-2-Abwehrpressing und später im 5-4-1, verzichtete dabei weitgehend auf ein höheres Anlaufen und legte den Schwerpunkt stattdessen auf ein diszipliniertes, tiefes Defensivspiel.

Honsak und Wanner mit Sechser-Fokus

Die tiefe Positionierung Heidenheims war eng mit dem Verhalten der ersten Pressinglinie um Honsak und Wanner verknüpft, die sich stark auf mannorientiertes Markieren der gegnerischen Sechser konzentrierte. Diese Fokussierung führte dazu, dass die Innenverteidiger der Bayern den Ball meist auf die Außenverteidiger weiterleiten mussten. Dort schoben die Schienenspieler – Föhrenbach oder Traoré – heraus, um die Außenverteidiger zu stellen. Auffällig war dabei die disziplinierte Zweikampfführung der Schienenspieler: Statt aggressiv zu attackieren, lag der Fokus auf einer Körperhaltung, die Pässe in die Breite unterbinden sollte. Diese Ausrichtung war entscheidend, da Bayern häufig Spieler wie Müller aus dem Halbraum breit durchschiebt, um dynamische Aktionen einzuleiten. Teils war dieses Pressing technisch nicht ganz sauber ausgeführt, gerade wenn Olise statt Müller – der eigentlich Mittelstürmer war – in die Breite auswich, wurde es gerade wegen seines Tempos extrem gefährlich.

Da Wanner und Honsak auch beim Ballbesitz von Boey oder Davies ihre mannorientierte Fixierung auf den Sechserraum beibehielten, ergab sich für den FC Bayern eine klare Konsequenz: Häufig wurde der Rückpass vom Außen- zum Innenverteidiger gewählt. Dieses Muster diente nicht nur der Ballzirkulation, sondern auch dazu, den Doppelsturm Heidenheims kontinuierlich in Verschiebungen zu zwingen und so unter Druck zu setzen.

Das 5-3-2 bei Ballspiel des Außenverteidigers; die Wichtigkeit des Verteidigens des Rückens des Schienenspielers

Isolation? Nicht mit Bayern!

Nach dem 1:0 schien es zeitweise, als hätten die Bayern einen Weg gefunden, die eigentlich solide Kompaktheit der Heidenheimer zu durchbrechen. Der Schlüssel lag in der ballfernen Vorbereitung: Pavlović und Kimmich positionierten sich frühzeitig etwas höher und breiter, um sich auf eine mögliche Spielverlagerung vorzubereiten. Dadurch wurde der Doppelsturm Heidenheims in seiner Wirkung begrenzt, da diese Bewegungen nicht konsequent mitgegangen werden konnten. Diese Herangehensweise wurde zusätzlich dadurch begünstigt, dass Heidenheim die Innenverteidiger der Bayern bei Ballbesitz der Außenverteidiger nicht isolierte, wodurch die Verlagerungen nicht nur möglich, sondern auch leicht planbar waren.

Aus dieser ballfernen Vorbereitung ergab sich häufig eine diagonale Verbindungslinie zwischen Innenverteidiger, Sechser und Flügelspieler. Diese Struktur bot eine optimale Raumbesetzung und stellte Heidenheim vor große Herausforderungen, insbesondere nach Spielverlagerungen. Das extreme horizontale Verschieben, das dadurch erforderlich wurde, führte dazu, dass die Stürmer Heidenheims oftmals weite Wege gehen mussten, während ihre Pressingwinkel zunehmend seitlich wurden. Infolgedessen ergaben sich mehrfach temporäre 3-gegen-2-Überzahlsituationen für die Bayern auf den Flügeln – ein absolutes Worst-Case-Szenario für Heidenheim. Solche Situationen spielten Akteuren wie Sané direkt in die Karten, da sie immer wieder in isolierte 1-gegen-1-Duelle kamen, in denen ihre individuelle Qualität voll zur Geltung kam.

Bayern sucht Zone 14

In der Phase um die 30. Minute zeigte der FC Heidenheim große Schwierigkeiten, den zahlreichen Rotationen der Bayern – etwa zwischen Müller und Olise oder Guerreiro und Boey – zu folgen. Die Verteidiger der Gäste hielten dabei oft zu lange an ihren direkten Gegenspielern fest. Dadurch wurden sie aus ihren Positionen gezogen, was zentrale Passwege öffnete, die Bayern gezielt und mit hoher Effizienz bespielte.

Dass die Partie zu diesem Zeitpunkt dennoch nicht bereits 0:2 oder 0:3 aus Sicht der Heidenheimer stand, lag an ihrer starken Boxverteidigung. Bayern fand nur schwer Lösungen gegen den kompakten Sechserblock, der durch das tiefere Abkippen von Maloney zusätzlich verstärkt wurde. Dieses Defensivverhalten hielt die Münchner trotz ihrer Überlegenheit vorerst von klaren Torchancen ab.

Die Bayern verzichteten bewusst auf Flanken und fokussierten sich stattdessen darauf, den Heidenheimer Block gezielt zu umspielen. Dabei zeigte sich eine Schwäche der Gäste in der Verteidigung der „Zone 14“ aus ihrer 6-3-1-Formation. Besonders nach Verlagerungen verschob die zweite Linie Heidenheims oft zu mannorientiert und ballnah, wodurch sich Räume für den eingerückten ballfernen Außenverteidiger der Bayern öffneten. Diese gezielte Raumnutzung führte zu mehreren Abschlüssen aus zentraler Position und unterstrich die Probleme Heidenheims, die entscheidenden Übergangsräume ausreichend zu sichern.

Später in der Partie agierten die Bayern vermehrt mit einem Dreieraufbau. Dabei rückte entweder ein Außenverteidiger flach neben einen Innenverteidiger, oder Pavlović bzw. Kimmich ließen sich zwischen die Innenverteidiger fallen. Diese Struktur hatte zunächst pragmatische Gründe: Sie erhöhte die Breite in der letzten Linie, was gegen die passiven Anlaufbewegungen der Heidenheimer Doppelspitze situativ Überzahlsituationen auf den Flügeln erzeugte.

Darüber hinaus spielte die Absicherung eine zentrale Rolle. Besonders bei weiten Vorstößen von Upamecano, sei es durch Andribbeln oder das Herausschieben auf den Flügel, entstand andernfalls eine Absicherungslücke. Die Betonung der Tiefensicherung, die unter Tuchel nochmals intensiviert wurde, wirkte hier als wichtiger stabilisierender Faktor, um Konterangriffe der Heidenheimer zu verhindern.

Die Heidenheimer schafften es in der ersten Halbzeit nur selten, für echte Entlastung zu sorgen. Bayern agierte mit großer Geduld, nutzte konsequent die von Heidenheim zugelassenen Verlagerungsoptionen und arbeitete stetig daran, sich qualitativ hochwertige Torchancen zu erarbeiten. Der Fokus der Gäste auf defensive Stabilität funktionierte zunächst zu weiten Teilen – etwa zu 80 %. Doch mit dem Rückstand im Rücken mussten sie zunehmend versuchen, die Bayern in eine gewisse Hektik zu zwingen, ohne dabei selbst in Unordnung zu geraten. Dieses Gleichgewicht zwischen defensiver Stabilität und offensiver Initiative stellte Heidenheim vor eine enorme taktische Herausforderung.

Heidenheim stellt auf 5-4-1 um

Kurz nach dem Pausentee (oder Glühwein) sah man dann relativ schnell, dass Heidenheim umstellte. Nun agierte man gegen den höheren Aufbau in einem 5-4-1, wo Wanner als alleinige Spitze agierte und Honsak nun als linker Mittelfeldspieler in der zweiten Pressinglinie.

Wanner agierte nun als alleinige Spitze etwas aktiver als vorher im Doppelsturm, er versuchte Upamecano und Kim akktiv auf einen Außenverteidiger zu lenken und dann im Bogen durchzulaufen und die Innenverteidiger zu isolieren. Das funktionierte auch sehr gut in der Anfangsphase, denn Bayern konnte immerhin über die Innenverteidiger nicht mehr so oft verlagern.

Die Umstellung auf das 5-4-1 hatte vermutlich den Zweck, eine Doppelbesetzung der Flügel zu erreichen, wodurch die Schienenspieler nicht mehr konstant die Außenverteidiger pressen mussten – eine Aufgabe, die gegen Ende der ersten Halbzeit technisch zunehmend schwer umsetzbar wurde. Es wirkte zeitweise so, als hinge der weitere Verlauf der Partie davon ab, wie gut Heidenheim die Übergaben der Mannorientierungen an den Flügeln gestalten konnte, insbesondere wenn Spieler rotierten oder überliefen. Diese Übergabemechanismen wurden zu einem entscheidenden Faktor im Duell mit den Bayern.

Interessant ist auch die Rolle von Gimber in diesem System. Er entscheidet am Ende, ob es ein 4-1-4-1 ist oder ein 5-4-1, ich habe mich im Bennen des Systems für ein 5-4-1 entschieden, da er nur situationsbedingt etwas vorrückte, um den Zwischenlinienraum zu schließen. Im Laufe der Partie wurde das wichtiger, weil er so auch Tiefenläufe abfangen konnte und so die Übergabe der mannorienteirungen einfacher gestaltete. Gimber war vielleicht der Trumpf, dass man zunehmend besser die Ablagenspiele im Zwischenlinienraum besser verteidigen konnte, verteidigte bspw. ein anderer Innenverteidiger heraus, so füllte er den Raum auf.

Bayern unbeeindruckt

Gegen den FC Bayern verfolgen die meisten Gegner typischerweise einen strategischen Ansatz, bei dem zunächst Stabilität hergestellt wird, um dann mit einem Entlastungsangriff eventuell ein Tor zu erzielen. Es ist daher durchaus bemerkenswert, dass ausgerechnet der FC Heidenheim in diesem Fall damit Erfolg hatte.

Bis zur 49. Minute hatte Heidenheim keinen einzigen Torschuss abgegeben, doch dann nutzte man im Dreieraufbau die volle Breite, um gegen Müller als alleinigen Stürmer zu agieren, und überraschte die Innenverteidigung der Bayern. Besonders hervorzuheben ist hier Kerber, der nicht zum ersten Mal in dieser Partie intensiv und geschickt ins Gegenpressing ging, das „Ping-Pong-Duell“ gewann und den entscheidenden Fehler provozierte.

Dabei darf man nicht nur die taktische Seite, sondern auch die mentale Komponente dieses Spiels nicht vergessen: Teams, die den Ballbesitz dominieren, können eine „falsche Sicherheit“ entwickeln, die dazu führt, dass sie sich weniger auf die defensive Absicherung konzentrieren, besonders wenn der Ball in das letzte Drittel überführt wird. Diese mentale Komponente wird als „cognitive overload“ bezeichnet und bedeutet, dass Spieler in Ballbesitz oft weniger aufmerksam gegenüber den Bewegungen und Positionen des Gegners sind.

Dass Bayern in dieser Saison jedoch ein anderes Gesicht zeigt als noch in der letzten Spielzeit, wurde besonders nach dem Rückstand deutlich. Vincent Kompany reagierte auf den Gegentreffer mit der Hereinnahme von Jamal Musiala, um die Heidenheimer Absicherung, insbesondere den herauskippenden Gimber, zu stressen. Musiala startete oft nahe an Gimber im Zwischenlinienraum, versuchte sich dann aber bewusst vom Ball zu lösen, um Gimber aus der Ballnähe zu ziehen und so den Zwischenlinienraum für die Bayern zu öffnen. Dies verschaffte den Münchenern zusätzliche Freiräume im Ablagespiel und ermöglichte ihnen, das Spielfeld besser auszunutzen.

Beim 2:1 war es dann Musiala selbst, welcher eben jenen Kniff mit dem Herausziehen anwendete, um dann Gimber im 1v1 aussteigen zu lassen und genau in dem Raum abzuschließen, den Gimber eigentlich absichern sollte.

Heidenheim schafft keine Quanität

Auch war diese Situation insofern aus Münchener Sicht günstig anzusehen, dass Heidenheim so häufig nach hinten gedrückt wurde. Ihre längeren Ballbesitzmomente trugen dazu bei, den Gegner möglichst wenig ins Spiel kommen zu lassen und Stabilität zu generieren.

Heidenheim baute aber in den wenigen Momenten grundsätzlich im 2-4-Aufbau aus oder teils bei Abkippen durch Mainka (der stammäßig mit Ball höher agierte) im 3-4-3-Aufbau. Kerber ging oft ins Zentrum, allgemein zur Vorbereitung für lange und zweite Bälle. Bei den extrem breiten Außenverteidigern, aber vor allem Traore, gab es im Timing einige gute Momente, wenngleich noch ohne Konstanz, da Bayern vertikale Optionen weitgehend durch enges Zweikampfverhalten der Außenverteidiger neutralisierte.

Allgemein setzte man in den ersten Aufbaulinien auf eine extreme Breite, und das Angriffstrio aus Wanner, Honsak und Kerber agierte sehr eng. Schöppner und Maloney agierten im zentralen Mittelfeld, während Kerber auf den Außen eine Linie nach vorne rückte. Dies bereitete den Münchenern auch deshalb die eine oder andere Schwierigkeit, weil die Defensivarbeit im Zentrum wiederum recht klar in engen Mannorientierungen im 3v3 organisiert war (gerade Davies presste immer wieder einen auf den Flügel schiebenden Schöppner an). Da diese insgesamt nicht ganz so aufmerksam wie in anderen Partien und mitunter etwas unvorsichtig gespielt wurden, gab es dazwischen bzw. vor allem dahinter Raum zur Abwehrkette. Heidenheim suchte dies, indem Siersleben oder Gimber als Innenverteidiger weit andribbelten – was Bayern zuließ, ehe dann beim Kommen des Gegnerdrucks bei bestimmter Höhe der lange Ball folgte.

Über Anschlussläufe von Maloney oder auch Schöppner nach langen Pässen ins enge Angriffstrio konnte Heidenheim vereinzelt im zweiten Drittel durchbrechen und so auch erste konkrete Abschlüsse andeuten. Tendenziell deutete auch das Angriffstrio gute Laufwege an, was die Besetzung des Raumes vor der Verteidigungslinie der Bayern angeht. Auch die Außenverteidiger schoben oft direkt nach langen Bällen hoch; vor allem Traore hatte da gute Andribbel-Momente und konnte situative Überzahlszenen kreieren. Am Ende lag es vielleicht nicht an der qualitativen Vorbereitung und der Ausführung, sondern an der quantitiven Häufigkeit der Möglichkeit, diese anzuwenden. Auch weil Bayern Umschaltmomente oft durch taktische Fouls gut unterbrechen konnte und so vor allem Wanner oft am Aufdrehen stoppte.

Fazit

Am Ende wirkte das Ergebnis wilder, als es der tatsächliche Spielverlauf nahelegte. Die Einwechslung von Leon Goretzka in der 74. Minute verschaffte den Bayern zusätzliche Stabilität und Ballsicherheit. Heidenheim verlor zunehmend den Zugriff in der ersten und zweiten Pressinglinie, wodurch die Münchener vermehrt ihre Flügelspieler Coman und Sané einbinden konnten. Insbesondere Sané nutzte den großen Zwischenlinienraum effektiv, zwang Heidenheim durch gezielte Aktionen zur Auflösung ihrer Mannorientierungen und schuf dadurch mehr Tiefe im Spiel der Bayern. Diese Anpassungen und die Ruhe am Ball, insbesondere in den entscheidenden Zonen, waren letztlich ausschlaggebend für den späten Erfolg der Gäste.

Aus dieser Perspektive fällt die Niederlage für Heidenheim weniger negativ aus, als es das Endergebnis suggerieren mag. Dennoch offenbarte Bayern gerade im vorderen Bereich eine Reihe von Eigenschaften und Stärken, die das Provozieren von Gefahrenmomenten begünstigen. Dazu zählen die präzise Umsetzung von Flügelabläufen und Rotationen sowie das gezielte Herbeiführen von Ablagespiel und Druckphasen. Diese universell anwendbaren Prinzipien erweisen sich insbesondere gegen tiefstehende Gegner als effektiv. Auch die individualtaktische Aktivität, wenngleich in den Übergangszonen nicht immer optimal, bleibt in Strafraumnähe ein entscheidender Faktor.

MX hat sich ursprünglich schon in früher Jugend im Positionsspiel à la Pep Guardiola verloren, doch jetzt hat ihn auch der Relationismus komplett gepackt. Seine Texte geistern auf Der-Jahn-Blog und miasanrot rum. Im NLZ von Jahn Regensburg hat er seine Spuren hinterlassen, aber seit ein paar Wochen treibt er sein Unwesen bei einem anderen bayerischen Team.

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