Türchen 4: Racing Santanders Relationsspiel

Wir befinden uns im Jahr 2024 n.Chr. ganz Spanien spielt Juego de Posicion …. Ganz Spanien? Nein, ein Dorf an der spanischen Nordküste voller Racinguistas, hört nicht auf unerbittlichen Widerstand zu leisten.

Nachdem die letzten 15 Jahre vom Positionsspiel geprägt wurden, hat sich in den letzten beiden Jahren der Trend des Relationsspiels entwickelt. Dabei liegt der Fokus verstärkt auf extremen Überladungen und dem Herstellen enger Verbindungen zwischen den einzelnen Spielern, umso eine überlegene Dynamik im Spiel zu erzeugen, anstatt das Spiel durch eine positionelle Überlegenheit zu dominieren. Die wohl prägnantesten Beispiele finden sich bei Malmö unter Rydström, Fluminense und Cruzeiro unter Fernando Diniz sowie Racing Santander unter José Alberto. Grundsätzlich gibt es jedoch keine Mannschaft, die ausschließlich positionell oder relational spielt. Sowohl Malmö (überwiegend relational) als auch Manchester City (überwiegend positionell) integrieren Elemente aus dem jeweils anderen „Spielkonzept“. Racing Santander kombiniert erfolgreich das Beste aus beiden Welten und führt damit die zweite Spanischen Liga mit 6 Punkten Vorsprung auf Platz 2 an. Im tiefen Spielaufbau setzen sie auf ein typisch positionelles Modell, während sie im zweiten und dritten Drittel im eigenen Ballbesitzspiel verstärkt auf relationale Elemente zurückgreifen:

Nach einem Ballgewinn und einer schnellen Verlagerung vom rechten auf den linken Flügel ergibt sich dieses Bild:

In dieser Struktur wirkt Racing ziemlich positionell, doch bereits im Ausspielen zeigen sich Unterschiede: Nachdem in Persona des Linksaußen der freier Mann gefunden wurde, dreht er nicht auf, um den freien Raum mit hohem Tempo zu attackieren. Stattdessen dribbelt er nur wenige Meter und nimmt das Tempo heraus. Durch dieses Verhalten haben sowohl die Gegner, als auch die Mitspieler die Möglichkeit, auf die andere Seite zu verschieben.

Anschließend spielt der LA den Ball zurück zum LV, der erneut einige Sekunden wartet, bis seine Mitspieler weiter durchschieben und ihm Optionen für die Fortsetzung des Angriffs anbieten.

Das Überladen einer Seite erfolgt immer nach klaren Prinzipien:

  • besetzen des Zwischenlinienraums
  • ballnahe Verbindungen herstellen
  • Breite besetzen
  • Verlagerungsoptionen
  • Absicherung
  • ballfern binden und bedrohen

Welcher Spieler welche Aufgaben übernimmt variiert von Aktion zu Aktion.

In dieser Szene bilden der LIV, RIV, sowie der RV die Absicherung, während der Stürmer den ballfernen AV und IV beschäftigt, indem er die Tiefe bedroht. Der 10ner und Rechtsaußen besetzen den Zwischenlinienraum, während der Linksaußen für die Breite sorgt und ballnahe Verbindungen herstellen kann.

Der rechte Zentrale Mittelfeldspieler kommt dem LV entgegen, um eine ballnahe Verbindung aufzubauen, und wird von diesem direkt angespielt. Sofort stellen die umliegenden Spieler Relationen her: Der LA bewegt sich wenige Schritte in den Rücken des LVs, bis er in einer diagonalen Linie „escadinha“ (übersetzt: Leiter) mit dem LV und dem Ballführenden steht. Diese Struktur erscheint aus einer positionellen Denkweise heraus suboptimal, doch in der relationalen Spielweise ist sie ein häufig gewähltes Stilmittel.

Escadinha zwischen Vencedor (RZM), Garcia(LV) und Vincente(LA)

Sie werden häufig durch Steil-Klatsch-Kombinationen oder eine sogenannte „Corta luz“ ausgespielt, bei der der mittlere Spieler, der Leiter/Escadinha , den Ball für den äußeren Spieler durchlässt. Neben dieser Verbindung bilden der LV, RZM und LZM ein typisches Dreieck, welche durch eine schnelle Kombination über den Dritten ausgespielt werden kann. In dieser Szene gestaltet sich dies jedoch aufgrund der engen Schnittstelle schwierig.

Dreieck zwischen Vencedor (RZM), Garcia(LV) und Aldasoro(LZM)

Ebenso werden im Relationsspiel viele engräumige Dribblings genutzt. Auch in dieser Szene wird dieses Stilmittel gewählt: Durch sein kurzes Dribbling zieht der RZM den gegnerischen Flügel und Stürmer auf sich, wodurch der Linksaußen frei, auf dem Flügel, steht, und dort auch vom 6er gefunden wird

Im Spiel von Racing spielen „Spiel-und-Geh“-Bewegungen eine große Rolle im eigenen Ballbesitzspiel. Hierbei spielen die Feldzonen und Startpositionen kaum eine Rolle. – wenn sich die Möglichkeit bietet, wird sie in der Regel genutzt. So auch in dieser Szene:

Sofort nach der Passabgabe orientiert sich der rechte 6er direkt nach vorne und attackiert die letzte Linie. Da die Gegner den Fokus ausschließlich auf den Ball richten, kann er ungestört und ungedeckt in den Zwischenlinienraum vorstoßen. Dadurch entsteht ein 3gg2 in der letzten Linie für Racing.

Nachdem Vincente (LA) den Ball zu Rodríguez (10) spielt, zeichnet sich erneut eine Aufreihung in einer Linie ab. Diese Struktur wird durch eine Corta Luz ausgespielt: Der 6er setzt seinen Lauf noch kurz fort, dreht jedoch ab, da Andrés Martin (RA) in Bedrängnis gerät und so den Ball zunächst behaupten muss.

Nachdem Martin (RA) den Ball behauptet hat, spielt er ihn wieder nach außen. Sofort bewegen sich der Garcia (LV) und Martin (RA) auf den Vincente (LA) zu, um ihn durch das Anbieten von Optionen zu unterstützen. Martin (RA) positioniert sich als Anspielstation für einen Doppelpass, während Garcia (LV) ihn hinterläuft.

Letztendlich überlupft Vicente (LA) seinen Gegenspieler, um den überlaufenden García (LV) anzuspielen. Sofort orientieren sich Vicente (LA) und Martin (RA) nach vorne, während García (LV) zwei Gegenspieler auf sich zieht. Durch einen erneuten Lupfpass nimmt García (LV) den gegnerischen AV und den Achter aus dem Spiel, wodurch Martin (RA), Vicente (LA) und Pablo Rodríguez (10) den gegnerischen Innenverteidiger in einer 3-gegen-1-Situation attackieren können. Durch die gegenläufige Bewegung und den angedeuteten Lauf in die Box bindet Pablo Rodríguez (10) den Innenverteidiger. Martin (RA) beläuft den Raum in der Tiefe hinter Pablo Rodríguez(10), welcher den Ball für Martin (RA) durchlässt, und so eine erneute Corta Luz vollendet.

Der rechte Winger geht anschließend auf die Grundlinie, während sich im Strafraum Pablo (10) und Arana (ST) kreuzen, um Zuordnungsprobleme bei den Verteidigern zu erzeugen.

Hierbei wird die besondere Rolle des Spielers deutlich, der sich zwischen dem ballfernen AV und IV positioniert, um diese zu binden (in dieser Szene der Stürmer, wobei dies variieren kann). Während der Überladung bleibt dieser Spieler konsequent ballfern und schaltet sich erst im oder um den Strafraum aktiv ins Spiel ein. Durch dieses Verhalten schafft er es häufig, sich von den Verteidigern zu lösen, da diese ihm meist nicht folgen, wenn er sich auf die Überladungsseite bewegt

-ND

tobit 4. Dezember 2024 um 09:20

Ich kann mit dem ganzen Relationismus-Hype immer noch nichts anfangen. Auch in diesem Beispiel sind die „tollen“ relationistischen Momente wieder alle einzig auf krasse strukturelle Fehler des Gegners und dessen grundsätzliche Passivität zurückzuführen. Gleichzeitig nutzt die relationistischen Mannschaft einfachste Möglichkeiten zur Torchancen-Erzeugung nicht oder bringt sich durch schlechte Positionierungen um diese.

Mal davon ab, dass sämtliche „relationistischen“ Konzepte einfach altbekannte basics von gutem Fussball sind und spätestens gegen den Ball kein Relationismus mehr, sondern immer Positionsspiel, stattfindet.

Antworten

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*