Bayern oder Bayer? Eine Vorschau auf das Bundesliga-Topspiel – MX, FN

Am Samstagabend kommt es in der Münchner Allianz Arena zum Aufeinandertreffen der beiden großen Meisterfavoriten. Der Meister aus Leverkusen trifft auf hungrige Münchner, die nach der verpassten Meisterschaft bereit sind, Wiedergutmachung zu leisten.

Während die Bayern unter ihrem neuen Trainer Kompany bislang fehlerfrei mit eindrucksvollen Ergebnissen wie einem 9:2 gegen Zagreb oder einem dominanten 5:0-Auswärtssieg in Bremen durch die Saison marschieren, musste Xabi Alonsos Leverkusen am 2. Spieltag gegen Leipzig mit einer 2:3-Niederlage das Ende der scheinbar endlosen Serie von 35 Spielen ohne Niederlage hinnehmen.

Wie die Vorzeichen aus taktischer Sicht vor dieser Begegnung stehen und wer als Favorit ins Topspiel geht, wird in diesem Artikel erläutert.

Mögliche Startformationen

Personell sind auf beiden Seiten kleinere Änderungen im Vergleich zu den vergangenen Ligapartien gegen Bremen bzw. Hoffenheim zu erwarten.

Auf Seiten der Bayern ist die Rückkehr von Gnabry, der gegen Bremen durch den glücklosen Coman ersetzt wurde, auf der linken Außenbahn zu erwarten. Gnabry soll durch diagonale, ballferne Läufe nach Seitenverlagerungen und zuvorigem ballnahen Überladen in der Box gefunden werden und für zusätzliche Torgefahr im Münchner Spiel sorgen.

Im Mittelfeld stellt sich zwangsläufig die Frage nach Palhinha, der mit seiner starken Arbeit gegen den Ball wie gemacht für ein Spiel dieser Art scheint, sich bislang allerdings oft auf der Bank wiederfand. Kompany setzte in den vergangenen Wochen auf das Duo Pavlovic-Kimmich, wobei Kimmich im Spielaufbau rechts in den Dreieraufbau abkippte. Eine, von uns als eher unwahrscheinlich angesehene Option wäre ein Mittelfeld aus Pavlovic-Palhinha, wobei Kimmich in den Dreieraufbau einrücken würde. Dies würde jedoch eine erhebliche Anzahl von Veränderungen in Bayerns Positionsrotationen mit sich bringen. Wir gehen daher aufgrund der Vorteile im Aufbauspiel unter Druck und in der Spielkontrolle vom Duo Pavlovic-Kimmich aus. Auf den Außenverteidigerpositionen dürfte Davies aufgrund seiner Geschwindigkeitsvorteile in der Konterabsicherung den Vorzug erhalten.

Auf der rechten Abwehrseite ist noch unklar, auf wen Kompany in Abwesenheit der beiden etatmäßigen Rechtsverteidiger Stanisic und Boey setzt. Guerreiro dürfte hier die Nase vorn haben, allerdings ist im Falle einer Entscheidung für ein 1-gegen-1-Pressing über den gesamten Platz auch ein Startelfeinsatz von Laimer nicht ausgeschlossen. Ein weiteres Fragezeichen steht hinter Manuel Neuer, der nach seiner Auswechslung gegen Zagreb immer noch mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen hat. Als Ersatz stünde hier Sven Ulreich bereit.

Bei Leverkusen dürften Hincapié und Frimpong für die zuletzt in die Startelf rotierenden Belocian und Mukiele zurückkehren. Auch im Zentrum ist zu erwarten, dass Andrich aufgrund seiner Qualitäten im Spiel gegen den Ball und seiner physischen Präsenz im Zweikampf im Vergleich zu Garcia in die Startelf rückt. Für Palacios dürfte ein Startelfeinsatz nach überstandener Knieverletzung noch zu früh kommen, weshalb er höchstens als Wechselkandidat von der Bank gilt.

Ein Fragezeichen bleibt auf Leverkusener Seite weiterhin der rechte Halbraumzehner. Für Adli spricht die Direktheit in seinem Spiel sowie die Gefahr im Umschaltspiel. Dies könnte gegen die mannorientiert und risikoreich pressenden Bayern mit regelmäßigen Läufen hinter die Abwehrkette zu einer Waffe werden. Speziell die Innenverteidiger der Bayern verteidigen unter Kompany sehr aggressiv aus der Kette heraus, wodurch sich durch geschickte Gegenbewegungen Möglichkeiten ergeben, die Tiefe zu bespielen. Für Terrier spricht hingegen sein hoher Aufwand gegen den Ball, der sich aufgrund des situativ tiefer verteidigenden Leverkusener Spiels durchaus bezahlt machen könnte. Es bleibt spannend zu sehen, für wen sich Alonso entscheiden wird.

Bayern mit Mannorientierungen gegen den Ball

Gegen den 2-3-Aufbau von Werder Bremen unterstrichen die Bayern ihre Dominanz am Ball durch eine sehr aggressiv nach vorne gerichtete Pressingweise aus einer 3-2-3-2-Anordnung heraus, mit Mannorientierungen, die sich über das gesamte Spielfeld erstreckten. Die beiden Stürmer liefen, wie bereits die gesamte Saison über, in bogenförmigen Bewegungen sowohl die Innenverteidiger als auch den Torwart intensiv an.

Der ballferne Mittelstürmer orientierte sich lose am ballfernen Außenverteidiger. Sollte der Gegner direkt diagonal verlagern, würde er versuchen, schnell den Raum zu schließen und Zugriff zu erlangen, was die direkte Mannorientierung des ballnah eingerückten Flügelspielers entlastete. Durch diese lose Orientierung auch am Außenverteidiger wurde eine Art Absicherung für die Linie dahinter geschaffen, sodass die Flügelspieler vermehrt einrücken konnten.

Dadurch stellten sie die gegnerischen Halbraumspieler in den Deckungsschatten für direkte Bälle der Innenverteidiger oder des Torwarts auf die Halbraumspieler, was wiederum die bayerischen Sechser in ihrer horizontalen und vertikalen Anordnung entlastete, da diese sich so in ihrer Ausgangsposition freier im Raum orientieren konnten und keine größeren Lücken durch die eigentliche Mannorientierung entstehen ließen.

Bayerns Pressing auf der Seite gegen ein 2-3-Aufbau (jener des SV Werder).

Eine Handlungsweise, die gegen Leverkusen eher selten zu sehen sein wird, da die Mannschaft von Alonso mit bis in die letzte Linie schiebenden Flügelverteidiger (bzw. Außenverteidiger) arbeitet, werden die Mittelstürmer eher weniger in Verbindung mit diesen Gegenspielern stehen, vielmehr erscheint es als realistisch, als müsste Bayern mit Außenverteidiger auf Außenverteidiger pressen. Hierbei wird es essenziell werden, wie man die diagonalen Verlagerungen eines Halbverteidigers auf den ballfernen Flügelverteidiger antizipiert und gleichzeitig auch Durchschieben und die Vorstöße der Halbverteidiger nach Diagonalbällen aus der Tiefe in den Zwischenraum verteidigt, gerade das Verteidigen der zweiten Bälle nach diesen Verlagerungen könnte eine enorme Rolle spielen, da hier Bayer sehr schnell versucht, eine 2v1-Situation gegen die gegnerischen Außenverteidiger.

Enorm wichtig wird dabei sein, dass die Sechser des FC Bayern frühzeitig ihre Mannorientierungen auflösen. Gerade wenn Bayern mit dem Außenverteidiger weit in die Breite verteidigen muss, versucht Leverkusen auf der gegenüberliegenden Seite eine Überladung mit drei Spielern – bestehend aus dem ballfernen Flügelverteidiger, dem Stürmer und einem offensiven Mittelfeldspieler – zu erzeugen. Dadurch wird der Zwischenraum zwischen den Spielern in der Abwehrlinie größer und man kann auf der eigentlich unterbesetzten Seite, wo der Ball ist, daraus Vorteil gewinnen, indem man diese Räume versucht zu bespielen. Dieser Raum zwischen den Spielern, gerade wenn der Außenverteidiger für direkte Duelle herausschiebt, muss dann von einem der Sechser abgesichert und gefüllt werden, denn ansonsten wird Bayer diesen Raum immer wieder aus der Tiefe anlaufen und über die Außenverteidiger bespielen können.

Andererseits muss man sagen, dass das Pressing schwer zu umspielen ist aufgrund der direkten Duelle auf dem gesamten Feld und der taktischen Präzision der Bayern enorm schwer. Sie suchen konsequent die direkten Zweikämpfe im höchsten Tempo und verhindern durch ihr aggressives Anlaufverhalten Verlagerungen seitens der Innenverteidiger oder des Torwarts. Andere Gegner, wie Wolfsburg oder Gladbach, hatten bereits Schwierigkeiten, die Diagonalbälle gegen Leverkusen zu verhindern, da das Anlaufen mit einem Stürmer diese Optionen einschränkt.

Konstellationen und Lösungsansätze

Dass Bayern, wie in den vorherigen Spielen, in einer 1v1-Anordnung gegen die Dreierkette im Aufbau von Leverkusen anläuft, scheint angesichts des Stellenwerts dieses Spiels und des Risikos gegen spielstarke Mannschaften eher unwahrscheinlich. Es könnte daher interessant werden zu beobachten, ob Bayern in der ersten Pressinglinie nur mit einem Stürmer presst oder doch, etwas wahrscheinlicher, mit zwei, und wie sie den einen zusätzlichen Spieler einsetzen. Bayern versucht allgemein, durch das bogenförmige Anlaufen der ersten Pressinglinie den Gegner auf die Außen zu drängen oder Dribblings der Innenverteidiger zu provozieren. Anschließend erzwingt der FCB direkte Duelle, indem die Zentrumsspieler vor ihre Gegenspieler rücken und diese über den Deckungsschatten isolieren. Gleichzeitig positionieren sich die Außenspieler des Gegners leicht breiter als die Defensivspieler der Bayern, wodurch die Auslinie als zusätzlicher „Mitspieler“ genutzt wird.

So könnte das Pressing gegen ein 3-2-4-1 aussehen. -1 durch die Doppelspitze in der ersten Linie, Außenverteidiger auf Flügelverteidiger und vorgeschiebende Mannorientierungen im Zentrum

Der zweite Spieler in der ersten Pressinglinie war beispielsweise im Spiel gegen Bremen Michael Olise, ein Flügelspieler, der für das mannorientierte Pressing ins Zentrum eingerückt war. Dadurch agierte Laimer, der Rechtsverteidiger, deutlich höher und übernahm die Aufgaben, die normalerweise ein Flügelspieler in diesem Pressingsystem erfüllt. Diese Anpassung führt jedoch zwangsläufig dazu, dass in der Abwehrlinie ein Spieler fehlt, was häufig zu 3-gegen-3-Duellen führte. Bremen, ebenso wie Zagreb, versuchten diese Situationen mit langen Bällen zu lösen, in der Hoffnung, ein Duell zu gewinnen, tief durchzubrechen und schließlich vor dem Tor zu stehen.

Diese Vorgehensweise funktionierte bislang gegen fast alle Gegner sehr gut, da es ihnen schwerfiel, sich aus dem Druck zu befreien. Die Bayern erzielten häufig Ballgewinne in extrem hohen Zonen und konnten dank der hohen Anzahl an Spielern im gegnerischen Drittel durch ihre Mannorientierungen schnell umschalten. Die Flügelverteidiger von Leverkusen werden von den bayerischen Außenverteidigern mannorientiert gepresst. Dabei ist es essenziell, dass Bewegungen zum Ball auf dem ballnahen Flügel frühzeitig mitgegangen werden und der Zweikampf rechtzeitig gesucht wird. Auf der ballfernen Seite agiert der bayerische Außenverteidiger oft etwas tiefer, rückt jedoch leicht heraus, um Zugriff bei diagonalen Verlagerungen auf den ballfernen Flügelverteidiger von Bayer zu erlangen. Dabei bleibt die Gesamtstruktur weitgehend stabil, ohne durch das Herausrücken gefährdet zu werden.

Ein Punkt, der insbesondere nach Führungen von Bedeutung ist, ist die abwartende Spielweise von Bayer 04. Mit dem Wissen, dass der Gegner gezwungen ist, das Spiel zu machen, provoziert Leverkusen das gegnerische Pressing im eigenen Aufbau und steuert das Spiel gezielt in bestimmte Zonen. Diese Herangehensweise bietet sich auch unabhängig von einer Führung an, indem Hrádecký aktiv in das Aufbauspiel eingebunden wird. Da bei 1-gegen-1-Duellen auf dem gesamten Feld der Torhüter frei wäre, könnte dieser zusätzliche Spieler in der ersten Aufbaulinie mehr Breite für die Halbverteidiger schaffen, die dadurch weiter andribbeln könnten. Diese Breite würde den Bayern Probleme bereiten, da sie gezwungen wären, horizontal weiter zu verschieben, wodurch die Zwischenräume größer werden. Dies erschwert es den bayerischen Stürmern, ihre Deckungsschatten über die Sechser hinweg aufrechtzuerhalten. Jedoch bleibt es fraglich, inwieweit man Hrádecký in diese Situationen eingebundet bekommen, da er in der Vergangenheit zwar enorme Probleme im Aufbau aus einer Torwartkette heraus hatte, die Lernkurve aber sichtlich nach oben zeigt – auf alle Fälle wäre es ein enormer Trumpf.

Zudem könnte das Verschieben des bayerischen Pressingblocks auf die ballnahe Seite dazu führen, dass Bayer über den zusätzlichen Spieler, also den Torhüter, eine Überzahl auf der ballfernen Seite über jene tiefe Torwartkette schafft. Wenn der Flügelverteidiger, der offensive Halbraumspieler und der Halbverteidiger in den ballfernen Flügel schieben, entsteht eine 3-gegen-2-Überzahl gegen den bayerischen Außenverteidiger und Sechser. Diese Überzahl könnte durch diagonale Verlagerungen genutzt werden, da die Mannorientierungen der Bayern durch die größere Breite an Effektivität verlieren. Hierbei wird es essenziell, inwieweit Bayern durch das Einsetzen einer Doppelspitze auch Verlagerungsoptionen über den mittlereren Innenverteidiger wie den Torhüter unterbindet. Tendenziell könnte es auch wichtig werden, dass man die Abstände in der ersten Pressinglinie zu den direkten Gegenspielern eng und klein hält, damit man möglichst schnell den Zweikampf über das bogenartige Anlaufen suchen kann und so auch einen Diagonalball unterbindet.

Eine weitere Möglichkeit für Leverkusen besteht darin, sich durch Ablagenspiel und das Spiel in den Druck auf dem Flügel zu befreien. Dies ist vor allem dann möglich, wenn beispielsweise ein Stürmer abkippt, im Druck angespielt wird und der herausrückende Innenverteidiger nicht genügend Druck im Zweikampf von hinten aufgrund der leichten Zögerlichkeit ausüben kann. Allgemein wird es für Bayern von hohem Stellenwert sein, dass sie sich nicht zu sehr von den Abkippbewegungen aus der letzten Linie von Leverkusen beeinflussen lassen. Gerade der SC Freiburg zeigte, dass die Innenverteidiger von Bayern auch weite Wege mit zurückfallenden Stürmern mitgehen und man daraufhin den frei werdenden Raum hinter dem Innenverteidiger durchaus bespielen kann. Wenn die Halbraumspieler von Leverkusen in den richtigen Momenten direkt in die Tiefe durchschieben und allgemein gut mit den Abkippbewegungen von beispielsweise Boniface abgestimmt sind, deuten sich spannende Konstellationen an. Boniface kann durch sein Abkippen als Stürmer in die Überladungszone ein schnelleres Ausspielen der Angriffe durch den zusätzlichen Spieler ermöglichen. Gleichzeitig bindet er die gegnerische Verteidigungslinie und öffnet Räume im Rücken dieser.

Lösungsansätze von Bayer mit einer Torwartkette über eine ballferne Überzahl und dem Druckspiel

Auch gut vorstellbar ist, dass Florian Wirtz eine Schlüsselrolle beim Besetzen dieser Räume zukommt, da er ein Paradebeispiel für eine dynamische Positionsbesetzung ist. Das Aufgeben der Stürmerposition erfordert Dynamik und Aktivität im gesamten Konstrukt, aber wenn es eine Mannschaft gibt, die diese Fragestellung lösen kann, dann Bayer 04. Es ist gut vorstellbar, wenn Bayer 04 sich genau auf den Moment vorbereitet, ohne es in der Ausführung zu überdrehen, da sie sich dadurch besonders hohe Chancen errechnen, die letzte Linie zu öffnen. Dabei dürften sie nicht stur die Verlagerung bespielen, sondern auch rechtzeitig die Drucklösung suchen und versuchen, ballferne Zonen zu bespielen, wo Bayern im Pressing leichte Nachteile besitzt – dieses Wechselspiel aus Bespielen der engen Räume, rausgehen aus der Überladung, suchen der Breite könnte entscheidend werden.

Bayerisches Gegenpressing als Schlüsselelement

Unter Kompany setzen die Bayern neben dem mannorientierten Angriffspressing auch auf ein hochintensives Gegenpressing nach Ballverlusten. Dieses Gegenpressing dient zum einen dazu, sich durch sofortige Rückeroberungen dauerhaft im Angriffsdrittel festzusetzen. Gleichzeitig verhindert es Kontersituationen, indem der Ball schnell wiedergewonnen wird.

Durch die hohe Positionierung der Münchner und ihre offensive Denkweise ist das Gegenpressing zwar kompakt, wird jedoch oft nur in einem 2-1-System abgesichert. Dadurch entstehen auf den Außenbahnen freie Räume, die nach einem erfolgreichen Überspielen des Gegenpressings bespielt werden können. Leverkusen verfügt zweifellos über die technische Qualität, sich gelegentlich aus dem Gegenpressing zu befreien. Mit schnellen Umschaltspielern wie Frimpong, Boniface oder Adli können sie die freien Räume auf den Außenbahnen belaufen. Dadurch könnten sie Kim und Upamecano, die große Räume in Richtung des eigenen Tores verteidigen müssen, vor Probleme stellen.

Die Qualität des bayerischen Gegenpressings könnte somit zu einer der entscheidenden Schlüsselsituationen dieses Topspiels werden. Wenn es Leverkusen gelingt, das Gegenpressing zu umgehen und schnell in die freien Räume vorzustoßen, könnten sie die Münchner Defensive vor große Herausforderungen stellen.

Weit aufgerückte Bayern in der Gegenpressingsituation nach Ballverlust im Angriffsdrittel mit viel Raum auf den Außen

Fluide Positionsspiel der Bayern

Im eigenen Ballbesitz bestechen die Bayern vor allem durch eine hohe Aktivität ohne Ball, mit vielen Positionswechseln und Gegenbewegungen. Das große Ziel ist es, die Mannorientierungen des Gegners zu manipulieren und die freigezogenen Räume zu besetzen. So kommt es beispielsweise vor, dass sich Musiala, der unter Kompany deutlich stärker in den Spielaufbau involviert ist, häufig in die zweite Linie neben die Sechser abkippen lässt und den Ball zwischen den Innenverteidigern von Neuer abholt.

Kimmich kippt regelmäßig diametral nach rechts in den Dreieraufbau, um Überzahl in der ersten Linie herzustellen. Die Außenverteidiger agieren je nach Kimmichs Positionierung entweder im Zentrum oder als rechte Halbverteidiger. Sie bieten dabei eine breite Anspielstation in der ersten Linie oder schieben in den Zwischenraum der letzten Linie hoch, um dort für Gegnerbindung zu sorgen. Aufgrund der vielen Positionswechsel ist eine starre Struktur im Spiel der Bayern kaum zu erkennen. Je nach Spielsituation wird zwischen einem 2-4-4, 3-1-6, 3-2-5 oder einem 2-3-5 im letzten Drittel rotiert.

Sollte ein Gegner, wie zuletzt Bremen, auf eine Raumverteidigung aus einem geordneten Mittelfeldpressing setzen, wird die Anzahl der Rotationen bewusst reduziert, und die maximale Breite des Spielfelds wird genutzt. Durch Abkippbewegungen außerhalb des Blocks durch die als Achter agierenden Außenverteidiger wird das Mittelfeldpressing diagonal von außen bespielt. Dabei versucht Bayern, durch das Zirkulieren des Balls Lücken im Schiebeverhalten des Mittelfelds zu finden, um den Zwischenraum effektiv zu nutzen.

Probleme im Leverkusener Pressing

Dieses fluide Positionsspiel der Bayern stellt eine Herausforderung für das mannorientierte Leverkusener Angriffspressing dar, das – wie bereits im Spiel gegen Gladbach zu sehen war – nicht fehlerfrei ist.

Gladbach baute in diesem Spiel aus einem 3-2-2-3 auf. Netz agierte dabei hochschiebend als asymmetrischer Außenverteidiger in der Breite der letzten Linie. Der zentrale Stürmer in Leverkusens 5-2-3-Pressing war der erste Anläufer und schob mannorientiert im Bogen auf den zentralen Innenverteidiger, um das Spiel auf eine Seite zu lenken. Die gesamte erste Pressinglinie sowie die beiden Sechser pressten sehr zentrumsorientiert und versuchten, durch Deckungsschatten die Passwege auf Gladbachs Sechser zuzustellen. Sobald das Pressing durch den Stürmer ausgelöst wurde, lenkten sie den Ball nach außen.

Der ballferne Halbraumzehner kippte nach Schließen der ballnahen Seite auf den ballfernen Gladbacher Sechser ab. Dies führte dazu, dass sich der ballferne Sechser der Leverkusener fallen lassen konnte, um den zentralen Zwischenraum zu sichern. Durch die hohe Positionierung von Netz wurde Frimpong in der letzten Linie gebunden, was immer wieder Räume hinter Leverkusens rechtem Halbraumzehner eröffnete. Dieser presste den linken Halbverteidiger mannorientiert, wodurch diese Räume durch Abkippbewegungen von Plea genutzt werden konnten. Plea konnte sich durch das zögerliche Rausschiebeverhalten von Tapsoba aufdrehen oder durch Ablagen auf einen nachrückenden Sechser das Pressing befreien.

Leverkusener Probleme im Pressing gegen Gladbach, Szene aus der 3. Minute

Herausforderungen für Leverkusens Pressing

Im tiefen Spielaufbau baut Bayern bevorzugt aus einem de Zerbi-esquen 2-4-4 heraus auf mit Neuer zwischen den breitstehenden Inneverteidigern als zusätzlicher Spieler in der ersten Linie, in der zweiten Linie agierenden Außenverteidigern und abkippenden Stürmern mit Musiala und Kane. Besonders Musiala kippt immer wieder bis tief in den Spielaufbau ab um dort für Überladungen zu sorgen und seinen direkten Gegenspieler – meist ein Innenverteidiger – vor die Entscheidung zu stellen die Kette zu halten oder Musialas Wege bis tief in Bayerns Hälfte mitzugehen. Speziell sobald Kimmich oder Pavlovic eine etwas tiefere Positionierung einnehmen oder gar sich den Ball von Neuer zwischen den Innenverteidigern abholen und so ihre Mannorientierung herausziehen erfolgt die Abkippbewegung Musialas.

Für Leverkusens Pressing wird es daher entscheidend sein, die Mannorientierungen zum richtigen Zeitpunkt zu übergeben und sich schnell genug im Raum zu orientieren, um möglicherweise eine Reihe zurückzufallen und sich neu zu organisieren. Eine Möglichkeit auf dieses fluide Spiel der Bayern zu reagieren wäre im Pressing eine +1 Überzhal im Sechserraum herzustellen. Dieser Spieler könnte jederzeit Kane oder Musialas Abkippbewegungen aufnehmen und diesen dann auch bis tief in die gegnerische Hälfte zu folgen. Wenn nötig wäre auch ein Herausspringen auf einen der gegnerischen Sechser möglich um in ein situatives 1-gegen-1 auf dem ganten Platz überzugehen. In erster Linie würde man dann mit Mannorientierungen auf die beiden Innenverteidiger pressen und einem Anläufer im gegnerischen Sechserraum. Ballnah wird dann Flügelverteidiger auf Außenverteidiger gepresst, während der ballferne Flügelverteidiger in die letzte Linie zurückfällt und dort die Abstände zu verkleinern.

Möglicher Pressingansatz mit einer +1 Überzahl in der letzten Linie, situatives Mann-gegen-Mann Pressing

Mögliches Leverkusener Mittelfeldpressing

Dies wäre allerdings eine sehr anspruchsvolle Lösung, da Bayern durch das Auseinanderziehen von Kimmich und Pavlovic den Anläufer im Sechserraum vor die Entscheidung stellen könnte: Entweder schiebt er auf den abkippenden Sechser heraus und gewährt Bayern einen freien Mann im Sechserraum, oder er hält seine Position, was Bayern durch eine Überzahl in der ersten Linie Spielkontrolle verschafft. Nicht nur deshalb, sondern auch aufgrund eines möglichen konservativeren Matchplans wird Leverkusen darauf vorbereitet sein, aus einem Mittelfeldpressing heraus zu verteidigen.

Die Leverkusener bewiesen bereits in der letzten Saison, dass sie nach Führungen in der Lage sind, in ein kompaktes, raumorientiertes Mittelfeldpressing zurückzufallen, das Spiel zu verwalten und Fehler des Gegners eiskalt zu bestrafen. Nicht zuletzt im Februar gegen die Bayern agierten sie nach einer 1:0-Führung auf diese Weise und legten schließlich zwei weitere Tore nach. Der Fokus dieses 5-2-3-Mittelfeldpressings liegt – wie so oft – auf dem Schließen des Zentrums. Durch die enge Positionierung der ersten Pressinglinie sollen Pässe ins Zentrum blockiert und das Spiel auf die Außen gelenkt werden, wo dann zugeschlagen wird. Sollte dennoch ein linienbrechender Pass durch das Zentrum erfolgen, schieben die Innenverteidiger extrem aggressiv aus der Kette heraus, um eine Aufdrehbewegung im gefährlichen Zwischenraum sofort zu unterbinden.

Gegen die Bayern wird vor allem das kollektive ballseitige Verschieben einer der Schlüssel sein, da Bayern immer wieder durch die enge Positionierung der Außenverteidiger in der Halbspur versucht, die gegnerische Mittelfeldlinie auseinanderzuziehen und den Zwischenraum zu öffnen. Anschließend wird dieser Raum bespielt, oder es wird versucht, den Außenspieler in 1-gegen-1-Situationen zu isolieren. Häufig werden Kane und Musiala in diesen Räumen gefunden, aber auch der ballferne Außenverteidiger beläuft den Zwischenraum, um eine weitere Anspielstation zu bieten und die Tiefe durch die Angreifer in der letzten Linie zu nutzen. Speziell die Leverkusener Halbraumzehner werden gegen den Ball einen hohen Aufwand betreiben müssen, um diese Linien zu schließen und zwischen einem 5-2-3 und einem 5-4-1 zu pendeln.

Ein weiterer Schlüssel in Leverkusens Defensive wird die starke Raumorientierung im Zentrum und das richtige Timing beim Wechsel zu Mannorientierungen sein, um nicht in Passivität zu verfallen. Dadurch soll das von Kompanys Bayern übliche Herausziehen einzelner Spieler und das damit verbundene Öffnen der Räume im Leverkusener Block verhindert werden.

Mögliches Szenario wie die Bayern ein mögliches Mittelfeldpressing der Leverkusener bespielen

Fazit

Aufgrund des starken Saisonstarts scheinen die Bayern als Tabellenführer leicht favorisiert in den ersten Härtetest unter Vincent Kompany zu gehen. Aus taktischer Sicht ist es ein Spiel auf Messers Schneide, und es wird spannend zu sehen, welche Anpassungen beide Trainer vornehmen und inwieweit sie sich an den Gegner anpassen.

Ein großer Faktor in diesem Topspiel könnte die Qualität des mannorientierten Pressings und Gegenpressings der Münchner werden, das Leverkusen vor Probleme stellen dürfte. Es wird auch interessant sein zu beobachten, ob sich Alonso für das konservativere Mittelfeldpressing entscheidet und damit den Bayern die Spielkontrolle überlässt. Eines ist jedoch sicher: Wir werden ein hochspannendes Topspiel zu sehen bekommen, nach dem beide Seiten schlauer sein werden, wo sie derzeit stehen.

Über die Autoren: MX hat eine Vorliebe für besonders auf Ballbesitz ausgerichtete Mannschaften, steht mittlerweile aber auch auf Relationismus. Neben Der-Jahn-Blog schreibt er auch für miasanrot. Vorher war er im Analysebereich des NLZ von Jahn Regensburg tätig.

Über die Autoren: FN beschäftigt sich mit intensiv mit Taktiktheorie als auch Analysen zu aktuellen Spielen und Entwicklungen im Fußball. Auf Twitter ist er als @felixnb aktiv.

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